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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 VAs 5/02 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Aktenaufbewahrung und - vernichtung nach Beendigung eines wegen Strafunmündigkeit eingestellten Strafverfahrens

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungssache

Stichworte: Aktenaufbewahrung, Vernichtung der Akten; Beendigung des Verfahrens; Speicherung, Übermittlung, Vernichtung von Daten; Strafunmündigkeit

Normen: StPO 483, StPO 485

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend D.H.,
Erziehungsberechtigte: P. u. J.H..
Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt K., B.

Auf den Antrag der Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen die Entschließung der Staatsanwaltschaft Detmold vom 20. Dezember 2001 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. Juli 2002 durch den Richter am Oberlandesgericht Leygraf, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Der Geschäftswert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe:
Der 13jährige Betroffene ist Realschüler. Ihm wurde vorgeworfen, am 24. Oktober 2001 im Rahmen einer Sportveranstaltung seinen Mitschüler D.M. absichtlich mit dem beschuhten Fuß in den Rücken getreten zu haben. Wegen dieses Vorfalls hatten die Erziehungsberechtigten des Geschädigten Strafanzeige bei der Polizei in Lemgo erstattet. Dies hatte zur Folge, dass die Kriminalhauptkommissarin O. am 06. November 2001 die Realschule aufsuchte. Sie hat dazu u. a. folgenden Vermerk gefertigt:

„Auf Vorschlag der Schulleiterin, Frau B.J., wurde der Schüler D.H. aus seiner Klasse geholt. Mit ihm sollte im Büro der Schulleitung ein informatorisches Gespräch geführt werden.

Zu Beginn dieses Gesprächs, an der auch Fr. B.J. teilnahm, wurde D. zunächst erklärt, dass er aufgrund seines Alters noch ein Kind und somit strafunmündig sei. Ihm wurde weiterhin mitgeteilt, dass es sich am heutigen Tag nicht um eine Anhörung handeln würde, sondern dass er hierfür gesondert eine Vorladung über seine Eltern erhalten werde. Dieses Gespräch sollte eine reine erzieherische Maßnahme sein.

Mit David wurde über den Vorfall während des Sportunterrichts gesprochen. Ihm wurde vor Augen gehalten, dass es sich hier nicht mehr um einen kleinen Streit zwischen Schülern handelt, sondern dass D.M. aufgrund seines Tritts verletzt worden sei und den Arzt aufsuchen musste, der bei ihm eine Prellung (Prellmarke gut sichtbar) im Rücken fest gestellt habe.

D. wurde nach einem ca. 10 minütigem Gespräch in seine Klasse geschickt.“

Die Eltern des Betroffenen waren bei diesem Gespräch nicht zugegen und zuvor auch nicht informiert worden. Die Kreispolizeibehörde in Detmold hat daraufhin an die Erziehungsberechtigten des Betroffenen eine „Vorladung zur Vernehmung“ gerichtet und zugleich darauf hingewiesen, dass es sich dabei um „die Anhörung ihres Kindes D.“ handele. Die Erziehungsberechtigten wurden gebeten, die Polizeistation in Begleitung ihres Sohnes aufzusuchen, bzw. das Erscheinen von D. zu veranlassen. Dem Ladungsformular ist zweifelsfrei zu entnehmen, das D. nicht als Beschuldigter vernommen werden sollte.

Mit Schreiben vom 14. November 2001 meldete sich für den Betroffenen Rechtsanwalt K. und teilte mit, dass der Vorladung nicht folge geleistet werde und bat „eindringlich, von weiteren Heimsuchungen des ob ihrer Verfolgungsmaßnahmen schon völlig verstörten Jungen und seiner Familie abzusehen.“ Nach Akteneinsicht forderte Rechtsanwalt K. die Staatsanwaltschaft Detmold auf, umgehend die Vernichtung der Akte und die Löschung der Daten zu veranlassen.

Diese hat mit Entschließung vom 20. Dezember 2001 das Verfahren wegen Schuldunfähigkeit eingestellt und in der Einstellungsmitteilung an den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen u. a. zusammenfassend auf folgendes hingewiesen:

„Klarstellend:
Gegen den Sohn ihrer Mandanten ist nicht „ermittelt“ worden, sondern die Polizei hat pflichtgemäß einen Sachverhalt aufgeklärt und „zu Papier gebracht“! Das „Verfahren“ ist sofort eingestellt worden. Auch die von Ihnen im Gespräch genannte Vorschrift des § 344 StGB unterstützt Ihre Argumentation in keiner Weise - siehe einschlägige Kommentierungen. Im übrigen lehne ich es ab, „umgehend“ die Akte „zu vernichten“ bzw. bzgl. des noch Schuldunfähigen „die Löschung der Daten“ aus unserem System „zu veranlassen“. Auch insoweit finde und fand ich bislang keine einschlägige Vorschrift!“

Gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, von der Vernichtung der Akten und Daten vorläufig abzusehen, hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen Beschwerde eingelegt, weil eine Rechtsgrundlage für die Speicherung, Übermittlung und Weitergabe von Daten Strafunmündiger keine gesetzliche Grundlage habe.

Der Leitende Oberstaatsanwalt in Detmold hat daraufhin den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen mit Schreiben vom 16. April 2002 ergänzend darauf hingewiesen, dass die persönlichen Daten des Betroffenen im EDV-System der Staatsanwaltschaft Detmold für Zwecke des Verfahrens nach § 483 Abs. 1 StPO und zur Vorgangsverwaltung nach § 485 StPO gespeichert worden seien. Nach der Einstellung des Verfahrens entfalle zwar die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des § 483 Abs. 1 StPO für die weitere Speicherung. Diese sei jedoch zum Zwecke der Vorgangsverwaltung nämlich zur Bearbeitung etwa der vorbezeichneten Beschwerde nach § 485 StPO zulässig. Sämtliche im EDV-System der Staatsanwaltschaft Detmold gespeicherten persönlichen Daten des Betroffenen würden jedoch gelöscht, sobald sich die vorliegende Beschwerde entweder durch gerichtliche Entscheidung oder anderweitig erledigt habe.

Im Übrigen bemerkt der Leitende Oberstaatsanwalt:

„Allerdings muss ich darauf hinweisen, dass eine Vernichtung der Akten zurzeit noch nicht in Betracht kommt. Denn bei diesen handelt es sich nicht um eine Datei, so dass die Regelungen der §§ 483 ff. StPO keine Anwendung finden. Vielmehr gelten insoweit die bundeseinheitlichen Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen für das Schriftgut der ordentlichen Gerichtsbarkeit, der Staatsanwaltschaften und der Justizvollzugsbehörden. Nach Abschnitt II Nr. 622 d) dieser Bestimmungen sind die vorliegenden Vorgänge fünf Jahre aufzubewahren, bis sie vernichtet werden können.“

Der Betroffene hat beantragt, die von ihm eingelegte Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG zu behandeln.

Das Rechtsmittel ist zulässig. Im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG kann die Verpflichtung einer Justizbehörde zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes begehrt werden. Die Staatsanwaltschaft hat es abgelehnt, die Eintragungen über den Antragsteller im Verfahrensregister und die Vernichtung der Akten zu veranlassen. Die Löschung dieser Eintragungen wäre aber eine Verfügung einer Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege mit dem erforderlichen Maßnahmencharakter.

In der Sache kann das Begehren des Betroffenen jedoch keinen Erfolg haben.

Der Erklärung des Leitenden Oberstaatsanwalts in Detmold ist zweifelsfrei zu entnehmen, das sämtliche Daten gelöscht werden, soweit sie nicht der Vorgangsverwaltung im Sinne des § 485 StPO dienen. Voraussetzung für die Speicherung von Daten nach dieser Norm ist allein der Umstand, dass ein Aktenvorgang existiert, welcher registriert und „verwaltet“ werden muss. Nur zu diesem Zwecke dürfen dann auch die Daten genutzt werden.
Eine Nutzung über diesen Zweck hinaus ist nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 485 Satz 2 - 4 möglich.

Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 485 Satz 1 StPO erfüllt, da eine Akte über den Vorgang seitens der Polizei gefertigt und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde. Diese Akte kann auch durch die Staatsanwaltschaft nicht vernichtet werden. In diesem Umfang gelten, worauf der Leitende Oberstaatsanwalt zutreffend hingewiesen hat, die bundeseinheitlichen Bestimmungen über die Aufbewahrungsfristen für das Schriftgut der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaften. Danach ist der Vorgang 5 Jahre aufzubewahren und sodann zu vernichten. In diesem Umfang ist die Staatsanwaltschaft aber auch zur Aufbewahrung der Akten verpflichtet.

Der Senat hatte unter diesen Umständen nicht darüber zu befinden, ob auch eine Speicherung der hier gewonnenen Erkenntnisse für Zwecke künftiger Strafverfahren gemäß § 484 Abs. 1 StPO zulässig gewesen wäre. Denn dass eine Speicherung - auch - zu diesem Zwecke erfolgt ist, lässt sich der angegriffenen Entscheidung der Staatsanwaltschaft Detmold gerade nicht entnehmen. Die Speicherung der Daten ist nach Abschluss der Ermittlungen allein auf § 485 S. 1 StPO zum Zwecke der Vorgangsverwaltung gestützt worden. Es ist daher auch davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft nicht beabsichtigt, von den gem. § 485 Satz 1 StPO gespeicherten Daten zu anderen Zwecken Gebrauch zu machen.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 30 EGGVG, 30, 130 Kostenordnung.


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