Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

aus RVGreport 2010, 441

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport " für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "RVGreport" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Abrechnung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung gem. § 111f Abs. 5 StPO

von Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Münster/Augsburg

Die veröffentlichten Entscheidungen der Obergerichte zeigen, dass in der Praxis immer mehr von Verfall und Einziehung, aber auch vom dinglichen Arrest zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche Gebrauch gemacht wird. Daher rücken auch immer mehr die Fragen der Abrechnung von Tätigkeiten in diesen Bereichen in den Vordergrund. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit der Tätigkeit des Bevollmächtigten des Antragstellers nach § 111f Abs. 5 StPO und geht zurück auf eine Entscheidung des OLG Naumburg v. 10. 5. 2010 (1 Ws 228/10; www.burhoff.de).

I. Sachverhalt

Gegen den Angeklagten ist ein Verfahren wegen Untreue anhängig. In diesem ordnet das AG zur Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche für ein Autohaus den dinglichen Arrest in das Vermögen des Angeklagten in Höhe von 1.050.000 € an. Aufgrund dieses Beschlusses werden am fünf Pkws - ein Rolls Royce, zwei Daimler Benz, ein Audi und ein Porsche, die im Besitz und Eigentum des Antragstellers waren, gepfändet. Der Antragsteller wies bei der Pfändung darauf hin, dass er die Fahrzeuge zur Refinanzierung eines Darlehens an den Angeklagten abgetreten habe. Zur Auszahlung des Darlehens sei es bislang aber nicht gekommen. Der Antragsteller bot dann an, die Fahrzeuge gegen Hinterlegung eines entsprechenden Bargeldbetrages auszulösen, wozu es aber nicht gekommen ist. Nach Anklageerhebung beim LG wegen Untreue in 25 Fällen beantragte der Antragsteller die Pfändung der fünf Fahrzeuge aufzuheben und diese nebst zugehöriger Kraftfahrzeugbriefe an ihn herauszugeben. Das LG hat diesen Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, die beim OLG Naumburg (1 Ws 228/10) Erfolg hatte. Die Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen des Antragstellers sind der Landeskasse auferlegt worden.

Für den Verfahrensbevollmächtigten des Eigentümers/Antragstellers stellt sich nun die Frage, wie er seine Tätigkeit für den Eigentümer gegenüber der Staatskasse abrechnen kann. Von besonderer Bedeutung ist für den Verfahrensbevollmächtigten dabei, ob die Abrechnung ggf. nach einer Wertgebühr des VV RVG erfolgen kann.

II. Abrechnung

1. Abrechnung nach Teil 3 VV RVG oder nach Teil 4 VV RVG?

Zunächst stellt sich die Frage, welcher Teil des VV auf die Abrechnung anzuwenden ist, nämlich Teil 3 VV RVG oder Teil 4 VV RVG. Die Anwendung von Teil 3 VV RVG wäre für den Verfahrensbevollmächtigten vorteilhaft, da dann ohne Schwierigkeiten nach den Wertgebühren der Nrn. 3309 f. VV RVG abgerechnet werden könnte. Der Weg in den Teil 3 VV RVG ist dem Verfahrensbevollmächtigten aber versperrt. Denn bei der Entscheidung nach § 111f Abs. 5 StPO handelt es sich um eine strafprozessuale Entscheidung (vgl. OLG Düsseldorf StV 2009, 233 = wistra 2009, 207; OLG Hamburg StV 2008, 625 = StraFo 2008, 426; OLG Naumburg, Beschl. v. 10. 5. 2010 – 2 Ws 228/10; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., 2010, § 111f Rn. 15). Zwar handelt es sich bei dem Rechtsbehelf nach § 111f Abs. 5 StPO der Sache nach einen zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelf - etwa nach § 771 ZPO -, das ändert aber nichts daran, dass das Verfahren nach strafprozessualen Grundsätzen geführt wird (vgl. die vorstehenden Zitate). Damit handelt es sich um eine Strafsache i.S. des Teil 4 VV RVG (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., Vorbem. 4 Rn. 7; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 19. Aufl., Einl. Teil 4 VV Rn. 1). Das folgt im Übrigen auch aus Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG. Danach gilt der der Teil 4 VV RVG u.a. auch für den Vertreter „eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligten“. Einziehungsbeteiligter war der Antragsteller/Eigentümer hier nicht, in Betracht kommt aber m.E., ihn als Nebenbeteiligten“ anzusehen. Nebenbeteiligte sind nämlich Personen, die im allgemeinen Interesse oder zur Abwehr eigener Rechtsnachteile am Verfahren teilnehmen oder sich beteiligen dürfen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Einl. Rn. 73). Legt man diese Definition zugrunde, dann ist aber dem Drittbetroffenen einer Arrestpfändung über § 111f Abs. 5 StPO der Weg eröffnet, sich am Verfahren zu beteiligen und er damit „Nebenbeteiligter“. Anwendbar ist also Teil 4 VV RVG.

Etwas anderes folgt nicht aus Vorb. 4 Abs. 5 Nr. 2 VV RVG. Erfasst sind mit dem dort enthaltenen Verweis auf den Teil 3 VV RVG nur Tätigkeiten des Rechtsanwalts in der Zwangsvollstreckung aus Entscheidungen, die über einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch oder die Erstattung von Kosten (§§ 406b, 464b StPO) ergangen sind. Um solche Tätigkeiten hat es sich hier aber nicht gehandelt.

2. Abrechnung nach Teil 4 VV RVG

Der damit anwendbare Teil 4 VV RVG sieht für das Strafverfahren Wertgebühren nur in den Nrn. 4142 ff . VV RVG vor.

a) Nr. 4143 VV RVG

Die Anwendung der Nrn. 4143 f. VV RVG scheidet von vornherein aus, da sie nur „vermögensrechtliche Ansprüche des Verletzten oder seines Erben“ erfasst, also i.d.R. das Adhäsionsverfahren.

b) Nr. 4142 ff. VV RVG

Fraglich ist die Anwendung der Nr. 4142 VV RVG. Insoweit stellt sich zunächst die Frage, ob ggf. die Nr. 4142 VV RVG isoliert anwendbar ist. Dies dürfte indes nicht möglich sein. Die Gebühr Nr. 4142 ff. VV kann nämlich wohl nur neben einer Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts für den Vollverfahrensbeteiligten anfallen. Dafür spricht die Vorbem 4.3 Abs. 2 VV RVG: "Beschränkt sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf die Geltendmachung oder Abwehr eines aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruchs im Strafverfahren, so erhält er die Gebühren nach den Nummern 4143 bis 4145." Diese Regelung wäre überflüssig, wenn die Nrn. 4142 ff. VV RVG ohnehin isoliert anwendbar wären.

Damit kommt es für die Anwendung der Nr. 4142 VV RVG darauf an, ob der Verfahrensbevollmächtigte ggf. als „Vollverfahrensbevollmächtigter“ i.S. von Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG angesehen werden kann. An dieser Stelle spitzt sich die Diskussion dann auf die Frage zu, die auch bei der Abrechnung der Tätigkeit des Zeugenbeistandes eine Rolle spielt, nämlich, ob Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG oder (nur) Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG anwendbar ist (vgl. dazu zuletzt die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Burhoff RVGprofessionell 2010, 153 ff. sowie OLG Stuttgart RVGreport 2010,  m.w.N. in der Anmerkung). Das von mir gegen die Auffassung, die in diesen Fällen nur Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG anwendet, vorgebrachte Argument, dass auf die dem Rechtsanwalt übertragene Tätigkeit abgestellt werden müsse (vgl. Burhoff RVGreport 2005, 458; ders., RVGreport 2006, 81; Burhoff/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV Rn. 6 ff:, Burhoff/Volpert, Vorbem. 4.3 Rn. 16; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., Einleitung Vorb. Teil 4 Abschnitt 1 Rn. 5 f.), gilt hier erst Recht. Man kann m.E. nicht darauf abstellen, dass der Rechtsanwalt im Strafverfahren nur in einem Teilbereich tätig wird und es sich deshalb um eine Einzeltätigkeit handelt. Tätig ist er in der Angelegenheit „Arrestpfändung“ und in der Angelegenheit ist er voller Vertreter, auch wenn diese nur einen Teil des Strafverfahrens bildet.

Geht man davon aus, dann ist Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG anwendbar. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers könnte dann Grundgebühr Nr. 4104, die Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren, in dem er tätig geworden ist, also die Nr. 4104 VV RVG, sowie die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren nach Nr. 4112 VV RVG, in der er ebenfalls tätig war, geltend machen. Außerdem würde der Ansatz der Nr. 4142 VV RVG zulässig sein. Für die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren beim OLG fallen allerdings keine gesonderten Gebühren an. Diese Tätigkeiten sind über die Vorbem. 4.1 Abs. 2 VV RVG durch die Verfahrensgebühren mit abgegolten.

c) Einzeltätigkeit

Folgt man den Ausführungen zu b) nicht, dann handelt es sich um eine Einzeltätigkeit nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG. Anzuwenden wäre dann die Nr. 4302 Nr. 3 VV RVG. Für das Beschwerdeverfahren beim OLG könnte dann noch eine weitere Gebühr nach Nr. 4302  Nr. 3 VV RVG abgerechnet werden (vgl. Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG).

In beiden Fällen entsteht eine Betragsrahmengebühr mit einem Betragshöchstrahmen von 250 €. Bei der Bemessung der angemessenen Gebühr spielt über die „Bedeutung der Angelegenheit“ (vgl. § 14 RVG) der Wert der gepfändeten Sachen eine erhebliche Rolle. Im Fall des OLG Naumburg dürfte insoweit dann sicherlich die Höchstgebühr anzusetzen sein. Ob damit die Tätigkeit und das Haftungsrisiko des Vertreters angemessen honoriert und berücksichtigt ist, erscheint allerdings fraglich. Ggf. kann ein Antrag nach § 42 RVG helfen.

III. Festsetzungsverfahren

In der Praxis dürfte es sich empfehlen die Festsetzung der Nrn. 4100, 4104, 4112, 4142 VV RVG nebst Auslagen zu beantragen. Das hat allerdings den Nachteil, dass, wenn vom Rechtspfleger nur die Nr. 4302 VV RVG festgesetzt werden sollte, sich die Frage stellt, ob dann noch der Antrag nach § 42 RVG auf Feststellung einer Pauschgebühr durch das OLG gestellt werden kann. Das dürfte wohl nur möglich sein, wenn der ursprüngliche Festsetzungsantrag zurückgenommen und dann (zunächst) die Feststellung einer Pauschgebühr für die jeweilige Gebühr Nr. 4302 Nr. 3 VV RVG beantragt wird.

IV. Fazit

Die vorstehenden Ausführungen zeigen m.E. deutlich, dass der Gesetzgeber diese Abrechnungsfälle bei Erlass des RVG nicht gesehen hat. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts mag noch angemessen honoriert werden, wenn nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnet wird. Das ist aber mit Sicherheit aber nicht der Fall, wenn Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG angewendet wird, wovon man angesichts der restriktiven Anwendung des RVG durch die Gerichte wird ausgehen müssen. Denn dann können maximal 500 € an Gebühren entstehen, was insbesondere in den Fällen hoher Arreste wegen des bestehenden Haftungsrisikos nicht angemessen ist. Selbst wenn ein Antrag nach § 42 RVG Erfolg haben sollte, was wegen der auch insoweit restriktiven Rechtsprechung der OLG fraglich ist (vgl. dazu BGH RVGreport 2007, 264 = JurBüro 2007, 531; KG RVGreport 2010, 23 = StRR 2010, 112 = JurBüro 2010, 140 = AGS 2010, 223; OLG Jena NJW 2006, 933 = RVGreport 2006, 146 = AGS 2006, 173; RVGreport 2010, 24 = Rpfleger 2010, 107 = JurBüro 2010, 81 (Ls.) =StRR 2010, 199), würden wegen der Begrenzung in § 42 auf das Doppelte der Höchstgebühr nur maximal 1.000 € an Gebühren anfallen.


zurück zu Veröffentlichungen - Überblick


Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".