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aus Praxis Steuerstrafrecht (PStR) 1999, 243

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "PStR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PStR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Beschlagnahme

Beschlagnahme von Unterlagen
beim Steuerberater

von Richter am OLG Detlef Burhoff, Ascheberg

Nach §§ 53, 53a StPO haben Steuerberater und ihre Mitarbeiter im Steuerstrafverfahren ein Zeugnisverweigerungsrecht. Damit dieses nicht durch die Beschlagnahme von Unterlagen, die das Mandats- und damit das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Mandant betreffen, umgangen werden kann, hat der Gesetzgeber dieses Zeugnisverweigerungsrecht in § 97 StPO mit einem Beschlagnahmeverbot verknüpft. Die damit zusammenhängenden Fragen gehören im Bereich der Durchsuchung und Beschlagnahme mit zu den umstrittensten strafverfahrensrechtlichen Problemen.

Nachfolgend gebe ich Ihnen einen Überblick über die Rechtslage. In der Checkliste auf Seite 246 sage ich Ihnen, wie Sie sich bei einer Durchsuchung Ihrer Büroräume und bei der Beschlagnahme von Mandantenunterlagen am zweckmäßigsten verhalten (siehe auch Krekeler PStR 98, 33).

Gesetzliche Beschlagnahmeverbote

Nach § 97 Abs. 1 und 2 StPO sind folgende Gegenstände grundsätzlich von der Beschlagnahme ausgeschlossen:

  • Die schriftlichen Mitteilungen zwischen dem Steuerberater und seinem beschuldigten Mandanten, also z.B. Briefe im Original, Durchschriften, Abschriften, Fotokopien etc.,
  • Aufzeichnungen des Beraters über vertrauliche Mitteilungen, die ihm der Mandant gemacht hat, und eigene, das Mandat betreffende Aufzeichnungen des Steuerberaters sowie
  • andere Gegenstände, wie z.B. Karteien, Dateien etc.

Voraussetzung für die Beschlagnahmefreiheit ist, dass sich diese Gegenstände im Gewahrsam des Steuerberaters befinden, er also die Verfügungsmacht darüber hat. Unerheblich ist, ob der Steuerberater Allein- oder nur Mitgewahrsam an den Sachen hat, er also nur mitverfügungsbefugt ist, es sei denn der Mitgewahrsamsinhaber ist der Mandant selbst (siehe u.a. LG Aachen MDR 81, 603; KMG, StPO, 44. Aufl., 99, § 97 Rz 12 m.w.N. aus der Rspr.). Danach sind also z.B. die Handakten des Steuerberaters grundsätzlich beschlagnahmefrei.

Von der allgemeinen Beschlagnahmefreiheit des § 97 Abs. 1 bestehen aber zwei in der Praxis wichtige Ausnahmen:

  • Das Beschlagnahmeverbot entfällt, wenn der Mandant den Steuerberater von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden hat, da dann nach § 53 Abs. 2 StPO auch das Zeugnisverweigerungsrecht entfällt. Das Beschlagnahmeverbot erfasst dann auch nicht mehr Gegenstände/Unterlagen, die ggf. Mitarbeiter des Steuerberaters in Gewahrsam haben. Deren Zeugnisverweigerungsrecht und das daran anknüpfende Beschlagnahmeverbot des § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO sind mit dem Zeugnisverweigerungsrecht des Dienstherrn gekoppelt
    (§ 53a Abs. 2 StPO).
  • Das Beschlagnahmeverbot entfällt nach § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO außerdem, wenn der Steuerberater selbst der Teilnahme an der dem Mandanten zur Last gelegten Tat oder einer Strafvereitelung, Begünstigung oder Hehlerei verdächtig ist. Dieser Verdacht muß zwar nach überwiegender Meinung nicht so stark sein, dass er sogar schon zum Erlass eines Haftbefehls (§ 112 StPO) oder zur Eröffnung des Hauptverfahrens reichen würde (§ 203 StPO; insoweit a.A. Krekeler NJW 77, 1424). Der Verdacht muß aber auf bestimmten Tatsachen beruhen, bloße Vermutungen reichen nicht. Der Verdacht muß auch schon bei der Beschlagnahme bestehen, darf sich also nicht erst später durch die beschlagnahmten Unterlagen ergeben.

Der Verdacht der Teilnahme des Steuerberaters wird von den Ermittlungsbehörden häufig bejaht, um das Beschlagnahmeverbot umgehen zu können. Hierzu muß der Steuerberater folgendes wissen: Allein die Mitwirkung an der objektiv falschen Steuererklärung reicht nicht aus, um einen konkreten Anfangsverdacht gegen den Steuerberater zu begründen. Vielmehr müssen Berater und Mandant grundsätzlich bewusst und gewollt zusammenwirken, um eine Steuerverkürzung zu bewirken.

Beschlagnahme von Steuerberatungsunterlagen

Höchst streitig ist in der Literatur die für die Praxis wichtige Frage, ob und inwieweit Bilanz- und Buchführungsunterlagen des Mandanten, die sich in der Kanzlei des Steuerberaters befinden, beschlagnahmt werden dürfen (hierzu ausführlich Streck, Die Steuerfahndung, 3. Aufl., Rz 674 ff.; Bauwens, wistra 88, 100; Quermann, wistra 88, 254; Moosburger wistra 92, 252; Reitz/Vahle, NWB F. 13, S. 665; Schmidt wistra 91, 245).

Auch die Rechtsprechung zu diesem Problemkreis ist nicht einheitlich, es gibt zahlreiche unterschiedliche Entscheidungen der Landgerichte. Obergerichtliche Rechtsprechung zu den Problemen liegt (leider) nicht vor. Gegen die landgerichtlichen Entscheidungen ist nämlich eine weitere Beschwerde, über die dann ein OLG zu entscheiden hätte, nach § 310 Abs. 2 StPO nicht zulässig.

Der Sach- und Streitstand in Literatur und Rechtsprechung lässt sich wie folgt zusammenfassen (siehe auch KMG, a.a.O., § 97 StGB Rz 40):

  • Die überwiegende Meinung der Rechtsprechung und wohl auch in der Literatur hält die dem Steuerberater vom Mandanten überlassenen Geschäfts- und Buchführungsunterlagen grundsätzlich für beschlagnahmefähig, wenn der Steuerberater lediglich die Buchführung für den Mandanten erledigen soll (LG Braunschweig NJW 78, 2108; LG Aachen MDR 81, 603; LG München wistra 88, 326; LG Stuttgart wistra 90, 282; u.a. Moosburger wistra 92, 252). Begründet wird diese Auffassung damit, dass die buchführende Tätigkeit des Steuerberaters nicht zu dessen Berufsbild gehört, so dass ihm die Buchungsbelege nicht aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses übergeben werden. Dieses ist aber der Grund für die Beschlagnahmefreiheit der in § 97 StPO genannten Unterlagen. Diese Auffassung wird in der Regel auch von der Steufa und der StA vertreten, die jedoch andererseits die Akten, die Schriftwechsel mit dem Mandanten enthalten, als beschlagnahmefrei ansehen.
  • Differenziert wird allerdings zum Teil dann, wenn der Steuerberater aufgrund der ihm überlassenen Belege Jahresabschlüsse erstellen und Steuererklärungen vorbereiten und abgeben soll. Dann werden die Bilanz- und Buchführungs-Unterlagen jedenfalls solange als beschlagnahmefrei angesehen, wie sie noch zur Erstellung der Abschlüsse oder Erklärungen benötigt werden (LG Heilbronn DStR 80, 698; LG Stade wistra 86, 41; LG Berlin NJW 77, 725; KMG, a.a.O.; Schäfer wistra 85, 12; aber auch insoweit a.A. LG Darmstadt, a.a.O.). Das wird damit begründet, dass diese Tätigkeiten zum Kernbereich der steuerberatenden Tätigkeit gehören und deshalb dem Berufsgeheimnis des Steuerberaters unterliegen, so dass sie von § 97 StPO erfasst werden.
  • Eine dritte weite Auffassung sieht grundsätzlich alle Unterlagen als beschlagnahmefrei an, es sei denn, der beschuldigte Mandant hat die Unterlagen vor den Strafverfolgungsbehörden beim Steuerberater versteckt (LG Stuttgart NJW 76, 2030; OLG Köln NStZ 91, 452; Bauwens wistra 85, 179; siehe auch Streck, a.a.O., Rz 693). Begründet wird dies mit dem engen Zusammenhang zwischen Zeugnisverweigerungsrecht und Beschlagnahmeverbot. Dieser und das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Steuerberater und Mandant erfordere einen umfassenden Schutz der Mandantenunterlagen.

In der Praxis wird die dritte Auffassung zwar den Interessen der Steuerberater und der Mandanten am besten gerecht, sie wird sich jedoch kaum durchsetzen lassen. Der Steuerberater sollte aber im Fall der bei einer Durchsuchung seiner Praxisräume ggf. anstehenden Beschlagnahme von Mandantenunterlagen auf jeden Fall versuchen, Beschlagnahmefreiheit nach der zweiten Auffassung zu erreichen.

Praktische Verhaltensmaßregeln

Die praktischen Verhaltensregeln für Steuerberater habe ich auf der nächsten Seite in einer Checkliste zusammengestellt. Wer sich ausführlich mit dem Thema befassen will, sollte die nachfolgende Literatur hinzuziehen: Bornheim/Birkenstock, Steuerfahndung-Steuerstrafverteidigung, 98, 219; Klos in Achenbach/Wannemacher, Beraterhandbuch zum Steuer- und Wirtschaftsstrafrecht, § 10 Rz 344 ff.; Krekeler PStR 98, 33; Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 2. Aufl., 99, Rz 307 ff. Auf zwei Punkte ist besonders hinzuweisen:

  • Bezweifelt der Steuerberater die Rechtmäßigkeit der Maßnahme, sollte er die Versiegelung der beschlagnahmten Unterlangen fordern. Dadurch erreicht er, dass die Unterlagen nicht ausgewertet werden, solange nicht über die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme entschieden ist (siehe § 110 StPO). Einen Anspruch auf Versiegelung hat der Steuerberater aber nur, wenn an der Durchsuchung kein Staatsanwalt und/oder kein Beamter der Steuerfahndung teilnimmt. Diese haben nämlich gem. § 110 Abs. 1 StPO bzw. § 404 Satz 2 AO i.V.m. § 110 Abs. 1 StPO das Recht auf Durchsicht der Papiere. Ihnen gegenüber besteht kein Anspruch auf Versiegelung.
  • Es sollte unverzüglich Rechtsmittel eingelegt werden. Liegt kein richterlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vor, muß der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO gestellt werden. Gegen einen Beschluss ist Beschwerde nach § 304 StPO einzulegen (wegen der Rechtsmittel siehe PStR 98, 114 ff.).

Checkliste "Beschlagnahme beim Steuerberater"

  1. Erteilen Sie keine Auskünfte über das Mandatsverhältnis. Etwas anderes gilt nur, wenn der Mandant Sie ausdrücklich von der Verschwiegenheitspflicht entbunden hat. Von der Entbindung von der Schweigepflicht ist aber dringend abzuraten. Hat der Mandant Sie dennoch von der Schweigepflicht entbunden, kann diese Erklärung widerrufen werden. Der Widerruf hat allerdings nur Wirkung für die Zukunft, macht eine inzwischen erfolgte Beschlagnahme also nicht unzulässig.
  2. Geben Sie keine Unterlagen freiwillig heraus (§ 203 StGB!). Sie können zwar die den Mandanten betreffenden Unterlagen heraussuchen, müssen aber darauf achten, dass diese von den Durchsuchungsbeamten auch beschlagnahmt werden und die Beschlagnahme als solche im Durchsuchungsprotokoll vermerkt wird.
  3. Lassen Sie sich den richterlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss vorlegen und prüfen Sie den Beschluss auf seine Wirksamkeit. So darf der Beschluss nach der Rechtsprechung des BVerfG (NJW 97, 2165) insbesondere nicht älter als sechs Monate sein und muß Tatverdacht, Durchsuchungsziel und Beschlagnahmegegenstände ausreichend konkret bezeichnen (wegen der Einzelheiten PStR 98, 147). Haben Sie Zweifel hinsichtlich der Wirksamkeit, müssen Sie widersprechen. Der Widerspruch ist aktenkundig zu machen.
  4. Liegt kein Beschluss vor und berufen sich die Durchsuchungsbeamten auf "Gefahr im Verzug", sollten Sie sich die die "Gefahr im Verzug" begründenden Umstände darlegen lassen und aktenkundig machen.
  5. Ziehen Sie Zeugen hinzu (Mitarbeiter; siehe dazu § 105 StPO). Das ist aus Beweisgründen ebenfalls aktenkundig zu machen.
  6. Überprüfen Sie, auf welche Unterlagen sich ein Beschlagnahmebeschluss überhaupt erstreckt. Werden darüber hinaus Unterlagen beschlagnahmt, ist dem zu widersprechen. Auch dieser Widerspruch ist im Protokoll festzuhalten.
  7. Wird die Durchsuchung und Beschlagnahme mit einem gegen den Steuerberater bestehenden Teilnahmeverdacht begründet, sollten Sie diesen sehr sorgfältig prüfen (lassen).
  8. Unterrichten Sie unverzüglich Ihren Mandanten, gegen den sich die Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahme richtet. Beauftragt dieser einen Verteidiger, kann gegen dessen Anwesenheit von den Durchsuchungsbeamten grundsätzlich nichts eingewendet werden.
  9. Unterlassen Sie alles, was den Verdacht erwecken könnte, Sie wollten zugunsten Ihres Mandanten Unterlagen beiseite schaffen oder "verdunkeln".
  10. Sie können jederzeit telefonisch Kontakt zu einem Rechtsanwalt aufnehmen und sich beraten lassen, solange Sie nicht selbst als beschuldigter Teilnehmer an der Steuerstraftat wegen Flucht- oder Verdunkelungsgefahr vorläufig festgenommen worden sind. Es besteht keine allgemeine Telefonsperre oder etwa Stubenarrest.
  11. Fordern dass, dass die beschlagnahmten Unterlagen ggf. versiegelt werden, bis rechtskräftig
    über die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme entschieden ist.
  12. Prüfen Sie das Durchsuchungs- und Beschlagnahmeprotokoll sorgfältig und in Ruhe darauf, ob die erforderlichen Angaben enthalten und Ihre etwaigen Erklärungen/Widersprüche aufge- führt sind.

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