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aus StRR 2012, 14

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "StRR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "StRR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

News aus Berlin –Was bringt das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz gebührenrechtlich Neues in Straf- und Bußgeldsachen?

von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster /Augsburg

Das RVG ist am 1. 7. 2004 in Kraft getreten. Die Neuregelung hat zwar zahlreiche strukturelle Gebührenänderungen gebracht, lineare Gebührenerhöhungen aber nicht. Das war vor allem für die Verteidiger in Straf- und Bußgeldsachen misslich, da sie nicht – wie die Rechtsanwälte, die in Verfahren tätig sind, die nach Teil 2 oder 3 VV RVG abgerechnet werden über eine stetige Erhöhung der Streitwerte – an der allgemeinen Einkommensentwicklung der letzten Jahre teil hatten. Soweit das RVG in der Folgezeit zu Gebührensteigerungen bei Verteidigern geführt hat, waren diese auf die strukturellen Änderungen zurück zu führen. Schon seit längerem ist daher eine lineare Anhebung der Betragsrahmen in Teil 4 und 5 VV RVG gefordert worden. Inzwischen liegt seit Mitte November 2011 der Referentenentwurf des BMJ zu einem 2. Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vor. Dieser enthält im Wesentlichen Änderungen/Neuerungen /Modernisierungen der KostO. In Art. 18 des Gesetzes sind aber auch Änderungen im RVG vorgesehen. Die die Teile 4 und 5 VV RVG betreffenden Änderungen sollen nachstehend kurz vorgestellt werden.

Hinweis:

Verteidiger sollten sich m.E., soweit die Änderungen derzeit zum RVG bestehende Streitfragen klären, schon vor dem für den 1. Juli 2013 geplanten Inkrafttreten der Neuregelungen bei der Argumentation auf die geplanten Gesetzesänderungen berufen.

I. Anhebung der Betragsrahmen

Eine m.E. ganz wesentliche Änderung ist die Anhebung der Betragsrahmen in Teil 4 und 5 VV RVG. Vorgeschlagen wird vom Entwurf eine Erhöhung um ca. 19 % vorgeschlagen wird (vgl. S. 205 ff.). Dieser Erhöhung orientiert sich an der Entwicklung des Index der tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich seit 2004. Bei den neuen Betragsrahmen sind die einzelnen Gebühren grds. auf volle 10 € gerundet worden. Zum Teil sind dadurch die Mindestgebühren zwar stärker erhöht worden, was aber durch entsprechende Abrundungen bei den Höchstgebühren ausgeglichen worden ist. Die Höchstgebühren bei den Gebührenrahmen mit Zuschlag sind um genau 25 % erhöht worden.

Da es sich derzeit „nur“ um einen Referentenentwurf handelt, sollen hier nicht die einzelnen erhöhten Rahmengebühren dargestellt werden. Anschaulicher sind die im Entwurf enthaltenen Beispielsrechnungen zu den Auswirkungen der Erhöhungen (vgl. dazu S. 215 f., wobei jeweils die Mittelgebühren zugrunde gelegt worden sind).

Beispiel 1:

Ein Verteidiger, der im vorbereitenden Verfahren sowie im ersten Rechtszug vor dem AG mit einem Hauptverhandlungstag vertritt, konnte bisher 856,80 € in Rechnung stellen, zukünftig werden es 1.011,50 € sein. Erhöhung also: 154,70 €.

Beispiel 2:

Erfolgt keine Vertretung im vorbereitenden Verfahren, sondern für einen inhaftierten Mandanten erst im Verfahren vor dem AG mit einem Hauptverhandlungstag, der länger als 8 Stunden dauert, und zusätzlich im Berufungsverfahren mit zwei Hauptverhandlungstagen, kann ein Rechtsanwalt derzeit unter Zugrundelegung teilweise wegen des überdurchschnittlichen Aufwands erhöhter Gebührensätze den Rechnungsbetrag von 2.407,89 € verlangen, nach neuer Rechtslage werden es 2.848,19 € sein. Erhöhung somit: 440,30 €.

Beispiel 3:

Vertritt der Verteidiger einen inhaftierten Mandanten im vorbereitenden Verfahren, sowie im ersten Rechtszug vor der Strafkammer am LG bei einem Hauptverhandlungstag, der länger als 8 Stunden dauert, fallen unter Zugrundelegung teilweise erhöhter Gebührensätze nach derzeitiger Rechtslage 1.576 € an, zukünftig werden es 1.859,37 € sein. Die Erhöhung beträgt also 281,63 €.

II. Änderungen in § 14 RVG

§ 14 Abs. 1 Satz 1 bis 3 RVG-E fasst § 14 Abs. 1 RVG völlig neu gefasst. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG-E bestimmt der Rechtsanwalt/Verteidiger demnächst seine Gebühren „im Einzelfall nach dem Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit nach billigem Ermessen“ (vgl. zu diesen Kriterien Burhoff in: Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2011, Teil A: Rahmengebühren [§ 14]; Rn. 1057 ff.). Allerdings tritt in Straf- und in Bußgeldverfahren nach § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG-E die Bedeutung der Angelegenheit und das Haftungsrisiko als weiteres Bemessungskriterium hinzu – die Bedeutung der Angelegenheit „gleichwertig“ und als „unverzichtbares Kriterium „(vgl. Entwurf S. 403). Daneben können im Einzelfall „besondere Umstände und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers angemessen berücksichtigt werden“ (§ 14 Abs. 1 Satz 2 RVG-E). Der Entwurf (vgl. S. 403) geht davon aus, dass das dem Rechtsanwalt zunächst die Möglichkeit eröffnet, die nach Umfang und Schwierigkeit bestimmte Gebühr nach unten oder oben zu korrigieren.

Diese Änderung wird m.E. in Straf- und Bußgeldverfahren ein Umdenken bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr erfordern, und zwar wie folgt:

1.Stufe:           

Ermittlung der angemessenen Gebühr nach dem „Umfang und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit“ (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG) und der „Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG).

2. Stufe:           

Berücksichtigung besonderer Umstände und der Einkommens- und Vermögensverhältnisses des Auftraggebers“ (§ 14 Abs. 1 Satz 2 RVG), was ggf. zur Reduzierung der auf der Stufe 1 gefundenen angemessenen Gebühr führt.

M.E muss diese Änderung bei der Abrechnung von Bußgeldverfahren und er Bemessung der angemessenen Gebühr (Teil 5 VV RVG) dazu führen, dass nun endlich nicht mehr bei der Bemessung der Rahmengebühr auf die Höhe der Geldbuße abgestellt wird, wie dies Teile der Rechtsprechung noch tun (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. Teil 5 VV Rn. 39  ff. m.w.N.). Entscheidend sind auch in Bußgeldverfahren Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und eben die „Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber“, also Fragen wie Fahrverbot, Eintragung weiterer Punkte im VZR usw. Das hängt aber eben nicht von der Höhe der Geldbuße ab.

III. Beschwerdeverfahren (§ 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10a RVG-E)

Der Entwurf sieht in § 17 RVG eine neue Nr. 1 vor, wonach „das Verfahren über ein Rechtsmittel und der vorausgegangene Rechtszug“ als verschiedene Angelegenheiten anzusehen sind. Es sind also jeder Rechtszug und die übrigen Rechtszüge verschiedene Angelegenheiten (s. Entwurf S. 404). Folge dieser Änderung ist eine ausdrückliche Klarstellung in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10a RVG-E, wonach die Beschwerdeverfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 VV RVG richten und dort nichts anderes bestimmt ist oder besondere Gebührentatbestände vorgesehen sind, ausdrücklich zum Rechtszug gehören. Diese Änderung führt dazu, dass die Beschwerdeverfahren in Straf- und Bußgeldsachen (Teil 4 und 5 VV RVG) und in Teil 6 VV RVG nach wie vor aufgrund des Pauschalcharakters der Vorbem. 4.1 Abs. 1 VV RVG, Vorbem. 51. Abs. 1 VV RVG und Vorb. 6.2 Abs. 1 durch die jeweiligen Verfahrensgebühren mit abgegolten sind (zur Abrechnung von Beschwerdeverfahren Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 371 ff.).

Hinweis:

Eine Regelung, die die Verteidiger hinzunehmen haben, die m.E. aber nicht nachvollziehbar ist. Für mich ist kein Grund erkennbar, warum in den Verfahren, in denen sich die Gebühren nach den teilen 4, 5 oder 6 VV RVG richten, die Tätigkeit des Rechtsanwalts durch die Verfahrensgebühren mitabgegolten ist, während in den Verfahren, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 VV RVG richten, nach Nr. 3500 ff. VV RVG eine besondere Beschwerdegebühr entsteht. Weniger Arbeit machen Beschwerden in Straf- und Bußgeldsachen nicht. Und: Der Pflichtverteidiger, der Festbetragsgebühren erhält, muss diese Tätigkeiten erbringen, ohne dass er – wie der Wahlanwalt – die Möglichkeit hat, seine Tätigkeit im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG-E geltend zu machen. Wenn man schon durch eine Neufassung des § 14 RVG eine leistungsgerechte(re) Honorierung der anwaltlichen Tätigkeiten betonen will, dann hätte es m.E. nahe gelegen, auch in Straf- und Bußgeldsachen eine besondere Beschwerdegebühr einzuführen.

IV. Verfahren vor dem EGMR (§ 38a RVG-E)

Im RVG gibt es derzeit keine Regelung. wie Verfahren vor dem EGMR abgerechnet werden können. Diese Lücke soll demnächst § 38a RVG-E schließen. Danach richtet sich für diese Verfahren die Abrechnung nach Teil 3 Abschnitt 2 VV RVG und wird damit ebenso geregelt werden wie für Vorabentscheidungsverfahren vor dem EUGH (derzeit § 38 Abs. 1 RVG). Der Gegenstandswert beträgt mindestens 5.000 € (§ 38a Satz 2 Hs. 2 RVG-E).

V. Ergänzungen bei den Pauschgebühren (§§ 42, 51 RVG)

Bislang konnten die Pauschgebühren der §§ 42, 51 RVG nicht in Freiheitsentziehungs- und Unterbringungssachen sowie bei Unterbringungsmaßnahmen nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG gewährt werden. In der BRAGO war das früher zwar in § 112 BRAGO vorgesehen, die entsprechende Regelung ist 2004 jedoch nicht in den Anwendungsbereich der §§ 42, 51 VV RVG übernommen worden, da die genannten Verfahren in § 42 Abs. 1 Satz RVG bzw. § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG nicht aufgeführt sind. Eine entsprechende Anwendung der Vorschriften haben Rechtsprechung und Literatur abgelehnt (vgl. z.B. Burhoff/Burhoff, RVG, § 51 Rn. 4 m.w.N.). Der Entwurf erweitert nun den Anwendungsbereich der §§ 42, 51 RVG auf alle Verfahren, für die sich die Gebühren nach Teil 6 Abschnitt 3 VV RVG richten. Damit wird das Vorhaben des RVG, wonach die Regelung des § 112 BRAGO unverändert übernommen werden sollte (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 231), nachträglich erfüllt.

VI. Klarstellung hinsichtlich der Abrechnung der Tätigkeit des Zeugenbeistands (Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG)

In der Gesetzesbegründung zum RVG war ausdrücklich dargelegt, dass der Rechtsanwalt auch im Strafverfahren als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll. Weiter war ausgeführt, die Gleichstellung mit dem Verteidiger sachgerecht sei, weil die Gebührenrahmen ausreichenden Spielraum böten, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr werde sich der Rechtsanwalt als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen an dem üblichen Aufwand eines Verteidigers in einem durchschnittlichen Verfahren messen lassen müssen (BT-Drucks. 15/1971 S. 220). Trotz dieses eindeutigen gesetzgeberischen Anliegens und des klar zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens ist alsbald nach Inkrafttreten des RVG in Rechtsprechung und Literatur eine heftiger Streit um die Abrechnung der Tätigkeiten des als Zeugenbeistand tätigen Rechtsanwalts in den Verfahren, die nach Teil 4 bzw. 5 VV RVG abgerechnet werden entbrannt. Die diskutierte Streitfrage, nämlich Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG oder nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, gehört sicherlich immer noch mit zu den heftigst umstrittenen Fragen der Abrechnung nach den Teilen 4 und 5 VV RVG (zum Streitstand und zu Rechtsprechungsnachweisen s. Burhoff/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4.1 VV Rn. 5 ff.; Burhoff RVGreport 2011, 85; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 19. Aufl., VV Einl. Vorb. Teil 4.1 Rn. 5 ff.).

Hier bringt der Entwurf nun eine Klarstellung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG, die diesen Streit i.S. der Vertreter der Auffassung, die nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnen (vgl. z.B. Burhoff/Burhoff, a.a.O.), erledigt (vgl. Entwurf S. 429 f.). Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG soll nämlich demnächst heißen: „(1) Für die Tätigkeit als Beistand oder Vertreter eines Privatklägers, eines Nebenklägers, eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligten, eines Verletzten, eines Zeugen oder 163 Sachverständigen und für die Tätigkeit im Verfahren nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz erhält der Rechtsanwalt die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger im Strafverfahren.“

Hinweis:

Damit sollte in der Tat der angesprochene Streit erledigt sein (wie die Neuregelung in der Vergangenheit schon Burhoff/Burhoff, a.a.O. m.w.N., auch zur teilweise vertretenen a.A. in der Rechtsprechung).

VII. Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG als gesetzliche Zusatzgebühr

In Rspr. und Literatur ist bislang das Verhältnis der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG zur jeweiligen Verfahrensgebühr nicht eindeutig geklärt. Teilweise ist unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung zur Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und den dort beschriebenen eigenen Abgeltungsbereich der Grundgebühr (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 222) die – zum derzeitigen Recht m.E. zutreffende Auffassung vertreten worden, dass die Verfahrensgebühr erst entsteht, wenn der Abgeltungsbereich der Grundgebühr überschritten worden ist (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn. 20; KG RVGreport 2009, 186 = StRR 2009, 239 = AGS 2009, 271). Teilweise ist man aber auch davon ausgegangen, dass die Grundgebühr immer neben der Verfahrensgebühr entstehe, da es sich bei dieser um eine „Betriebsgebühr“ handle (vgl. insbesondere AnwKomm-RVG/N.Schneider, 5. Aufl., VV Vorb. 4 Rn. 22; AG Tiergarten RVGreport 209, 395 = StRR 2009, 237 = AGS 2009, 322). Der Gesetzgeber hat sich im Entwurf für die letzte Auffassung entschieden. In Abs. 1 der Anm. soll eingefügt werden „neben der Verfahrensgebühr“. Damit ist klargestellt, dass die Grundgebühr „den Charakter einer Zusatzgebühr hat, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert“ (vgl. Entwurf S. 430).

Hinweis:

M.E. ist diese (verteidigerfreundliche) Regelung nicht widerspruchsfrei. Zumindest besteht ein Widerspruch zur Begründung des RVG (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 222), wo der Grundgebühr ein eigener Abgeltungsbereich zugeordnet worden ist. Allerdings ist das gesetzgeberische Anliegen nun klar zum Ausdruck gebracht. Das hat zur Folge, dass die o.a. Auffassung in Zukunft nicht mehr aufrecht erhalten werden kann und in allen Fällen mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die jeweilige Verfahrensgebühr entstehen. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr bleiben allerdings die zur ersten Einarbeitung i.S. der Nr. 4100 VV RVG erbrachten Tätigkeiten (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, Nr. 4100 VV RVG Rn. 22 m.w.N.) außer Betracht. Sie werden durch die Grundgebühr abgegolten (s. Entwurf S. 430).

VIII. Änderungen bei der zusätzlichen Gebühr Nr. 4141 VV RVG (Befriedungsgebühr)

1. Nr. 4141 VV RVG auch beim Übergang vom Bußgeld- ins Strafverfahren

In der Rechtsprechung und in der Literatur war sehr schnell nach Inkrafttreten des RVG die Frage umstritten, ob die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG auch dann entsteht, wenn das strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt und die Sache gem. § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde abgegeben wird. Das ist von der h.M. (vgl. Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., 4141 VV RVG, Rn. 16; Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Angelegenheiten [§§ 15 ff.], Rn. 88; AnwKomm-RVG/N.Schneider, 4141 VV, Rn. 19 ff., jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung) zutreffend bejaht worden. A.A. waren zunächst nur Hartmann (Kostengesetze, 41. Aufl., 4141 VV RVG, Rn. 4), AG München (JurBüro 2007, 84) und AG Osnabrück (RVGreport 2008, 190). Inzwischen hat sich aber auch der BGH dieser Mindermeinung angeschlossen (vgl. NJW 2010, 1209 = RVGreport 2010, 70 m. abl. Anm. Burhoff = StRR 2010, 109 = VRR 2010, 38).

Der Entwurf entscheidet sich für die h.M. und erteilt damit dem BGH (a.a.O.) eine Absage. In Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG wird nämlich das Wort „Verfahren“ durch „Strafverfahren“ ersetzt. In der Begründung wird – zutreffend – darauf hingewiesen, dass die Regelung der Nr. 4141 VV RVG dem Zweck diese, den Anreiz zu erhöhen, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen und soll somit zu weniger Hauptverhandlungen führen. Diesem Zweck trage die Gebühr aber auch dann Rechnung, wenn sich ein Bußgeldverfahren anschließt, von dem man nicht absehen kann, ob es später überhaupt noch gerichtlich anhängig sein wird. Auch stehe nicht fest, ob in dem Bußgeldverfahren derselbe Anwalt die Verteidigung übernimmt. Deshalb sei entsprechend der überwiegenden Auffassung in der Literatur das Strafverfahren losgelöst von dem anschließenden Bußgeldverfahren zu betrachten. Damit wird in Zukunft in diesen Fällen wieder die Nr. 4141 VV RVG abgerechnet werden können.

Hinweis:

Befinden sich Verteidiger derzeit  in vergleichbaren Fällen im Streit mit der Rechtsschutzversicherung oder der Staatskasse um den Anfall der Nr. 4141 VV RVG sollte auf die geplante Änderung und die Unhaltbarkeit der Auffassung des BGH hingewiesen werden.

2. Erweiterung der Nr. 4141 VV RVG auf den Fall des § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO

In Rechtsprechung (vgl. AG Darmstadt AG 2008, 344) und Literatur (vgl. u.a. Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn. 32, Gerold/Schmidt/Burhoff, VV 4141 Rn. 30; AnwKomm-RVG/N.Schneider VV 4141 Rn. 107 ff.) ist eine entsprechende Anwendung der Regelung der zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG auf die Fälle befürwortet worden, in denen das Gericht nach § 411 Abs. 1 S. 3 StPO nach Beschränkung des Einspruchs des Angeklagten gegen den Strafbefehl auf die Höhe der Tagessätze mit Zustimmung des Angeklagten durch Beschluss entscheidet (a.A. OLG Frankfurt RVGreport 2002, 428 = StRR 2009, 159 = VRR 2009, 80 = AGS 2008, 487; wegen weiterer Nachw. s. Burhoff/Burhoff, a.a.O.). Dies greift der Entwurf in einer neuen Nr. 4 der Nr. 4141 VV RVG auf.

Hinweis:

Offen ist damit aber immer noch die Frage, ob die Nr. 4141 VV RVG auch dann entsteht., wenn sich Verteidiger, Gericht und Staatsanwaltschaft über den Erlass eines Strafbefehls verständigen, so dass gegen den dann erlassenen Strafbefehl kein Einspruch eingelegt wird (befürwortet von Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn. 34).

3. Erweiterung der Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 3 VV RVG auf die Rücknahme der Privatklage

Bislang nicht geregelt war im RVG der Fall, dass der Privatkläger seine Privatklage nach Eröffnung des Hauptverfahrens zurück nimmt. Die Regelung in Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 2 VV RVG, wonach im Fall der Nichteröffnung des Hauptverfahrens eine Gebühr Nr. 4141 VV RVG entsteht, betrifft nur den Vertreter des Privatbeklagten. Dem begegnet der Entwurf dadurch, dass in Nr. 4141 Anm. 1 VV RVG ein Satz 2 angefügt werden soll, wonach die Nr. 3 „auf den Beistand oder Vertreter eines Privatklägers entsprechend anzuwenden [ist], wenn die Privatklage zurückgenommen wird“.

4. Verhältnis Nr. 4141 und Nr. 4147 VV RVG

Bisher ist in der Literatur davon ausgegangen worden, dass bei Einstellung im Privatklageverfahren neben einer Gebühr Nr. 4141 VV RVG ggf. auch noch die Einigungsgebühr nach Nr. 4147 VV RVG entstehen kann (vgl. AnwKomm-RVG/N.Schneider, 4141 VV Rn. 53 m.w.N.). Das ändert der Entwurf dadurch, dass in der Anm. 2 ein Satz 2 eingefügt wird, wonach die Gebühr Nr. 4141 VV RVG nicht neben der Gebühr Nr. 4141 VV RVG anfallen kann. Allerdings ist die Höhe der Gebühr Nr. 4147 VV RVG an die Gebühr Nr. 4141 VV RVG angeglichen worden. Während bisher ein Betragsrahmen von 20,00 bis 150,oo € bzw. eine Festbetragsgebühr von 68,00 € für den beigeordneten bzw. bestellten Rechtsanwalt vorgesehen war. entsteht die Gebühr Nr. 4147 VV RVG demnächst immer aus dem Rahmen der jeweiligen Verfahrensgebühr ohne Zuschlag (vgl. Entwurf S. 431 f.). Für den Wahlanwalt handelt es ich um eine Festbetragsgebühr in Höhe der Rahmenmitte (Nr. 4141 Anm. 3 S. 2 VV RVG).

IX. Wunschzettel

Schaut man sich den Entwurf in Teil 4und 5 VV RVG an, dann geht er sicherlich in die richtige Richtung, wenn er z.B. die Betragsrahmen (endlich) anhebt (vgl. oben I.) und einige Streifragen im Sinne der Verteidiger regelt (vgl. oben VI, VII, VII 1). Allerdings: Es bleiben auch manche Wünsche und Erwartungen offen. Auf meinem „Wunschzettel“ stehen u.a.:

  • Eine Klärung der Frage, ob im Strafverfahren vorbereitendes Verfahren und gerichtliches Verfahren bzw. im Bußgeldverfahren das Verfahren bei der Verwaltungsbehörde und das gerichtliche Verfahren dieselbe oder verschiedene Angelegenheiten sind.
  • Die Honorierung der anwaltlichen Tätigkeiten in Beschwerdeverfahren mit einer besonderen Beschwerdegebühr (vgl. oben III).
  • Eine Erweiterung der Nr. 4102 VV RVG um andere/weitere Termine, damit der Rechtsanwalt für seine Teilnahme auch honoriert wird. Zu denken wäre da zunächst an die Termine, die im Rahmen einer Verständigung (§ 257c StPO) bzw. deren Vorbereitung (§§ 160b, 202a, 212 StPO) anfallen. Aber in Betracht kommen könnte auch die Teilnahme des Rechtsanwalts an einer Durchsuchungsmaßnahme.
  • Eine Grundgebühr in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG zumindest für den Rechtsanwalt, der nicht im Erkenntnisverfahren (Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG) tätig gewesen ist, und sich im Strafvollstreckungsverfahren in den ggf. umfangreichen Verfahrensstoff einarbeiten muss.
  • Eine Grundgebühr in Teil 6 VV RVG.
  • Eine Vernehmungsterminsgebühr in Teil 6 Abschnitt 1 VV RVG.

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