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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Ss 335/03 OLG Hamm

Leitsatz: Soll der Angeklagte entgegen der Anklage nicht wegen eines Versuchs sondern wegen des vollendeten Delikts verurteilt werden, bedarf es eines sogenannten rechtlichen Hinweises.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Versuch, Vollendung, rechtlicher Hinweis, Entbehrlichkeit des rechtlichen Hinweises

Normen: StPO 265
BeschlussStrafsache

gegen F.K.
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 16. Januar 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03. 06. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, dn Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Siegen zurückverwiesen.

Gründe:
Der Angeklagte, dem mit der - unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen - Anklage der Staatsanwaltschaft Siegen vom 7. März 2002 zur Last gelegt worden ist, sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren (Kind) vorzunehmen versucht zu haben, ist durch Urteil des Amtsgerichts Lennestadt vom 24. Juni 2002 wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern (§§ 176 Abs. 1, 22, 23 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr drei Monaten verurteilt worden. Daneben ist gegen ihn ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB von drei Monaten Dauer verhängt worden.

Auf die hiergegen gerichtete (alleinige) Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und dahin neu gefasst, dass der Angeklagte wegen (vollendeten) sexuellen Missbrauchs von Kindern „in Form der Vornahme von sexuellen Handlungen vor einem Kind (§ 176 Abs. 3 Nr. 1 StGB)“ zu einer Freiheitsstrafe von „zwölf Monaten“ mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt wird.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat bereits mit der in zulässiger Weise erhobenen Rüge der Verletzung des § 265 Abs. 1 StPO Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Eines Eingehens auf die Sachrüge bedarf es daher nicht mehr.

Dem Angeklagten ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht der hier erforderliche (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 265 Rdnr. 8 a m.w.N.) Hinweis erteilt worden, dass (auch) seine Verurteilung wegen vollendeten sexuellen Missbrauchs von Kindern in Betracht komme. Dies war auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in seinem Schlussvortrag einen dem landgerichtlichen Urteil entsprechenden Antrag gestellt hat (vgl. NStZ 1994, 25). Die Erteilung des Hinweises nach § 265 Abs. 1 StPO ist Aufgabe des Vorsitzenden (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 265 Rdnr. 28). Solange das Gericht keinen Hinweis auf eine mögliche andere rechtliche Wertung gibt, darf der Angeklagte sich darauf verlassen, dass das Gericht eine Verwirklichung unter diesem Gesichtspunkt nicht in Erwägung zieht (vgl. BGH MDR 1977, 63; OLG Köln MDR 1975, 164).

Auf diesem Verfahrensverstoß kann das angefochtene Urteil auch beruhen. Nach Lage der Dinge ist nicht auszuschließen, dass der Angeklagte sich im Falle eines Hinweises nach § 265 StPO anders eingelassen und erfolgreicher verteidigt hätte.

Das angefochtene Urteil war daher mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Siegen zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).

Diese Entscheidung entspricht dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft.


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