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aus Praxis Steuerstrafrecht (PStR) 2002, 176

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "PStR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PStR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Ermittlungsverfahren

Einlassungsverhalten des Beschuldigten

von RiOLG Detlef Burhoff, Ascheberg/Hamm

Die Frage, ob der Beschuldigte sich zur Sache einlässt, ist eine der bedeutsamsten und schwierigsten Fragen des Ermittlungsverfahrens. Der Verteidiger muss das Für und Wider sehr sorgfältig mit seinem Mandanten erörtern. Die nachfolgenden Checklisten wollen dabei helfen, die Vor- und Nachteile eines bestimmten Einlassungsverhaltens im Vorfeld zu klären.

  • An erster Stelle stehen dabei allgemeine Praxisfragen zur Einlassung (Checkliste 1).
  • Zu berücksichtigen sind ferner die sich für den weiteren Verfahrensverlauf ergebenden verteidigungstaktischen Fragen (Checkliste 2).
  • Schließlich gilt es die Auswirkungen der Einlassung, insbesondere im Hinblick auf die Hauptverhandlung, abzuschätzen (Checkliste 3).

Hinweis: Grundsätzlich wird der Beschuldigte eine Einlassung erst abgeben, wenn der Verteidiger Akteneinsicht gehabt hat (Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 2. Aufl., Rz. 318; für weitere Literaturhinweise bei Rz. 316).

Checkliste 1: Allgemeine Praxisfragen zur Einlassung

Frage

Antwort

1. Muss der Beschuldigte eine Einlassung abgeben?

Nein. Nach §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a Abs. 3 S. 2 StPO hat jeder Beschuldigte das Recht zu den gegen ihn erhobenen Beschuldigungen zu schweigen. Aus seinem Schweigen dürfen keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden (KMG, § 261 Rz. 16 m.w.N. ; siehe zuletzt u.a. BVerfG NJW 96, 449; BGH StraFo 98, 346).

2. Welche Gründe sprechen für eine Einlassung?

Für eine Einlassung spricht:

  • Die geständige Einlassung wird i.d.R. strafmildernd berücksichtigt.
  • Der Beschuldigte sollte auch aussagen, wenn ohne seine Einlassung das Verteidigungskonzept nicht aufrecht erhalten werden kann. Häufig lassen sich nämlich anders als durch eine Einlassung des Beschuldigten Strafmilderungsgründe nicht in das Verfahren einführen.
  • Wenn nach den Gesamtumständen mit der Überführung des Beschuldigten fast sicher zu rechnen ist, ist die Einlassung zu empfehlen. Oft wird – insbesondere von Laienrichtern – die mangelnde Bereitschaft eines Beschuldigten/Angeklagten, sich zur Sache einzulassen, auch als Schuldbekenntnis angesehen.
  • Mit einer geständigen oder zumindest teilgeständigen Einlassung lässt sich im Zweifel auch eher eine Einstellung des Verfahrens erreichen.
  • Mit seiner Einlassung kann der Beschuldigte in gewissem Umfang den Gang der Ermittlungen (mit-)bestimmen. Insbesondere kann die (Teil-) Einlassung ein Mittel sein, die Ermittlungsbehörden von weiteren, dem Beschuldigten möglicherweise nachteiligen Ermittlungen abzuhalten.
  • Eine Einlassung zwingt die StA, sich mit ihr auseinander zu setzen und sie zu widerlegen, was möglicherweise große Schwierigkeiten bereiten und die Beweisführung gegen den Beschuldigten erschweren kann.

3. Welche Gründe sprechen dafür, nicht auszusagen?

Gegen eine Einlassung spricht:

  • Mit einer Aussageverweigerung kann der Beschuldigte ebenfalls in gewissem Umfang den Gang des Verfahrens bestimmen. Wartet er (zunächst nur) ab, kann er sich gezielter gegen die erhobenen Beschuldigungen wehren.
  • Auch die Persönlichkeit des Beschuldigten kann gegen eine Einlassung sprechen. Ein unbeholfener oder aggressiver Beschuldiger macht nie einen guten Eindruck.
  • Es besteht die Chance, dass der StA ohne eine Einlassung des Beschuldigten nicht zur Anklageerhebung gelangt. Denn mit einer Einlassung bietet der Beschuldigte den Ermittlungsbehörden nicht nur Ansatzpunkte für (weitere) Ermittlungen, sondern auch die Möglichkeit, aus Widersprüchen in der Einlassung, für den Beschuldigten unangenehme Rückschlüsse zu ziehen.

    Beispiel:
    So ist die Wirkung eines gescheiterten Entlastungsbeweises, insbesondere eines gescheiterten Alibis, nicht zu unterschätzen und kann in der Hauptverhandlung, z.B. auf die Laienrichter, verheerende Folgen haben.

Hinweis: Allein eine widerlegte Einlassung des Beschuldigte kann aber nicht zur Grundlage ungünstiger Sachverhaltsfeststellungen gemacht werden. Auch unwahre Angaben lassen sich nur mit Vorsicht als Beweisanzeichen für die Schuld eines Beschuldigten werten, denn auch ein Unschuldiger kann Zuflucht zur Lüge nehmen (st.Rspr. des BGH, vgl. u.a. BGHSt 41, 153; zuletzt BGH StV 01, 439, jeweils m.w.N.).

4. Gibt es einen allgemein gültigen Zeitpunkt, bis zu dem sich der Mandant eingelassen haben sollte?

Nein. Vielmehr muss, wenn der Beschuldigte sich einlassen will, jeweils im konkreten Fall über das "Wann" und "Wie" der Einlassung entschieden werden.

Beispiel: Der Verteidiger kann ein Interesse daran haben, dass nur ihm bekannte Tatsachen nicht bereits durch eine (zu) frühe Einlassung bekannt werden. Vorteilhafter kann es sein, diese erst in der Hauptverhandlung offen zu legen, z.B. durch einen überraschenden Vorhalt gegenüber einem Zeugen, dessen Glaubwürdigkeit damit erschüttert werden soll.

Hinweis: Lässt der Beschuldigte/Angeklagte sich erst in der Hauptverhandlung am Ende der Beweisaufnahme ein, muss er allerdings damit rechnen, dass ein zu diesem Zeitpunkt abgelegtes Geständnis weniger strafmildernd bewertet wird als vor der Beweisaufnahme.

5. Welche Faustregeln gelten für den Zeitpunkt der Einlassung?

In Betracht kommen:

  • Der Mandant kann sich grundsätzlich bereits bei einer Vernehmung durch Beamte der Polizei/Steufa zur Sache einlassen. Davon wird in der Regel jedoch abzuraten sein, denn der Verteidiger hat nach h.M. kein Anwesenheitsrecht. Somit steht also der in Vernehmungsfragen/-technik unerfahrene Beschuldigte dem erfahrenen/geschulten Beamten gegenüber.
  • In Betracht kommt eine Einlassung des Beschuldigten schon eher bei einer staatsanwaltschaftlichen Vernehmung, da hier der Verteidiger nach § 163a Abs. 3 S. 1 StPO i.V.m. § 168c Abs. 1 StPO ein Anwesenheitsrecht hat, seinem Mandanten also zur Seite stehen kann. Der Verteidiger wird seinem Mandanten zu einer Einlassung bei der StA in der Regel raten, wenn er sich durch den persönlichen Eindruck des Beschuldigten auf den StA etwas Positives für das Verfahren verspricht oder er versuchen will, während oder nach der Vernehmung die Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen oder eine Absprache zu treffen.

Schließlich kann eine Einlassung bei einer richterlichen Vernehmung in Betracht kommen. Auch für diese besteht ein Anwesenheitsrecht des Verteidigers. Ein Geständnisprotokoll kann allerdings später in der Hauptverhandlung verlesen werden (§ 254 StPO).

6. Kann der Mandant sich auch schriftlich einlassen?

Ja. Eine schriftliche Einlassung ist möglich und manchmal sogar ratsam. Sie hat nämlich den Vorteil, dass der Verteidiger dem Beschuldigten Formulierungshilfe geben kann.

Im Zweifel wird der Verteidiger daher, wenn er seinem Mandanten zur Einlassung rät, diesem Hilfestellung leisten (müssen) und für/mit dem Mandanten eine so genannte Schutzschrift verfassen.

Hinweis: Bei deren Abfassung bestehen für den Verteidiger aber Grenzen (Dahs, Handbuch des Strafverteidigers,
6. Aufl., Rz. 241). Denn er darf den sachlichen Wahrheitsgehalt der Einlassung des Mandanten nicht verfälschen, indem er z.B. einen vom Beschuldigten geschilderten Sachverhalt, der diesen belastet, umbiegt. Andererseits muss er aber auch nicht die belastenden Umstände offenbaren, wenn nicht mit ihrer Unterdrückung die Sachdarstellung zur Unwahrheit hin verfälscht wird (Dahs, a.a.O.).

Checkliste 2: Taktische Vorüberlegungen des Verteidigers

Sachverhalt

Antwort

1. Der Mandant räumt den Vorwurf ein.

Der Verteidiger wird dem Mandanten dann i.d.R. raten, sich zur Sache einzulassen. Er kann so später in der Hauptverhandlung dem Gericht erklären, wie es zu dem strafbaren Verhalten gekommen ist, und der Mandant kommt in den Genuss der strafmildernden Wirkung eines Geständnisses. Der Verteidiger hat zudem die Möglichkeit, eine Strafmaßverteidigung zu führen und alle entlastenden Umstände zur Person und zur Sache einzuführen.

2. Der Verteidiger geht davon aus, dass der Mandant überführt werden wird.

Muss der Verteidiger nach Kenntnis davon ausgehen, dass sein Mandant durch die übrigen Beweismittel der ihm vorgeworfenen Tat überführt werden kann/wird, wird er ihm ebenfalls zur Einlassung raten. Auch in diesem Fall können damit dann nämlich Rechtfertigungsgesichtspunkte, Motivationen oder Hintergründe der Tat in das Verfahren eingeführt werden (Burhoff, Ermittlungsverfahren, Rz. 317).

3. Der Mandant bestreitet den Vorwurf ganz oder teilweise.

Etwas anderes gilt, wenn der Mandant den Vorwurf ganz oder teilweise bestreitet. Der Beschuldigte sollte sich nicht leichtfertig zum Beweismittel gegen sich selbst (§ 261 StPO) machen (lassen). Nicht selten wird ein Schuldnachweis allein durch Widerlegung der Einlassung des Beschuldigten geführt und Indizien werden belastend verwertet, die ohne die Einlassung des Beschuldigten nicht in das Verfahren hätten eingeführt werden können und die der Beschuldigte bei seiner Einlassung als belastungsneutral angesehen hat (Sommer ZAP F. 22, 108). Das Gericht kann später auch ausschließlich aus einer bestreitenden Einlassung Schlussfolgerungen gegen den Angeklagten ziehen (BGHSt 20, 298 ff.).

Checkliste 3: Auswirkungen des Aussageverhaltens des Beschuldigten

Sachverhalt

Antwort

1. Der Mandant schweigt vollständig.

Nach st.Rspr. dürfen aus einem (vollständigen) Schweigen des Beschuldigten keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Beschuldigte im Ermittlungsverfahren oder in der Hauptverhandlung schweigt (BVerfG NJW 96, 449; BGH StraFo 98, 346; NStZ 99, 47 [für Sacheinlassung im Ermittlungsverfahren/Schweigen in der HV]; dazu eingehend Miebach NStZ 00, 235; Park StV 01, 589, jeweils m.w.N.). Das Strafverfahren kennt keinen Geständniszwang (BGH StraFo 96, 121).

Hinweis: Dem umfassend schweigenden Beschuldigten darf z.B. auch nicht angelastet werden, dass er einen Zeugen nicht von der Schweigepflicht entbindet (BGHSt 45, 363; dazu Keiser StV 00, 633). Das hat vor allem Bedeutung für die Frage der Entbindung des steuerlichen Beraters von seiner Verschwiegenheitspflicht.

2. Der Mandant schweigt teilweise.

Das teilweise Schweigen darf nach h.M. als Beweisanzeichen gegen den Beschuldigten verwertet werden (BGHSt 32, 140, 145 m.w.N.; KMG, § 261 Rz. 17; a.A. Park, StV 01, 591; Rüping, JR 74, 138). Entscheidend für ein teilweises "Schweigen" ist, ob der Beschuldigte zur Aufklärung zu anderen Punkten (wenigstens teilweise) mitwirkt. Nicht erforderlich ist das Unterlassen jeder Erklärung (BGH NStZ 97, 147). Im Zweifel wird der Verteidiger daher von einer Teileinlassung abraten. Kein Teilschweigen ist, wenn der Beschuldigte sich nur zu einem von mehreren selbstständigen Tatvorwürfen einlässt.

Beispiel: Der Beschuldigte räumt eine Steuerhinterziehung für einige Jahre ein, zu anderen schweigt er. Dieses Schweigen darf dann nicht gegen ihn verwendet werden (zuletzt BGH NStZ 00, 194; Park, StV 01, 590). Insoweit hat sich der Beschuldigte nicht als Beweismittel zur Verfügung gestellt.

3. Der Mandant verhält sich bei mehreren Vernehmungen unterschiedlich.

Aus unterschiedlichem Aussageverhalten bei mehreren Vernehmungen oder in mehreren Verfahrensabschnitten dürfen grundsätzlich keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden (vgl. Park, StV 01, 590; auch KMG, § 261 Rz. 16 ff. m.w.N.).

Beispiel: Entscheidet sich also der zunächst schweigende Beschuldigte später, auch erst im Verlauf der Hauptverhandlung, dafür doch zur Sache auszusagen, lassen sich daraus keine für ihn nachteiligen Folgerungen ableiten (BGH StV 94, 283, 413; NStZ 95, 20 bei Kusch m.w.N.). Entsprechendes gilt für die Würdigung des Zeitpunktes, in dem ein Beweisantrag gestellt wird (BGH NStZ 02, 161).

4. Sonderproblem:
Der Mandant will seine zunächst gegebene Einlassung widerrufen.

Der Verteidiger muss berücksichtigen, dass bereits der Widerruf eine Angabe zur Sache ist. Es dürfen daher aus dem Umstand, dass der Beschuldigte im Übrigen keine Erklärungen, z.B. keine andere Tatversion, abgibt, nachteilige Schlüsse gezogen werden (BGH NStZ 98, 209).

Hinweis: Will der Angeklagte, der sich zunächst zur Sache eingelassen hat, später die Einlassung verweigern, muss geklärt werden, ob eine bereits früher gemachte Aussage in der Hauptverhandlung verwertet werden kann (Zulässigkeit der Verlesung von Geständnisprotokollen und der Verlesung von Protokollen früherer Vernehmungen; vgl. Burhoff, Ermittlungsverfahren, Rz. 665, 729, 1453; ders., Hauptverhandlung, Rz. 1006 ff., 1017 ff.).

Hier muss der Verteidiger auch berücksichtigen, dass die Vernehmungsperson in der Hauptverhandlung als Zeuge gehört wird, dass die Ermittlungsbehörden bzw. das Gericht i.d.R. den Mandanten an einer einmal gemachten Einlassung festhalten. Ein späterer Wechsel der Einlassung wird meist als Indiz für die Unrichtigkeit der Einlassung angesehen und kann ihre Bedeutung für die Beweiswürdigung verringern oder u.U. ganz entfallen lassen (BGH StV 96, 5).

Wichtiger Hinweis: Der Inhalt ist nach bestem Wissen und Kenntnisstand erstellt worden. Die Komplexität und der ständige Wandel der in ihm behandelten Materie machen es jedoch erforderlich, Haftung und Gewähr auszuschließen.


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