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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. VII - 43/03 OLG Hamm

Leitsatz: Hat im Verfahren eine sog. „Aussage-gegen-Aussage-Problematik“ vorgelegen kann das die besondere Schwierigkeit im Sinne von § 99 BRAGO begründen.

Senat: 2

Gegenstand: Pauschvergütung

Stichworte: Pauschvergütung, besonderer Umfang, besondere Schwierigkeit, Antragsbegründung

Normen: BRAGO 99

Beschluss: Strafsache
gegen M.S.
wegen Vergewaltigung (hier: Pauschvergütung für den als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts S. aus R. vom 22. April 2002 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 03. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Rechtsanwalt S. wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 2.347,88 EURO eine Pauschvergütung in Höhe von 2.800 EURO (in Worten: zweitausendachthundert EURO) bewilligt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

G r ü n d e:
I.
Dem früheren Angeklagten wurde im vorliegenden Verfahren eine Vergewaltigung zur Last gelegt. Wegen dieses Vorwurfs ist er nach einer 10-tägigen Hauptverhandlung, die am Schöffengericht ihren Ausgang genommen hat und von dort an die Strafkammer verwiesen worden ist, durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 11. April 2002 unter Einbeziehung einer anderen Freiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 3 Monaten verurteilt worden. Der Antragsteller war Pflichtverteidiger des ehemaligen Angeklagten. Er macht nun für die von ihm erbrachten Tätigkeiten eine Pauschvergütung geltend.

Im Einzelnen hat der Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten folgende Leistungen erbracht: Er ist für den ehemaligen Angeklagten bereits im Vorverfahren tätig gewesen. Er hat einige Schreiben und Anträge verfasst, Akteneinsicht genommen und nach seinen Angaben „unzählige Besprechungen mit dem Mandanten“ geführt. Deren genaue Anzahl und die zeitliche Beanspruchung hat der Antragsteller nicht dargelegt. Die zehn Hauptverhandlungstermine haben durchschnittlich 1 Stunde und 37 Minuten gedauert; nur zwei Termine haben länger als 3 Stunden gedauert. Das Urteil der Strafkammer umfasste 21 Seiten, davon betrug allein die Beweiswürdigung rund acht Seiten. Der Antragsteller hat gegen das Urteil der Strafkammer Revision eingelegt, die er auf zwei Seiten begründet hat. Wegen der übrigen vom Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannte Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse vom 19. Februar 2003 verwiesen.

II.
Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers betragen 2.347,88 EURO. Mit seinem Pauschvergütungsantrag hat der Antragsteller eine Pauschvergütung in Höhe von 7.000 EURO geltend gemacht, die er insbesondere mit erheblichem außerhalb der Hauptverhandlung erbrachten Zeitaufwand für die Beratung seines Mandanten begründet hat. Der Vertreter der Staatskasse hat angeregt, den Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung zurückzuweisen.

III.
Dem Antragsteller war gemäß § 99 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen.

1. Das Verfahren war "besonders schwierig". Vorliegend hat der (jetzt zuständige) Vorsitzende der Strafkammer, dem sich der Vertreter der Staatskasse angeschlossen hat, das Verfahren allerdings als nicht besonders schwierig eingeschätzt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich die Einschätzung des Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts für die Beurteilung der „besonderen Schwierigkeit“ maßgeblich (vgl. grundlegend Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104; zuletzt Senat im Beschluss vom 18. November 2002 in 2 (s) Sbd. VII 221/02). Ist diese Einschätzung jedoch nicht nachvollziehbar oder aus sonstigen Gründen nicht bindend, muss der Senat eine eigene Einschätzung vornehmen (vgl. Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56). Das ist vorliegend der Fall, da der Vorsitzende, der die Einschätzung abgegeben hat, nicht selbst das Verfahren geführt hat, sondern jetzt nur, nachdem die zunächst zuständige Strafkammer inzwischen aufgelöst worden ist, als Vorsitzender der nun zuständigen Strafkammer mit der Sache befasst worden ist.

Nach Auffassung des Senats war das Verfahren „besonders schwierig" im Sinne des § 99
Abs. 1 BRAGO. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist ein Verfahren „besonders schwierig“, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 264; Senat im Beschluss vom 18. November 2002). Das ist vorliegend der Fall. Zu dieser Einschätzung ist der Senat aufgrund der zahlreichen bei ihm anhängigen Pauschvergütungsverfahren in der Lage, und zwar auch ohne die sonst übliche Einschätzung des Schwierigkeitsgrades des Verfahrens durch den Vorsitzenden. Die besondere Schwierigkeit folgt vorliegend einmal aus der nach Auffassung des Senats schwierigen Beweiswürdigung. Der ehemalige Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten. Seine Überführung und Verurteilung ist weitgehend allein aufgrund der Angaben des Opfers erfolgt. Die mit der sog. „Aussage-gegen-Aussage-Problematik“ zusammenhängenden beweisrechtlichen Fragen sind in der Regel schwierig. Dass dies auch vorliegend der Fall gewesen ist, beweist der Umstand, dass fast der größte Teil des landgerichtlichen Urteils aus Beweiswürdigungsfragen besteht. Auch die Stellungnahme des Generalbundesanwalts zu der Revisionsbegründung, die ein anderer vom ehemaligen Angeklagten beauftragter Rechtsanwalt gefertigt hatte, befasst sich fast ausschließlich mit der Beweisproblematik.

2. Das Verfahren war für den Antragsteller allerdings noch nicht "besonders umfangreich" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Vertreters der Staatskasse an. Weder die Teilnahme an den zehn Hauptverhandlungsterminen noch die übrigen vom Antragsteller erbrachten Tätigkeiten sind zeitlich so aufwändig gewesen, dass sie schon die Einordnung des Verfahrens als „besonders umfangreich“ im Sinne des § 99 Abs. 1 BRAGO rechtfertigen würden. Insbesondere die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine ist zu gering um das Verfahren als „besonders umfangreich“ im Sinne des § 99 Abs. 1 BRAGO einzuordnen.

Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus den vom Antragsteller angeführten „unzähligen Besprechungen mit dem Mandanten“. Der Vertreter der Staatskasse hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Pauschvergütungsantrag einer eingehenderen Begründung, der der vom Antragsteller erbrachte Zeitaufwand hätte entnommen werden können, bedurft hätte (zur Begründung des Pauschvergütungsantrags siehe u.a. Senat in Rpfleger 2001, 146; NStZ-RR 2001, 158 = AGS 2001, 154). Der Senat hat zwar dazu auch bereits ausgeführt, dass die Anforderungen an die Begründung des Antrags nicht überspannt werden dürfen (Senat in AGS 2001, 202 = StraFo 2001, 362 = NStZ-RR 2001, 352 = JurBüro 2001, 589). Andererseits ist es nicht Aufgabe des Oberlandesgerichts, im Pauschvergütungsverfahren zeitliche Angaben durch Rückfrage beim Pflichtverteidiger zu ermitteln. Diese muss der Pflichtverteidiger, der einen über seinen gesetzlichen Gebührenanspruch hinausgehenden Anspruch geltend macht, wenigstens in groben Zügen vortragen. Dazu ist er auch, da er die von ihm erbrachten Tätigkeiten kennt, unschwer in der Lage (vgl. auch dazu Burhoff StraFo 1999, 261, 265, 266). Vorliegend hat der Antragsteller außer der Tatsache, dass er unzählige Besprechungen geführt hat, keine weiteren, insbesondere zeitliche, Angaben gemacht. Damit müssen diese Besprechungen vorliegend außer Betracht bleiben (vgl. zu einem ähnlichen Fall Senat in JurBüro 2002, 195) .

3. Bei der Bemessung der nach allem damit dem Antragsteller wegen der "besonderen Schwierigkeit" zu gewährenden Pauschvergütung ist der Senat von dem Antragsteller zustehenden gesetzlichen Gebühren von 2.347,88 EURO ausgegangen und hat diese unter angemessener Berücksichtigung aller Umstände auf die bewilligte Pauschvergütung von 2.800 EURO und damit in den Bereich der Mittelgebühr eines Wahlverteidigers angehoben. Dabei sind die bereits erwähnten Tätigkeiten, die der Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbracht hat, berücksichtigt und gegeneinander abgewogen worden.

Der weitergehende, nach Ansicht des Senats völlig übersetzte, Antrag, mit dem eine
Pauschvergütung von 7.000 EURO geltend gemacht worden ist, war daher abzulehnen. Mit diesem Antrag wird die Wahlverteidigerhöchstgebühr um rund 2.100 EURO überschritten. Eine Pauschvergütung in Höhe der Wahlverteidigerhöchstgebühr oder sogar noch darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung des Senats aber nur dann in Betracht, wenn der Verteidiger durch das Verfahren über einen längeren Zeitraum ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen worden ist. Das ist jedoch vorliegend schon wegen der geringen durchschnittlichen Dauer der Hauptverhandlungstermine ersichtlich nicht der Fall.


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