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Neue Rechtsprechung zur Pauschvergütung nach § 99 BRAGO

Richter am Oberlandesgericht Detlef Burhoff, Ascheberg/Hamm

aus StraFo 2003, 158 ff. - Stand etwa März 2003

Ich bedanke mich bei der Schriftleitung des StraFo für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus dem "StraFo" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.


Hinweise:
Zur besseren Lesbarkeit im Internet sind die Fußnoten des Originalbeitrags in Klammerzusätze umgewandelt worden; der darin enthaltene Text ist hier in roter Schrift gesetzt.

Im Originalbeitrag im "StraFo" sind die Rechtsprechungsnachweise jeweils nur beim ersten Zitat mit allen maßgeblichen Fundstellen zitiert, bei späteren Zitaten wird dann auf diese Fußnote verwiesen. Diese Verweise sind hier durch "[s.o.]" ersetzt; die Konkordanz kann aber ohne Schwierigkeiten mit der Suchenfunktion des Browsers [Strg F] gesucht werden.

Soweit Rechtsprechung des OLG Hamm auf meiner Homepage im Volltext eingestellt ist, kann die jeweilige Entscheidung durch Anklicken der Fundstelle aufgerufen werden.

Dieser Beitrag aktualisiert meine Rechtsprechungsübersichten aus 1999 (Burhoff, StraFo 1999, 261 ff. = www.burhoff.de.) bzw. aus 2001 (Burhoff, StraFo 2001, 119 ff. = www.burhoff.de; s. auch meinen zusammenfassenden Beitrag "Die Pauschvergütung des Pflichtverteidigers" in ZAP F. 22, S. 625, der im Volltext auf meiner Homepage www.burhoff.de eingestellt ist). Wegen der besseren Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit habe ich Aufbau und Gliederung der früheren Beiträge weitgehend beibehalten. Deshalb ist auch wieder ein ,,ABC der Pauschvergütung" angefügt, dessen Stichworte ebenfalls denen der früheren Beiträge gleichen (Die angeführten neuen Entscheidungen des OLG Hamm sind alle auf meiner Homepage www.burhoff.de eingestellt, die zitierten, nicht veröffentlichten Entscheidungen des KG sind eingestellt auf der Homepage der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. unter www.strafverteidiger-berlin.de.) Aus Platzgründen beschränkt sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Wiedergabe der Leitsätze der obergerichtlichen Entscheidungen.


Inhalt

I. Allgemeines

II. Allgemeine Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung

1. Grundsätze

2. Besonders umfangreiche Strafsache

a) Allgemeines

b) Maßgeblicher Zeitraum

c) Berücksichtigung unnötiger Anträge?

3. Besonders schwierige Strafsache

III. Höhe der Pauschvergütung

IV. Bewilligungsverfahren

1. Antrag

2. Gegenvorstellung

3. Vorschuss/Abschlagszahlung

4. Verjährung

V. ABC der Pauschvergütung


Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeines

Streit besteht, ob eine für den Pflichtverteidiger nachteilige Sachbehandlung im Gebührenfestsetzungsverfahren ggf. durch die Gewährung einer Pauschvergütung ausgeglichen werden kann. Das OLG Köln (OLG Köln Rpfleger 2001, 615) hat diese Frage verneint, das OLG Hamm (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 137/2002 = NStZ-RR 2002, 158 = AGS 2002, 108 m. zust. Anm. Madert, AGS 2002, 109 = JurBüro 2002, 302 = Rpfleger 2002, 379 = StraFo 2002, 307)hat sie hingegen bejaht.

Inhaltsverzeichnis

II. Allgemeine Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung

1. Grundsätze

Die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger umfasst auch die Befugnis zur Vertretung bei der Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche des Verletzten. Einer zusätzlichen Bestellung bedarf es insoweit nicht. Daher sind die im Adhäsionsverfahren ggf. erbrachten Tätigkeiten bei der Bewilligung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 453/2001 = Rpfleger 2001, 513 = JurBüro 2001, 531 = StraFo 2001, 361 = StV 2002, 89 (Ls.) = AGS 2002, 110 m.w.N.). Der dem Nebenkläger als Beistand beigeordnete Rechtsanwalt, der über § 102 BRAGO ebenfalls eine Pauschvergütung erhalten kann, ist allerdings nur dann befugt, für den Nebenkläger vermögensrechtliche Ansprüche gegen den Angeklagten im Adhäsionsverfahren einzuklagen und seine diesbezüglichen Gebühren gegen die Staatskasse dann geltend zu machen, wenn er dem Nebenkläger im Rahmen der Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 404 Abs. 5 Satz 2 StPO, § 121 Abs. 2 ZPO gesondert für das Adhäsionsverfahren beigeordnet worden ist (ZAP EN-Nr. 454/2001 = JurBüro 2001, 530 = Rpfleger 2001, 565 = NStZ-RR 2001, 351 = AGS 2002, 252); das entspricht im Übrigen der Auffassung des BGH (BGH StraFo 2001, 306 = NJW 2001, 2486 = Rpfleger 2001, 370). Ist er nicht beigeordnet, sind seine diesbezüglichen Tätigkeiten bei der Bewilligung einer Pauschvergütung ohne Belang. Ebenfalls nicht berücksichtigt wird bei der Gewährung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO durch das OLG der vom Verteidiger für die Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung beim BGH erbrachte Zeitaufwand, insoweit ist der BGH zuständig (H.M.; vgl. zuletzt OLG Hamm ZAP EN-Nr. 795/01 = AGS 2002, 36 m.w.N. und m. Anm. Madert = JurBüro 2003, 24). Schließlich: Die besondere Bedeutung der Angelegenheit für den Angeklagten bzw. den Nebenkläger oder das in der Öffentlichkeit hervorgerufene große Interesse an dem Verfahren hat nur dann für die Frage der Bewilligung einer Pauschvergütung Bedeutung, wenn sich daraus für den zeitlichen Arbeitsaufwand direkte Konsequenzen ergeben (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 393/2002 = JurBüro 2002, 419 = AnwBl 214, 664 (für das sog. Nivel-Verfahren wegen der allgemeinen Beachtung in der Weltöffentlichkeit bejaht); verneint für den Nebenkläger von OLG Hamm, Beschl. v. 30.9.2002, 2 (s) Sbd. VII -- 188/02 und für den Angeklagten von KG, Beschl. v. 23.4.2001, 4 ARs 20/01).

Inhaltsverzeichnis

2. Besonders umfangreiche Strafsache (Siehe auch das u.a. ,,ABC")

a) Allgemeines (Siehe auch StraFo 1999, 261; StraFo 2001, 119)

Bei der Beurteilung der Frage, ob es sich (schon) um ein ,,besonders umfangreiches" Verfahren im Sinne von § 99 BRAGO gehandelt hat, ist die Gesamtschau aller Umstände erforderlich (Vgl. u.a. OLG Hamm, Beschl. v. 12.3.2001, 2 (s) Sbd. 6-6/01). Das OLG Hamm hat bei einem Wirtschaftsstrafverfahren den ,,besonderen Umfang" unter folgenden Voraussetzungen (schon) bejaht: Zwar nur 18 Bände Verfahrensakte, aber 850 Beweismittelordner, die durchzusehen und auszuwerten waren, zeitliche Beanspruchung der Antragsteller durch die Hauptverhandlungsdauer nur bei durchschnittlich rund 3 Stunden 30 Minuten, lockere Terminierung, aber zeitlicher Aufwand zur Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Hauptverhandlungstermine (OLG Hamm AGS 2001, 182 = JurBüro 2001, 476 = StraFo 2002, 70). Der besondere Umfang der Sache kann sich auch aus einer schwierigen Persönlichkeit des Angeklagten ergeben, die intensive und umfangreiche Gespräche während der Hauptverhandlung erforderlich macht. Hier ist auch eine erhebliche Mühewaltung im Beratungsgespräch, bevor der Angeklagte ein Geständnis ablegt, welches zur Verfahrensverkürzung führt, zu berücksichtigen (OLG Düsseldorf StV 2002, 89 (Ls.)). Bejaht worden ist der ,,besondere Umfang" auch bei zwei Hauptverhandlungsterminen mit einer durchschnittlichen Dauer von 5 Stunden 38 Minuten und vier Besprechungen von jeweils mehr als 45-minütiger Dauer (OLG Hamm StV 2002, 90). Das KG (KG, Beschl. v. 31.1.2001, 4 ARs 134/00) hat eine Pauschvergütung in einem Verfahren abgelehnt, in dem der mit der Vorbereitung der Hauptverhandlung verbundene besondere Arbeitsaufwand durch eine weit unterdurchschnittliche Verhandlungsdauer von 3 Stunden und 40 Minuten kompensiert wurde.

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b) Maßgeblicher Zeitraum

Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung sind nun auch nach Auffassung des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001,158 = Rpfleger 2001, 320 = AGS 2001, 129 = StV 2002, 92) und der des OLG Hamm (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 487/01 = Rpfleger 2001, 450 = NStZ 2001, 498 = AGS 2001, 199 = JurBüro 2001, 526 = StV 2002 (Ls.)) über eine Anwendung von § 97 Abs. 3 BRAGO die Tätigkeiten zu berücksichtigen, die der gerichtlich bestellte Rechtsanwalt vor seiner Bestellung als Wahlverteidiger erbracht hat. An ihrer bisher anders lautenden ständigen Rechtsprechung (Vgl. die Nachweise bei Burhoff, StraFo 1999, 263 Fn 38 f.) haben die Senate nicht länger festgehalten und sich der -- inzwischen damit wohl -- überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung angeschlossen (Vgl. die Nachweise bei Burhoff, StraFo 1999, 263 Fn 39; StraFo 2001, 2001, 12 Fn 22 ff.).

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c) Berücksichtigung unnötiger Anträge?

Das OLG Hamm hat in Zusammenhang mit der Frage der Berücksichtigung einer größeren Zahl von Besuchen des Mandanten in der Justizvollzugsanstalt durch den Pflichtverteidiger ausgeführt, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts ist, nachträglich im Verfahren über die Gewährung einer Pauschvergütung die Berechtigung von vom Pflichtverteidiger während des Verfahrens als notwendig und erforderlich angesehenen Besuchen in der Justizvollzugsanstalt zu überprüfen (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 63/2001 = JurBüro 2001, 194 = StV 2002, 93 = NStZ-RR 2002, 95). In dieser Entscheidung hat sich das OLG Hamm der Meinung angeschlossen, die in der Literatur die Frage, ob auch "unnötige Anträge" bei der Bewilligung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen sind, bejaht, (Vgl. wegen der Nachw. Burhoff, StraFo 1999, 264 Fn 44) angeschlossen. Etwas anderes kann aber auch nach Auffassung des OLG Hamm dann gelten, wenn ersichtlich von einem Missbrauch der Verteidigerrechte auszugehen ist (OLG Hamm, a.a.O.).

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3. Besonders schwierige Strafsache

Ein amtsgerichtliches Verfahren, das aus fünf verbundenen Verfahren entstanden ist, ist auch bei Vernehmung von 13 Zeugen nicht ,,besonders schwierig" im Sinne von § 99 BRAGO (OLG Hamm StraFo 2002, 414). Wenn der Rechtsanwalt einem Zeugen als Zeugenbeistand beigeordnet ist, kann sich die besondere Schwierigkeit aus der gesamten, für den Zeugen bedrohlichen Verfahrenssituation ergeben, sowie ggf. aus einer starken Sicherung des Zeugen, wenn dieser sich z.B. in einem sog. Zeugenschutzprogramm befindet (OLG Hamm StraFo 2001, 107 = JurBüro 2001, 134 = AGS 2001, 81). Die "besondere Schwierigkeit" lässt sich bei einem landgerichtlichen Verfahren nicht generell damit verneinen, dass die Strafkammer in der Hauptverhandlung nur mit zwei Berufsrichtern besetzt gewesen sei (OLG Hamm, Beschl. v. 18.11.2002). Sie kann sich aus einer schwierigen Beweisführung, wie z.B. bei einer Wiedererkennungsproblematik oder bei ,,Aussage gegen Aussage", ergeben (OLG Hamm, Beschl. v. 18.11.2002, 2 (s) Sbd. VII -- 221/02 (Wiedererkennungsproblematik); Beschl. v. 17.3.2003, 2 (s) Sbd. VII -- 43/03 (Aussage-gegen-Aussage-Problematik)). Im Strafvollstreckungsverfahren kann die Tätigkeit ,,besonders schwierig" und ,,besonders umfangreich" sein, wenn die Persönlichkeit des Verurteilten besonders schwierig ist und der Pflichtverteidiger sich nicht nur mit einem fachwissenschaftlichen Gutachten über die Persönlichkeit des Verurteilten auseinander setzen, sondern auch die umfangreichen Akten und Beiakten einsehen muss (OLG Hamm JurBüro 2001, 641).

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III. Höhe der Pauschvergütung

Ist ein Strafverfahren über einen Zeitraum von zwei Jahren nicht betrieben worden bzw. war ausgesetzt, kann, wenn sich zwischenzeitlich die Höhe der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren geändert hat, auch im Pauschvergütungsverfahren der Rechtsgedanke des § 13 Abs. 3 BRAGO "berücksichtigt werden (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 555/01 = JurBüro 2002, 78). Bei der Bemessung der Pauschvergütung ist im Übrigen als verfahrensbezogener Umstand ggf. auch zu berücksichtigen, wenn das Bewilligungsverfahren lange, d.h. i.d.R. mehr als ein Jahr gedauert hat (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 222/2001 = StV 2002, 90 = AGS 2001, 154). Bei der Bemessung der Pauschvergütung ist ein großzügigeres Annähern an die "Grenze" der Wahlverteidigerhöchstgebühr insbesondere nach der so genannten "Geldwäscheentscheidung" des BGH erforderlich (Vgl. dazu BGHSt 47, 68). Wenn danach nämlich als Ausweg zur Vermeidung des Vorwurfs der ,,Geldwäsche" dem Strafverteidiger ggf. nur die Möglichkeit der Beiordnung als Pflichtverteidiger bleibt, muss dem durch eine angemessene Pauschvergütung Rechnung getragen werden. Anderenfalls wäre das Recht des Angeklagten auf eine ausreichende Verteidigung in unzumutbarer Weise eingeschränkt (OLG Hamm, Beschl. v. 2.12.2002, 2 (s) Sbd. VII 242/02; Beschl. v. 18.12.2002, 2 (s) Sbd. VII 252/02). Das gilt vor allem dann, wenn gegen den ehemaligen Angeklagten auch der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung erhoben worden ist. Auch wenn das Verfahren insoweit eingestellt worden war, bestand gerade wegen dieses Vorwurfs die besondere Gefahr des Vorwurfs der Geldwäsche gegenüber dem Verteidiger.

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IV. Bewilligungsverfahren

1. Antrag

Grundsätzlich obliegt es dem Pflichtverteidiger, seinen Pauschvergütungsantrag zu begründen (Siehe dazu auch Burhoff, AGS 2001, 266 ff.; ders., BRAGOreport 2003, 1 sowie BRAGOprofessionell 2000, 146). Das gilt besonders dann, wenn er für die Bewilligung einer Pauschvergütung für seinen Mandanten erbrachte Tätigkeiten geltend macht, die sich nicht aus der Verfahrensakte ergeben, (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 160/2001 = NStZ-RR 2001, 158 = AGS 2001, 154) so z.B. wenn der Antrag auf Erörterungen mit dem Mandanten und der Polizei gestützt wird (OLG Hamm JurBüro 2002, 195). Die Anforderungen an den Vortrag des Pflichtverteidigers zur Begründung eines Pauschvergütungsantrags dürfen jedoch nicht überspannt werden. Er ist jedenfalls dann ausreichend begründet, wenn sich auf Grund der von dem Pflichtverteidiger gemachten Angaben der für den ehemaligen Angeklagten erbrachte Zeitaufwand, z.B. für Besuche in der Justizvollzugsanstalt, ermitteln bzw. ableiten lässt (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 520/01 = AGS 2001, 202 = StraFo 2001, 362 = NStZ-RR 2001, 352 = JurBüro 2001, 589, siehe aber OLG Hamm, Beschl. v. 30.8.2002, 2 (s) Sbd. 6 -- 173/02). Im Pauschvergütungsverfahren ist ein Antrag auf Feststellung, dass die Bewilligung einer bestimmten Gebühr/Hauptverhandlungstag berechtigt ist, unzulässig (OLG Hamm JurBüro 2002, 142). Das Oberlandesgericht ist im Übrigen nicht gehindert, dem Pflichtverteidiger eine höhere Pauschvergütung als beantragt zu gewähren (OLG Hamm wistra 2001, 239 = NStZ-RR 2001, 256 = JurBüro 2001, 413 = AGS 2002, 229).

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2. Gegenvorstellung

Eine Gegenvorstellung gegen den vom Oberlandesgericht erlassenen Beschluss ist zulässig, eine Änderung der ständigen Rechtsprechung führt jedoch nicht zu einer Abänderung eines auf der Grundlage dieser Rechtsprechung erlassenen Beschlusses auf Grund der Gegenvorstellung (OLG Hamm Rpfleger 2002, 45).

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3. Vorschuss/Abschlagszahlung

Das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe StraFo 2001, 339) hat unter Bestätigung der überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung (Vgl. dazu Burhoff, StraFo 1999, 267; StraFo 2001, 121, jeweils m.w.N.) zur Frage der Bewilligung eines Vorschusses einen Vorschuss bewilligt in einem Verfahren, in dem die Hauptverhandlung ausgesetzt worden und bis dahin 48 Tage verhandelt worden war und die Hauptverhandlungsdauer an 15 Tagen über 8 Stunden und an weiteren 24 Tagen mit An- und Abfahrtszeit bis zu 8 Stunden betragen hatte. Außerdem war erheblicher Zeitaufwand zur Vorbereitung des Verfahrens erbracht worden. Das OLG Jena (OLG Jena StraFo 2002, 305) hat hingegen in einem umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren -- mit einem "nahezu unüberschaubaren Aktenmaterial" -- die Gewährung eines Vorschusses an den Pflichtverteidiger, der an 39 Tagen an der Hauptverhandlung teilgenommen hatte, abgelehnt. Auch der Umstand, dass der Verteidiger zur Hauptverhandlung von Frankfurt nach Mühlhausen anreisen musste und dafür zwei Mal/Hauptverhandlungstag einen Zeitaufwand von 3 Stunden erbringen musste, hat den Senat nicht zur Bewilligung eines Vorschusses bewogen.

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4. Verjährung

Die Verjährungsfrist des Pauschvergütungsanspruchs beginnt im Fall der Entpflichtung des Pflichtverteidigers am Ende des Jahres, in dem der Pflichtverteidiger entpflichtet worden ist (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 253/2001 = NStZ-RR 2001, 190 = JurBüro 2001, 309 = AGS 2002, 251, zur Verjährung des Pauschvergütungsanspruchs im Allgemeinen siehe Burhoff StraFo 1999, 268; StraFo 2001, 121; AGS 2002, 98).

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V. ABC der Pauschvergütung

Anreise zum Termin

-- siehe bei "Fahrtzeiten".

Auslandsreise

Bei der Bemessung der Höhe der Pauschvergütung wird der durch eine Auslandsreise zum entflohenen Mandanten entstandene zusätzliche Zeitaufwand nicht berücksichtigt, wenn das Gericht die Notwendigkeit einer derartigen Reise und die Erstattungsfähigkeit entsprechender Auslagen verneint hat, da dann insoweit auch keine Grundlage zur Festsetzung gesetzlicher Gebühren besteht (OLG Hamm JurBüro 2002, 142). Zur Berücksichtigung einer Auslandsreise im Rahmen des Pauschvergütungsverfahrens (OLG Hamm, a.a.O.).

Fahrtzeiten

Der BGH (BGH, Beschl. v. 20.3.2002, 4 StR 225/00, BRAGOreport 2003, 11; zur in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob und in welchem Umfang Fahrtzeiten bei der Bewilligung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen sind, vgl. Burhoff, AGS 2002, 37 m.w.N. aus der Rspr.) hat bei Bewilligung einer Pauschvergütung die vom Pflichtverteidiger aufgewendeten Fahrtzeiten nicht berücksichtigt.

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Hauptverhandlung, Allgemeines

Der "besondere Umfang" des Verfahrens kann sich auch daraus ergeben, dass Hauptverhandlungstermine vornehmlich zu einer Zeit stattgefunden haben, in der Hauptverhandlungen sonst i.d.R. nicht terminiert werden, nämlich z.B. in den Nachmittagsstunden, in denen der Verteidiger sonst seinen Mandanten für Besprechungen zur Verfügung stehen könnte (BGH, Beschl. v. 20.3.2002, 4 StR 225/00, BRAGOreport 2003, 11; zur in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob und in welchem Umfang Fahrtzeiten bei der Bewilligung einer Pauschvergütung zu berücksichtigen sind, vgl. Burhoff, AGS 2002, 37 m.w.N. aus der Rspr.).

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Hauptverhandlungsdauer (Anzahl der Tage)

Das OLG Hamm (OLG Hamm JurBüro 2001, 248) hat den ,,besonderen Umfang" im Sinne von § 99 BRAGO bei umfangreichen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers und einer viertägigen Hauptverhandlung mit einer durchschnittlichen Dauer von fünfeinviertel Stunden/Tag, Teilnahme an zwei längeren Vernehmungsterminen und einem Termin zur Verkündung des Haftbefehls sowie der Fahrt von Dortmund nach Bochum bejaht.

Hauptverhandlungsdauer (Dauer je Tag)

-- OLG Hamm: (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 34/2002 = AGS 2002, 37 = AnwBl 2002, 433) Bei der Beantwortung der Frage, ob es sich um ein ,"besonders umfangreiches Verfahren" im Sinne von § 99 BRAGO gehandelt hat, ist hinsichtlich der Dauer der Hauptverhandlung nicht allein auf die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine, sondern vielmehr auch darauf, wie lange die einzelnen Hauptverhandlungstermine gedauert haben, abzustellen.

-- KG: (KG, Beschl. v. 31.1.2001, 4 ARs 134/00) Abgelehnt worden ist eine Pauschvergütung in einem Verfahren, in dem der mit der Vorbereitung der Hauptverhandlung besonders verbundene Arbeitsaufwand durch eine weit unterdurchschnittliche Verhandlungsdauer von 3 Stunden und 40 Minuten kompensiert worden ist.

Höchstgebühr (Vgl. dazu auch die Nachw. bei Burhoff, StraFo 1999, 272; StraFo 2001, 123; siehe auch Burhoff, AGS 2001, 122)

-- KG: (KG, Beschl. v. 5.2.2001, 4 ARs 75/00) Die Pauschvergütung wird durch die Höchstgebühr eines Wahlverteidigers begrenzt und darf lediglich in besonderen Ausnahmefällen dieser nahe kommen oder sie sogar erreichen. In seltenen Ausnahmefällen ist allerdings auch eine Überschreitung der Höchstgebühren des Wahlverteidigers möglich.

-- OLG Hamm: (OLG Hamm JurBüro 2001, 140, s. auch OLG Hamm JurBüro 2002, 142 (deutliches Überschreiten) Zum Überschreiten der Höchstgebühr in einem außerordentlich umfangreichen Wirtschaftsstrafverfahren (sog. Balsam-Verfahren).

-- OLG Hamm: (OLG Hamm AGS 2001, 156 = JurBüro 2001, 475; JurBüro 2002, 250; ähnlich OLG Hamm, Beschl. v. 2.12.2002, 2 (s) Sbd. VII 242/02; Beschl. v. 18.12.2002, 2 (s) Sbd. VII 252/02) In Wirtschaftsstrafverfahren wegen des Gesamtgefüges der gesetzlichen Gebühren, die den Pflichtverteidiger in den durchweg schwierigen Verfahren gegenüber dem Verteidiger in Schwurgerichtssachen benachteiligt, Pauschvergütung in Höhe bzw. fast in Höhe der Höchstgebühr bewilligt.

-- OLG Hamm: (OLG Hamm AGS 2001, 182 = JurBüro 2001, 476 = StraFo 2002, 70) Die Teilnahme des Pflichtverteidigers an einer mehrstündigen Anhörung mit drei Gutachtern sowie zahlreichen umfangreichen Anträgen und Stellungnahmen im Wiederaufnahmeverfahren hat zur Gewährung einer Pauschvergütung im Bereich der Wahlverteidigerhöchstgebühr geführt.

-- OLG Hamm: (OLG Hamm StraFo 2002, 34 = JurBüro 2002, 78) Zwar nur 6, jedoch dicht terminierte Hauptverhandlungstage von allerdings nur einer durchschnittlichen Dauer von 4 Stunden 20 Minuten führen aber bei umfangreichen sonstigen Tätigkeiten (9 Besuche in der JVA mit insgesamt ca. 13-stündiger Dauer, Teilnahme an einem Ortstermin [1 Stunde], Teilnahme an einer fachpsychiatrischen Begutachtung des Angeklagten 2 Stunden [22.00--24.00 Uhr], Teilnahme an einer Beschuldigtenvernehmung [2 Stunden 15 Minuten], weitere 16 Besprechungen bzw. ausführliche Telefonate mit Familienangehörigen, Zeugen, Arbeitgebern, potenziellen Sachverständigen und anderen Personen von insgesamt rund 30-stündiger Dauer) auch in einem Schwurgerichtsverfahren zur Zuerkennung einer Pauschvergütung etwa in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr.

-- OLG Hamm: (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 99/2002 = AGS 2002, 34 m. Anm. Madert = Rpfleger 2002, 171 = JurBüro 2002, 141 (für Strafbefehlsverfahren), ZAP EN-Nr. 417/2001 = AGS 2001, 201 = JurBüro 2001, 641 (für Strafvollstreckungsverfahren) Stehen dem Pflichtverteidiger für seine Tätigkeit (hier im Strafbefehlsverfahren) nur unzulängliche gesetzliche Gebühren zu, kann die Wahlverteidigerhöchstgebühr auch erheblich überschritten werden.

-- OLG Hamm: (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 393/2002 = JurBüro 2002, 419 = AnwBl 2002, 664) Wahlverteidigerhöchstgebühr in einem Verfahren, das erhebliches Aufsehen in der Weltöffentlichkeit erregt hatte, um 10 % überschritten.

-- OLG Hamm: (OLG Hamm, Beschl. v. 11.11.2002, 2 (s) Sbd. VII -- 219/02) Zur Zuerkennung einer die Wahlverteidigerhöchstgebühr überschreitenden Pauschvergütung für den Pflichtverteidiger, der den Angeklagten nur im Revisionsverfahren vertreten und dort eine umfangreiche Revisionsbegründung erstellt hat.

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Inhaftierter Angeklagter/Mandant

Siehe unten: ,,Untersuchungshaft"

Maßregelvollzug

Siehe unten: ,,Überprüfungsverfahren"

Reisezeiten

Siehe oben ,,Fahrtzeiten".

Revisionsverfahren

OLG Hamm: (OLG Hamm, Beschl. v. 11.11.2002, 2 (s) Sbd. VII -- 219/02) Zur Zuerkennung einer die Wahlverteidigerhöchstgebühr überschreitenden Pauschvergütung für den Pflichtverteidiger, der den Angeklagten nur im Revisionsverfahren vertreten und dort eine umfangreiche Revisionsbegründung erstellt hat.

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Selbstleseverfahren

Die zeitliche Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers durch das von der Strafkammer gemäß § 249 Abs. 2 StPO angeordnete Selbstleseverfahren kann bei der Bemessung der Höhe der Pauschvergütung nicht mehr besonders berücksichtigt werden, wenn der Verteidiger schon bei der Vorbereitung der Hauptverhandlung Gelegenheit hatte, die Urkunden vom Wortlaut her zur Kenntnis zu nehmen, und die Vorbereitung der Hauptverhandlung im Hinblick auf den besonderen Umfang der Strafsache bereits in die Bemessung der Pauschvergütung eingeflossen ist (OLG Düsseldorf StraFo 2003, 71 = JurBüro 2003, 23). Demgegenüber hat das KG entschieden, dass, wenn die verhältnismäßig kurze Dauer der Hauptverhandlungstage darauf zurückzuführen ist, dass in umfangreicher Weise das Selbstleseverfahren durchgeführt worden ist, diesem Umstand bei der Beurteilung des Verfahrens ein eigenes, mitentscheidendes Gewicht zukommt (KG, Beschl. v. 27.7.2001, 4 ARs 11/00).

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Strafvollstreckungsverfahren

Bei der Bewilligung und Bemessung einer Pauschvergütung für die Tätigkeit des erstmals im Strafvollstreckungsverfahren beigeordneten Rechtsanwalts ist auf die Vorschrift des § 91 BRAGO zurückzugreifen (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 417/2001 = AGS 2001, 201 = JurBüro 2001, 641).

Termine außerhalb der Hauptverhandlung

Die Teilnahme des Pflichtverteidigers an der mündlichen Verhandlung in einem Vorabentscheidungsverfahren des EuGH löst eine Gebühr nach §§ 97, 83 BRAGO nicht aus. Diese Tätigkeit kann aber im Rahmen der Bewilligung einer Pauschvergütung angemessen berücksichtigt werden (OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 384). Die Wahrnehmung eines auswärtigen Zeugenvernehmungstermins rechtfertigt für sich allein die Zubilligung einer Pauschvergütung nicht. Lediglich in Fällen, in denen aus anderen Gründen bereits ohnehin eine Pauschvergütung zu gewähren ist, kann die zusätzliche Belastung durch zahlreiche auswärtige Beweistermine bei der Höhe der zu gewährenden Pauschvergütung berücksichtigt werden (KG, Beschl. v. 30.10.2002, 4 ARs 38/00).

Inhaltsverzeichnis

Überprüfungsverfahren

Für seine Tätigkeit in dem Überprüfungsverfahren zur Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kann eine Pauschvergütung bewilligt werden (OLG Düsseldorf NStZ 2001, 497).Wird der Rechtsanwalt einem Untergebrachten im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB beigeordnet, entsteht der Vergütungsanspruch nicht nur einmal für das gesamte Vollstreckungsverfahren. Nach Rechtskraft jedes einzelnen Überprüfungsverfahrens entsteht er vielmehr für ein weiteres Verfahren von neuem (OLG Hamm, Beschl. v. 9.7.2002, 2 (s) Sbd. VII -- 95 u. 96/02 = ZAP EN-Nr. 760/2002 = JurBüro 2003, 21).

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Untersuchungshaft

Wegen § 97 Abs. 1 S. 3 BRAGO können Haftbesuche nur noch in ganz außerordentlich zeit- und arbeitsaufwändigen Fällen die Zubilligung einer Pauschvergütung rechtfertigen oder sich im Rahmen einer "bereits aus anderen Gründen gerechtfertigten Pauschvergütung auf deren Höhe auswirken (KG, Beschl. v. 23.4.2001, 4 ARs 20/01). Es ist im Übrigen grundsätzlich nicht Aufgabe des OLG, nachträglich im Verfahren über die Gewährung einer Pauschvergütung die Berechtigung von vom Pflichtverteidiger während des Verfahrens als notwendig und erforderlich angesehenen Besuchen in der Justizvollzugsanstalt zu überprüfen. Etwas anderes kann ggf. dann gelten, wenn ersichtlich von einem Missbrauch der Verteidigerrechte auszugehen ist (OLG Hamm ZAP EN-Nr. 63/2001 = JurBüro 2001, 194 = StV 2002, 93 = NStZ-RR 2002, 95). Zur Pauschvergütung bei der Vertretung eines inhaftierten Mandanten verweise ich im Übrigen aus Platzgründen auf meinen Beitrag in StraFo 2001, 230 = AGS 2001, 219.

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Zeugenbeistand (zur Pauschvergütung beim Zeugenbeistand s. auch Burhoff, StraFo 1999, 276 Fn 299; StraFo 2001, 119.

Wird die Mühewaltung des bestellten Zeugenbeistandes durch die gesetzliche Gebühr nicht angemessen abgegolten, kann ihm im Einzelfall unter den Voraussetzungen des § 99 BRAGO eine Pauschvergütung gewährt werden (OLG Köln JurBüro 2001, 138 = Rpfleger 2002, 95). Die gesetzliche Gebühr des Zeugenbeistands, die Grundlage für die Bemessung einer ggf. zu gewährenden Pauschvergütung ist, ist nach Auffassung des OLG Celle nach §§ 91 Nr. 2, 97 Abs. 1 BRAGO festzusetzen (OLG Celle StV 2002, 89 mit zahlr. Hinw. der StV-Redaktion auf die Rspr. anderer Oberlandesgerichte; zur Pauschvergütung beim Zeugenbeistand s. auch OLG Hamm OLG Hamm StraFo 2001, 107 = JurBüro 2001, 134 = AGS 2001, 81 und OLG Bamberg StraFo 2001, 108).

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