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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 5 Ss OWi 137/2000 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Anforderungen an die tatsächlichen Feststellungen bei einem (vorsätzlichen) Verstoß gegen § 24 a StVG

Senat: 5

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Verkehrsordnungswidrigkeit, berauschende Mittel, Vorsatz, lückenhafte Feststellungen, Beweiswürdigung

Normen: StVG 24 a, StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache gegen P.P.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Abs. 2 StVG.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 29. November 1999 gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 25. November 1999 hat der 5. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 09.05.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und
den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.

G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht Dortmund hat gegen den Betroffenen in dem angefochtenen Urteil wegen einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Abs. 2 StVG eine Geldbuße von 500,- DM sowie ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Das Amtsgericht hat zum Tatgeschehen folgende Feststellungen getroffen:

"Am Abend des 29.12.1998 fand in den Räumlichkeiten der Diskothek "Valentino" im Hause Wulfshofstraße 23 in Dortmund eine private Geburtstagsfeier des Mitinhabers Rolf S. statt. Zu dieser Feier brachte der Betroffene, der in der Diskothek als Diskjockey tätig ist, einen mit Haschisch versetzten Kuchen mit, der im Laufe des Abends von den Gästen, u.a. von den Zeugen B. und J., auch verzehrt wurde. In diesem Zusammenhang erklärte der Betroffene, dass es sich bei dem Kuchen um einen selbstgebackenen griechischen Apfelkuchen handele. Von diesem Kuchen aß dann auch der Betroffene selbst. Nach dem Genuss des Kuchens wurde es mehreren Personen unwohl. In der Folge mussten sie mit Rettungswagen ins Krankenhaus zur notärztlichen Behandlung verbracht werden. Der Betroffene hatte inzwischen mit seiner damaligen Begleiterin, der Zeugin R., das Lokal verlassen und war, obwohl er wusste, dass er unter dem Einfluss des genossenen Haschischs stand, mit seinem PKW BMW davongefahren. Er wurde am 30.12.1998 gegen 1.05 Uhr an einer Auffahrt auf die Bundesstraße 1 von Polizeibeamten angehalten und zur Diskothek Valentino zurückgebracht. Dort erwiderte er auf den Vorhalt des Polizeibeamten K., dass er, der Betroffene, von mehreren Personen, u.a. dem Gastgeber S. und dem Zeugen H., als Verantwortlicher für den Haschischkuchen bezeichnet worden sei, dass nicht er, sondern der Zeuge H. den Kuchen besorgt habe. Er sei zwar am 27.12.1998 von dem Zeugen H. aufgefordert worden, einen solchen Kuchen zu backen, habe dies jedoch abgelehnt."

Zur Beweiswürdigung ist in dem Urteil folgendes ausgeführt:

"Die vorgenannten Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, soweit ihr gefolgt werden konnte, und im übrigen auf den beanstandungsfreien Aussagen der Zeugen J., B., H. und K. sowie hinsichtlich der Cannabisapplikation beim Betroffenen auf dem verlesenen Gutachten des Gesundheitsamtes der Stadt Dortmund vom 20.1.1999, Bl.26 d.A..

Der Betroffene hat den äußeren Sachverhalt eingeräumt, lediglich bestritten, den Kuchen besorgt zu haben, also nicht gewusst zu haben, dass der Kuchen Haschisch enthielt. Er habe zwar den Kuchen zum Büffet getragen, ihn jedoch nicht aus seinem PKW, sondern aus der Küche geholt, als er beim Aufbau des Büffets behilflich gewesen sei. Auch sei es zwar richtig, dass er gegenüber anderen Gästen geäußert habe, dass es sich um einen selbstgebackenen griechischen Apfelkuchen gehandelt habe. Diese Erklärung sei jedoch spaßeshalber abgegeben worden und habe keine reale Grundlage gehabt. Die wenig überzeugenden Erklärungsversuche des Betroffenen lassen die Einlassung bereits als Schutzbehauptung erscheinen. Hinzu kommt, dass der Betroffene ausweislich seiner Äußerung gegenüber dem Zeugen K. deutlich gemacht hat, dass er jedenfalls von dem Haschisch Kenntnis hatte, und dass nach Aussage des Zeugen H. der Betroffene am Eingang zur Diskothek den noch in Alufolie verpackten Kuchen in der Hand gehabt habe. Im Hinblick auf die übrigen Indizien ist auch die Aussage des Zeugen H., der als vom Betroffenen Belasteter möglicherweise ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens haben könnte, verwertbar. Die Vernehmung der Zeugin R. war unergiebig. Sie konnte weder angeben, dass der Betroffene den Kuchen mitgebracht hat, noch dies ausschließen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass der Betroffene den Haschkuchen selbst besorgt hat, mithin Kenntnis davon hatte, dass er nach Genuss des Kuchens unter Cannabiseinfluss seinen PKW geführt hat."

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene frist- und formgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt. In der fristgerecht beim Amtsgericht Dortmund eingegangenen Begründungsschrift seines Verteidigers wird die Rüge formellen und materiellen Rechts erhoben.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die Sachrüge ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Dortmund. Eines Eingehens auf die erhobene Verfahrensrüge bedarf es danach nicht.

Die Urteilsfeststellungen tragen nicht den Schuldspruch wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 24 a Abs. 2 StVG. An die Urteilsgründe in Bußgeldsachen sind zwar keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie müssen aber so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung möglich ist (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 71 Rdnr. 42 m.w.N.). Aus den Gründen des angefochtenen Urteils geht bereits nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass die Voraussetzungen des § 24 a Abs. 2 StVG in objektiver Hinsicht erfüllt sind. Gemäß § 24 a Abs. 2 S. 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt nach der Regelung des § 24 a Abs. 2 S. 2 StVG dann vor, wenn eine in der Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Ein objektiver Verstoß gegen § 24 a Abs. 2 StVG setzt demnach voraus, dass eine der in der Anlage zu § 24 a StVG aufgeführten Substanzen im Blut des Kraftfahrzeugführers nachgewiesen wird. Umgekehrt scheidet eine Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 24 a Abs. 2 StVG aus, wenn eine solche Substanz nicht im Blut nachgewiesen wird. Die Feststellung in den Gründen des angefochtenen Urteils, dass der Betroffene zusammen mit anderen Personen einen mit Haschisch versetzten Kuchen gegessen und dann unter dem Einfluss des genossenen Haschischs einen PKW u.a. auf der B 1 geführt habe, reicht alleine nicht aus, um einen objektiven Verstoß gegen § 24 a StVG bejahen zu können, es hätte vielmehr der zusätzlichen Feststellung bedurft, dass die in dem berauschenden Mittel i.S.d. Anlage zu § 24 a StVG (Cannabis) enthaltene Substanz Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut des Betroffenen nachgewiesen worden ist. Eine solche Feststellung ist in den Urteilsgründen jedoch nicht getroffen worden. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird zwar ausgeführt, dass die getroffenen Feststellungen auch auf dem verlesenen Gutachten des Gesundheitsamtes der Stadt Dortmund vom 20.01.1999 (Bl. 26 d.A.) beruhen. Es wird jedoch weder das Untersuchungsergebnis aus diesem Gutachten dem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben, noch wird überhaupt mitgeteilt, dass es sich dabei um die Untersuchung einer Blutprobe und nicht etwa um die Analyse einer Urinprobe gehandelt hat. Den Urteilsgründen kann demnach nicht entnommen werden, dass im Blut des Betroffenen die in Cannabis enthaltene Substanz Tetrahydrocannabinol nachgewiesen worden ist.

Was den subjektiven Tatbestand des § 24 a Abs. 2 StVG betrifft, reichen die Urteilsfeststellungen nicht aus, um einen vorsätzlichen Verstoß gegen diese Vorschrift bejahen zu können. Die in diesem Zusammenhang getroffene Feststellung des Amtsgerichts, dass der Betroffene beim Davonfahren mit seinem PKW gewusst habe, unter dem Einfluss des genossenen Haschischs zu stehen, kann mangels ausreichender Feststellungen hierzu nicht nachvollzogen werden. Das Amtsgericht stützt seine Annahme, der Betroffene habe den Einfluss des berauschenden Mittels gekannt, auf den festgestellten Umstand, dass der Betroffene zu einer privaten Geburtstagsfeier einen mit Haschisch versetzten Kuchen mitgebracht habe, von dem im Verlauf der Feier u.a. auch er selbst gegessen habe. Auch wenn man auf der Grundlage dieser Feststellung, die der Einlassung des Betroffenen widerspricht, davon ausgeht, dass der Betroffene das Versetzen des von ihm mitverzehrten Kuchens mit Haschisch kannte, erlaubt dies mangels weiterer Feststellungen nicht die Schlussfolgerung, dass sich der Betroffene bei Fahrtantritt des Umstandes bewusst war, (noch) unter der Wirkung von Cannabis zu stehen. Zusätzliche Indizien, die für eine diesbezügliche Kenntnis des Betroffenen sprechen könnten, hat das Amtsgericht nicht festgestellt. So enthalten die Urteilsgründe keine Aussage darüber, in welcher Konzentration Tetrahydrocannabinol bei dem Betroffenen nachgewiesen werden konnte und zu welchem Zeitpunkt dem Betroffenen die untersuchte (Blut?)-Probe entnommen wurde. Nicht mitgeteilt wird auch, ob und ggf. zu welchen Ausfallerscheinungen bei dem Betroffenen der Verzehr von Teilen des Kuchens geführt hat, aufgrund derer sich dem Betroffenen vor Fahrtantritt möglicherweise das Bewusstsein, unter Cannabiswirkung zu stehen, hätte aufdrängen müssen. Auch die Frage, zu der keine Feststellungen getroffen wurden, zu welcher Uhrzeit der Betroffene welche Mengen von dem Haschischkuchen verzehrt hat und welche Cannabismenge unter diesen Kuchen gemischt worden war, kann in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein, da der Betroffene möglicherweise aufgrund der näheren Umstände darauf vertrauen konnte oder darauf vertraut hat, bei Fahrtantritt sei eine Cannabiswirkung nicht mehr vorhanden.

Schließlich ist auch die in dem angegriffenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft. Die Beweiswürdigung ist schon deshalb lückenhaft und daher mit einem revisionsrechtlich beachtlichen Fehler behaftet, weil die Einlassung des Betroffenen in den Urteilsgründen nur unzureichend wiedergegeben wird. Soweit darin ausgeführt ist, dass der Betroffene den äußeren Sachverhalt eingeräumt und lediglich bestritten habe, den Kuchen besorgt zu haben, bleibt unklar, welche der zuvor zum "äußeren Sachverhalt" festgestellten Tatsachen der Betroffene eingeräumt hat, insbesondere, ob von dem Betroffenen auch der Verzehr von Teilen des Kuchens zugestanden worden ist.

Darüber hinaus erweist sich die vom Tatrichter gezogene Schlussfolgerung, der Betroffene habe den mit Haschisch versetzten Kuchen selbst mitgebracht und seine gegenteilige Behauptung sei lediglich eine Schutzbehauptung, als bloße Vermutung, da die hierzu mitgeteilten Beweisergebnisse eine solche Schlussfolgerung nicht ausreichend stützen. Soweit als Indiz u.a. darauf abgestellt wird, dass der Betroffene den Kuchen gegenüber anderen Gästen als "selbstgebackenen griechischen Apfelkuchen" bezeichnet habe, kommt dieser Äußerung kaum ein Beweiswert zu, da es sich, wie der Betroffene auch behauptet hat, lediglich um eine scherzhafte Aussage ohne realen Hintergrund gehandelt haben kann. Soweit das Amtsgericht dem in den Urteilsgründen festgestellten Umstand, dass der Betroffene ausweislich seiner Äußerung gegenüber dem Zeugen K. Kenntnis von dem Haschkuchen hatte, einen Beweiswert beigemessen hat, liegt ein Verstoß gegen Denkgesetze vor. Dieser in den Urteilsgründen wiedergegebenen Äußerung des Betroffenen gegenüber dem Zeugen K., dass nicht er, der Betroffene, sondern der Zeuge H. den Kuchen besorgt habe, ging nach den Feststellungen des Amtsgerichts ein Vorhalt des Polizeibeamten K. voraus. Danach wurde dem Betroffenen vorgehalten, dass er von mehreren Personen, u.a. dem Gastgeber S. und dem Zeugen H., als Verantwortlicher für den Haschkuchen bezeichnet worden sei. Da somit dem Betroffenen die Kenntnis, dass es sich um einen Haschkuchen gehandelt haben soll, durch den polizeilichen Vorhalt vermittelt worden ist, können aus dem Umstand, dass die dem polizeilichen Vorhalt nachfolgende Antwort des Betroffenen eine Kenntnis von einem Haschkuchen offenbarte, keine Schlussfolgerungen zum Nachteil des Betroffenen gezogen werden.

Somit bleibt als gewichtiges Indiz für die vom Amtsgericht gezogene Schlussfolgerung, dass der Betroffene den mit Haschisch versetzten Kuchen selbst mitgebracht und demzufolge auch Kenntnis von dessen Zusammensetzung hatte, allein die Aussage des Zeugen H., der den Betroffenen am Eingang zur Diskothek mit dem noch in Alufolie verpackten Kuchen in der Hand gesehen haben will. Diese Aussage des Zeugen H. wertet das Gericht als beanstandungsfrei und verwertbar, ohne allerdings weiter zu begründen, aus welchen Gründen es die Aussage des Zeugen H. für glaubhaft hält. Auch in diesem Zusammenhang ist die Beweiswürdigung lückenhaft und kann daher nicht nachvollzogen werden. Insbesondere aufgrund des Umstandes, dass der Betroffene den Zeugen H. als Verantwortlichen benannt hatte und daher der Zeuge H., worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hatte, möglicherweise ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hatte, hätte es eingehender Ausführungen zum Beweiswert der Aussage des Zeugen H. und zur Glaubhaftigkeit seiner Aussage bedurft. Das Amtsgericht verweist in diesem Zusammenhang lediglich auf "die übrigen Indizien", ohne diese allerdings mitzuteilen. Nicht mitgeteilt wird auch, ob und in welchem Punkt die Zeugen Junge und Bauer die Aussage des Zeugen H. bestätigt haben, was für die Glaubwürdigkeit des Zeugen H. sprechen könnte.

Das angefochtene Urteil war nach alledem mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 79 Abs. 6 OWiG, § 354 StPO zurückzuverweisen.


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