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aus ZAP Heft 10/2005, F. 22, S. 413

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "ZAP" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "ZAP" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Durchsuchung und Beschlagnahme in der Rechtsanwaltskanzlei

von Richter am OLG Detlef Burhoff, Münster

Inhaltsverzeichnis

I. Allgemeine Voraussetzungen der Durchsuchungsmaßnahme

1. Durchsuchungsbeschluss

a) Schriftform

b) Anforderungen an den Inhalt

aa) Allgemeine Anforderungen

bb) Bezeichnung der Straftat

cc) Bezeichnung der Beweismittel

dd) Verhältnismäßigkeit

(1) Allgemeine Verhältnismäßigkeit

(2) Verhältnismäßigkeit bei Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei

c) Richtervorbehalt

2. Beschlagnahmeverbote

a) Allgemeines

aa) Beschlagnahmefreie Gegenstände

bb) Gewahrsam des Rechtsanwalts

cc) Ausnahmen vom Beschlagnahmeverbot

b) Exkurs: Beschlagnahme der Handakten des Verteidigers und von Datenträgern des Rechtsanwalts

aa) Beschlagnahme der Handakten

bb) Beschlagnahme von Datenträgern

II. Durchsuchung beim Rechtsanwalt als Verdächtigem (§ 102 StPO)

III. Durchsuchung beim Rechtsanwalt als sog. Drittem (§ 103 StPO)

IV. Checkliste für das Verhalten bei der Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei


Inhaltsverzeichnis

Die Durchsuchung ist in vielen Verfahren immer noch das klassische Mittel der Ermittlungsbehörden, Beweismittel für das Verfahren zu sichern. Dabei machen die Ermittlungsbehörden häufig auch vor der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei nicht Halt. Kommt es zu dieser Zwangsmaßnahme, ist der Schock beim betroffenen Rechtsanwalt i.d.R. groß. Es muss nun nicht nur kurzfristig eine Entscheidung getroffen werden, ob die Durchsuchung der Anwaltskanzlei rechtmäßig ist oder nicht, sondern es drohen auch - unabhängig von der Frage Rechtmäßigkeit der Maßnahme - i.d.R. erhebliche Imageschäden (Leipold NJW-Spezial 2005, 327). Der nachfolgende Beitrag will auf der Grundlage der obergerichtlichen Rechtsprechung eine Hilfestellung geben, wie einerseits die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsmaßnahme überprüft werden kann. Zum anderen sollen aber auch Verhaltenshinweise gegeben werden, mit denen der Rechtsanwalt sich selbst, aber vor allem auch seine Mitarbeiter, auf eine Durchsuchungsmaßnahme und das dabei erforderliche Verhalten vorbereiten sollte (vgl. dazu IV). Dabei wird hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen unterschieden, ob der Rechtsanwalt selbst Verdächtiger ist, die Durchsuchung also auf der Grundlage des § 102 StPO erfolgt (vgl. dazu II), oder ob es sich bei dem Rechtsanwalt um eine "andere Person" i.S. des § 103 StPO handelt, die Durchsuchung sich also gegen einen "Dritten" richtet (vgl. dazu III). Vorab wird ein Überblick über die für beide Durchsuchungsmaßnahmen geltenden allgemeinen Voraussetzungen und sonstige allgemeine Fragen gegeben (vgl. I.); zur Vertiefung und wegen der Einzelh. verweise ich insoweit auf Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 3. Aufl., 2002, (demnächst: 4. Aufl., 2006), [im folgenden kurz: Burhoff, EV]).

I. Allgemeine Voraussetzungen der Durchsuchungsmaßnahme

1. Durchsuchungsbeschluss

a) Schriftform

Grundlage der Durchsuchungsmaßnahme ist der Durchsuchungsbeschluss, der i.d.R. schriftlich vorliegen wird ((vgl. BVerfG 2001, 1121; Meyer-Goßner, StPO,, 48. Aufl., 2005 § 105 Rn. 3 m.w.N. [im Folgenden kurz. Meyer-Goßner]. In Eilfällen (vgl. dazu 2) kann die Entscheidung allerdings auch mündlich ergehen (BGH NJW 2005, 1060; LG Dresden StraFo 2004, 13; Meyer-Goßner, a.a.O.; Seifert DRiZ 2004, 141; Burhoff StraFo 2005, 141; Burhoff, EV, Rn. 534 m.w.N. auch zur a.A., wobei dann natürlich besondere Anforderungen an die Dokumentation in den Ermittlungsakten zu stellen sind (vgl. dazu zuletzt BVerfG NJW 2004, 1442; BGH NJW 2005, 1060; Park StraFo 2001, 160).

Tipp/Hinweis:

Liegt ein schriftlicher Durchsuchungsbeschluss vor, muss sich der Rechtsanwalt diesen bei Durchführung der Durchsuchung aushändigen lassen. Nach der obergerichtlichen Rspr. hat er einen Anspruch auf Überlassung einer Kopie (BGH NStZ 2003, 273).

Inhaltsverzeichnis

b) Anforderungen an den Inhalt

aa) Allgemeine Anforderungen

Die Anforderungen an den Inhalt von Durchsuchungsbeschlüssen sind nach der obergerichtlichen Rechtsprechung verhältnismäßig hoch (vgl. dazu grundlegend BVerfG NJW 2001, 1121; 2004, 3171; dazu a. Burhoff StraFo 2005, 140 ff.), werden aber leider häufig von Instanzgerichten nicht eingehalten. Ausgangspunkt der Rspr. des BVerfG ist Art. 13 Abs. 1 GG und die von ihm garantierte Unverletzlichkeit der Wohnung. In diese grundrechtlich geschützte Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (BVerfG NJW 2001, 1121). Gerade wegen des Gewichts dieses Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre ist die Anordnung einer Durchsuchung daher grds. dem Richter vorbehalten, der im Rahmen einer - vorbeugenden - Kontrolle der Zwangsmaßnahme als unabhängige und neutrale Instanz die Eingriffsvoraussetzungen eigenverantwortlich richterlich prüfen muss (BVerfG, a.a.O.). Die richterliche Durchsuchungsanordnung ist keine bloße Formsache (vgl. z.B. BVerfG StV 2005, 643; NStZ-RR 2004, 143). Der Richter muss sich vielmehr eigenverantwortlich ein Urteil bilden und darf nicht etwa nur die Anträge der StA nach einer pauschalen Überprüfung gegenzeichnen (vgl. dazu z.B. BVerfG NJW 2005, 3630).

Tipp/Hinweis:

Zur richterlichen Einzelentscheidung gehören eine sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und eine umfassenden Abwägung zur Feststellung der Angemessenheit des Eingriffs im konkreten Fall. Der Richter muss den äußeren Rahmen der Durchsuchungsmaßnahme abstecken (BVerfG, a.a.O.). Schematisch vorgenommene Anordnungen vertragen sich nach der Rspr. des BVerfG mit dieser Aufgabe nicht.

Inhaltsverzeichnis

bb) Bezeichnung der Straftat

Der Durchsuchungsbeschluss muss die Straftat bezeichnen, die Anlass zu der Durchsuchung gibt (s. u. a. BVerfG NJW 2004, 1517; NStZ 2000, 601; s. auch EGMR StraFo 2005, 283; Meyer-Goßner, § 105 Rn. 5 m. w. N). Beschrieben werden muss zumindest der sog. Anfangsverdacht (vgl. dazu Burhoff, EV, Rn. 189). In dem Zusammenhang muss der Tatvorwurf - soweit wie möglich - konkretisiert, d.h. so beschrieben werden, dass er unter ein Strafgesetz subsumiert werden kann (vgl. u. a. BVerfG NStZ 2000, 601; NJW 2004, 1517; BrandenbVerfG NStZ-RR 1998, 366; LG Magdeburg StraFo 1998, 271; LG Zweibrücken StV 2000, 552; vgl. die weit. N. bei Burhoff StraFo 2005, 144). Es reichen knappe, aber aussagekräftige Tatsachenangaben, aus denen der Betroffene entnehmen kann, was ihm vorgeworfen wird bzw. wegen welcher Tat die Durchsuchung erfolgt. Es reicht also allein eine Tatbeschreibung, wie z.B., der Beschuldigte habe "Betäubungsmittel erworben bzw. mit diesen Handel getrieben", grds. ebenso wenig (BVerfG NJW 2003, 2303; StV 2003, 203; vgl. aber NStZ 2004, 160) wie bei einem Insolvenzstrafverfahren die bloße Nennung des angenommenen Straftatbestandes der Insolvenzverschleppung (BVerfG StV 2005, 643).

Tipp/Hinweis:

Eine bloße statistische Wahrscheinlichkeit reicht nicht (AG Saalfeld NJW 2001, 3642). Die Anordnung einer Durchsuchung setzt allerdings einen erhöhten Verdachtsgrad, wie z.B. bei der akustischen Wohnraumüberwachung, nicht voraus (BVerfG NJW 2004, 3171).

Inhaltsverzeichnis

Zur Beschreibung des Tatvorwurfs reichen auch bloße Vermutungen und ein vager Verdacht nicht aus (BVerfG NJW 2004, 3171 [für Steuerhinterziehung]; NStZ-RR 2005, 203; 2006, 110 [Verstoß gegen das MarkenG]; StraFo 2005, 377 [Beleidigung]; LG Gera StraFo 2006, 107 [für Verstoß gegen § 90a StGB]). Zu der Beschreibung des Tatvorwurfs gehören insbesondere auch die Angabe von Tatzeit( -raum und - ort) (LG Braunschweig StV 1998, 480 [Tatzeit, -ort]; LG Nürnberg-Fürth StV 1999, 521 [Tatzeitraum]). Bei anonymen Anzeigen muss auf jeden Fall besonders sorgfältig geprüft werden (LG Offenburg NStZ 1997, 626; LG Regensburg StV 2004, 198 [Ls.]; vgl. LG Karlsruhe StraFo 2005, 420, wonach eine anonyme Anzeige keine Durchsuchungsgrundlage sein kann). Im Steuerstrafverfahren gelten keine Besonderheiten (vgl. zu den Anforderungen allgemein u. a. BVerfG NJW 2002, 1941; 2004, 3171; NStZ-RR 2005, 203; LG Bonn StraFo 2001, 418; StV 2002, 358; LG Koblenz StraFo 2002, 298).

Tipp/Hinweis:

Diese Anforderungen gelten insbesondere auch, wenn es um den Vorwurf der Geldwäsche gegen einen Strafverteidiger geht. Zu den (Mindest)Anforderungen an den Tatverdacht in diesen Fällen hat das BVerfG erst vor kurzem Stellung genommen (vgl. NJW 2005, 1707) und dabei auf die Gefahren für die betroffenen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgüter der Berufsausübungsfreiheit und der Wahlverteidigung besonders hingewiesen (zum Anfangsverdacht der Geldwäsche vgl. auch LG Berlin NJW 2003, 2694; LG Marburg StV 2003, 67; LG München wistra 2005, 389).

Inhaltsverzeichnis

cc) Bezeichnung der Beweismittel

Die Durchsuchungsanordnung muss außerdem Zweck und Ziel - Ergreifung des Beschuldigten oder Auffinden von Beweismitteln - (BVerfG NJW 1966, 1603, 1615; 2003, 2303; StV 2003, 203; StraFo 2004, 413) angeben (s. u II. und III.). I.d.R. wird die Durchsuchung dem Auffinden von Beweismitteln dienen. Dann müssen die Beweismittel, denen die Durchsuchung gilt, ggf. in der Form beispielhafter Angaben, (Meyer-Goßner, § 105 Rn. 5 m. w. N. aus der Rspr. des BVerfG; zuletzt u.a. StraFo 2004, 413) aufgeführt werden. Nur allgemeine Angaben über die Beweismittel genügen nicht (BVerfG NJW 1992, 551; LG Wiesbaden NJW 1979, 175). Die Angaben müsse so konkretisiert werden, dass weder bei dem von der Durchsuchung Betroffenen noch bei den die Durchsuchung vollziehenden Beamten Zweifel über die suchenden und ggf. zu beschlagnahmenden Gegenstände entstehen können (BVerfG NJW 2003, 2669; NStZ-RR 2002, 172; BGH NStZ 2002, 215; vgl. auch EGMR StraFo 2005, 283). Ausreichend ist allerdings eine Bestimmung der Beweismittel der Gattung nach (BGH NStZ 2000, 154).

Tipp/Hinweis:

Der Durchsuchungsbeschluss muss angeben bzw. es muss erkennbar sein, in welcher Beziehung die Unterlagen zu dem erhobenen Vorwurf stehen. Alles andere ist eine "Scheinkonkretisierung" (LG Berlin StV 2004, 319), die den Anforderungen, die die Rechtsprechung stellt, nicht gerecht wird.

Inhaltsverzeichnis

dd) Verhältnismäßigkeit

(1) Allgemeine Verhältnismäßigkeit

Ganz besonderes Gewicht wird in der Rechtsprechung des BVerfG auf die Frage der Verhältnismäßigkeit der Durchsuchung gelegt. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist danach nur gewahrt, wenn die Durchsuchung unter Würdigung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet und erforderlich ist/war und der mit ihr verbundene Eingriff in die durch andere Grundrechtsnormen geschützten Bereiche, wie z. B. Menschenwürde, Freiheit und Wohnung, nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des bestehenden Tatverdachts steht (BVerfG, a. a. O.; vgl. auch NJW-RR 2005, 1289; für die Erlangung von Telekommunikationsverbindungsdaten s. BVerfG NJW 2006, 976).

Auch Vergehen können Anlass für Durchsuchungen und Beschlagnahmen sein. Die Vorschriften sehen eine Einschränkung auf Verbrechen nicht vor (BVerfG, Beschl. v. 1. 2. 2005, 2 BvR 2019/04). Deshalb ist der Vorwurf der Störung der Totenruhe (§ 168 StGB) ebenso als ausreichend angesehen worden (BVerfG NJW 2005, 965) wie der Verdacht einer Nötigung und einer Sachbeschädigung im Straßenverkehr (BVerfG NJW 2005, 1767; VRR 2005, 111 [aber nicht mehr nach 16 Monaten]) oder einer Beleidigung (BVerfG StraFo 2005, 377). Für eine Unterschlagung hat das BVerfG allerdings Zweifel angemeldet (vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 1289). Nach Auffassung des BVerfG handelt es sich bei diesen Delikten weder um Bagatellkriminalität noch kann Art. 13 GG entnommen werden, dass allein der Verdacht schwerer Straftaten eine Durchsuchung rechtfertigen könnte (BVerfG, Beschl. v. 1. 2. 2005, 2 BvR 2019/04). Die Schwere der Straftat ist allerdings z.B. im Rahmen der Abwägung zwischen dem Zweck der Strafverfolgung und dem Schutz der Pressefreiheit zu berücksichtigen (BVerfG, a.a.O.; StraFo 2005, 377).

Tipp/Hinweis:

Auch im Bußgeldverfahren kommt eine Durchsuchung grds. in Betracht (vgl. dazu EGMR NJW 2005, 3111; BVerfG HRRS 2005, 313; s. aber BVerfG StraFo 1999, 192 [geringfügiger Verstoß gegen das AuslG]; LG Zweibrücken NZV 1999, 222 und AG Landau NStZ-RR 2002, 220 [keine Durchsuchung bei geringfügiger OWi]; VRS 102, 378 [geständiger Betroffener]); Burhoff in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, Rn. 528 ff.). Allerdings bedarf hier die Prüfung der Verhältnismäßigkeit besonderer Sorgfalt (EGMR, a.a.O.) und wird die Durchsuchung häufig unverhältnismäßig sein.

Inhaltsverzeichnis

(2) Verhältnismäßigkeit bei Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei

Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchung einer Rechtanwaltskanzlei betont das BVerfG immer wieder das Gewicht des Rechtsguts der Berufsausübungsfreiheit (Art 12 GG) des betroffenen Rechtsanwalts und den verfassungsrechtlichen Schutz des i.d.R. auch betroffenen Instituts der Wahlverteidigung (vgl. u.a. BVerfG NJW 2005 1707).

Tipp/Hinweis:

Die Durchsuchung des Rechtsanwaltskanzlei bedarf "besonderer verfassungsrechtlicher Rechtfertigung", was vor allem gilt, wenn der gesamten Datenbestand des Rechtsanwalts beschlagnahmt werden soll (BVerfG NJW 2005, 1917; NJW 2005, 3414; NJW-RR 2005, 1289; s. auch LG Hannover StV 1997, 626 und LG Stuttgart StraFo 1999, 383, jeweils für die Durchsuchung einer Anwaltskanzlei bei nur "äußerst geringem" Tatverdacht; wegen der Einzelh. s.u.). Diese besondere Rechtfertigung gilt (allgemein) i.Ü. auch, wenn sich die Durchsuchung auf die Sicherstellung von Datenträgern oder Mobiltelefonen, auf denen Telekommunikationsverbindungsdaten gespeichert sind, gerichtet ist (vgl. dazu eingehend BVerfG NJW 2006, 976). Dem erheblichen Eingriff sowohl in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als auch in das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung ist in besonderer Weise Rechnung zu tragen.

Inhaltsverzeichnis

c) Richtervorbehalt

Durchsuchungsmaßnahmen werden nach Art. 13 Abs. 1 GG bzw. § 105 Abs. 1 StPO grds. durch den Richter angeordnet. Nur bei "Gefahr im Verzug" können auch der Staatsanwalt oder eine der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft (§ 152 GVG) eine Durchsuchung anordnen.

Tipp/Hinweis:

Zu den Ermittlungspersonen gehören im gehören im Steuerstrafverfahren gem. § 404 S. 2 Hs. 2 AO auch die Beamten der Steuerfahndung.

"Gefahr im Verzug" liegt vor, wenn die richterliche Anordnung der Maßnahme nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Durchsuchung dadurch gefährdet wird (Meyer-Goßner, § 98 Rn. 6 m.w.N.). Nach der Rspr. des BVerfG (vgl. BVerfG NJW 2001, 1121) ist der Begriff der ,Gefahr im Verzug" eng auszulegen. Die richterliche Anordnung ist die Regel, die nicht richterliche die Ausnahme (vgl. auch Burhoff StraFo 2005, 140 m.w.N.). Der über die Anordnung ggf. ohne Richter entscheidende Beamte muss über das Vorliegen von ,Gefahr im Verzug" nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden. Seine Entscheidung muss sich auf Tatsachen gründen (BVerfG, a. a. O.; so auch schon BVerfG NJW 1979, 1539). Seine Entscheidung unterliegt der unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle (BVerfG NJW 2001, 1121; 2002, 1333).

Das bedeutet (wegen weit. Einzelh. s. Burhoff, EV; Rn. 540 m.w.N.): Die Ermittlungsbehörden müssen zunächst immer versuchen, eine richterliche Anordnung zu erlangen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nur dann, wenn schon durch diesen Versuch und die darauf zurück zu führende zeitliche Verzögerung ein Beweismittelverlust eintreten könnte (BVerfG NJW 2003, 1121; OLG Koblenz NStZ 2002, 660; insoweit zutreffend BayObLG VRS 104, 294; siehe dazu auch Burhoff StraFo 2005, 141). Das gilt auch für Durchsuchungen und Beschlagnahme, die sich auf Dateien als Beweismittel richten (BayVGH PStR 2005, 278). Die bloße Möglichkeit eines Beweismittelverlustes reicht nicht (BVerfG NJW 2003, 2303). "Gefahr im Verzug" ist also nicht gegeben, wenn ausreichend Zeit zur Erlangung eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses vorhanden war. Die Ermittlungsbehörden müssen auch - zumindest telefonisch - versucht haben (BrandenbVerfG NJW 2003, 2305), eine richterliche Anordnung zu erlangen. In dem Zusammenhang ist die Rspr. hinsichtlich des Zeitfensters, das den Behörden zur Verfügung steht, ziemlich streng. Das BVerfG hat z.B. die Annahme von "Gefahr im Verzug" verneint, wenn noch zwei Stunden für die Erlangung einer richterlichen Anordnung zur Verfügung standen (vgl. BVerfG. NJW 2005, 1637; ähnlich Beschl. v. 8. 3. 2006 - 2 BvR 1114/05; vgl. auch LG Cottbus StV 2002, 535 [3 Stunden]; zur Rspr. vor der Grundsatzentscheidung des BVerfG LG Osnabrück StV 1991, 152 [für Zeitspanne von 45 Minuten zwischen dem Eingang eines Hinweises und der Durchsuchung]; ähnlich AG Braunschweig StV 2001, 393).

Tipp/Hinweis:

Die Ermittlungsbehörden dürfen nicht so lange warten, bis "Gefahr im Verzug" eingetreten ist. Sie dürfen auf diese Weise die Voraussetzungen für eine nicht richterliche Anordnung nicht (selbst) herbeiführen (BVerfG NJW 2003, 2303).

Inhaltsverzeichnis

Für den richterlichen Bereitschaftsdienst gilt nach der Rspr. des BVerfG: Bei Tage muss die Regelzuständigkeit des Ermittlungsrichters uneingeschränkt gewährleistet sein und ist die Justiz deshalb verpflichtet, sowohl innerhalb als auch außerhalb der üblichen Dienstzeiten für die Erreichbarkeit des Ermittlungsrichters Sorge zu tragen. Für die Nachzeit sieht das BVerfG von Verfassungs wegen einen Bereitschaftsdienst hingegen erst dann als erforderlich an, wenn hierfür ein praktischer Bedarf besteht. Es kommt also darauf an, wie oft es überhaupt zu nächtlichen Durchsuchungsanordnungen kommt. Ist das nur vereinzelt der Fall, ist der richterliche Eildienst zwar wünschenswert, aber nicht unbedingt erforderlich (vgl. zu allem BVerfG NJW 2001, 1121; 2004, 1441; 2005, 1637; Beschl. v. 8. 3. 2006, 2 BvR 1114/05; s. auch Burhoff, EV, Rn. 540 m.w.N.).

Der Annahme von "Gefahr im Verzug" steht es i.Ü. nicht entgegen, wenn die Befundtatsachen, auf die sich die Durchsuchungsmaßnahme stützen soll, schon längere Zeit bekannt sind. Die Rspr. des BVerfG, nach der nach sechs Monaten von einer einmal erteilten Durchsuchungsanordnung nicht mehr Gebrauch gemacht werden darf, ist auf diese Fallkonstellation nicht übertragbar (BVerfG BVerfGK 4, 303) Es dürfen aber nur Beschlüsse vollstreckt werden, die nicht älter als sechs Monate sind (s. BVerfG NJW 1997, 2165).

Liegt nach den vorstehenden Ausführungen "Gefahr im Verzug" vor und wird die Durchsuchung daher nicht vom Richter angeordnet, ist die Anordnung der Durchsuchung an eine bestimmte Form nicht gebunden (zur Form s.o. I, 1a). Sie kann also mündlich, telefonisch oder telegrafisch ergehen (vgl. BGH NStZ 1986, 84). Im Hinblick auf Erforderlichkeit einer gerichtlichen Kontrolle müssen aber sowohl die Annahme von "Gefahr im Verzug" als auch die Grundlagen der Entscheidung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Durchsuchungsmaßnahme in den Ermittlungsakten dargelegt/dokumentiert werden (BVerfG NJW 2001, 1121; 2003, 2303; BayVGH PStR 2005, 278; vgl. auch BGH NJW 2005, 1060, zugleich auch zur (verneinten) Frage eines Beweisverwertungsverbotes, wenn das unterlassen wird). Erforderlich ist eine "hinreichende Dokumentation" der Eingriffssituation, weil nur so eine ausreichende Kontrolle möglich ist, ob die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise nicht vom Richter angeordneten Eingriff vorgelegen haben (BVerfG, Beschl. v. 8. 3. 2006, 2 BvR 1114/05).

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2. Beschlagnahmeverbote

Allgemein gilt: Die Anordnung der Durchsuchung ist unzulässig, wenn die gesuchten Sachen unter § 97 StPO fallen, also ein Beschlagnahmeverbot besteht (OLG Frankfurt StraFo 2005, 421).

Tipp/Hinweis:

Die Beschlagnahmeverbote spielen bei der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei wegen der Bedeutung, die dem Schutz des Verhältnisses zwischen Mandanten und Verteidiger/Rechtsanwalt zukommt (vgl. BVerfG NJW 2004, 1305 ["Geldwäscheentscheidung]) eine erhebliche Rolle.

Inhaltsverzeichnis

a) Allgemeines

Das nach § 97 Abs. 1 Nr. 1-3 StPO für bestimmte Gegenstände bestehende Beschlagnahmeverbot knüpft an ein sich ggf. aus den §§ 52, 53, 53a StPO ergebendes Zeugnisverweigerungsrecht an. Aus § 97 Abs. 1 StPO folgt aber kein allgemeines Beschlagnahmeverbot entsprechend einem allgemeinen Zeugnisverweigerungsrecht. Geschützt wird nur das Vertrauensverhältnis zum Beschuldigten. Die Beziehung eines Nichtbeschuldigten zu einem Berufsgeheimnisträger, wie z.B. einem Rechtsanwalt, unterfällt nicht dem Schutz des § 97 Abs. 1 StPO (vgl. BVerfG NStZ-RR 2004, 83; Meyer-Goßner, § 97 Rn. 10). Zu dem geschützten Personenkreis gehören nicht nur Verteidiger, sondern (alle) sonstige Rechtsanwälte, und zwar nach Roxin (NJW 1995, 17) auch der Syndikusanwalt (dazu Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 7. Aufl., Rn. 391 [zumindest für die Unterlagen, die äußerlich eindeutig dem Bereich der anwaltlichen Tätigkeit zugeordnet sind]).

Inhaltsverzeichnis

aa) Beschlagnahmefreie Gegenstände

Beschlagnahmefrei sind danach (bei der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei) grds. (s. i.Ü. das ABC bei Malek/Wohlers, Zwangsmaßnahmen und Grundrechtseingriff im Ermittlungsverfahren, 2. Aufl., Rn. 181 ff.; vgl. auch Park, Rn. 536 ff.; Burhoff, EV, Rn. 300, 306 ff.).

  • schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 52 StPO oder nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 3 b StPO das Zeugnis verweigern dürfen, also z.B. Angehörige und/oder der Verteidiger,; erfasst werden davon Abschriften oder Fotokopien, Briefe im Original und in Durchschrift, sowie Mitteilungen auf Ton- und Bildträgern, Abbildungen oder anderen Darstellungen, die in entsprechender Anwendung von § 11 Abs. 3 StGB den o.a. schriftlichen Mitteilungen gleich stehen

Tipp/Hinweis:

Es ist also unerheblich, auf welchem Medium sich die Aufzeichnungen befinden, so dass z.B. auch die Daten auf einem Notebook von der Privilegierung erfasst werden (BVerfG NJW 2002, 1410).

  • Aufzeichnungen, welche sich die in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 - 3 b StPO Genannten über die ihnen vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht haben, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt, aber auch solche, die Berufshelfer i.S. des § 53a StPO sich gemacht haben (zur Berufshelfereigenschaft Burhoff, EV, Rn. 2076; zum Beschlagnahmeverbot Krause StraFo 1998, 7), also z.B. Aufzeichnungen des Rechtsanwalts/Verteidigers über Besprechungen mit dem Mandanten u.a.,

  • Aufzeichnungen des Beschuldigten, die er sich erkennbar selbst zum Zweck seiner Verteidigung gemacht hat, sind über den Wortlaut des § 97 StPO hinaus von der Beschlagnahme ausgeschlossen und zwar unabhängig davon, ob der Beschuldigte beabsichtigte, diese Aufzeichnungen an seinen Verteidiger weiterzugeben (st.Rspr. des BGH, vgl. zuletzt BGHSt 44, 46 m.w.N.; OLG München StV 2005, 118; LG Bonn StV 2004, 124; LG München NStZ 2001, 612). Tagebuchaufzeichnungen des Beschuldigten fallen ebenfalls grds. unter § 97 StPO. Das folgt aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 97, wenn nämlich das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen das Strafverfolgungsinteresse eindeutig überwiegt, was z.B. bei privaten Tonbandaufzeichnungen (BGHSt 36, 167) oder bei Tagebucheintragungen, die nicht zur Kenntnis Dritter bestimmt sind, i.d.R. anzunehmen ist (zur Beschlagnahme von Tagebüchern allgemein s. BVerfG NJW 1990, 563 m.w.N.; s. auch BerlVerfG NJW 2004, 593 [Beschlagnahme eines Tagebuchblatts in einem Verfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zur Wahlfälschung gem. § 107a StGB]; BGH NJW 1994, 1970 [Tagebücher eines Stasi-Agenten]).

  • Andere Gegenstände. Das können z.B. sein nach h.M. Buchungs- und Geschäftsunterlagen des Beschuldigten, die sich beim Verteidiger befinden (s. Meyer-Goßner, a.a.O., m.zahlr.w.N.).

Akten und Unterlagen von Mandanten im Besitz eines Rechtsanwaltes, gegen den ebenfalls ein Ermittlungsverfahren geführt wird, sind jedoch keine beschlagnahmefreien Gegenstände (LG Berlin NStZ 1993, 146). Es besteht insoweit auch kein verfassungsrechtliches Verwertungsverbot, da der Mandant ausreichend dadurch geschützt ist, dass die Verwertung der Unterlagen nur im Verfahren gegen den Rechtsanwalt zulässig ist (LR-Schäfer, § 97 Rn. 14 m.w.N.; zur Beeinträchtigung der Rechte des Mandanten durch sich gegen den Rechtsanwalt richtende Beschlagnahmen Krekeler NJW 1977, 1418 f.; Waldowski AnwBl. 1975, 106).

Inhaltsverzeichnis

bb) Gewahrsam des Rechtsanwalts

Gem. § 97 Abs. 2 S. 1 StPO gilt das Beschlagnahmeverbot für die aufgeführten Gegenstände nur dann, wenn sie sich im Gewahrsam - also in der tatsächlichen Verfügungsmacht - des i.S. der §§ 52, 53, 53a StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden. Der Rechtsanwalt muss also Gewahrsam haben. Es ist ausreichend, wenn Mitgewahrsam besteht; es darf aber nicht der Beschuldigte der andere Mitgewahrsamsinhaber sein (BGHSt 19, 374; LG Stuttgart MDR 1990, 944). Eine Ausnahme gilt für Verteidigungsunterlagen im Besitz des Verteidigers (vgl. dazu BGHSt 44, 46; LG München NStZ 2001, 612).

Inhaltsverzeichnis

cc) Ausnahmen vom Beschlagnahmeverbot

Vom Beschlagnahmeverbot gelten Ausnahmen: Die in der Praxis bedeutsamste folgt aus § 97 Abs. 2 S. 3 StPO, wenn der Rechtsanwalt/Verteidiger selbst einer Teilnahme i.w.S., einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist. Insoweit muss weder dringender Tatverdacht i.S.v. § 112 StPO noch hinreichender Tatverdacht i.S.v. § 203 StPO vorliegen. Der Verdacht muss sich aber auf bestimmte Tatsachen gründen, bloße Vermutungen genügen nicht (LG Kiel SchlHA 1955, 368; vgl. dazu auch unten b). Er muss bei der Anordnung der Beschlagnahme bestehen (Meyer-Goßner, § 97 Rn. 20 m.w.N.).

Tipp/Hinweis:

Hier kann die Geldwäscheentscheidung des BGH (BGHSt 47, 68) erhebliche Auswirkungen haben. Sie ermöglicht nämlich ggf. über einen Geldwäschevorwurf und den damit nach der Rspr. des BGH (immer auch) gegebenen Vorwurf der Begünstigung usw. eine erweiternde Anwendung des § 97 Abs. 2 S. 3 StPO). Bei Beachtung der Grundsätze der zur Rspr. des BGH ergangenen Entscheidung des BVerfG (NJW 2004, 1305), wonach § 261 StGB zu Gunsten des Verteidigers einschränkend dahin auszulegen ist, dass dieser "sichere Kenntnis" von der bemakelten Herkunft des Geldes haben muss, sind an eine solche Annahme nun aber wohl ganz besondere Anforderungen zu stellen.

Eine weitere Ausnahme besteht, wenn es sich bei den zu beschlagnahmenden Gegenständen um sog. Deliktsgegenstände handelt (§ 97 Abs. 2 S. 3 StPO). Das sind solche, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren, z.B. gefälschte Urkunden. Dazu zählen auch die zur Begehung einer Steuer- oder Wirtschaftsstraftat benutzten - gefälschten oder echten - Urkunden (OLG Hamburg MDR 1981, 603; LG Aachen NJW 1985, 338; s.a. LG Stuttgart NJW 1976, 2030 [zur Frage des sog. mittelbaren Deliktsgegenstands]) sowie ggf. auch das "Bekennerschreiben" einer terroristischen Vereinigung (BGHSt 41, 363).

Tipp/Hinweis:

Schließlich entfällt die Beschlagnahmefreiheit auch, wenn der zur Verschwiegenheit verpflichtete Rechtsanwalt von seinem Mandanten von der Verschwiegenheitspflicht gem. § 53 Abs. 2 StPO entbunden wird. Dann unterliegen sämtliche Unterlagen, die sich vom Mandanten bei seinem Berater befinden, der Beschlagnahme. Das gilt unabhängig davon, ob der Beschuldigte im Einzelnen von ihnen Kenntnis hat, also z.B. auch für Krankengeschichten (OLG Hamburg NJW 1962, 689).

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b) Exkurs: Beschlagnahme der Handakten des Verteidigers und von Datenträgern des Rechtsanwalts

aa) Beschlagnahme der Handakten

Für die Beschlagnahme der Handakten des Verteidigers gelten grds. die allgemeinen Regeln. Die Handakten des Verteidigers (und ihr Inhalt) sind danach grds. als beschlagnahmefrei anzusehen (Dahs, Rn. 389 m.w.N.; zur Beschlagnahme von Mandantenunterlagen bei den Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe s. Schuhmann wistra 1995, 50; s. auch o. I, 2 a, aa).

Tipp/Hinweis:

Gegen die Beschlagnahme seiner Handakten muss der Verteidiger sich deshalb auf jeden Fall mit der Beschwerde zur Wehr setzen (Dahs, Rn. 391).

In der Praxis von Bedeutung sind die mit der o.a. Ausnahme "Teilnahmeverdacht" zusammenhängenden Fragen. Nach überwiegender Meinung in Rspr. und Lit. gelten, wenn der Verteidiger teilnahmeverdächtig ist, keine Besonderheiten gegenüber den allgemeinen Regeln (vgl. BGHSt 31, 16; 33, 347, 351 ff. [für Telefonüberwachung]; Meyer-Goßner, § 97 Rn. 38 m.w.N. auch zur Gegenansicht in der Lit.). Fraglich ist allerdings, welche Anhaltspunkte für einen Teilnahmeverdacht des Rechtsanwalts vorliegen müssen. Nach der Rspr. des BGH müssen es gewichtige Anhaltspunkte sein (BGH NJW 1973, 2035). Was ,,gewichtige,, Anhaltspunkte sind, ist bislang allerdings nicht definiert. Nicht erforderlich soll sein, dass gegen den Verteidiger bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet oder er nach §§ 138a ff. als Verteidiger ausgeschlossen ist (BGH NStZ 1983, 85). Diese Rspr. ist in der Lit. scharf kritisiert worden (vgl. u.a. Specht NJW 1974, 65; Welp JZ 1974, 421, jeweils in den Anm. zu BGH, a.a.O.; s.a. die weit. N. bei Meyer-Goßner, § 97 Rn. 39). Die Kritik ist m.E. berechtigt. Denn, was sollen "gewichtige Anhaltspunkte" sein, wenn mit ihnen nicht zumindest ein Anfangsverdacht für die Einleitung eines Ermittlungsverfahren bzw. der Verdachtsgrad des § 138a StPO bejaht werden können soll. In der Lit. (vgl. Schäfer in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 97 Rn. 58 ff.; ähnlich Malek/Wohlers, Rn. 220) ist überzeugend dargelegt, warum zudem eine einschränkende Auslegung des § 148 heute nicht mehr notwendig ist. Das gilt, nachdem das BVerfG in seiner jüngeren Rspr. (vgl. dazu insbesondere die "Geldwäscheentscheidung" in NJW 2004, 1305 und BVerfG NJW 2005, 1917) das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant betont und für besonders schützenswert angesehen hat, erst Recht. Deshalb wird man m.E. die Beschlagnahme beim teilnahmeverdächtigen Verteidiger auf jeden Fall erst nach der Entscheidung über das Ruhen der Verteidigerrechte gem. § 138c Abs. 3 StPO als zulässig ansehen können (a.A. in einem obiter dictum BGHSt 33, 347).

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bb) Beschlagnahme von Datenträgern

Besonderen Schutz gewährt das BVerfG dem Rechtsanwalt/Verteidiger, wenn in seinem Büro eine Durchsuchungsmaßnahme durchgeführt wird und es zur Beschlagnahme von Computeranlagen und computermäßig erfassten Daten kommt (BVerfG NJW 2005, 1917 für die Beschlagnahme des gesamten elektronischen Datenbestandes eine von Rechtsanwälten und Steuerberatern gemeinsam betriebenen Kanzlei; vgl. dazu auch schon BVerfG NJW 2002, 2458 [Erlass einer einstweiligen Anordnung]); vgl. dazu eingehend Kutzner NJW 2005, 2652 und Wegner PStR 2005, 208).

Das BVerfG (NJW 2005, 1917; s. auch noch NJW-RR 2005, 1289) hat festgestellt, dass die Sicherstellung und Beschlagnahme der (gesamten) Datenträger und der hierauf gespeicherten Daten in das sich aus Art. 2 GG ergebende Grundrecht des Rechtsanwalts/Beraters und seiner Mandanten auf informationelle Selbstbestimmung eingreife und die hiermit zusammenhängenden Belange der Allgemeinheit beeinträchtigt. Der Zugriff auf den Datenbestand einer Rechtsanwalts- und Steuerberaterkanzlei berühre nämlich in schwerwiegender Weise das rechtlich besonders geschützte Vertrauensverhältnis zwischen den Mandanten und den für sie tätigen Berufsträgern. Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege und Steuerberater sowie deren Mandanten seien auch im öffentlichen Interesse auf eine besonders geschützte Vertraulichkeit der Kommunikation angewiesen. Die Möglichkeit eines unbeschränkten Zugriffs auf den Datenbestand einer Rechtsanwalts- oder Steuerberaterkanzlei durch die staatlichen Behörden könne deren Mandanten insbesondere auch in anderen Fällen von einer vertraulichen Kommunikation oder sogar von einer Mandatierung abhalten (zu allem auch Kutzner NJW 2005, 2652). Das BVerfG betont ausdrücklich die Besonderheiten der beruflichen Tätigkeit von Rechtsanwälten und Steuerberatern Beschränkungen des Art. 2 Abs. 1 GG bedürften einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage.

Tipp/Hinweis:

Nach Auffassung des BVerfG bedarf daher der eingriffsintensive Zugriff auf Datenträger bei Berufsgeheimnisträgern einer "besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung" (BVerfG, a.a.O.; NJW-RR 2005, 1289; NJW 2005, 3414). Der Zugriff auf für das Verfahren bedeutungslose Informationen müsse im Rahmen des Vertretbaren vermieden werden (BVerfG NJW 2005, 1917). Bereits im Verfahrensstadium der Durchsicht nach § 110 StPO, das der Entscheidung über die Beschlagnahme vorgelagert ist, sei daher eine sorgfältige Sichtung und Trennung der Daten je nach ihrer Verfahrensrelevanz geboten (BVerfG, a.a.O.).

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Zur Durchsetzung dieses besonderen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hat das BVerfG (NJW 2005, 1917; 2005, 3414) für die Ermittlungsbehörden einen Prüfungskatalog entwickelt, an dem sich Durchsuchungen, vor allem aber Beschlagnahmen im sensiblen Bereich des Berufsgeheimnisträgers messen lassen müssen (vgl. dazu auch Kutzner NJW 2005, 2653; Wegner PStR 2005, 208 ff.; Burhoff, EV, Rn. 304c). Dazu gilt:

  • Allgemein ist die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren zu bewerten. Im Einzelfall können schon die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat und eine geringe Beweisbedeutung der auf dem Datenträger vermuteten Informationen einer Sicherstellung des Datenbestands entgegenstehen.
  • Auch wenn die von der Maßnahme betroffenen Datenträgern potenziell Beweiserhebliches enthalten, ist zu prüfen, ob eine Sicherstellung des Datenträgers und aller darauf vorhandenen Daten erforderlich ist.
  • Kann eine Unterscheidung der Daten nach ihrer potenziellen Verfahrenserheblichkeit vorgenommen werden, ist vor Ort die Möglichkeit einer Trennung der potenziell erheblichen von den restlichen Daten von Verfassungs wegen zu prüfen. In Betracht kommt hierbei neben dem Erstellen einer (Teil-)Kopie hinsichtlich der verfahrenserheblichen Daten das Löschen oder die Herausgabe der für das Verfahren irrelevanten Daten (vgl. dazu BVerfG NJW 2005, 3414).
  • Je nach den Umständen des Einzelfalls müssen unterschiedliche, miteinander kombinierbare Möglichkeiten vor einer endgültigen Beschlagnahme sämtlicher Daten erwogen und ausgeschöpft werden. Von Bedeutung ist hierbei vor allem die Auswertung der Struktur eines Datenbestandes. Die Zuordnung eines Teils des Datenbestandes entweder auf einen Sozius oder einen Mandanten ist zu beachten. Es darf grds. nur auf die Akten zugegriffen werden, die zu dem verdachtserregenden Mandat gehören.

Tipp/Hinweis:

Der Rechtsanwalt/Verteidiger sollte daher auf jeden Fall dafür sorgen, dass in seiner Kanzlei die Daten auf ihre Trennbarkeit, die Möglichkeit der Zuordnung und Eindeutigkeit geprüft werden können. Dazu stehen Computerprogramme zur Verfügung (vgl. dazu Streck AnwBl. 2005, 566, der den Rechtsanwalt für schadensersatzpflichtig gegenüber anderen Mandanten hält, wenn er darauf nicht achtet).

Diese Forderung des BVerfG (NJW 2005, 1917) hat zur Folge, dass in den Kanzleien geführte Terminkalender, Adressenverzeichnis, Fernsprechverzeichnisse usw. nur noch soweit sicher gestellt werden dürfen, wie sie sich auf das tatverstrickte Mandat beziehen (s. auch Wegner PStR 2005, 212). Etwas anderes folgt ggf. auch nicht aus der Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses mit "insbesondere" (LG Berlin NStZ 2004, 571).

  • Erlauben die Eigenheiten des jeweiligen strafrechtlichen Vorwurfs und auch die technische Erfassbarkeit des jeweiligen Datenbestands eine unverzügliche Zuordnung zu dem strafrechtlich relevanten Vorwurf vor Ort nicht, muss die Prüfung der Verfahrensrelevanz der gespeicherten Daten im Rahmen der vorläufigen Sicherstellung des Datenträgers erwogen werden. Die komplette Übernahme der Daten ist i.d.R. zu verhindern.
  • Die Beschlagnahme sämtlicher Daten oder der gesamten Datenverarbeitungsanlage darf nicht pauschal damit begründet werden, dass eine etwaige Datenverschleierung nicht ausgeschlossen werden könne. Insoweit bedarf es vielmehr einzelfallbezogener Erwägungen.

Tipp/Hinweis:

Das BVerfG (a.a.O.) hat außerdem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass um Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Verfahrensrechte nicht fruchtlos bleiben zu lassen, zu prüfen sein werde, ob ergänzend ein BVV in Betracht zu ziehen sei. Zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen sei ein Beweisverwertungsverbot als Folge einer fehlerhaften Durchsuchung und Beschlagnahme von Datenträgern und der darauf vorhandenen Daten geboten (zu Beweisverwertungsverboten bei der Beschlagnahme Burhoff, EV, Rn. 322).

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II. Durchsuchung beim Rechtsanwalt als Verdächtigem (§ 102 StPO)

Ist der Rechtsanwalt selbst Verdächtiger und wird die Durchsuchung in dem gegen ihn geführten Verfahren durchgeführt, gilt neben den o.a. allgemeinen Regelen und Anforderungen § 102 StPO. Danach kann bei dem, der als Täter oder Teilnehmer einer Straftat oder der Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei verdächtig ist, eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume und seiner Person vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führt. Für die Durchsuchung nach § 102 StPO genügt es - anders als bei § 103 StPO - dass aufgrund kriminalistischer Erfahrung die Vermutung besteht, dass der Zweck der Durchsuchung erreicht werden kann (Meyer-Goßner, § 102 Rn. 2). Das ist kein sehr hoher Grad.

Durchsucht werden können u.a. Wohnungen und Räume, wozu auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume, wie z.B. eine Rechtsanwaltspraxis, gehören (BVerfG NJW 2003, 2669). Durchsucht werden können aber auch EDV-Anlagen (BVerfG NJW 2005, 1917). Die Durchsuchung nach § 102 StPO dient entweder der Ergreifung des Verdächtigen oder dem Auffinden von Beweismitteln.

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III. Durchsuchung beim Rechtsanwalt als sog. Drittem (§ 103 StPO)

Wird beim Rechtsanwalt als sog. "andere Person" i. S. des § 103 Abs. 1 S. 1 StPO durchsucht, ist er also weder einer Straftat beschuldigt noch verdächtig, ist die Durchsuchung nur zur Ergreifung des Beschuldigten oder zur Verfolgung von Spuren einer Straftat oder zur Beschlagnahme bestimmter Gegenstände zulässig (zur Durchsuchung des Büros des Verteidigers des flüchtigen Beschuldigten zum Zwecke der Verhaftung s. LG Berlin NStZ-RR 2002, 267; zur Durchsuchung des Verteidigerbüros wegen des Verdachts der Geldwäsche LG Berlin NJW 2003, 2694 und dazu BVerfG NJW 2005, 1707). Die Gegenstände müssen konkret bezeichnet werden.

Außerdem müssen Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, dass die gesuchte Person oder Sache sich in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Es reicht also nicht nur - wie im Fall des § 102 StPO - eine bloße Vermutung (BGH NStZ 2000, 154, 155; StV 2002, 62; vgl. aber BVerfG NJW 2003, 2669; OLG Celle StV 1982 561 f.; LG Berlin StV 2002, 69; LG Köln StV 2005, 260). Die Beweismittel müssen hinreichend individualisiert sein. Die Annahme ,irgendwelche relevanten" Beweismittel zu finden, reicht nicht (BGH, a. a. O.). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird es hier zudem i. d. R. erfordern, dass der von der Durchsuchung Betroffene zunächst zur freiwilligen Herausgabe des Beweisgegenstandes aufgefordert wird (LG Kaiserslautern NStZ 1981, 438; LG Köln NJW 1981, 1746; wohl auch BerlVerfG StV 1999, 296, 297).

Tipp/Hinweis:

Die Durchsuchung einer Anwaltskanzlei aufgrund einer Anordnung nach § 103 StPO ist ein ,Eingriff" in das ,Privatleben" und die ,Wohnung" des Rechtsanwaltes i. S. des Art. 8 Abs. 1 MRK. Eine solche Durchsuchung muss daher den Anforderungen des Art. 8 Abs. 2 MRK entsprechen (EGMR NJW 1993, 718 ff.; ähnlich EGMR 2005, 283; s. auch LG Hannover StV 1997, 626).

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IV. Checkliste für das Verhalten bei der Durchsuchung der Rechtsanwaltskanzlei

Der Rechtsanwalt/Verteidiger muss sich auf eine Durchsuchung vorbereiten. Das kann anhand nachfolgender Checkliste geschehen (s. auch zur Prävention und zu Verhaltensregeln bei der Durchsuchung in Unternehmen Püschel PStR 2006, 89; Spatscheck AG 2006, 242; Burhoff, EV, Rn. 529). Vorbereitet werden müssen aber auch die Mitarbeiter des Büros, damit diese, wenn eine Durchsuchung durchgeführt werden soll, richtig reagieren.

Tipp/Hinweis:

Vor allem wichtig: Ruhe bewahren, keine Konfrontation, nichts vernichten oder keine Daten löschen!

Dem Rechtsanwalt kann nicht verweigert werden, seinen Mandanten zu informieren. Dazu ist er aufgrund des Mandatsverhältnisses sogar verpflichtet.

1. Die Mitarbeiter sollten vorab über Folgendes informiert werden:

  • Falls der Rechtsanwalt bei Beginn einer Durchsuchung selbst nicht im Büro ist: Verständigen!

Es empfiehlt sich dafür, vorab einen Mitarbeiter zu bestimmen. Dieser ist darüber zu informieren, dass der Rechtsanwalt Inhaber des Hausrechts der zu durchsuchenden Räume ist und damit ein Anwesenheitsrecht bei der Durchsuchung hat (§ 106 Abs. 1 S. 2 SPO).

  • Bitte an den Durchsuchungsleiter, mit dem Beginn der Durchsuchung bis zum Erscheinen des Rechtsanwaltes zu warten.

  • Nicht mit den Durchsuchungsbeamten reden!

Die Mitarbeiter unterliegen ebenso wie der Rechtsanwalt der Schweigepflicht gegenüber dem Mandanten!

  • Nichts - ohne Absprache - freiwillig herausgeben!

Auch insoweit gilt die anwaltliche Schweigepflicht.

2. Wird beim Rechtsanwalt als Beschuldigtem durchsucht:

Sofort Kollegen als Verteidiger hinzuziehen oder ein Mitglied der Anwaltskammer hinzu bitten. Dem von der Durchsuchung Betroffenen darf, auch wenn es ich um einen Rechtsanwalt handelt, ein Telefonkontakt zu seinem Rechtsanwalt nicht verwehrt werden. Eine generelle Telefonsperre ist unzulässig.

3. Bitte an den Durchsuchungsleiter, mit dem Beginn der Durchsuchung bis zum Erscheinen des Rechtsanwaltes zu warten.

Eine Verpflichtung der Ermittlungspersonen, mit dem Durchsuchungsbeginn bis zum Eintreffen des Rechtsanwaltes zu warten, besteht allerdings nicht.

4. Namen des Durchsuchungsleiters und der weiteren Ermittlungspersonen notieren!

Name, Dienstbezeichnung und telefonische Erreichbarkeit der Ermittlungspersonen sind zu erfassen und - soweit vorhanden - Visitenkarten zu erbitten. Im Zweifel kann zur Legitimation die Vorlage der Dienstausweise verlangt werden.

5. Durchsuchung wird allein von Polizeibeamten vollstreckt.

Wird die Durchsuchung von Polizeibeamten vollstreckt, die nicht von einem Staatsanwalt begleitet werden, muss nach § 105 StPO ein Zeuge beigezogen werden. Der Rechtsanwalt sollte dann einen anderen Rechtsanwalt beiziehen.

6. Falls ein Durchsuchungsbeschluss vorliegt: Diesen aushändigen lassen.

Ein vorliegender Durchsuchungsbeschluss ist den von der Durchsuchung Betroffenen regelmäßig vor Beginn der Durchsuchung - zumindest in Kopie - auszuhändigen. Nur so kann die Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft, eine freiwillige Herausgabe erwogen und der zulässige Umfang der Durchsuchung kontrolliert werden.

7. Anhand des Durchsuchungsbeschlusses prüfen, ob es sich um eine Maßnahme nach § 102 StPO oder um eine nach § 103 StPO handelt.

8. Überprüfung des Durchsuchungsbeschlusses

Der Rechtsanwalt sollte die Durchsuchungsanordnung zumindest auf folgende Punkte prüfen:

  • Ist im Beschluss der Tatverdacht hinreichend konkret beschrieben?
  • Sind die aufzufindenden Gegenstände ausreichend konkret bezeichnet?
  • Bei einer Durchsuchung nach § 102 StPO: Sind die Gründe benannt, aus denen sich ergibt, warum die gesuchten Gegenstände bei Dritten zu finden sein sollen?
  • Ist der Beschluss nicht älter als sechs Monate?

Tipp/Hinweis:

Ist der Rechtsanwalt der Auffassung, dass der Beschluss unwirksam ist, sollte er der Durchsuchungsmaßnahme widersprechen und den Widerspruch protokollieren lassen.

9. Falls kein Durchsuchungsbeschluss vorliegt: Unterrichtung über Gründe und Ziele der Durchsuchung fordern.

Hierzu gehört insbesondere auch die Erläuterung, warum "Gefahr im Verzug" vorliegt. Erläutert werden muss auch, ob sich die Maßnahme nach § 102 StPO oder nach § 102 StPO richtet.

Tipp/Hinweis:

Die Aufforderung und die Antworten sind schriftlich festzuhalten und aktenkundig zu machen.

10. Ablauf der Durchsuchung

  • Keine Gespräche mit den Durchsuchungspersonen, auch keine "informatorischen Vorgesprächen".
  • Nach Möglichkeit die Durchsuchungsbeamten jeweils von einem Mitarbeiter begleiten lassen.
  • In einem Vorgespräch kann die organisatorische Abwicklung der Durchsuchung besprochen werden. Hierzu gehört auch die Erörterung der Frage, wie der Geschäftsbetrieb möglichst reibungslos aufrecht erhalten und schädliche Außenwirkungen der Durchsuchung vermieden werden können.
  • Die Beschlagnahme von Unterlagen und Beweismitteln kann i.d.R. nicht verhindert werden. Um aber die Mitnahme und die Durchsicht von Papieren nicht betroffener Dritter zu verhindern, sollte der Rechtsanwalt bei der Suche behilflich sein. Das verhindert auch die gezielte Suche nach Zufallsfunden. So wird es auch grds. zu empfehlen sein, verschlossene Räume, Schränke, Tresore o. ä. zu öffnen.
  • Entsprechendes kann für die Preisgabe von Passwörtern für die EDV gelten, wenn durch eine Durchsicht der Dateien verhindert werden kann, dass die gesamte EDV sichergestellt wird.
  • In einem bereitgestellten Raum können die aufgefundenen Unterlagen zunächst gesammelt werden; die Fragen der Sicherstellung oder Beschlagnahme sowie der Anfertigung von Kopien können dann am Ende der Durchsuchung in einem Abschlussgespräch mit dem Durchsuchungsleiter erörtert werden.
  • Auf keinen Fall dürfen Unterlagen beiseite geschafft oder Daten vernichtet werden. Ein derartiges Verhalten kann den Haftgrund der Verdunklungsgefahr, ansonsten den Verdacht der versuchten Strafvereitelung begründen.

11. Wichtig: Vernehmungen im Büro untersagen!!!

Selbstverständlich ist die Durchsuchung zu dulden, ihr darf kein Widerstand entgegengesetzt werden. Insofern ist das Hausrecht des Rechtsanwalts eingeschränkt und das Betreten der Kanzlei durch die Ermittlungspersonen legitimiert. Anders sieht es aber aus, wenn die Beamten den zur Suche nach bestimmten Beweismitteln befugten Aufenthalt zu anderen Zwecken - insbesondere der Befragung von Mitarbeitern zur Sache - nutzen. Ein solches Verweilen in der Kanzlei mit dem Zweck der Durchführung von Vernehmungen ist vom Durchsuchungsbeschluss nicht gedeckt und daher nur mit Willen des Hausrechtsinhabers statthaft. Der sollte sein Einverständnis in der Situation auf keinen Fall erteilen.

12. Keine Genehmigung für nicht einsichtsbefugte Polizeibeamte zur Durchsicht von Papieren und Dateien

Es dürfen jetzt auch Polizeibeamte, sog. Ermittlungspersonen, auf Anordnung des Staatsanwaltes Papiere (und entsprechend auch elektronische Datenträger) durchsehen. Fehlt es aber an einer solchen Anordnung - die auch fernmündlich oder vorab erfolgen kann -, sollte keine Genehmigung zur Durchsicht erteilt werden. Die Unterlagen müssen dann von den Polizeibeamten ungelesen versiegelt werden und zur Staatsanwaltschaft gebracht werden. Im Gegensatz zu den Polizeibeamten dürfen die Beamten der Steuerfahndung aber auch ohne Genehmigung des Betroffenen Papiere durchsehen (§ 404 S. 2 Hs. 1 AO).

13. Beschlagnahmeverbot geltend machen!

Sollen Unterlagen beschlagnahmt werden, die nach Auffassung des Rechtsanwalts beschlagnahmefrei sind, muss der Rechtsanwalt auf das Beschlagnahmeverbot hinweisen und der Beschlagnahme (gesondert) widersprechen. Der Widerspruch muss ins Protokoll aufgenommen werden.

14. Keine freiwillige Herausgabe von Unterlagen!

Im Übrigen verbieten sich "Patentrezepte" oder pauschale Ratschläge zum Verhalten während der Durchsuchung. Grundsätzlich gilt, dass keine Pflicht zur aktiven Mitwirkung bei der Durchsuchung existiert, sondern diese lediglich passiv zu dulden ist. Es kann allerdings sinnvoll sein, in Abstimmung mit dem externen Rechtsanwalt auch aktiv mitzuwirken: So ist es grds. zu empfehlen, verschlossene Räume, Schränke, Tresore o. ä. zu öffnen. Entsprechendes kann für die Preisgabe von Passwörtern für die EDV gelten, wenn durch eine Durchsicht der Dateien verhindert werden kann, dass die gesamte EDV sichergestellt wird.

15. Detaillierte Dokumentation der beschlagnahmten Gegenstände verlangen!

Der von der Durchsuchung Betroffene hat noch an Ort und Stelle einen Anspruch auf ein schriftliches Verzeichnis der sichergestellten oder beschlagnahmten Gegenstände und Unterlagen (§ 107 S. 2 StPO). Die Anlegung eines solchen Verzeichnisses muss aber ausdrücklich verlangt werden.

16. Kopien der sichergestellten Unterlagen fertigen!

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es für die Ermittler, zunächst zu prüfen, ob es ausreicht, als mildere Maßnahme anstelle der (vollständigen) Sicherstellung der Beweisgegenstände Kopien des Datenbestandes fertigen. Besteht der Durchsuchungsleiter auf die Mitnahme der Originaldaten, muss er dem Betroffen aber jedenfalls gestatten, die zur Betriebsfortführung erforderlichen Kopien zu fertigen.

17. Fehlendes Einverständnis mit Durchsuchung und Beschlagnahme in Durchsuchungsniederschrift vermerken lassen.

Der Rechtsanwalt muss vor der Unterzeichnung des Protokolls darauf achten, dass seine Einwände festgehalten worden sind. Er sollte sich das Protokoll in Ruhe durchlesen.

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