Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

aus Prozessrecht aktiv 2002, 28

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "PAK" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PAK" meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

StPO: Hauptverhandlung


Wörtliche Protokollierung von Zeugenaussagen

von RiOLG Detlef Burhoff, Ascheberg/Hamm

Häufig sind Verteidiger beim Lesen des schriftlichen Urteils überrascht, was z.B. ein Zeuge in der Hauptverhandlung ausgesagt haben soll. Wer dann gegen das Urteil Revision einlegen will, muss Folgendes berücksichtigen:

Das Revisionsgericht ist grundsätzlich ausnahmslos an die vom Tatrichter im Urteil niedergelegten tatsächlichen Feststellungen gebunden.

Eine Wiederholung oder Ergänzung der Beweisaufnahme durch das Revisionsgericht ist ausgeschlossen.

Urteilsfeststellungen können nicht mit einer Verfahrensrüge, die die Verletzung der §§ 244 Abs. 2, 261 StPO rügt, angegriffen werden.

Nur wenn der Gegenbeweis gegen die Feststellungen ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung erbracht werden kann, gilt etwas anderes (BGH NStZ 97, 296). Dies ist z.B. der Fall, wenn im Sitzungsprotokoll der Inhalt einer Zeugenaussage nach § 273 Abs. 3 StPO wörtlich protokolliert worden ist (BGHSt 38, 14; BGH 3.4.01, 1 StR 58/01, Abruf-Nr. 020020). Dasselbe gilt für die wörtliche Protokollierung von Prozesserklärungen. Auch hier kann später anhand des Hauptverhandlungsprotokolls der Nachweis geführt werden, dass ein bestimmter Antrag gestellt oder eine bestimmte Urkunde verlesen worden ist. Schweigt das Protokoll hierzu, heißt dies für das Revisionsgericht bindend, dass kein Antrag gestellt bzw. keine Urkunde verlesen worden ist.

Auf das übliche knappe Inhaltsprotokoll nach § 273 Abs. 2 StPO kann der Verteidiger den Gegenbeweis in der Revision nicht stützen (BayObLG NStZ 90, 508).

Daher mein Tipp: Kommt es in der Hauptverhandlung auf den genauen Wortlaut einer Zeugen- oder Sachverständigen-Aussage entscheidend an, sollten Sie als Verteidiger beim Tatgericht beantragen, dass die Aussage nach § 273 Abs. 3 StPO vollständig protokolliert und verlesen wird. Sie erreichen dadurch, dass die wörtliche Zeugenaussage ins Protokoll der Hauptverhandlung aufgenommen und auf diese Weise festgehalten wird. Sie können so den genauen Wortlaut des Zeugen selbst dann in die Revision einbringen, wenn das Tatgericht eine Protokollierung der Zeugenaussage ablehnt: Ihr Antrag wird in jedem Fall zu Protokoll genommen.

Verfahrenstipps

  1. Geben Sie in Ihrem Protokollierungsantrag den genauen Wortlaut der Zeugenaussage an. Formulieren Sie sehr sorgfältig.

    Praxishinweis: Der Protokollierungsantrag muss nach § 273 Abs. 1 StPO in das Hauptverhandlungs-Protokoll aufgenommen werden.

  2. Legen Sie in Ihrem Antrag im Einzelnen dar, warum eine vollständige Niederschrift der Zeugenaussage Ihrer Meinung nach unbedingt notwendig ist.

    Praxishinweis: Nach h.M. genügt bei einer Zeugenaussage nicht allein, dass diese entscheidungserheblich ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 273 Rn. 22 m.w.N.; a.A. Krekeler, AnwBl. 84, 417; Ulsenheimer, NJW 80, 2276 m.w.N.). Ein Bedürfnis zur vollständigen Protokollierung ist nach der Rechtsprechung nur anzuerkennen, wenn es nicht lediglich auf den Inhalt der Aussage, sondern auf den genauen Wortlaut ankommt (OLG Schleswig SchlHA 76, 172), also z.B. dann, wenn verschiedene Deutungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Folgerungen bestehen.

    Beispiel: Die genaue Aussage des Zeugen ist im weiteren Verfahrensverlauf wichtig, weil sie einem noch zu hörenden Zeugen oder Sachverständigen vorgehalten werden soll (Schlothauer, StV 92, 134, 141).

  3. Stellen Sie den Antrag wegen seiner (revisionsrechtlichen) Bedeutung – gegebenenfalls nach Beantragung einer Unterbrechung der Hauptverhandlung zum schriftlichen Formulieren – stets schriftlich. Damit dürfte dann – ebenso wie bei einem Beweisantrag – ein Anspruch darauf bestehen, dass der schriftlich formulierte Antrag als Anlage zum Protokoll genommen wird (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 244 Rn. 36; § 273 Rn. 10).

  4. Die Anordnung, dass vollständig (= wörtlich) zu protokollieren ist, trifft der Vorsitzende. Liegen die Voraussetzungen für eine vollständige Protokollierung vor, haben Sie einen Anspruch auf die Anordnung (OLG Bremen NJW 81, 2827; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O.; § 273 Rn. 29 m.w.N.).

    Praxishinweis: Wird die Protokollierung angeordnet, ist der Vorsitzende an seinen Beschluss gebunden. Allerdings bestimmt er – zusammen mit dem Urkundsbeamten – den Wortlaut und den Inhalt der vollständigen Niederschreibung.

  5. Lehnt der Vorsitzende die Protokollierung ab, können Sie (aber auch jeder andere Prozessbeteiligte) nach § 273 Abs. 3 Satz 2 StPO beantragen, dass hierüber das Gericht entscheiden soll (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 273 Rn. 29 m.w.N.).

  6. Achten Sie nach der Protokollierung darauf, dass die Niederschrift der Aussage in der Hauptverhandlung vorgelesen und genehmigt werden muss (§ 273 Abs. 3 S. 3 StPO). Wichtig: Im Protokoll der Hauptverhandlung muss die Verlesung vermerkt und angegeben werden, ob die Genehmigung erteilt wurde sowie ob und gegebenenfalls welche Einwendungen erhoben worden sind.

  7. Allein die falsche Behandlung eines Protokollierungsantrags hat keine revisionsrechtlichen Auswirkungen, da das Urteil darauf nach der BGH-Rechtsprechung nicht beruht (BGH NStZ 94, 25 bei Kusch). Die Bedeutung des Antrags liegt vielmehr in der Möglichkeit, den genauen Inhalt einer Zeugenaussage festzuschreiben.

    Praxishinweis: In der Revision muss der Verteidiger also nicht die falsche Behandlung des Protokollierungsantrags rügen. Er muss vielmehr mit der Verfahrensrüge z.B. beanstanden, dass sich das Tatgericht mit einer gemäß § 273 Abs. 3 S. 1 StPO wörtlich niedergeschriebenen, verlesenen und genehmigten Aussage nicht auseinandergesetzt hat, obwohl deren Würdigung geboten gewesen sei (§ 261 StPO; BGH 3.4.01, 1 StR 58/01, Abruf-Nr. 020020). Zur im Hinblick auf § 344 Abs. 2 S. 2 StPO ausreichenden Begründung sind alle mit dieser Aussage zusammenhängenden Verfahrenstatsachen mitzuteilen. Dazu gehört auch, dass die protokollierte Aussage des Zeugen noch zum Zeitpunkt der Urteilsberatung beweiserheblich war. Der Tatrichter muss nämlich nur die zum Zeitpunkt der Urteilsfällung wesentlichen beweiserheblichen Umstände in den Urteilsgründen erörtern (BGH, a.a.O.).

Fazit: Wer als Verteidiger einen Antrag nach § 273 Abs. 3 StPO stellen will, benötigt Fingerspitzengefühl, Überzeugungskraft und Argumente, warum eine wörtliche Protokollierung unbedingt nötig ist. Einer zu weiten Auslegung der Vorschrift wird sich das Tatgericht widersetzen, weil sonst durch die "Hintertür" das Wortprotokoll in die Hauptverhandlung eingeführt wird. Einen Streit mit dem Tatgericht braucht der Verteidiger nicht zu riskieren, auch wenn viele gute Argumente für eine verteidigerfreundlichere Handhabung der auch den Schutz des Angeklagten betreffender Vorschrift sprechen (Richter, StV 94, 455; Krekeler, AnwBl. 84, 417; Ulsenheimer, NJW 80, 2276 m.w.N.). Er sollte sein Augenmerk darauf richten, dass er wenigstens mit einem umfassenden und sorgfältig formulierten Protokollierungsantrag dafür sorgt, dass die Zeugenaussage ins Protokoll der Hauptverhandlung kommt und so für das Revisionsgericht festgehalten wird.


zurück zu Veröffentlichungen - Überblick


Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".