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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 250/96 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Anrechnung der Untersuchungshaft bei vorweg vollzogener Unterbringung und Freiheitsstrafe: Im Rahmen der Strafzeitberechnung ist Untersuchungshaft und ggf. verbüßte sog. Organisationshaft bei Zusammentreffen von Unterbringung und Freiheitsstrafe (§ 67 Abs. 4 StGB) vorrangig auf die ersten zwei Drittel der zu verbüßenden Freiheitsstrafe anzurechnen; diese Anrechnung verstößt nicht gegen das Übermaßverbot.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Anrechnung, Organisationshaft, Strafzeitberechnung, Unterbringung, Untersuchungshaft

Normen: StGB 51 Abs. 1, StGB 67 d Abs. 5

Fundstelle: ZAP EN-Nr. 763/96; StraFo 1996, 183; Rpfleger 1996, 523; NStZ-RR 1996, 381; StV 1997, 481]

Beschluss: Strafsache gegen H.M.,
wegenVerstoßes gegen das BtM-Gesetz,
(hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die durch gerichtliche Entscheidung erfolgte Strafzeitberechnung).

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 28. Mai 1996 gegen den Beschluss der 4. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund vom 13. Mai 1996 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 06.1996 durch die Richter am Oberlandesgericht und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten als unbegründet verworfen.

Gründe:
I. Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Münster vom 2. Juli 1992 wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Zugleich ordnete das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Das Urteil ist seit dem 10. Juli 1992 rechtskräftig.
Der Verurteilte hat sich vom 26. Januar 1992 bis zum 9. Juli 1992 in Untersuchungshaft und dann noch bis zum 12. Oktober 1992 einschließlich in sog. "Organisationshaft" befunden. Danach hat er sich mit Unterbrechungen, da er zeitweise entwichen war, zunächst unter Zurückstellung der Strafvollstreckung in stationärer Therapie gemäß § 35 BtMG mit Anrechnungsfähigkeit gem. § 36 Abs. 1 BtMG befunden, und zwar vom 14. Oktober bis zum 28. Dezember 1992, und sodann vom 11. April bis zum 8. Juni 1994, vom 10. Januar bis zum 4. Februar 1995 und vom 28. August bis zum 1. Dezember 1995 im Maßregelvollzug gem. § 64 StGB. In der Zeit vom 9. Juni 1994 bis zum 9. Januar 1995 hat er, da zeitweise die Vollstreckungsreihenfolge umgekehrt war, Strafhaft verbüßt. Mit Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 15. November 1995, der seit dem 2. Dezember 1995 rechtskräftig ist, wurde dann angeordnet, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67 d Abs. 5 Satz 1 StGB nicht weiter zu vollstrecken ist und die Restfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung ausgesetzt wird.
Seit dem 2. Dezember 1995 wird nun die Restfreiheitsstrafe vollstreckt. Die Staatsanwaltschaft hat die restliche Strafzeit mit noch 303 Tagen berechnet und dabei die anzurechnende Untersuchungs- und Organisationshaft auf die ersten zwei Drittel der zu vollstreckenden Freiheitsstrafe angerechnet. Das Strafende ist demgemäss auf den 29. September 1996 notiert worden. Gegen diese Berechnung hat der Verurteilte Einwendungen erhoben. Der Verurteilte ist der Auffassung, die Untersuchungs- und Organisationsstrafhaft sei nicht auf die ersten zwei Drittel, sondern auf das nach Anrechnung der Unterbringung verbleibende restliche Drittel Freiheitsstrafe anzurechnen.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die weitere Strafvollstreckung aus dem Urteil vom 2. Juli 1992 bis zum 29. September 1996 für zulässig erklärt. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner sofortigen Beschwerde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde zu verwerfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die von der Strafvollstreckungskammer vorgenommene Strafzeitberechnung, die die Strafzeitberechnung der Staatsanwaltschaft zur Grundlage hat, ist zutreffend, so dass der Verurteilte noch bis zum 29. September 1996 Strafe aus dem Urteil des Landgerichts Münster vom 2. Juli 1992 zu verbüßen hat.

In der Rechtsprechung ist die Frage, in welcher Reihenfolge auf eine vom Verurteilten zu verbüßende Freiheitsstrafe gem. § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB anzurechnende Untersuchungshaft und "Organisationshaft" und gem. § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB anzurechnender vorweggenommener Vollzug der Maßregel anzurechnen sind, umstritten. Das OLG Düsseldorf in JMBl. NW 1995, 259 = RPfleger 1996, 82 mit ablehnender Anmerkung Blechinger RPfleger 1996, 301 und ihm folgend das LG Wuppertal in StV 1996, 329, jeweils mit weiteren Nachweisen, gehen davon aus, Untersuchungshaft und "Organisationshaft" dürften nicht auf die ersten zwei Drittel angerechnet werden, um die Anrechnung der vorweg vollzogenen Maßregel nicht zu verkürzen. Demgegenüber vertritt der hiesige 3. Strafsenat in seinem Beschluss vom 23. April 1996 - 3 Ws 167/96 - die Auffassung, dass anzurechnende Untersuchungshaft und "Organisationshaft" vorrangig auf die ersten zwei Drittel der zu verbüßenden Freiheitsstrafe anzurechnen seien, mit der Folge, dass für die Anrechnung des Maßregelvollzugs gem. § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB nur noch ein um diese Anrechnung vermindertes Zwei-Drittel-Kontingent zur Verfügung stehe. Dieser Ansicht ist hinsichtlich der Untersuchungshaft auch das OLG Zweibrücken in NStZ 1996, 357. Der Senat schließt sich - nicht nur, um Innendivergenzen zu vermeiden - der Auffassung des hiesigen 3.Strafsenats an.

Nach § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB wird die Zeit eines vorweggenommenen Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind. Eine Anrechnung kann jedoch nur erfolgen, wenn zu Beginn des Maßregelvollzugs nicht zwei Drittel der Strafe verbüßt waren (BGH NJW 1988, 216; 1991, 2431). Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH Untersuchungshaft auf den vorab zu vollziehenden Teil der Freiheitsstrafe anzurechnen (BGH, a.a.O.). Entsprechendes gilt, wenn der Verurteilte zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils bereits Untersuchungshaft im Umfang von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafe erlitten hat, was aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist (BVerfG NJW 1995, 2405 f.; OLG Frankfurt NStZ 1993, 252).

Mit dem hiesigen 3. Strafsenat und dem OLG Zweibrücken ist der erkennende Senat der Auffassung, dass, wenn ein gem. § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB anzurechnender Freiheitsentzug von zwei Dritteln der verhängten Freiheitsstrafe zu einem Ausschluß der Anwendung der Anrechnungsvorschrift des § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB führt, also die Anrechnungsregelung des § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB danach in diesen Fällen Vorrang genießt, diese Reihenfolge der Anrechnung auch dann gelten muss, wenn der Verurteilte vor Rechtskraft des Urteils gem. § 51 anzurechnende Untersuchungshaft/Organisationshaft erlitten hat. Dies hat dann zur Folge, dass dieser Freiheitsentzug von dem Zwei-Drittel-Kontingent, das gem. § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB für die Anrechnung des Maßregelvollzugs zur Verfügung steht, abgezogen werden muss und für eine weitere Erledigung der Strafe aufgrund einer Anrechnung nach dieser Vorschrift nur ein um bereits verbüßte Haftzeiten gekürzter Zwei-Drittel-Zeitraum zur Verfügung steht.

Mit dem hiesigen 3. Strafsenat ist der Senat auch der Auffassung, dass diese Reihenfolge - entgegen der vom OLG Düsseldorf und vom Landgericht Wuppertal (jeweils a.aO.) vertretenen Ansicht - nicht gegen das verfassungsrechtlich zu beachtende Übermaßverbot verstößt. Zu Recht weist der 3. Strafsenat darauf hin, dass Nachteile, die der Verurteilte dadurch erleidet, dass eine Anrechnung gem. § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB nicht mehr möglich ist oder dass für eine solche Anrechnung nur noch ein um frühere Haftzeiten verkürzter Zwei-Drittel-Zeitraum zur Verfügung steht, dadurch ausgeglichen werden, dass die vorab gem. § 51 Abs. 1 StGB angerechneten Haftzeiten zu einer Verkürzung der Unterbringungshöchstdauer führen (vgl. dazu Dreher/Tröndle, StGB, 47. Aufl., § 67 d StGB Rn. 2 a), da gem. § 67 a Abs. 1 die gesetzliche vorgesehene Unterbringungshöchstfrist von 2 Jahren sich nur dann im Fall des Vorwegvollzugs der Maßregel um die Dauer der Freiheitsstrafe verlängert, soweit die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet wird. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich eine überlange Untersuchungshaftdauer in der Regel mildernd auf die Höhe der zu verhängenden Freiheitsstrafe auswirkt sowie, dass bereits vor Urteilserlaß erlittene Freiheitsentziehungen zugunsten des Angeklagten bei der Prüfung der Frage, ob ausnahmsweise gemäß § 67 Abs. 2 StGB ein teilweiser oder vollständiger Vorwegvollzug der Strafe vor der Maßregel geboten ist, zu beachten sind (vgl. BGH NJW 1991, 2431 f.).

Zusätzlich weist der Senat noch darauf hin, dass der Gesetzgeber in § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB, wonach nur bis zu Zwei-Drittel der erkannten Strafe angerechnet werden darf, eine teilweise Nichtanrechnung bzw. Nichtberücksichtigung von Maßregelvollzug ausdrücklich zugelassen hat, was grundsätzlich auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG NJW 1995, 1077). Gerade um dem Verurteilten zur Therapiewilligkeit anzuhalten, ist in § 67 Abs. 4 Satz 1 StGB die Anrechnung der Unterbringung begrenzt worden (Dreher/Tröndle, a.a.O., § 67 Rn. 5). Diesem Anliegen des Gesetzgebers läuft aber eine Anrechnung von Untersuchungshaftzeiten auf das letzte Drittel der Strafe, worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme gegenüber der Strafvollstreckungskammer zutreffend hingewiesen hat, zuwider. Hinzu kommt schließlich, dass der therapieunwillige Verurteilte durch die vom OLG Düsseldorf vorgenommene Anrechnungsreihenfolge möglicherweise veranlaßt wird, Untersuchungshaft von einem Drittel der Strafe zu provozieren, um durch deren Anrechnung auf den letzten Strafrest deren vollständige Vollstreckung zu erreichen.
Nach allem ist daher die vom Verurteilten erlittene Untersuchungshaft und Organisationshaft vom Landgericht zu Recht zunächst gem. § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB auf die verhängte Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten angerechnet worden. Eine weitere Erledigung bis zu zwei Dritteln ist dann durch die Anrechnung des Maßregelvollzugs eingetreten. Der danach noch zu verbüßende Strafrest ist von der Strafvollstreckungskammer zutreffend mit 303 Tagen angenommen worden, so dass zu Recht die Strafvollstreckung als bis zum 29. September 1996 zulässig - falls nicht zwischenzeitlich gem. § 57 StGB eine positive Zwei-Drittel-Entscheidung erfolgen sollte - angesehen worden ist.
Demgemäss war die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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