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aus Verkehrsrecht Aktuell 2005, 126

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VA für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VA" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Fahrverbot

Aktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot

von RiOLG Detlef Burhoff, Münster

Der Verteidiger muss ich frühzeitig mit der Frage beschäftigen, wie ein drohendes Fahrverbot abgewendet werden kann. Dazu muss schon beim Amtsgericht und nicht erst im Rechtsbeschwerdeverfahren beim OLG vorgetragen werden. Damit Sie hier gut gerüstet sind, stellen wir Ihnen die aktuelle Rechtsprechung vor. Der Beitrag schließt an unsere Schwerpunktbeiträge und die Rechtsprechungsübersichten in VA 02, 132, VA 03, 89 und VA 04, 140 an.

1. Allgemeines

Umstände des Einzelfalls Entscheidung Fundstelle
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Das Fahrverbot nebst Folgen müssen für den Betroffenen noch verhältnismäßig sein (BVerfG NJW 96, 2284). Siehe auch Site 129 OLG Hamm VA 05, 86, Abruf-Nr. 050957
Fahrverbot nach § 25 StVG, auf das die Regelung des § 25 Abs. 2a StVG angewendet worden ist, trifft mit dem durch eine Verwaltungsbehörde angeordneten vorläufigen Entzug der Fahrerlaubnis zusammen Das Analogieverbot steht reiner Anschlussvollstreckung des Fahrverbots nach § 25 Abs.2 a Satz 2 StVG entgegen.

Praxishinweis:

Für den Beginn der Verbotsfrist reicht es aus, dass der Betroffene der Vollstreckungsbehörde nach Eintritt der Rechtskraft der Bußgeldentscheidung mitteilt, dass sich der Führerschein bei einer anderen Behörde in amtlicher Verwahrung befindet und ab welchem Zeitpunkt innerhalb der Viermonatsfrist das Fahrverbot wirksam werden soll.
OLG Karlsruhe VA 05, 50, Abruf-Nr. 050336
Verwertung tilgungsreifer Vorbelastungen bei § 25 Abs. 2a StVG Diese dürfen nicht berücksichtigt werden KG VA 04, 156, Abruf-Nr. 041711
Bemessung des Fahrverbotes Der Richter muss sich an die Vorgaben der BKatV halten. Das Regelfahrverbot nach § 4 BKatV wahrt die Verhältnismäßigkeit der Sanktion und gewährleistet die Gleichbehandlung der Betroffenen. Die Anordnung des Regelfahrverbots in den Anwendungsfällen des § 4 BKatV wahrt nicht nur die Verhältnismäßigkeit der Sanktion, sondern gewährleistet darüber hinaus die Gleichbehandlung der Betroffenen und erfüllt damit auch ein Gebot der Gerechtigkeit OLG Koblenz, Beschl. v. 17. 8. 04, 2 Ss 154/04., Abruf-Nr. 04520

2. Geschwindigkeitsüberschreitung

Umstände des Einzelfalls Fahrverbot: ja oder nein? Fundstelle
Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit mit dem Ziel einem akut erkrankten Patienten erste Hilfe zu leisten Kann die Geschwindigkeitsüberschreitung ggf. nach § 16 OWiG rechtfertigen

Praxishinweis:

Wenn die akute Erkrankung als Rechtfertigungsgrund nicht anerkannt wird, muss der Verteidiger den Verbotsirrtum problematisieren. Hat der Mandant nämlich irrig die Voraussetzungen für einen Rechtfertigungsgrund angenommen, kann das den Schuldvorwurf mindern und damit ggf. eher zum Absehen vom Fahrverbot führen (ähnlich OLG Karlsruhe VA 05, 15, Abruf-Nr. 043014).
OLG Hamm VA 05, 88, Abruf-Nr. 050659

3. Beharrlicher Verstoß

Umstände des Einzelfalls Fahrverbot ja oder nein? Fundstelle
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 S. 1 BKatV liegen nicht vorliegen Das Fahrverbot kann gerechtfertigt sein, wenn der beharrliche Pflichtenverstoß von ähnlich starkem Gewicht ist. Hier: dreimonatiges Fahrverbot gegen einen Fahrzeugführer, der seit März 99 wegen insgesamt 11 Verkehrsordnungswidrigkeiten und darüber hinaus strafrechtlich wegen Nötigung im Straßenverkehr verurteilt wurde, wobei 9 der 11 Verkehrsordnungswidrigkeiten Geschwindigkeitsverstöße betrafen. KG DAR 2005, 96 = VRS 108, 47 vgl. auch OLG Koblenz DAR 05, 47 = NStZ-RR 05, 23 = StraFo 04, 427

4. Augenblicksversagen

Ein Fahrverbot kommt nicht in Betracht, wenn die Ordnungswidrigkeit lediglich auf einem so genannten "Augenblicksversagen" (= leichte Fahrlässigkeit) beruht (vgl. dazu BGH NZV 95, 525; zusammenfassend OLG Köln VRS 105, 28; OLG Rostock zfs 04, 480). Wegen der Einzelh. wird auf den Schwerpunktbeitrag in VA 01, 169 verwiesen.

Praxishinweis:

Unter einem "Augenblicksversagen" kann nach der Rechtsprechung des OLG Hamm nur ein sehr kurzfristiges Fehlverhalten bzw. Außerachtlassen der unter den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verstanden werden (OLG Hamm VA 05, 30, Abruf-Nr. 043296 und den dortigen Praxishinweis) Zur Frage, welches Maß an Aufmerksamkeit der Betroffene aufwenden muss, wenn er die zugelassene Höchstgeschwindigkeit ausnutzt OLG Koblenz DAR 05, 47 = NStZ-RR 05, 23 = StraFo 04, 427).

Umstände des Einzelfalls Augenblicksversagen ja oder nein? Fundstelle
Auf dem Straßenpflaster befindet sich die Verkehrszeichen "Vorsicht Kinder". Nein, da sich dem Betroffenen aufdrängen musste, dass er sich innerhalb einer Geschwindigkeitsbeschränkung befand. AG Riesa DAR 05, 109
Der Betroffene nutzt die zugelassene Höchstgeschwindigkeit aus. Kann ggf. zu bejahen sein, denn auch wer die erlaubte Höchstgeschwindigkeit tatsächlich "ausnutzt" oder gar überschreitet, kann im Einzelfall ein Verkehrszeichen übersehen, ohne dass ihm insoweit mehr als einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre.
Praxishinweis: Allerdings kann das Überschreiten der gesetzlichen oder vom Betroffenen angenommenen Höchstgeschwindigkeit Anlass für die Prüfung sein, ob das Übersehen des Verkehrszeichens auf Gleichgültigkeit beruht.
OLG Koblenz DAR 05, 47 = NStZ-RR 05, 23 = StraFo 04, 427
Der Betroffene wird als Arzt zu einem Notfall gerufen und überschreitet dabei mit seinem Kraftfahrzeug die zulässige Höchstgeschwindigkeit, eine sofortige medizinische Behandlung ist zwingend erforderlich ist. Ja

Praxishinweis:

Das Absehen vom Fahrverbot ist auch gerechtfertigt, wenn der Betroffene als Arzt (nur) vom Vorliegen einer solchen Gefahrsituation ausgehen durfte (OLG Karlsruhe, a.a.O.).
OLG Karlsruhe VA 05, 15, Abruf-Nr. 043014
Der Betroffene hat nachts bei fehlender Straßenbeleuchtung das auf der linken Straßenseite befindliche Ortsausgangsschild passiert, aber dabei das Ortseingangsschild der nächsten Ortschaft auf gleicher Höhe auf der rechten Straßenseite übersehen. Ja OLG Rostock NJW 04, 2320 = NZV 04, 481

5. Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen?

Von einem Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn es für den Betroffenen wegen der mit dem Fahrverbot verbundenen Folgen als besondere Härte unzumutbar ist (vgl. dazu der Schwerpunktbeitrag in VA 01, 104 ff.). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitsplatz oder die Existenz des Betroffenen gefährdet ist.

Praxishinweis

Für ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes aus beruflichen Gründen ist es nicht ausreichend, wenn der Betroffene lediglich die Befürchtung hat, dass er im Falle einer Vollstreckung des Fahrverbotes seinen Arbeitsplatz verlieren könne (OLG Hamm VA 04, 196, Abruf-Nr. 042328).

Umstände des Einzelfalls Absehen: ja oder nein? Fundstelle
Geschäftsführer ist dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen, weil er Aufträge hereinholen muss. Nein

Praxishinweis

: Es hat sich um einen Verstoß gegen § 24a StVG gehandelt.
OLG Jena VA 05, 49, Abruf-Nr. 050340
Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht bei zweimonatigem Fahrverbot Kann ggf. zum Absehen führen

Praxishinweis:

Es ist dringend anzuraten, den Arbeitgeber des Betroffenen in einem Beweisantrag als Zeugen zu den schweren Folgen des Fahrverbotes zu benennen (zu den Gründen für die Ablehnung eines solchen Beweisantrages vgl. OLG Schleswig SchlHA 04, 264).
OLG Hamm VA 50, 30, Abruf-Nr. 043295
Der Betroffene hat erst nach Erhalt des Bußgeldbescheides, in dem ein Fahrverbot festgesetzt war, eine neue Arbeit aufgenommen hat. Ggf. ja, da ein Betroffener, der einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erhalten hat, in dem neben einer Geldbuße ein Fahrverbot festgesetzt ist, sich zwar auf ein mögliches Fahrverbot einstellen muss, dies aber nicht bedeutet, dass ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbots wegen besonderer beruflicher Härten ausgeschlossen ist OLG Jena VRS 107, 315 = zfs 04, 479
Taxifahrer ist wiederholt einschlägig auffällig geworden. Nein, wenn es sich um einen wiederholt einschlägig auffällig gewordenen, gegenüber verkehrsrechtlichen Ge- und Verboten vollkommen uneinsichtigen Verkehrsteilnehmer handelt OLG Karlsruhe DAR 04, 467 = NZV 04, 316
es droht die Verlagerung von Arbeitsplätzen in osteuropäische Staaten Reicht allein nicht aus OLG Hamm VA 04, 196, Abruf-Nr. 042328

Praxishinweis

Das Fahrverbot und die daraus resultierenden Folgen müssen für den Betroffenen verhältnismäßig sein. Das bedeutet:

  • Der Betroffene muss ggf. auf die Wünsche seines Arbeitgebers hinsichtlich seiner Urlaubsplanung Rücksicht nehmen und kann seinen Urlaub nicht frei gestalten und wählen (OLG Hamm VA 05, 86, Abruf-Nr. 050957).
  • Zudem muss, wenn durch die Verhängung des Fahrverbotes eine außergewöhnliche und nicht mehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in Einklang zu bringende Härte eintreten würde, sich der Tatrichter auch mit der Frage befassen, ob das Fahrverbot auf eine bestimmte Kraftfahrzeugart beschränkt werden kann (OLG Karlsruhe VA 05, 13, Abruf-Nr. 043015).

6. Absehen vom Fahrverbot bei einem Verstoß gegen § 24 a StVG

Bei einem Verstoß gegen § 24a StVG versteht sich die Angemessenheit eines Fahrverbotes von selbst. Ein Absehen kommt nur ausnahmsweise in betracht, wenn Härten ganz außergewöhnlicher Art vorliegen oder sonstige, das äußere oder innere Tatbild beherrschende außergewöhnliche Umstände ein Absehen rechtfertigen (OLG Jena VA 05, 49, Abruf-Nr. 050340).

Umstände des Einzelfalls Absehen ja oder nein? Fundstelle
Der Betroffene ist als Geschäftsführer eines Unternehmens dringend auf die Fahrerlaubnis angewiesen, "weil er Aufträge hereinholen muss". Nein OLG Jena VA 05, 49, Abruf-Nr. 050340

7. Absehen vom Fahrverbot wegen langen Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil?

Die Obergerichte sehen i.d.R. bei einem langen Zeitraum zwischen Tat und Verurteilung von einem Fahrverbot ab. Angenommen wird hier in der obergerichtlichen Rechtsprechung meist ein Zeitrahmen von zwei Jahren. Jedoch ist auch die Zeitspanne von (etwa) 2 Jahren lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann, nahe liegt (BayObLG VA 04, 103, Abruf-Nr. 041185).

Umstände des Einzelfalls Absehen ja oder nein? Fundstelle
Zeitraum von mehr als 2 Jahre Ja OLG Karlsruhe DAR 05, 168; OLG Düsseldorf DAR 05, 164, OLG Celle VA 05, 52, Abruf-Nr. 050331; OLG Köln DAR 04, 541
Mehr als 22 Monate Nein, wenn das Fahrverbot zur Einwirkung auf den auch in der Zwischenzeit wieder auffällig gewordenen Betroffenen notwendig ist DAR 04, 467 = NZV 04, 316

Praxishinweis: Eine vom Betroffenen nicht zu vertretende überlange Verfahrensdauer von z.B. 1 Jahr und 11 Monaten führt bei einem zweimonatigen Fahrverbot zumindest aber zu einer Herabsetzung seiner Dauer auf 1 Monat (OLG Frankfurt zfs 04, 283).

8. Absehen vom Fahrverbot aus sonstigen Gründen

Umstände des Einzelfalls Absehen ja oder nein? Fundstelle
Keine Eintragung im Verkehrszentralregister Nein, auch nicht in Verbindung mit anderen Umständen OLG Jena VA 05, 49, Abruf-Nr. 05340
geständige Einlassung Nein OLG Jena VA 05, 49, Abruf-Nr. 05340
Der Betroffene verfügt nicht über liquide Mittel, um sich zeitweise eines Fahrers zu bedienen, der aus dem bisherigen Personalbestand nicht rekrutiert werden könne Nein, der Betroffene kann darauf verwiesen werden, dass eine kurzfristige Kreditaufnahme hierfür noch zumutbar ist. OLG Hamm VA 05, 50, Abruf-Nr. 05332
Der Betroffene engagiert sich neben seiner beruflichen Tätigkeit als Arzt zusätzlich in der Flugrettung der Bundeswehr. Nein, dient nicht der Existenzsicherung OLG Hamm, Beschl. v. 29. 6. 04, 3 Ss OWi 367/04, Abruf-Nr. 042330
Der Betroffene ordnet das benutzte Fahrzeug rechtlich falsch ein ("Sprinter" als Pkw statt als Lkw) und irrt deshalb über die hierfür geltenden Geschwindigkeitsbegrenzungen Ja Praxishinweis: Das OLG Jena (a.a.O.) will dies nur eingeschränkt gelten lassen, da die Diskussion über den "Sprinter" inzwischen allgemein bekannt sei (zu den Anforderungen an den Irrtum bei Beratung durch einen RA s. auch OLG Hamm, Beschl. v. 29. 9. 04, 2 Ss OWi 591/04, Abruf-Nr. 051493). BayObLG NZV 04, 263; OLG Jena, NJW 2004, 3579.

9. Anforderungen an das tatrichterlicher Urteil/Prozessuales

Bei der Verhängung eines Fahrverbots muss der Tatrichter im Urteil zu erkennen geben, dass er sich der Möglichkeit bewusst gewesen ist, von einem Fahrverbot gegen Erhöhung der Geldbuße absehen zu können (siehe VA 01, 131).

Umstände des Einzelfalls   Fundstelle
Der Betroffene macht berufliche Umstände geltend, die ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen sollen. Der Tatrichter muss eine eingehende auf Tatsachen gestützte Begründung geben. Der bloße Hinweis darauf, dass eine "drohende Gefährdung der beruflichen Existenz zu verneinen" sei, reicht nicht aus. OLG Hamm VA 05, 15, Abruf-Nr. 050957
Der Tatrichter will aus beruflichen Gründen vom Fahrverbot absehen. Der Tatrichter muss die Behauptungen des Betroffenen kritisch hinterfragen und prüfen

Praxishinweis.

Der Verteidiger muss im Einzelnen zu den beruflichen Auswirkungen des Fahrverbotes vorragen. Es kann sich z.B. bei einem Selbständigen empfehlen, dazu die Bilanzen vorzulegen.
OLG Celle VA 05, 66, Abruf-Nr. 050331
Der Tatrichter will das Vorliegen eines außergewöhnlichen Härtefalles ablehnen Der Tatrichter muss die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen darlegen und näher damit einander setzen und klären, ob diesem überhaupt eine andere Maßnahmen finanziell möglich sind, wenn sich dies nicht bereits zweifelsfrei aus der beruflichen Stellung des Betroffenen ergibt. OLG Karlsruhe VA 05, 13, Abruf-Nr. 053015

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