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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 291/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Frage der Unverhältnismäßigkeit der weiteren Fortdauer der Untersuchungshaft, wenn bereits ein großer Teil der verhängten Freiheitsstrafe durch Anrechnung von Untersuchungshaft verbüßt ist.

Senat: 2

Gegenstand: Haftbeschwerde

Stichworte: Haftbeschwerde,

Normen: StPO 120, StGB 51

Beschluss: Strafsache
gegen M.B.,
wegen Diebstahls(hier: Haftbeschwerde).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 12. Oktober 2000 gegen den Beschluss der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 12. Oktober 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.11.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
beschlossen:

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Bochum vom 16. Mai 2000 64 Gs 2410/00 wird aufgehoben.

Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist in dieser Sache am 15. Mai 2000 vorläufig festgenommen worden. Am 16. Mai hat das Amtsgericht Bochum auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen ihn Haftbefehl wegen Diebstahls in zwei Fällen erlassen. In dem Haftbefehl wird ihm zur Last gelegt, am 15. Mai 2000 in zwei Geschäften Hosen im Gesamtwert von ca. 1.800,-- DM gestohlen zu haben.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen dieser Taten am 5. Juli 2000 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Beschwerdeführer eine auf das Strafmaß beschränkte Berufung eingelegt. Mit Urteil vom 12. Oktober 2000 hat das Landgericht Bochum die Berufung verworfen und die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Der Angeklagte hat am 12. Oktober 2000 gegen das Urteil Revision und gegen den Haftfortdauerbeschluss Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 26. Oktober 2000 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Haftbefehls. Denn der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach Auffassung des Senats zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu der Bedeutung der Sache außer Verhältnis ( § 120 Abs. 1 StPO).

Da nach § 51 StGB die Untersuchungshaft anzurechnen ist, hat der Angeklagte aufgrund des Zeitablaufs bereits ca. ¾ der nach dem Urteil des Amtsgerichts zu vollstreckenden Strafe verbüßt. Auch wenn es aufgrund der Vorstrafen des Angeklagten zweifelhaft ist, dass die Vollstreckung der Reststrafe nach § 57 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden wird und es keinen verfassungsrechtlich abgesicherten oder strafprozessual anerkannten Grundsatz gibt, dass ein Haftbefehl aufzuheben ist, falls die Strafe demnächst durch Anrechnung von Untersuchungshaft verbüßt sein wird (vgl. OLG Hamm, MDR 1993, 673), liegen aufgrund des Tatgeschehens keine Umstände vor, die aus dem Gesichtspunkt der Bedeutung der Sache für die Rechtsgemeinschaft eine Haftfortdauer rechtfertigen. Da nach Aktenlage das Berufungsurteil bisher noch nicht zu den Akten gelangt und zugestellt ist, ist aufgrund der prozessualen Vorgaben nicht zu erwarten, dass eine Revisionsentscheidung vor der vollständigen Verbüßung der Strafe ergehen wird.

Bei der vorzunehmenden Abwägung zwischen den Belangen der Strafrechtspflege mit den Freiheitsgrundrechten des Angeklagten besteht deshalb ein erhebliches Übergewicht der für den Angeklagten drohenden Nachteile, zumal er dann nicht mehr die Vergünstigung des § 35 BtMG in Anspruch nehmen könnte, die im Urteil des Amtsgerichts befürwortet worden ist (vgl. auch OLG Hamm, Strafverteidiger 1998, 553).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 467 StPO.


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