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RVG Entscheidungen

Nr. 5115 VV

Befriedungsgebühr, Akteneinsichtsantrag, Rat zum Schweigen

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 04.02.2011 - 820 C 511/10

Fundstellen:

Leitsatz: Die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 bzw. Nr. 5115 VV RVG entsteht nicht nur auf Grund eines Akteneinsichtsantrags des Verteidigers. Sie entsteht auch nicht bei einem unbegründeten Einstellungsantrag des Verteidigers. Sie fällt schließlich auch nicht bei dem nur internen Rat zum Schweigen an.


Amtsgericht Hamburg-Barmbek
Az.: 820 C 511/10
In pp.
wegen Freistellung von Rechtsanwaltsgebühren
erlässt das Amtsgericht Hamburg-Barmbek durch die Richterin Dr. R. auf Grund der mündli-chen Verhandlung vom 04.02.2011 folgendes
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Von einer Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Freistellungsanspruch in Höhe von 160,65 Euro aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 VVG).
Die Beklagte hat für die mit der Klage geltend gemachte Freistellung von einer zusätzlichen Gebühr gemäß Nr. 5115 VV RVG nicht einzustehen, da eine solche Gebühr vorliegend nicht entstanden ist.

Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 5115 VV RVG entsteht nach Abs. 1 Nr. 1 der zugehörigen Anmerkung, wenn das Ordnungswidrigkeitenverfahren vor der Verwaltungsbehörde durch die anwaltliche Mitwirkung endgültig eingestellt wird. Nach Absatz 2 der Anmerkung entsteht die Gebühr allerdings dann nicht, wenn eine auf Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit nicht ersichtlich ist.
Vorliegend hat zwar die Zentrale Bußgeldstelle des Lande Brandenburg den Prozessbevolll- mächtigten des Klägers mit Schreiben vom 28.07.2010 mitgeteilt, dass das gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei. Gleichwohl ist die streitgegenständliche Erledigungsgebühr nicht entstanden. Denn es ist nicht ersichtlich, dass das Verfahren durch eine anwaltliche Tätigkeit gefördert worden ist.

Mitwirkung im Sinne der Nr. 5115 VV RVG bedeutet, dass der Rechtsanwalt durch seine Tätigkeit die endgültige Einstellung des Verfahrens zumindest gefördert haben muss (BGH, Urt. v. 20.01.2011, Az. IX ZR 123/10). Es genügt hierfür jede Tätigkeit, die zur Verfahrenserledigung geeignet ist. Eine besondere, nicht nur unwesentliche und gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit ist nicht erforderlich (BGH, a. a. O., m. w. Nachw.).

Dass der Prozessbevollmächtigte sich gegenüber der Behörde als Verteidiger bestellt und Akten- einsicht beantragt hat, genügt insoweit nicht, da es sich hierbei um neutrale anwaltliche Äußerungen handelt, die nicht geeignet sind, das Verfahren zu fördern (vgl. AG Hannover, Beschl. v. 01.09.2005, Az. 514 C 11137/05, Rn. 1 — zitiert nach juris).
Auch der Umstand, dass der Verteidiger in demselben Schreiben, in dem er sich bestellt und Ak- teneinsicht beantragt hat, einen Einstellungsantrag nach § 47 OWiG gestellt hat, genügt nicht, um eine Mitwirkungshandlung im Sinne der Nr. 5115 VV RVG anzunehmen. Denn dieser Einstel- lungsantrag erfolgte ohne jede Begründung (vgl. AG Viechtach, Beschl. v. 18.01.2006, Az. 711 OWi 29/06, Rn. 3 — zitiert nach juris) und zu einem Zeitpunkt, zu dem der Verteidiger noch nicht einmal Akteneinsicht genommen hatte.

Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, ihm sei von seinem Prozessbevollmächtigten geraten worden, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, kann in einem solchen Rat zum sogenannten gezielten Schweigen zwar grundsätzlich eine — den Gebührentatbestand der Nr. 5115 VV RVG auslösende — Mitwirkungshandlung liegen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, der sich das erkennende Gericht anschließt, kann dies der Fall sein, wenn der Verteidiger seinem Mandanten im Bußgeldverfahren rät, zu dem erhobenen Vorwurf zu schweigen, und er die entsprechende Entschließung seines Mandanten der Verwaltungsbehörde mitteilt (BGH, a. a. O., m. w. Nachw.; AG Charlottenburg, AGS 2007, 309 (310)).

Vorliegend hat der Kläger zwar — ohne dass dies von der Beklagten erheblich bestritten worden ist — substantiiert dargelegt, dass ihm sein Verteidiger dazu geraten hat, von seinem Schweige- recht Gebrauch zu machen und zu dem gegen ihn erhobenen Vorwurf zu schweigen. Dieser Ent-schluss wurde der zuständigen Behörde jedoch — weder durch den Kläger noch durch seinen Verteidiger — zu irgendeinem Zeitpunkt mitgeteilt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine solche Mitteilung aber Voraussetzung dafür, dass eine Mitwirkungshandlung im Sinne der Nr. 5115 VV RVG vorliegt. Denn nur nach einer solchen Mitteilung weiß die Behörde, dass sie einen Bußgeldbescheid nicht auf die Einlassung des Betroffenen stützen kann, sondern sich darüber klar werden muss, ob die übrigen Beweismittel für eine Ahndung ausreichen. Kommt sie dann zu dem Ergebnis, das die übrigen Beweismittel nicht ausreichen, und stellt sie deshalb das Verfahren ein, hat die Tätigkeit des Verteidigers diese Art der Verfahrenserledigung objektiv gefördert (vgl. BGH, a. a. O.).

Soweit der Kläger geltend macht, im vorliegenden Fall sei eine gesonderte Mitteilung, es werde von dem Schweigerecht Gebrauch gemacht, jedenfalls deshalb entbehrlich gewesen, weil die Verwaltungsbehörde bereits aus den sonstigen Umständen habe schließen müssen, der Kläger werde sich nicht weiter zur Sache einlassen, kann dem nicht gefolgt werden. Eine solche Situation vermag das Gericht hier nicht zu erkennen. Insbesondere aus dem Umstand, dass der Verteidiger des Klägers beantragt hat, das Verfahren gemäß § 47 OWiG einzustellen, musste die Behörde nicht zwingend schließen, der Kläger werde sich nicht mehr zur Sache äußern. Denn zum einen war dieser Einstellungsantrag nicht weiter erläutert, und zum anderen erfolgte er zeitgleich mit der Verteidigerbestellung und dem Akteneinsichtsgesuch. In einer solchen Konstellation kann die Behörde gerade nicht sicher davon ausgehen, dass sich der Beschuldigte nicht weiter zur Sache einlassen wird. Vielmehr darf die Behörde ebenso gut damit rechnen, der Beschuldigte werde sich nach erfolgter Einsicht in die Akte und Auswertung des vorhandenen Beweismaterials noch zur Sache einlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Die Berufung war nicht — wie vom Kläger angeregt — nach § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO zuzu-lassen, da die streitentscheidende Frage aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 20.01.2011, Az. IX ZR 123/10, bereits höchstrichterlich geklärt ist.



Einsender: H.W: Schrader, ARAG, Düsseldorf

Anmerkung:


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