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aus RVGreport 2014, 250

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

10 Jahre RVG – Rückblick und Ausblick zu den Teilen 4 und 5 VV RVG, oder auch: Was man sich dort noch wünschen könnte.

von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D. Münster/Augsburg

Am 1. 7. 2004 ist – nach einem etwas holperigen Gesetzgebungsverfahren - das Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) vom 5. 5. 2004 (BGBl. I, S. 718.) in Kraft getreten, das den Endpunkt einer Strukturreform des anwaltlichen Gebührenrechts bildete (vgl. zur Entstehung des RVG Burhoff in: Burhoff (Hrsg.) RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., 2007, S. 3 ff.). Das neue Gesetz hat die Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeiten in Straf- und Bußgeldverfahren sicherlich an manchen Stellen vereinfacht, auch hat die Strukturreform gerade im Bereich der anwaltlichen Vergütung für die Verteidigung/Vertretung in Straf- und Bußgeldsachen Mehreinnahmen gebracht (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 220). Das ist sicherlich zu begrüßen. Es kann/darf aber auch nicht übersehen werden, dass sich schon bald nach Inkrafttreten des RVG die ersten Anwendungsprobleme auch in den Teilen 4 und 5 VV RVG ergeben haben. Teilweise sind die geklärt. Teilweise bestehen sie fort und sind (leider) auch nicht durch das 2. KostRMoG gelöst worden. Dieser Beitrag will diese „Baustellen“ aufzeigen, zugleich nach 10 Jahren aber auch einen kurzen Rückblick auf die seit dem Inkrafttreten des RVG gelösten Probleme geben. Der Beitrag basiert teilweise auf einem im „Sonderheft 20 Jahre ZAP“ (herausgegeben Oktober 2009; dort S. 15 ff.) erschienenen Beitrag bzw. auf dem Beitrag „4 Jahre RVG - Baustellen und Probleme bei der Abrechnung der anwaltlichen Vergütung nach Teil 4, 5 oder 6 VV RVG“ in „Strafverteidigung im Rechtsstaat - 25 Jahre Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins“, 2009 (dort die S. 107 ff.).

I. Rückblick, oder: Änderungen im RVG

Nach dem Inkrafttreten des RVG am 1. 7. 2004 ist das Gesetz bereits einige Male geändert worden. Hinzuweisen ist auf folgende Änderungen, durch die sich z.T. Anwendungsprobleme der ersten Zeit (vgl. dazu u.a. Burhoff, Sonderheft 20 Jahre ZAP, S. 15 ff.; ders.; Festschrift ARGE Strafrecht, S. 107 ff.) erledigt haben.

1. Anhörungsrügengesetz

Für die Praxis von Bedeutung war u.a. eine Änderung durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. 12. 2004 (BGBl I, s. 3220). Dadurch ist in Vorbem. 5.1 Abs. 1 VV RVG der Satz 4 eingefügt worden. Danach werden bei der Ermittlung der Stufe, aus der sich im Bußgeldverfahren die anwaltliche Gebühr berechnet, mehrere Geldbußen zusammengerechnet. Dabei muss allerdings im Hinblick auf die Regelung der §§ 19, 20 OWiG unterschieden werden, ob es sich um Tateinheit (§ 19 OWiG) oder um Tatmehrheit (§ 20 OWiG) handelt. Denn nur im Fall der Tatmehrheit drohen auch mehrere Geldbußen, die zusammengerechnet werden können (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, 4. Aufl. 2014, Vorbem. 5.1 VV Rn. 17 ff.).

2. Justizmodernisierungsgesetz

Eine weitere wesentliche Änderung hat ebenfalls das Bußgeldverfahren betroffen. Bei Einführung des RVG war übersehen worden, dass in Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten gem. § 81 GWB, § 60 WpÜG sowie § 95 EnWG (§ 83 GWB, § 62 WpÜG, § 98 EnWG) nicht das AG, sondern das OLG erstinstanzlich zuständig ist. Es fehlte für diese Verfahren also eine Regelung, weil die alte Überschrift in Teil 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 VV RVG nur „Verfahren vor dem Amtsgericht“ erfasste. Damit blieb in der Frage der Erstzuständigkeit des OLG im Bußgeldverfahren nur, entweder die Gebühren des RA im gerichtlichen Verfahren vor dem AG Unterabschnitt 3 a.F. oder die Gebühren des Rechtsbeschwerdeverfahrens aus Unterabschnitt 4 analog anzuwenden (s. AnwKomm-RVG/N.Schneider, RVG, [4. Aufl.] Vor VV 5107 ff. Rn. 2 (analoge Anwendung von Unterabschnitt 3). Die Frage ist durch das 2. Justizmodernisierungsgesetz (BGBl I 2006, 3416) geklärt. Die geänderte Überschrift: „Gerichtliches Verfahren im ersten Rechtszug“ erfasst jetzt auch die Bußgeldverfahren, die in erster Instanz vor dem OLG stattfinden.

3. Erfolgshonorar/Vergütungsvereinbarung

Ein weitere wesentliche Änderung ist am 1. 7. 2008 in Kraft getreten. An diesem Tag ist das am 25. 4. 2008 vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Neuregelung des Verbots der Vereinbarung von Erfolgshonoraren in Kraft getreten (vgl. BT-Dr. 16/8384; BGBl I, s. 1000), durch das das (neue) Erfolgshonorar eingeführt worden ist und sich zudem Änderungen bei der Vergütungsvereinbarung (§§ 3a RVG ff.) ergeben haben (vgl. wegen der Einzelheiten u.a. und Burhoff VRR 2008, 254 = StRR 2008, 252 und die Nachw. bei Burhoff/Burhoff, RVG, Teil A: Erfolgshonorar [§ 4a], Rn. 737 und Teil A: Vergütungsvereinbarung [§ 3a], Rn. 2170).

4. Geldsanktionsgesetz

Hinzuweisen ist außerdem auf die Änderungen durch das am 28.10.2010 in Kraft getretene „Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses 2005/214/JI des Rates v. 24. 2. 2005 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen“ durch das sog. Geldsanktionengesetz (BGBl. I, S.1408). Durch dieses ist Teil 6 Abschnitt 1 VV RVG in zwei Unterabschnitte aufgeteilt und in Unterabschnitt 1 die neue Vorbem. 6.1.1. VV RVG und die neue Verfahrensgebühr Nr. 6100 VV RVG eingefügt. Diese beiden Bestimmungen regeln die Vergütung des im Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt für Justiz tätigen RA. Die früher in den Nrn. 6100 und 6101 VV RVG a.F. geregelten Gebühren befinden sich seitdem als Nr. 6101 und Nr. 6102 VV RVG in Unterabschnitt 2. Dort sind die Gebühren für die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren geregelt (wegen der Einzelheiten Burhoff RVGprofessionell 2010, 202 und StRR 2011, 13; Schneider JurBüro 2011, 61; Volpert AGS 2010, 573).

5. Sicherungsverwahrung/Therapieunterbringung

Schließlich ist mit Wirkung v. 1. 1. 2011 durch Art. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen v. 22.12.2010 (BGBl. I, S. 2300) die Vorschrift des § 62 RVG eingefügt worden, die wegen der Vergütung der nach dem ThUG tätigen Rechtsanwälte auf § 20 ThUG verweist (wegen der Einzelheiten s. Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Sicherungsverwahrung/Therapieunterbringung, Rn. 1780 ff. m.w.N.).

6. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz

Hinzuweisen ist schließlich noch auf das 2. KostRMoG v. 23. 7. 2013. (BGBl 2013, S. 2586), das vor allem eine lineare Gebührenerhöhung gebracht hat, die seit fast 20 Jahren seit der letzten Erhöhung linearen überfällig war. Zudem sind einige Streitfragen, die bei der Anwendung des RVG aufgetreten waren, geklärt worden (wegen der Einzelh. Burhoff RVGreport 2013, 330 ff.). Hinzuweisen ist aus dem Änderungskatalog insbesondere auf die Klärung des Verhältnisses von vorbereitendem Verfahren und gerichtlichem Verfahren im Strafverfahren bzw. von Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und gerichtlichem Verfahren im Bußgeldverfahren in § 17 Nr. 10a und 11 RVG. Diese sind jetzt ausdrücklich als verschiedene Angelegenheiten vorgesehen (vgl. dazu und zu den Auswirkungen Burhoff RVGreport 2013, 330, 331 f. und RVGreport 2014, 210). Außerdem ist das Verhältnis von Grundgebühr Nr. 4100/5100 VV RVG zur jeweiligen Verfahrensgebühr geklärt (vgl. dazu Burhoff RVGreport 2014, 42 ff.). Schließlich ist die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG um zwei Fälle erweitert worden (vgl. Burhoff RVGreport 2013, 330, 335 f.).

II. Brennpunkte/Baustellen/Wunschzettel

Durch das RVG selbst und die nachfolgenden Änderungen sind zwar manche Baustellen/Probleme im Bereich der Abrechnung der anwaltlichen Tätigkeit in Teil 4 und 5 VV RVG geregelt bzw. gelöst worden. Aber: Nicht alles ist unbedingt Gold, was – auf den ersten Blick - glänzt. Denn nach wie vor gibt es Streitfragen bei der Anwendung des RVG, die (leider) auch durch das 2. KostRMoG nicht gelöst worden sind.

1. Abrechnung der Tätigkeit der Zeugenbeistands

Einer der Hauptstreitpunkte bei der Anwendung der Regelungen des RVG ist (immer noch) die Frage der Abrechnung des Tätigkeit des RA als Zeugenbeistand im Strafverfahren. Hier sind die (Ober)Gerichte untereinander heillos zerstritten (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV Rn. 5 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 21. Aufl. 2013, VV Einl. Vorb. 4.1 Rn. 5 ff.). In der Gesetzesbegründung zum RVG 2004 war ausdrücklich dargelegt, dass der RA auch im Strafverfahren als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll. Weiter war ausgeführt, dass die Gleichstellung mit dem Verteidiger sachgerecht sei, weil die Gebührenrahmen ausreichenden Spielraum böten, dem konkreten Arbeitsaufwand des RA Rechnung zu tragen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr werde sich der RA als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen an dem üblichen Aufwand eines Verteidigers in einem durchschnittlichen Verfahren messen lassen müssen (BT-Drucks 15/1971, S. 220).

Trotz dieses eindeutigen gesetzgeberischen Anliegens und des klar zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willens ist alsbald nach Inkrafttreten des RVG in Rechtsprechung und Literatur ein heftiger Streit um die Abrechnung der Tätigkeiten des als Zeugenbeistand tätigen RA in den Verfahren, die nach Teil 4 bzw. 5 VV RVG abgerechnet werden, entbrannt. Diese Streitfrage, nämlich Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG oder nur nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG, gehört sicherlich auch derzeit immer noch mit zu den heftigst umstrittenen Fragen der Abrechnung nach den Teilen 4 und 5 VV RVG (zum Streitstand und zu Rechtsprechungsnachweisen s. Burhoff/Burhoff, a.a.O.; Burhoff, RVGreport 2011, 85; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O.).

An der Stelle hat auch das 2. KostRMoG eine – zunächst vorgesehene - Klarstellung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG, die diesen Streit i.S.d. Vertreter der Auffassung, die – zutreffend - nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnen (zur vorgesehenen Klarstellung Burhoff RVGreport 2012, 42 = VRR 2012, 16 = StRR 2012, 14; s. auch noch die Anm. zu KG RVGreport 2014, 23 = StRR 2014, 120) erledigt hätte, nicht gebracht. Diese Klarstellung ist nicht Gesetz geworden (vgl. BR-Drucks 517/12, S. 91). Sie ist auf Widerspruch des Bundesrates (s. BT-Drucks 17/11471, S. 357), der „nicht sachgerechte“ Ergebnisse befürchtet hat, zurückgestellt worden. Der Streit wird sich also leider fortsetzen. Es stehen sich damit weiterhin zwei etwa gleich starke „Lager“ gegenüber (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Burhoff/Burhoff, a.a.O., und die Zusammenstellung bei Burhoff RVGreport 2011, 85).

Zutreffend ist es m.E. nach wie vor – nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG „erst recht“ - auf die Tätigkeit des Zeugenbeistands Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anzuwenden. Das entspricht zunächst der ausdrücklichen Intention des Gesetzgebers, wie dieser sie in den Gesetzesmaterialien zum 2. KostRMoG noch einmal deutlich gemacht hat (vgl. BR-Drucks 517/12, s. 438 = BT-Drucks 17/11471, S. 281 unter Hinweis auf BT-Drucks 15/1971, S. 220). Sie wird dadurch verstärkt, dass durch das 2. KostRMoG zur Erledigung des Streits die o.a. Klarstellung aufgenommen werden sollte, wenn auch nicht übersehen werden kann/darf, dass diese letztlich dann nicht Gesetz geworden ist. Die Auslegung entspricht i.Ü. der Regelung in Vorb. 5 Abs. 1 VV RVG für das Bußgeldverfahren, denn die lautet schon seit Inkrafttreten des RVG 2004 – „wie für einen Verteidiger“ –, also so, wie Vorb. 4 Abs. 1 VV RVG-E durch das 2. KostRMoG klarstellend lauten sollte. Ein Grund für eine unterschiedliche Behandlung des Zeugenbeistandes im Strafverfahren zu dem im Bußgeldverfahren lässt sich aber weder den Gesetzesmaterialien zum RVG 2004 noch denen zum 2. KostRMoG entnehmen. Unverständlich sind daher obergerichtliche Entscheidungen, die die Intention des Gesetzgebers negieren und sich in ihren neueren Beschlüssen noch nicht einmal mit der Frage auseinandersetzen (vgl. KG RVGreport 2014, 23 = StRR 2014, 120) bzw. sogar ihre alte Rechtsprechung dahin ändern, dass nun auch sie der Auffassung sind, dass der Zeugenbeistand nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG abrechnet (vgl. u.a. OLG München RVGreport 2014, 275). Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber seinen Hinweis, dass die Klärung dieses Streits einer späteren Novellierung des TVG vorbehalten bleiben müsse (s. BT-Drucks 17/11471, S. 357), hoffentlich bald in die Tat umsetzt und diese Streitfrage klärt.

2. Abrechnung der Tätigkeit des „Terminsvertreters“

Ebenso ungeklärt wie die Abrechnung der Tätigkeit des Zeugenbeistandes (vgl. II, 1) ist die Frage nach der Honorierung des RA, der nur für einen Termin als „Terminsvertreter“ für den verhinderten Pflichtverteidiger beigeordnet wird. Geklärt ist insoweit in der Rechtsprechung inzwischen allerdings weitgehend einhellig, dass dieser RA seine (gesetzlichen) Gebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnet (vgl. die Nachw. bei Burhoff/Burhoff, Vorbem. 4.1 Rn. 23 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Einl. Vorb. 4.1 Rn. 12; aus neuerer Zeit OLG München RVGreport 2014, 275). Während sich die Rechtsprechung insoweit noch weitgehend einig ist, besteht Streit in der Frage, welche Gebühren der Terminsvertreter abrechnen kann. Teilweise wird dem als Terminsvertreter tätigen RA die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG nicht zugebilligt. Das ist jedoch unzutreffend. Vielmehr kann auch der Terminsvertreter die Grundgebühr abrechnen (s. auch schon OLG Karlsruhe StraFo 2008, 349 = NJW 2008, 2935 = JurBüro 2008, 586 = RVGreport 2009, 19 = StRR 2009, 119; aus neuerer Zeit OLG München, a.a.O.; Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn. 8 ff.), da auch er sich in den Rechtsfall einarbeiten muss und einarbeitet. Der Nichtanfall der Grundgebühr lässt sich nicht damit begründen, dass für den Vertretenen die Grundgebühr ebenfalls nicht entstehen würde. Die Grundgebühr ist nämlich hinsichtlich der Häufigkeit des Entstehens nicht verfahrensbezogen, sondern personenbezogen und kann im Laufe des Verfahrens - je nachdem, wie viele Verteidiger tätig sind/werden, - mehrfach entstehen. Auch hier wäre eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wünschenswert.

3. Abrechnung von Beschwerden

Das 2. KostRMoG hat als Folge der Änderung in § 15 Abs. 2 S. 2 RVG a.F. bzw. § 17 Nr. 1 RVG n.F. (vgl. dazu Burhoff RVGreport 2014, 330) in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10a RVG ausdrücklich klargestellt, dass Beschwerdeverfahren, wenn sich die Gebühren nach Teil 4, 5 oder 6 VV RVG richten und dort nichts anderes bestimmt ist oder besondere Gebührentatbestände vorgesehen sind, zum Rechtszug gehören. Diese (Neu)Regelung führt dazu, dass die Beschwerdeverfahren in Straf- und Bußgeldsachen (Teil 4 und 5 VV RVG) und in sonstigen Verfahren (Teil 6 VV RVG) nach wie vor aufgrund des Pauschalcharakters der Vorbem. 4.1 Abs. 1 VV RVG, Vorbem. 5.1 Abs. 1 VV RVG und Vorb. 6.2 Abs. 1 VV RVG durch die jeweiligen Verfahrensgebühren mit abgegolten sind (zur Abrechnung von Beschwerdeverfahren Burhoff/Volpert, RVG, Teil A: Beschwerdeverfahren, Abrechnung, Rn. 570 ff.; Burhoff RVGreport 2012, 12).

Ich habe bereits an anderes Stelle (vgl. Burhoff StraFo 2013, 397, 402) darauf hingewiesen, dass die in den Verfahren nach den Teilen 4, 5 und 6 VV RVG tätigen Rechtsanwälte/Verteidiger diesen „Status quo“ hinnehmen müssen, nachvollziehbar ist er m.E. nicht. Für mich ist nämlich kein Grund erkennbar, warum in den Verfahren, in denen sich die Gebühren nach diesen Teilen des VV richten, die Tätigkeit des RA durch die Verfahrensgebühren mitabgegolten ist, während in den Verfahren, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 VV RVG richten, nach Nr. 3500 ff. VV RVG eine besondere Beschwerdegebühr entsteht. Weniger Arbeit machen Beschwerden in Straf- und Bußgeldsachen nicht. Der Pflichtverteidiger, der Festbetragsgebühren erhält, muss diese Tätigkeiten zudem erbringen, ohne dass er – wie der Wahlanwalt – die Möglichkeit hat, seine Tätigkeit im Rahmen des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG geltend zu machen. Wenn man schon durch die Neuregelungen des 2. KostRMoG eine (noch) leistungsgerechte(re) Honorierung der anwaltlichen Tätigkeiten erreichen wollte, dann hätte es m.E. nahe gelegen, auch in Straf- und Bußgeldsachen eine besondere Beschwerdegebühr einzuführen. Das sollte auf jeden Fall ein 3. KostRMoG tun. Wenn man Missbrauch dadurch befürchtet, dass Verteidiger/Rechtsanwälte ggf. dann zu viel Beschwerden einlegen, kann man den dadurch einschränken bzw. mildern, dass man eine dem Satz 1 der Anmerkung zu Nr. 4102 VV RVG entsprechende Regelung einführt und mehrere Beschwerden zu nur einer Beschwerdegebühr zusammengefasst. Das wäre immer noch besser, als die häufig arbeits- und zeitintensiven Beschwerden in den Verfahren nach den Teilen 4, 5 und 6 VV RVG überhaupt nicht zu honorieren.

4. „Geplatzter Termin“ (Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG)

Eine weitere Baustelle hat sich inzwischen bei der Regelung in Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG aufgetan. Danach erhält der RA „die Terminsgebühr auch, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet.“ Hintergrund dieser Neuregelung durch das RVG 2004 war u.a. auch, dem RA nutzlosen Zeitaufwand zu vergüten. Nach der zu dieser Neuregelung inzwischen vorliegenden Rechtsprechung von Obergerichten (vgl. OLG Frankfurt RVGreport 2012, 64 = StRR 2012, 118 = JurBüro 2011, 422; OLG München RVGreport 2008, 109 = NStZ-RR 2008, 159 = AGS 2008, 233 = StRR 2008, 199 = NJW 2008, 1607) entsteht eine Terminsgebühr für diesen sog. „geplatzten Termin“ der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG nur, wenn der RA körperlich im Gerichtsgebäude mit dem Ziel der Teilnahme an dem Termin erscheint. Das bloße Antreten der Anreise zu dem Termin lasse die Terminsgebühr nicht entstehen (a.A. Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4, Rn 95 ff.; Hartung/Römermann/Schons/Hartung, RVG 2. Aufl. 2013, Vorbemerkung 4 VV Rn 27), was mit dem Wortlaut der Neuregelung - „erscheint“ - begründet wird.

Diese Entscheidungen haben sicherlich den Wortlaut der Vorschrift der Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG für sich. Es darf auch nicht übersehen werden, dass die Gesetzesbegründung (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 221) ebenfalls davon spricht, dass „der Verteidiger, der zur Hauptverhandlung erscheint“, eine Gebühr erhalten soll. Dem steht aber der Sinn und Zweck der Neuregelung entgegen, der dahin geht, dem RA auch nutzlos aufgewendete Zeit zu vergüten (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 221; s. auch Burhoff/Burhoff, a.a.O.; Hartung/Römermann/Schons-Hartung, a.a.O.). Auch die vom OLG München (a.a.O.) zur Stützung seiner Auffassung angeführte „Vielzahl von Abgrenzungsproblemen“ rechtfertigt die enge Auslegung der Vorschrift nicht. Sicherlich stellt sich in vergleichbaren Fällen, in denen der RA nicht körperlich „erscheint“ die Frage, wann der Weg zum Termin angetreten ist. Aber die Probleme lassen sich ohne Schwierigkeiten dadurch regeln lassen, dass sie innerhalb des Gebührenrahmens berücksichtigt werden. Desto eher der RA von der Aufhebung des Termins erfährt, desto geringer ist der nutzlose Zeitaufwand und desto geringer ist die Höhe der entstehenden Terminsgebühr. Auch die Gesetzesbegründung stellt wegen des Aufwandes für den Termin auf die Bemessung der konkreten Gebühr ab (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, a.a.O.). Die Lösung des OLG München (a.a.O.) und des OLG Frankfurt (a.a.O.) führt demgegenüber dazu, dass der Aufwand, den der RA erbringt, im Wesentlichen unberücksichtigt bleibt und der Pflichtverteidiger in die Pauschgebühr „getrieben“ wird.

5. Erweiterung der Vernehmungsterminsgebühr Nr. 4102 VV RVG

Bei der durch das RVG 2004 eingeführten Vernehmungsterminsgebühr (vgl. wegen der Einzelh. Burhoff RVGreport 2004, 235; ders., RVGreport 2010, 282), die zusätzlichen Aufwand des RA/Verteidiger durch die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung honorieren soll, besteht Streit, ob über den Wortlaut der Nr. 4102 VV RVG hinaus eine analoge Anwendung der Vorschrift auf andere Termine möglich ist mit der Folge, dass die Teilnahme an weiteren Terminen vergütet werden müsste/könnte. Das kann z.B. in Betracht kommen

  • für die Teilnahme des RA/Verteidigers an einer Durchsuchungsmaßnahme,
  • für die Teilnahme an der Exploration des Beschuldigten durch einen psychiatrischen Sachverständigen (vgl. dazu LG Offenburg RVGreport 2006, 350 = AGS 2006, 436 = StV 2007, 478 = NStZ-RR 2006, 358),
  • für die Teilnahme des RA an einer Gegenüberstellung oder
  • für Erörterungen des Standes des Verfahrens (§§ 160b, 202a, 212 StPO).

Von der überwiegenden Meinung in der Rechtsprechung wird unter Hinweis auf den eindeutigen Wortlaut der Nr. 4102 VV RVG und die enumerativ aufgeführten Fälle eine analoge Anwendung der Vorschrift auf andere als der dort genannten Termine jedoch abgelehnt (KG RVGreport 2006, 151; RVGreport 2012, 298 = AGS 2012, 388; OLG Saarbrücken RVGreport 2012, 66 = StRR 2011, 483 für Termin nach § 202a StPO; LG Düsseldorf AGS 2011, 430 für Teilnahme an einem Termin des Sachverständigen zur Besichtigung und Gegenüberstellung eines Kfz; LG Essen AGS 2012, 390 für Termin nach § 202a; LG Osnabrück RVGreport 2012, 65 = StRR 2011, 483 = JurBüro 2011, 640 für Termin nach § 212 StPO; LG Zweibrücken, JurBüro 2013, 35 für Teilnahme an einem Termin des SV zur Besichtigung und Gegenüberstellung eines Kfz; AG Oschatz StRR 2012, 240 = VRR 2012 240 für Teilnahme an einem SV-Termin; vgl. auch Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4102 VV Rn. 47 ff.; AnwKomm-RVG/N. Schneider, a.a.O., VV 4102 Rn. 7 für die Durchsuchung; Gerold/Schmidt-Burhoff, VV 4102, 4103 Rn. 5).

Zum Teil wird das in der Rechtsprechung aber auch anders gesehen. Das LG Offenburg (RVGreport 2006, 350 = AGS 2006, 436 = NStZ-RR 2006, 358 = StV 2007, 478) hat für die Teilnahme des Verteidigers an der Exploration seines Mandanten durch einen psychiatrischen Sachverständigen eine Gebühr nach Nr. 4102 Verteidiger gewährt. Das AG Freiburg (AGS 2011, 69 = RVGreport 2011, 65 = StRR 2011, 123) hat für die Teilnahme des RA einem Erörterungstermin nach § 202a Satz 1 StPO eine Gebühr entsprechend Nr. 4102 Ziff. 1 und 3 VV RVG festgesetzt (vgl. dazu auch Burhoff/Burhoff, Teil A: Verständigung im Straf-/Bußgeldverfahren, Abrechnung, Rn. 2270). Das LG Braunschweig hat den Zeitaufwand des Verteidigers für die Teilnahme an einem Crashtest schließlich mit einer Gebühr Nr. 4102 VV RVG honoriert (LG Braunschweig StraFo 2011, 377 = RVGreport 2011, 383 = JurBüro 2011, 525 = StRR 2011, 484).

Dieser Streitstand zeigt: Es besteht Regelungsbedarf. Dies vor allem auch, weil nicht nachvollziehbar ist, warum der Zeitaufwand des RA, der an einer Vernehmung eines Zeugen außerhalb der HV teilnimmt, honoriert wird, nicht aber der desjenigen RA, der mit seinem Mandanten an einer Durchsuchungsmaßnahme teilnimmt oder an – häufig zeitaufwändigen – Gesprächen zur Vorbereitung einer Verständigung nach § 257c StPO (vgl. §§ 160b, 202a, 212 StPO). Missbrauch des RA/Verteidigers wird hier kaum zu befürchten sein, da auch solche Termine unter die Beschränkungen der Anm. 2 zu Nr. 4102 VV RVG fallen würden (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4102 VV Rn. 50 ff.). So lange eine Erweiterung der Nr. 4102 VV RVG nicht erfolgt (ist), hat der RA, der an einem Termin außerhalb der Hauptverhandlung teilnimmt, der (nach h.M.) nicht von Nr. 4102 VV RVG erfasst wird, nur die Möglichkeit, als Wahlanwalt die Teilnahme im Rahmen der jeweiligen (gerichtlichen) Verfahrensgebühr Gebühren erhöhend geltend zu machen (§ 14 Abs. 1 RVG). Ggf. muss eine Pauschgebühr beantragt werden (§ 42 RVG). Letzteres gilt auch für den Pflichtverteidiger (§ 51 RVG).

6. Längenzuschlag für den Pflichtverteidiger (Nr. 4110 VV RVG u.a.)

Eins der Ziele des RVG 2004 war es u.a. auch, das anwaltliche Gebührenrecht zu vereinfachen und transparenter zu machen (zu den Reformzielen vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 143 f.). Eine der Stellen, an denen sich zeigt, dass das nicht überall gelungen ist, ist der vom RVG neu eingeführte sog. Längenzuschlag für den Pflichtverteidiger. In der Praxis bestehen erhebliche (Anwendungs)Schwierigkeiten mit dieser Neuregelung. Vorgesehen sind in den Nrn. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122, 4123, 4128, 4129, 4134, 4135 VV RVG diese Längenzuschläge für den Pflichtverteidiger dann, wenn dieser an einer Hauptverhandlung teilgenommen hat, die mehr als fünf bis zu acht bzw. mehr als acht Stunden gedauert hat. Sinn und Zweck der Neuregelung ist es, auch beim Pflichtverteidiger einen besonderen Zeitaufwand für seine anwaltliche Tätigkeit angemessen zu honorieren und ihn wegen langer Hauptverhandlungszeiten nicht mehr ausschließlich auf eine Pauschgebühr zu verweisen; zudem sollte die Ungleichbehandlung von Wahlanwalt und Pflichtverteidiger (weiter) reduziert werden (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 224). Diese Ziele sind inzwischen in dem um die Auslegung der Vorschrift entstandenen Streit untergegangen. Denn Streit herrscht sowohl in der Frage, ob Wartezeiten des Verteidigers vor bzw. während der Hauptverhandlung zu berücksichtigen sind bzw. ob Pausen von der Hauptverhandlungszeit, die für die Gewährung eines Längenzuschlages maßgeblich ist, abgezogen werden müssen. In den Fragen sind die Obergerichte heillos zerstritten, womit für den Verteidiger die Ziele der RVG-Reform: Vereinfachung und Transparenz, konterkariert werden. Zum Streitstand und zu Rechtsprechungs-Nachweisen wird, um Wiederholungen zu vermeiden, hingewiesen auf OLG Karlsruhe (RVGreport 2014, 194 = AGS 2013, 573 = StraFo 2014, 39 = StRR 2014, 159) und auf OLG Celle (OLG Celle, Beschl. v. 12. 3. 2014 - 1 Ws 84/14; eingehend zu der Problematik auch Burhoff RVGreport 2006, 1).

Für den Pflichtverteidiger ist die vorliegende Rechtsprechung im Grunde unüberschaubar und hat keine klare Linie. Er kann sich auf eine einheitliche bundesweite Anwendung der Vorschriften nicht verlassen und muss letztlich seinen Kostenfestsetzungsantrag davon abhängig machen, in welchem OLG-Bezirk er verteidigt hat (vgl. den Begriff „Kostenatlas“ von Kotz in NStZ 2009, 414). Dabei wäre es so einfach, diese Frage durch eine Klarstellung, was unter dem Begriff „Hauptverhandlung“ in diesen Fällen zu verstehen ist, zu klären, was im Übrigen auch vom OLG Celle (a.a.O.) angemahnt worden ist. Man könnte regeln, dass unter dem Begriff der „Hauptverhandlung“ gebührenrechtlich maßgeblich ist der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Pflichtverteidiger geladen und erschienen war und dem im Protokoll der Hauptverhandlung festgehaltenen Ende des Termins. Das wäre dann „Hauptverhandlung“ i.S. des Längenzuschlags. Dass dabei natürlich Zeiten außen vor bleiben müssen, in denen der RA aus in seiner Person liegenden Gründen nicht anwesend war, ist selbstverständlich. Eine so einfache Anwendung der Vorschrift würde es den Rechtspflegern ersparen, nach Abschluss des Verfahrens sämtliche Hauptverhandlungsprotokolle darauf zu prüfen, wann welche wie lange dauernde Pausen gemacht worden sind. Die dadurch betriebswirtschaftlich entstehenden Kosten stehen in keinem angemessenen Verhältnis zu dem ggf. für den Pflichtverteidiger entstehenden Längenzuschlag. Denn man darf doch eins nicht übersehen: Dieser beträgt in der Stufe beim AG jetzt gerade mal 110 € (vgl. Nr 4110 VV RVG).

7. Befriedungsgebühr (Nr. 4141 VV RVG)

Im Bereich der sog. Befriedungsgebühr der Nr. 4141 VV RVG gab es zwei Problembereiche: Nämlich einmal die Frage, ob das Entstehen der Gebühr im Fall der Rücknahme der Revision an weitere - über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende - Voraussetzungen geknüpft ist, und dann, ob die Vorschrift, vor allem im Strafbefehlsverfahren, erweiternd angewendet werden kann.

Die zweite Fragestellung ist vor allem im Hinblick auf die Regelung des § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO im Strafbefehlsverfahren diskutiert worden (vgl. dazu – eine analoge Anwendung ablehnend - OLG Frankfurt AGS 2008, 487 = RVGreport 2008, 428 = VRR 2009, 80 = StRR 2009, 159; LG Darmstadt, Beschl. v. 25. 6. 2008, 3 Qs 279/08, www.burhoff.de; bejahend hingegen u.a. N.Schneider AnwBl. 2006, 274; Burhoff RVGreport 2008, 201; AG Darmstadt, Beschl. v. 22. 4. 2008, 217 Cs - 121 Js 24030/07, www.burhoff.de). Diese Diskussion ist durch die Einfügung der neuen Nr. 4 in die Anm. zu Nr. 4141 VV RVG durch das 2. KostRMoG erledigt (vgl. dazu b RVGreport 2014, 330, 335). Nicht geregelt ist aber nach wie vor die Frage, ob die Nr. 4141 VV RVG entsteht, wenn der RA nach Eröffnung des Hauptverfahrens noch daran mitwirkt, dass in das Strafbefehlsverfahren nach § 408a StPO übergegangen und somit eine Hauptverhandlung entbehrlich wird. Das ist zu in entsprechender Anwendung der Anm. 1 Satz 1 Nr. 3 VV RVG zu bejahen (vgl. AG Bautzen AGS 2007, 307 m. Anm. Holzauer; AnwKomm-RVG/N. Schneider, VV 4141 Rn. 145; N. Schneider, AGS 2011, 488, 493). Offen ist zudem auch immer noch die Frage, ob die Nr. 4141 VV RVG dann entsteht, wenn sich Verteidiger, Gericht und Staatsanwaltschaft über den Erlass eines Strafbefehls verständigen, der vom Mandanten anerkannt wird, sodass kein Einspruch eingelegt wird. Auch in diesen Fällen wird eine Hauptverhandlung vermieden, sodass vom Sinn und Zweck der Nr. 4141 VV ebenfalls eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu bejahen ist (Gerold/Schmidt/Burhoff, VV 4141 Rn. 33). Der gemeinsame Vorschlag der BRAK und des DAV zur Änderung des RVG (u.a. RVGreport 2011, 81) hatte im Übrigen eine Ergänzung der Nr. 4141 Verteidiger um eine Nr. 5 vorgesehen, in der dieser Fall geregelt werden sollte (vgl. AnwBl. 2011, 120, 121). Das ist allerdings vom 2. KostRMoG nicht umgesetzt worden, sollte aber von einem 3. KostRMoG nachgeholt werden.

Die Frage, ob für das Entstehen der Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 3 VV RVG allein die Rücknahme der Revision ausreicht oder ob ggf. weitere und wenn ja, welche Voraussetzungen erforderlich sind, ist in Rechtsprechung und Literatur noch immer heftig im Streit (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV Rn. 64 ff.). Eine Klärung der Frage ist (leider) auch durch das 2. KostRMoG nicht erfolgt. So verlangt die wohl überwiegende Meinung der obergerichtlichen Rechtsprechung unter Hinweis auf den Wortlaut der Nr. 4141 VV RVG (weiterhin), dass ein Revisionshauptverhandlungstermin anberaumt ist/war bzw. zumindest konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden waren, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre, wenn nicht die Revision zurückgenommen worden wäre, während demgegenüber eine Mindermeinung in der Rechtsprechung das Entstehen der Gebühr von keinerlei weiteren Voraussetzungen abhängig macht (OLG Düsseldorf RVGreport 2006, 67 = AGS 2006, 124 m. zust. Anm. N.Schneider =; LG Hagen RVGreport 2006, 229 = AGS 2006, 232; s. auch Burhoff/Burhoff, RVG, a.a.O.). Letzteres ist zutreffend Allein die Auffassung stimmt mit dem eindeutigen Wortlaut der Regelung, der weitere Voraussetzungen für das Entstehen der Gebühr im Fall der Rücknahme der Revision nicht aufstellt, überein. Auch hier wäre eine klarstellende Regelung in einer Novellierung zu wünschen.

8. Strafvollstreckung (Nrn. 4200 ff. VV RVG)

Im Bereich der Strafvollstreckungsgebühren (Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG) besteht zumindest an einer Stelle nach wie vor Nachbesserungsbedarf. Denn auch nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG erhält der RA, der erst im Strafvollstreckungsverfahren mit der Verteidigung beauftragt wird, keine Grundgebühr. In Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG ist diese nicht vorgesehen. Eine analoge Anwendung der Nr. 4100 VV RVG kommt nicht in Betracht. Das verbietet die Systematik des VV. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG ist nämlich in Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG geregelt. Der erfasst aber nur die Vergütung des Verteidigers, Beistandes oder Vertreters im gerichtlichen Verfahren einschließlich des Wiederaufnahmeverfahrens und im Ermittlungsverfahren (vgl. dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 221) und nicht auch die im Strafvollstreckungsverfahren (KG RVGreport 2008, 463 = RVGprofessionell 2008, 212 = NStZ-RR 2009, 31 = JurBüro 2009, 83 = StRR 2009, 156; OLG Schleswig RVGreport 2005, 70 = AGS 2005, 120 = JurBüro 2005, 252 = StV 2006, 206; LG Berlin AGS 2007, 562 = StRR 2007, 280). Die letztere ist abschließend in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG geregelt.

Dieses Nichtentstehen eine Grundgebühr ist zumindest in den Fällen nicht nachvollziehbar, in denen der Verteidiger den Verurteilten nicht bereits im Erkenntnisverfahren vertreten hat. Dann muss er sich in das gesamte Verfahren umfassend einarbeiten und kann nicht auf Erkenntnisse aus dem bisherigen Verfahren zurückgreifen. Der Einarbeitungsaufwand ist vergleichbar dem Aufwand bei Übernahme des Mandats und sollte de lege ferenda mit einer Grundgebühr honoriert und nicht nur mit der jeweiligen Verfahrensgebühr mitabgegolten werden. Diese kann dann eine Anrechnungsregelung - vergleichbar der Regelung in Anm. 2 zu Nr. 4100 VV RVG - für den Verteidiger vorsehen, der den Verurteilten bereits im Erkenntnisverfahren vertreten hatte.

III. Fazit

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass es noch manche Probleme und Baustellen bei der Anwendung des RVG gibt. M.E. sind es aber keine großen Probleme (mehr), sondern allenfalls Bereiche in denen bei nächsten Gelegenheit nochmals ein wenig Feinschliff erforderlich ist..


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