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aus VRR 4/2024, 4

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VRR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VRR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Formwirksamkeitsfragen bei Rechtsmitteln im Straf- und Bußgeldrecht

Seit Inkrafttreten der durch das „Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs“ (BT-Drucks. 18/9416, 59) eingeführten §§ 32a ff. StPO; 110c OWiG am 1.1.2022 werden Formwirksamkeitsfragen in Zusammenhang mit der Einlegung und ggf. Begründung von Rechtsmitteln im Straf- und Bußgeldverfahren in der obergerichtlichen Rechtsprechung diskutiert (zu Neuregelung auch Deutscher StRR 2/2022, 59) Es ist nach nunmehr zwei Jahren Zeit, die seitdem zu den Fragen ergangene Rechtsprechung vorzustellen (vgl. auch Jungbauer DAR 2022, 168 und DAR 2023, 115; Staub NZV 2023, 337).

I. Berufung und Revision  

Als Form, in der Berufung und Revision eingelegt werden können, nennen §§ 314 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO alternativ die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle oder die Schriftform. Für den Verteidiger wird die Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle i.d.R. nur dann Bedeutung erlangen, wenn sein Mandant bereits in dieser Weise ein Rechtsmittel eingelegt hat und ihn erst dann beauftragt. Dann wird er dessen Formwirksamkeit ebenso überprüfen (müssen) wie ggf. eine unmittelbar vom Mandanten bereits schriftlich eingelegten Rechtsmittels. Insoweit gilt:

Rechtsmittel des Mandanten

1. Rechtsmitteleinlegung durch den Mandanten

a) Telefonische Rechtsmitteleinlegung

Telefonische Rechtsmitteleinlegung

Die telefonische Rechtsmitteleinlegung ist unwirksam (vgl. u.a. BGHSt 30, 64; BGH NJW-RR 2009, 892 [für Zivilverfahren]; KK-Paul, StPO, 9. Aufl., 2023, § 314 Rn 11; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66 Aufl., 2023, Einl. Rn 140; a.A. LG Münster NJW 2005, 166).

Fraglich ist, ob eine telefonische Berufungseinlegung ggf. die Voraussetzungen für die Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle erfüllt. Dies wird von der h.M. abgelehnt (vgl. BGHSt 30, 64; s.a. OLG Hamm DAR 1995, 457 [für Begründung der Rechtsbeschwerde]; KK-Paul, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., jew. m.w.N.; s. aber BGHSt 29, 173, wonach der BGH diese Frage für den Bereich des Bußgeldverfahrens bejaht hat). Der h.M. ist m.E. zuzustimmen, da durch diese Form der Einlegung vor allem nicht die Identität des Erklärenden geprüft werden kann.

b) Schriftliche Rechtsmitteleinlegung

Mandant hat schriftlich Berufung eingelegt

Für die Schriftliche Rechtsmitteleinlegung gelten die allgemeinen Regeln zur Schriftform (dazu Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. Einl. Rn 128 ff. m.w.N.). D.h., aus der Berufungsschrift des Mandanten müssen sich der Inhalt der Erklärung, also die Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils und die Person des Erklärenden, also des Mandanten, zweifelsfrei ergeben (zur Einhaltung der Schriftform, wenn ein Schreiben per Fax nur unvollständig übermittelt worden ist, LG Düsseldorf StraFo 2012, 180). Aus dem Rechtsmittelschriftsatz muss sich der Anfechtungswille ergeben. Ist der zweifelhaft und/oder bleibt nach einer dann erforderlichen Auslegung zweifelhaft, ob eine Erklärung an das Gericht als vom Anfechtungswillen getragene Rechtsmitteleinlegung zu verstehen ist, hat das Gericht diesen Zweifel durch Nachfrage zu klären (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 24.6.2021 – 12 Qs 39/21, StraFo 2021, 351; vgl. a. BGH, Beschl. v. 20.9.2022 – StB 38/22).

Nicht unbedingt eigenhändige Unterschrift

Der Mandant muss die Rechtsmittelschrift nicht unbedingt eigenhändig unterschrieben haben (zuletzt BVerfG NJW 2002, 3534 [für Einspruch gegen den Strafbefehl]; BGH NStZ 2002, 558; OLG Nürnberg, Beschl. v. 9.11.2015 - 2 Ws 633/15, NStZ 2017, 494; Meyer-Goßner/Schmitt, Einl. Rn 128 ff. m.w.N.). Es muss aber feststehen, dass es sich nicht nur um einen Entwurf gehandelt hat, sondern dass das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Mandanten an das Gericht geleitet worden ist (OLG Nürnberg NStZ-RR 2008, 316; Beschl. v. 9.11.2015 - 2 Ws 633/15, NStZ 2017, 494; OLG Oldenburg NJW 2009, 536; LG Düsseldorf StraFo 2012, 180). Ausreichend kann insoweit ein (mit Telefax) übermitteltes Schreiben sein, das den Namen und die Anschrift des Absenders trägt, aber keinen das Schreiben abschließenden Namenszug (OLG Nürnberg NStZ-RR 2008, 316; zu eng allerdings m.E. OLG Oldenburg, a.a.O., für ein Schreiben, das zwar keine Bezugnahme auf das Urteil enthält, der Text aber immerhin aus dem Wort „Berufung“ besteht).

Mandant hat durch Telefax/Computer Berufung eingelegt

Die Übermittlung der Rechtsmittelschrift durch Telefax wird grds. als zulässig und wirksam angesehen (vgl. u.a. BGH NJW 1995, 665 m.w.N. [für das Zivilverfahren]; OLG Düsseldorf NJW 1995, 671; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2001, 375; OLG Karlsruhe NJW 1986, 2773; OLG Nürnberg NStZ-RR 2008, 316). Nach zutreffender Auffassung des BVerfG (vgl. NJW 2002, 3534 m.w.N.; s.a. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Einl. Rn 128) reicht auch ein nicht unterschriebenes Fax aus, wenn der Absender hinreichend sicher erkennbar ist (s.a. OLG München NJW 2003, 3429). Das Telefax muss bis zum Ablauf der Frist vollständig bei der Annahmestelle ausgedruckt sein (BGH NJW 1994, 2097; BayObLG NJW 1995, 668).

OK-Vermerk

Aus dem sog. OK-Vermerk auf dem Absendeprotokoll lässt sich nicht ohne Weiteres entnehmen, dass die Datenübertragung nicht an technischen Problemen gescheitert und das Telefax zugegangen ist (BGH NJW 1995, 665, 666 [auch kein Anscheinsbeweis]; KG NStZ-RR 2007, 24; zum rechtzeitigen Faxeingang aus neuerer Zeit BGH, Beschl. v. 19.1.2016 – XI ZB 14/15). Deshalb sollte der Verteidiger auf jeden Fall nachfragen, ob das Rechtsmittel eingegangen ist. Auch wird es sich – nach wie vor – empfehlen, den Rechtsmittelschriftsatz im Original nachzusenden. Zwar ist das an sich nicht erforderlich (BGH NJW 1993, 3141), dadurch können jedoch Fehler bei der Übermittlung des Telefaxes korrigiert werden und damit ggf. das Rechtsmittel doch noch fristgemäß eingehen.

Hinweis:

Bei Einlegung durch Fax kurz vor Fristablauf sollte ein über die zu erwartende Übermittlungsdauer des Einlegungsschriftsatzes hinausgehender zeitlicher Sicherheitszuschlag von 20 Minuten einkalkuliert werden, um die Rechtzeitigkeit des Eingangs zu wahren (BVerfG StRR 2014, 181 m. Anm. Burhoff; Beschl. v. 23.6.2016 – 1 BvR 1806/14 für Verfassungsbeschwerdeverfahren; a. noch BGH, Beschl. v. 27.9.2018 – IX ZB 67/17, NJW-RR 2018, 1398). Nach allg. Meinung dürfen technisch bedingte Übermittlungsfehler nicht zulasten des Absenders gehen (BVerfG NJW 1996, 2857; so wohl a. OLG Oldenburg NJW 1992, 2906 [für unleserlichen, durch Telefax übermittelten Schriftsatz mit einem Beweisantrag]).

Rechtsmitteleinlegung per Computer-Fax

Inzwischen ist es wohl h.M., dass die Rechtsmittellegung auch per Computer-Fax mit eingescannter Unterschrift erfolgen kann. Insoweit war die obergerichtliche Rspr. in der Vergangenheit nicht einheitlich (s. einerseits BSG NJW 1997, 1254 und BVerwG NJW 1995, 2121; andererseits BGH NJW 1998, 3649; dazu Schwachheim NJW 1999, 621 f.). Nachdem jedoch der gemeinsame Senat der obersten Bundesgerichte entschieden hat, dass die elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter Unterschrift auf ein Faxgerät des Gerichts den Anforderungen an die Schriftform genügt (s. NJW 2000, 2340), wird diese Form der Rechtsmitteleinlegung als zulässig angesehen (s.a. BVerfG NJW 2002, 3534 [für den Einspruch gegen den Strafbefehl]; OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2001, 375; LG Gießen NStZ-RR 2015, 344; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. Einl. Rn 139 a.E.). Allerdings muss die Datei dann innerhalb der Frist vollständig eingegangen sein (LG Gießen, a.a.O.; zum rechtzeitigen Faxeingang aus neuerer Zeit BGH, Beschl. v. 19.1.2016 – XI ZB 14/15; Beschl. v. 27.9.2018 – IX ZB 67/17, NJW-RR 2018, 1398).

Einlegung durch elektronisches Dokument

Die Einlegung durch elektronisches Dokument (§ 32a StPO) durch den Mandanten ist zulässig.  Insoweit gilt (vgl. a. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 32a Rn 2 ff. m.w.N.; Siegmund NJW 2021, 3617; ders., NJW 2023, 1681):

Begriff des elektronischen Dokuments

Elektronische Dokumente sind jede Form von elektronischer Information, die in verkörperter Form, z.B. durch Ausdruck, wiedergegeben werden können (BGH, Beschl. v. 12.5.2022 – 5 StR 398/21, BGHSt 67, 69 für den Strafantrag). Das elektronische Dokument muss zur Bearbeitung durch die Ermittlungsbehörden und die Gerichte geeignet sein. Vorgesehen sind insoweit PDF und ggf. TIFF (BGH, a.a.O.; dazu a. BGH, Beschl. v. 8.3.2022 – VI ZB 25/20, NJW 2022, 1820; OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.6.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22; Siegmund NJW 2021, 3617, 3619). Das eingereichte Dokument kann nicht deshalb mangels Einhaltung der Vorgaben des 32a Abs. 2 StPO zurückgewiesen werden, weil trotz Verwendung eines zulässigen Formats (PDF) beim Kopieren von Textteilen in ein anderes elektronisches Dokument durch das Gericht eine unleserliche und sinnentstellte Buchstabenreihung entsteht (OLG Nürnberg, Beschl. v. 31.1.2022 – 3 W 149/22, MDR 2022, 592). Allein die Verwendung eines anderen Dateiformats führt aber nicht zur Formungültigkeit, wenn das Dokument vom Gericht bearbeitet werden kann (BGH, Beschl. v. 19.10.2022 – 1 StR 262/22, NStZ-RR 2023, 22; a.A. OLG Koblenz, Beschl. v. 7.6.2022 – 4 OLG 4 Ss 67/22; OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22, NStZ 2022, 767, zw. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 32a Rn 3; vgl. auch § 32a Abs. 6 Satz 2 StPO und dazu BGH, Beschl. v. 5.10.2023 – 3 StR 227/23).

Elektronische Signatur

Wegen des Schriftformerfordernisses ist § 32a Abs. 3 StPO zu beachten. Das bedeutet, dass das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person, also des Angeklagten, versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss. Es gibt danach zwei Übermittlungswege (s.a. Siegmund NJW 2021, 3617, 3620; OLG Hamm, Beschl. v. 27.5.2022 – III-5 RVs 53/22):

Das Rechtsmittel kann mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein (dazu – z.T. zur Revision - BGH, Beschl. v. 8.9.2022 – 3 StR 251/22, NStZ 2023, 54; Beschl. v. 16.11.2022 – 3 StR 371/22, NStZ-RR 2023, 54; LG Limburg, NStZ-RR 2014, 113; dazu a. Siegmund NJW 2023, 1685 f.).

Das Rechtsmittel kann auch einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (BGH, Beschl. v. 8.9.2022 – 3 StR 251/22, NStZ 2023, 54; Beschl. v. 3.5.2022 – 3 StR 89/22, StraFo 2022, 276; dazu a. Siegmund NJW 2023, 1681, 1685). Die einfache Signatur besteht in der maschinenschriftlichen Anbringung des Namens unterhalb des Textes oder in einer – lesbaren – eingescannten Unterschrift (BGH, a.a.O.; s.a. BGH, Beschl. v. 30.11.2023 - III ZB 4/23 m.w.N. aus der obergerichtlichen Rspr.).

sicherer Übermittlungsweg

Was ein sicherer Übermittlungsweg ist, bestimmt § 32a Abs. 4 StPO.

Eingangszeitpunkt

„Eingangszeitpunkt“ ist nach § 32a Abs. 5 StPO der Zeitpunkt der Speicherung beim Gericht (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 32a Rn 6 m.w.N.; dazu u.a. BGH, Beschl. v. 8.3.2022 – VI ZB 25/20, NJW 2022, 1820; Beschl. v. 30.11.2022 – IV ZB 17/22, NJW-RR 2023, 351; zur technischen Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung Biallaß NJW 2023, 25).

Zur Bearbeitung ungeeignet

Ist das elektronische Dokument zur Bearbeitung durch das Gericht ungeeignet, gilt § 32a Abs. 6 StPO. Der Absender muss darüber informiert werden (Einzelh. bei Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 32a Rn 7; Siegmund NJW 2021, 3617, 3619). Im Übrigen: Selbst wenn das Dokument zunächst nicht formwirksam eingereicht worden ist, gilt es nach § 32a Abs. 6 Satz 2 StPO als zu diesem Zeitpunkt wirksam eingegangen (s. BT-Drucks. 18/9416, S. 47 f.), wenn auf einen Hinweis des Gerichts hin direkt das Dokument/die Rechtsmittelschrift erneut, nunmehr im Dateiformat PDF, eingereicht und mitgeteilt wird, dass sie inhaltlich identisch mit der bereits übersandten sei (BGH, Beschl. v. 5.10.2023 – 3 StR 227/23).

Rechtsmitteleinlegung durch (einfache) E-Mail

Die Einlegung per einfacher, nicht signierter E-Mail ist grds. nicht möglich (OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.1.2024 – 2 Ws 187/23; OLG Hamm, Beschl. v. 28.12.2017 – 4 Ws 241/17 [Beschwerde]; Beschl. v. 16.2.2015 – 1 Ws 677/14; OLG Oldenburg NJW 2009, 536; NZV 2012, 303; OLG Rostock StRR 3/2017, 3 [Ls.] LG Magdeburg, Beschl. v. 27.10.2008 – 24 Qs 87/08; LG Münster zfs 2016, 112 [Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid]; LG Zweibrücken VRS 119, 223). Etwas anderes kann/soll gelten bei einer E-Mail mit einer JPG-Bilddatei im Anhang (LG Hechingen, Beschl. v. 22.6.2020 – 3 Qs 45/20; vgl. a. noch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.3.2020 – 2 RVs 15/20, NJW 2020, 1452; zur [sofortigen] Beschwerde mit PDF-Datei als E-Mail-Anhang LG Gießen NStZ-RR 2015, 344 [reicht nicht]) und, wenn der Ausdruck des eingescannten Originals der Beschwerdeschrift bei Gericht erfolgt (ist) (OLG Koblenz, Beschl. v. 18.11.2021 -. 3 OWi SsBs 119/21, NZV 2022, 442 [ab dann; für Rechtsbeschwerde im OWi-Verfahren]).

Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle

Hat der Mandant hat zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt gilt (wegen weiterer Einzelh. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. Einl. Rn 131 ff.): Der Mandant muss entweder selbst oder durch einen Bevollmächtigten (gesetzlicher Vertreter!; zur Vertretung KK-Paul, a.a.O., § 314 Rn 9 m.w.N.) vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eine Erklärung dahin abgegeben haben, dass er das gegen ihn ergangene Urteil anfechten will (zur Zulässigkeit einer audiovisuellen Erklärung BayObLG, Beschl. v. 6.8.2019 – 203 StObWs 892/19, StraFo 2019, 435 [für Rechtsbeschwerde gem. § 116 StVollzG]). Der Urkundsbeamte kann die Niederschrift auch unmittelbar nach der Urteilsverkündung in das Sitzungsprotokoll aufnehmen (vgl. BGHSt 31, 109 [für die Revision]). An der Beweiskraft des Protokolls (§ 274 StPO) nimmt die Niederschrift aber nicht teil (LR-Gössel, StPO, 27. Aufl., § 314 Rn 5). Diese Erklärung muss der Urkundsbeamte in eine Niederschrift aufnehmen und unterschreiben. Diese Niederschrift muss Ort und Tag enthalten, die Person des Erklärenden bezeichnen und die Erklärung mitteilen. Aus der Erklärung muss sich außerdem entnehmen lassen, welches Urteil mit dem Rechtsmittel angefochten werden soll.

Hinweis:

Hinsichtlich der Zuständigkeit gilt die Beschränkung des § 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RPflG nicht für die Einlegung des Rechtsmittels. Nur wenn das Rechtsmittel zugleich begründet wird, soll Urkundsbeamter der Geschäftsstelle ein Rechtspfleger sein.

Zu beachten ist: Der zur Aufnahme nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 RPflG zuständigen Rechtspfleger kann zur Überprüfung der Legitimation des Erklärenden die Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises verlangen; wird das grundlos verweigert, ist der Urkundsbeamte weder zur Protokollierung verpflichtet noch kommt deshalb eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 44 ff. StPO in Betracht (OLG Bamberg, Beschl. v. 24.3.2017 – 2 Ss OWi 329/17).

Rechtsmittel des Verteidigers

2. Rechtsmitteleinlegung durch den Verteidiger

Zu Protokoll der Geschäftsstelle

Der Verteidiger/Rechtsanwalt kann das Rechtsmittel zu Protokoll der Geschäftsstelle einlegen. Das ist durch § 32d Satz 2 StPO nicht ausgeschlossen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. § 32d Rn 3). Insoweit gelten die allgemeinen Regeln (vgl. dazu I., 2).

Andere Formen jetzt unzulässig

Die Frage, ob andere Formen der Rechtsmitteleinlegung durch den Verteidiger möglich/zulässig sind, hat sich durch die Einführung der §§ 32a ff. StPO und deren Inkrafttreten am 1.1.2022 erledigt. Die Frage der Rechtsmitteleinlegung des Verteidigers per Telefon/Telegramm, Telefax/Computerfax, Email spielen keine Rolle mehr (BGH, Beschl. v. 9.8.2022 – 6 StR 268/22; NJW 2022, 3588; dazu noch Burhoff in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 10. Aufl., 2022, Rn 694 ff. m.w.N.). Diese Formen sind (jetzt) unzulässig. Denn:

Verteidiger zwingend elektronisches Dokument

Der Verteidiger muss nach Einführung der §§ 32a ff. StPO nach § 32d Satz 2 StPO die Rechtsmittel Berufung und Revision als elektronisches Dokument einlegen. Das ist Wirksamkeitsvoraussetzung, die Nichteinhaltung dieser Form führt zur Unwirksamkeit der Erklärung (z.T. für die Revision u.a. BGH, Beschl. v. 9.8.2022 – 6 StR 268/22; NJW 2022, 3588; Beschl. v. 8.9.2022 – 3 StR 251/22, NStZ 2023, 54; Beschl. v. 24.5.2022 – 2 StR 110/22, StV 2022, 634 [Ls.]; Beschl. v. 7.12.2022 – 2 StR 140/22, StV 2023, 798; Beschl. v. 13.12.2022 – 1 StR 293/22; Beschl. v. 16.1.2023 – 5 StR 509/22; Beschl. v. 19.7.2023 – 2 StR 369/22; BT-Drucks. 18/9416 S. 51; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 32d Rn 2; KK-Graf, a.a.O., § 32d Rn 5).

Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach §§ 32d Satz 1 StPO gilt (nur) für Verteidiger und Rechtsanwälte, aber auch für mit Genehmigung des Gerichts i.S.v. § 138 Abs. 2 StPO gewählte Verteidiger (KG, Beschl. v. 4.1.2024 - 3 ORs 87/23; OLG Köln, Beschl. v. 13.1.2023 – III-1 RVs 197/22, StraFo 2024, 58), nicht hingegen für Hochschulprofessoren, die als Verteidiger auftreten (KG, Beschl. v. 22.6.2022 – 3 Ws (B) 123/22, StraFo 2022, 463).

Hinweis:

Einem Bevollmächtigten des Angeklagten ist es jedoch möglich, ein Rechtsmittel ggf. formgerecht per Telefax einzureichen (KG, Beschl. v. 25.3.2022 – 3 Ws (B) 71/22 für Rechtsbeschwerde).

(Allgemeine) Formvorgaben

Wegen der zu beachtenden gesetzlichen Vorgaben gelten zunächst die o.a. Ausführungen entsprechend. Zusätzlich muss der Verteidiger auf Folgendes achten:

Zusätzliche Formvorgaben

Bei der Übermittlung durch das beA muss der (unterzeichnende) Verteidiger/Rechtsanwalt der Versender sein (u.a. BGH, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 StR 39/23, NStZ 2024, 124; Beschl. v. 3.5.2022 - 3 StR 89/22, StraFo 2022, 276 m. Anm. Burhoff StRR 7/2022, 16; Beschl. v 19.10.2022 – 1 StR 262/22, NStZ-RR 2023, 22; Beschl. v. 16.11.2022 – 3 StR 371/22, NStZ-RR 2023, 54; Beschl. v. 4.10.2023 - 3 StR 292/23, StraFo 2024, 19 m.w.N.; BayObLG, Beschl. v. 19.1.2023 – 207 StRR 2/23 [Versendung aus dem Postfach des gem. § 53 Abs. 3 S. 1 BRAO bestellten Vertreters]; s.a. KG, Beschl. v. 22.6.2022 – 3 Ws (B) 123722, StraFo 2022, 463 [beA eines Dritten]; OLG Hamburg, Beschl. v. 6.5.2022 – 12 UF 208/21, FamRZ 2022, 1386). Er muss „sein“ Postfach nutzen (BGH, Beschl. v. 21.2.2023 – 6 StR 466/22, StV-S 2023, 145; a. noch BGH, Beschl. v. 8.6.2022 – 5 StR 177/22 für mittels elektronischem Dokument übermittelte Revisionsbegründung [des Pflichtverteidigers]). Das Rechtsmittel kann auch von dem Verteidiger/Rechtsanwalt einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (BGH, Beschl. v. 3.5.2022 – 3 StR 89/22, StraFo 2022, 276; Beschl. v. 19.7.2023 – 2 StR 369/22; dazu a. Siegmund NJW 2023, 1681, 1685); es muss nicht handschriftlich unterzeichnet sein (BGH, a.a.O.). Vielmehr genügt in diesem Fall, dass der Schriftsatz mit einer maschinenschriftlichen Wiedergabe des bürgerlichen Namens des die Schrift verantwortenden Verteidigers oder Rechtsanwalts abgeschlossen wird (BGH, a.a.O. für Revisionsbegründung). Die einfache Signatur, also Wiedergabe des Namens am Ende des Textes, wird von der Rspr. auch dann verlangt, wenn im verwendeten Briefkopf der Rechtsanwaltskanzlei nur ein Rechtsanwalt ausgewiesen ist (OLG Braunschweig, Beschl. v. 9.6.2023 – 1 ORBs 22/23, NStZ 2023, 639 m.w.N.; a.A. BAG, Beschl. v. 25.8.2022 – 2 AZN 234/22, NJW 2022, 3028). Die Weitergabe der beA und der PIN an eine Kanzleimitarbeitern ist nach § 23 Abs. 3 Satz 5 RAVPV unzulässig (BGH, Beschl. v. 20.6.2023 - 2 StR 39/23, NStZ 2024, 124 [Ablehnung von Wiedereinsetzung beim Nebenklägervertreter], vgl. aber § 23 Abs. 2 und 3 RAVPV und dazu BGH, Beschl. v. 31.8.2023 - VIa ZB 24/22, NJW 2023, 3434; BSG, Urt. v. 14.7.2022 - B 3 KR 2/21 R, BSGE 134, 265).

Wiedereinsetzung

Sind diese Formvorschriften nicht beachtet, kommt ggf. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44, 45 StPO), in Betracht (u.a. BGH, Beschl. v. 9.8.2022 – 6 StR 268/22, NJW 2022, 3588; s.a. BGH, Beschl. v. 6.2.2023 – 6 StR 609/23 zum erforderlichen Umfang bei der technischen Unmöglichkeit). Beruht die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels allein auf der rechtlichen Unwissenheit des Verteidigers betreffend das beA, handelt es sich um ein Verschulden des Verteidigers, das dem Angeklagten ausnahmsweise nicht zugerechnet wird (BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – VII ZR 94/21, NJW 2021, 3471; Beschl. v. 2.11.2022 – 6 StR 413/22, StraFo 2023, 16).

Übermittlung in Papierform

Die Übermittlung des Rechtsmittels in Papierform ist nur zulässig, wenn eine elektronische Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist (§ 32d Satz 3 StPO; dazu Biallaß NJW 2023, 25). Dabei stellt die StPO nicht darauf ab, in wessen Sphäre die technische Unmöglichkeit liegt, da auch bei einem Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts oder Verteidigers dies nicht zum Nachteil für einen Verfahrensbeteiligten führen darf (BVerfG NJW 1996, 2857). Die Einschränkung muss aber „vorübergehend“ und aus „technischen Gründe“ (dazu BGH, Beschl. v. 25.1.2023 – IV ZB 7/22, NJW 2023, 1062) erfolgen, weshalb die Ausnahme ausscheidet, wenn der Verteidiger überhaupt kein geeignetes System vorhält oder bei technischen Problemen nicht umgehend für deren Behebung sorgt (BGH, Beschl. v. 7.12.2022 – 2 StR 140/22, StV 2023, 798; Beschl. v. 27.9.2022 – 5 StR 328/22, StRR 12/2022, 12; Beschl. v. 7.12.2022 – 2 StR 140/22, StraFo 2023, 139; s.a. noch BGH, Beschl. v. 19.7.2023 – 2 StR 369/22 u. Beschl. v. 17.1.2024 – XII ZB 88/23). Auch ist die Unkenntnis der beA-Verbindung an Gericht, also der sog. SAFE-ID des Gerichts, ebenso wenig ein Fall der technischen Unmöglichkeit wie die Unfähigkeit zur Bedienung eines Programms, das die Auswahl des Empfängers einer über das beA zu versendenden Nachricht anhand des Namens ermöglicht (BGH, Beschl. v. 1.3.2023 - 5 StR 440/22).

Ersatzeinreichung

Soll/Muss von der Möglichkeit der Ersatzeinreichung Gebrauch gemacht werden, muss das entweder in Papierform oder auch als Faxdokument erfolgen, mangels Schriftform aber nicht per normaler E-Mail (OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22, NStZ 2022, 767; s.a. OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.6.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22). Das Bestehen einer vorübergehenden Unmöglichkeit muss sogleich bei der Ersatzeinreichung (BGH, Beschl. v. 27.9.2022 – 5 StR 328/22, StRR 12/2022, 12; Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 f.; Beschl. v. 10.1.2024 - AnwZ (Brfg) 15/23; OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.2023 – 31 U 71/23, MDR 2023, 1545 [nicht 7 Tage später]; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.2.2024 - 1 ORs 340 SRs 86/24) oder jedenfalls unverzüglich danach glaubhaft gemacht werden (dazu BGH, a.a.O.; Beschl. v. 21.6.2023 – V ZB 15/22, NJW 2023, 2883; Urt. v. 25.7.2023 – X ZR 51/23, NJW 2023, 3367 [ggf. auch in einem zweiten Schriftsatz am selben Tag]; LG Berlin, Beschl. v. 6.7.2023 – 67 O 36/23 [nicht 48 Stunden später], s.a. OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.10.2022 – 4 U 76/22, JurBüro 2022, 663). War der Verteidiger aus technischen Gründen gehindert, seinen fristwahrenden Schriftsatz elektronisch einzureichen, ist er, nachdem er die zulässige Ersatzeinreichung veranlasst hat, nicht mehr gehalten, sich vor Fristablauf weiter um eine elektronische Übermittlung zu bemühen (BGH, Urt. v. 25.5.2023 – V ZR 134/22v, NJW 2023, 2484). War es bereits im Zeitpunkt der Ersatzeinreichung eines Schriftsatzes möglich, die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung darzulegen und glaubhaft zu machen, hat dies mit der Ersatzeinreichung zu erfolgen; in diesem Fall genügt es nicht, wenn die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nachträglich darlegt und glaubhaft gemacht werden. Die an die Nutzungspflicht und die an eine Ersatzeinreichung eines elektronischen Dokuments zu stellenden Voraussetzungen ergeben sich aus dem Gesetz. Dass die Rechtsmittelbelehrung darauf nicht gesondert hinweist, ist unschädlich und führt nicht zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (BGH, Beschl. v. 17.11.2022 – IX ZB 17/22, NJW 2023, 456 f; BGH, Beschl. v. 10.1.2024 - AnwZ (Brfg) 15/23).

Glaubhaftmachung der Unmöglichkeit

Zur Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung ist eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände erforderlich (BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 104/22, StraFo 2022, 434; Beschl. v. 8.9.2023 – 3 StR 256/23, NStZ-RR 2023, 347; Beschl. v. 27.9.2022 – 5 StR 328/22, StRR 12/2022, 12; Beschl. v. 19.7.2023 – 2 StR 369/22; Beschl. v. 21.9.2021 - XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647; Beschl. v. 26.1.2023 – V ZB 11/22, MDR 2023, 862; Beschl. v. 17.1.2024 – XII ZB 88/23; s. aber – enger - BGH, Beschl. v. 6.2.2023 – 6 StR 609/23). Eine ggf. stichwortartige Zustandsbeschreibung, aus der sich nicht ergibt, dass im Zeitpunkt der Übermittlung eine grundsätzlich einsatzbereite technische Infrastruktur existierte und eine nur vorübergehende technische Störung gegeben war, reicht nicht aus (zu den Anforderungen BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 104/22, StraFo 2022, 434; BayObLG, Beschl. v. 14.7.2023 – 201 ObOWi 707/23; KG, Beschl. v. 17.10.2022 – (3) 121 Ss 105/22 (42/22), StV 2023, 580; LG Arnsberg, Beschl. v. 6.7.2022 – 3 Ns - 360 Js 24/21 - 73/22, NStZ 2022, 639). Dass die technische Störung dem Gericht) bekannt ist, entbindet den Absender nicht davon, die Ursächlichkeit der Störung für die Übermittlung in Papierform glaubhaft zu machen (OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.2023 – 31 U 71/23).

Versicherung der Richtigkeit der Angaben

Es bedarf einer Versicherung der Richtigkeit der Angaben (s. aber OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.2.2024 - 1 ORs 340 SRs 86/24). Ein einfacher Schriftsatz genügt hierfür nicht. Erforderlich ist i.d.R. eine anwaltliche Versicherung über das Scheitern der elektronischen Übermittlung (BGH, Beschl. v. 26.1.2023 – V ZB 11/22, MDR 2023, 862; Beschl. v. 17.1.2024 – XII ZB 88/23OLG Brandenburg, Urt. v. 28.4.2023 – 11 U 244/22; OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.10.2022 – 4 U 76/22, JurBüro 2022, 633). Als Mittel zur Glaubhaftmachung bei der Ersatzeinreichung reicht aber auch ein Screenshot vom PC-Bildschirm als Augenscheinsobjekt (i.S. § 371 Abs. 1 ZPO) (BGH, Beschl. v. 10.10.2023 – XI ZB 1/23, NJW 2023, 3799; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.2.2024 - 1 ORs 340 SRs 86/24).

Nachreichung auf Aufforderung

Außerdem ist auf Anforderung durch das Gericht ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 32d Satz 4 StPO).

3. Rechtsmitteleinlegung der Staatsanwaltschaft

Ggf. elektronisches Dokument

Werden die Akten elektronisch geführt, muss die StA ihr Rechtsmittel dem Gericht gem. § 32b Abs. 3 Satz 2 StPO als elektronisches Dokument übermitteln.

4. Rechtsmittelbegründung

Berufungs- und Revisionsbegründung 

Für die Rechtsmittelbegründung (§§ 317, 344, 345 StPO) gelten die vorstehenden Ausführungen bei I, 1 und 2 entsprechend. Berufungs- und Revisionsbegründung sind in § 32d Satz 2 StPO ausdrücklich genannt. Zu beachten ist, dass der Angeklagte seine Revision selbst nur zu Protokoll der Geschäftsstelle begründen kann (§ 345 Abs. 2 StPO). Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung der Rechtsmittelbegründungsschrift gilt auch in dem Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Angeklagter des Strafverfahrens ist (BayObLG, Beschl. v. 14.7.2023 – 201 ObOWi 707/23; OLG Hamm, Beschl. v. 20.7.2023 – 4 ORs 62/23 für die Revision).

5. Gegenerklärung (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO)     

Gegenerklärung

In § 32d Satz 2 StPO ausdrücklich genannt ist für das Revisionsverfahren die sog. Gegenerklärung zur Begründung der Revision durch den Revisionsführer. Auch insoweit gelten also die Ausführungen bei I., 1 und 2.

II. Beschwerde (§ 304 StPO)

§ 306 StPO

Die Beschwerde ist nach § 306 Abs. 1 StPO schriftlich bzw. zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem Gericht einzulegen, von dem die angefochtene Entscheidung stammt. Es gelten die Ausführungen bei I, 1 und 2, entsprechend. Zulässig ist also die Einlegung – durch den Beschuldigten - durch Telefax, nicht jedoch die mündliche Einlegung. Zulässig ist auch die Einlegung durch Einreichung eines elektronischen Dokuments nach § 32a StPO. Wird die Beschwerde vom Verteidiger/von einem Rechtsanwalt eingelegt, soll sie gem. § 32d Satz 1 StPO als elektronisches Dokument eingereicht werden. Die Verpflichtung zur elektronischen Übermittlung gilt auch in dem Fall, in dem der übermittelnde Rechtsanwalt selbst Angeklagter/Betroffener ist (BayObLG, Beschl. v. 14.7.2023 – 201 ObOWi 707/23; OLG Hamm, Beschl. v. 20.7.2023 – 4 ORs 62/23, für die Revision).

elektronisches Dokument

Wird die Beschwerde als elektronisches Dokument erstellt, gilt § 32a Abs. 1 StPO. Dazu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.

Bußgeldverfahren

III. Bußgeldverfahren

Einspruch nach § 67 OWiG

1. Einspruch

Der Einspruch ist nach § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, einzulegen. Es gelten im Wesentlichen die Ausführungen oben bei I, 1 und 2). Das bedeutet:

Formen der Einspruchseinlegung

Der Einspruch kann mit „Computerfax“ eingelegt werden. Das AG Dortmund geht davon aus, dass die Einlegung auch telefonisch erfolgen kann (AG Dortmund, Beschl. v. 10.11.2020 – 729 OWi – 127 Js 428/20–153/20, zfs 2021, 56). Mit E-Mail kann der Einspruch nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 110c OWiG i.V.m. §§ 32a ff. StPO eingelegt werden. Einfache oder nicht signierte E-Mails erfüllen das Formerfordernis des § 67 OWiG nicht (OLG Jena, Beschl. v. 10.11.2017 – 1 OLG 145 SsBs 49/16; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.2.2023 – 2 ORBs 35 Ss 4/23, NStZ 2023, 621; LG Münster, Beschl. v. 12.10.2015 – 2 Qs 76/15, zfs 2016, 122; LG Tübingen, Beschl. v. 28.1.2019 – 9 Qs 6/19, VA 2019, 87; LG Wiesbaden zfs 2019, 414; a.A. LG Mosbach, Beschl. v. 30.8.2018 – 1 Qs 22/18, VA 2019, 12; vgl. a. noch LG Hechingen, Beschl. v. 22.6.2020 – 3 Qs 45/20; LG Heidelberg, Beschl. v. 17.7.2023 – 1 Qs 24/23 [Übersendung eines abgelichteten und unterschriebenen Schreibens als Anhang einer E-Mail-Nachricht genügt nicht]; LG Gießen NStZ-RR 2015, 344 [Einhaltung der Schriftform durch Übersendung einer E-Mail mit angehängter PDF-Datei])  s.a. Jungbauer DAR 2022, 168). Wird das elektronische Dokument jedoch noch innerhalb der laufenden Einspruchsfrist ausgedruckt, zur Akte genommen und mit dem Eingangsvermerk versehen, sind die an eine formwirksame schriftliche Einspruchseinlegung zu stellenden Anforderungen als erfüllt anzusehen, so dass mit dem Ausdruck innerhalb der Einspruchsfrist die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels gewahrt wird (OLG Jena, a.a.O.; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.11.2021 – 3 OWi 32 SsBs 119/21, NZV 2022, 442; LG Aachen, Beschl. v. 6.9.2021 – 66 Qs 32/21; AG Baden-Baden, Beschl. v. 24.8.2020 – 14 OWi 308 Js 3503/20; AG Stuttgart, Beschl. v. 23.9.2021 – 18 OWi 73 Js 75232/21). Der Betroffene muss ggf. den Einspruch nicht unterschreiben (LG Stuttgart, Beschl. v. 28.5.2021 – 1 Qs 37/21).

Anwendbarkeit des § 32d StPO

Umstritten war die Frage der Anwendbarkeit des § 32d StPO über § 110c OWiG auch für die Einlegung des Einspruchs (s. einerseits bejahend AG Tiergarten, Beschl. v. 5.4.2022 – (310 OWi) 3034 Js-OWi 3776/22 (161/22), StraFo 2022, 318; andererseits verneinend AG Hameln, Beschl. v. 14.2.2022 – 49 OWi 23/22, DAR 2022, 284; dazu a. Krenberger zfs 2022, 664, 66; BeckOK-Krenberger StVR, § 110c Rn 4, Jungbauer DAR 2022, 168). Die Frage dürfte inzwischen jedoch obergerichtlich geklärt sein. Denn sowohl das OLG Frankfurt am Main (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 28.2.2023 – 1 Ss-OWi 1460/22, NJW 2023, 1528) als auch das OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.3.2023 – 2 ORbs 35 Ss 125/23, DAR 2023, 338) haben die Frage verneint.

Hinweis:

Der Verteidiger sollte aber dennoch den Einspruch vorsorglich ggf. über das beA einlegen.

Rechtsbeschwerde

2. Rechtsbeschwerde (§§ 79 ff. OWiG)

Nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG gelten für die Rechtsbeschwerde die Vorschriften der StPO über die Revision entsprechend. Wegen Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde wird also auf die §§ 342, 344, 345 StPO verwiesen. Das bedeutet, dass wegen der Anforderungen an die Form auf die Ausführungen bei I., 1 und 2 verwiesen werden kann. § 110c Satz 1 OWiG verweist ausdrücklich auf die §§ 32a ff. StPO.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg


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