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RVG Entscheidungen

Nr. 4141 VV

Befriedungsgebühr im Revisionsverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 28. 06. 2005, 5 Ws 311/05

Fundstellen: RVGreport 2005, 352

Leitsatz: Im Revisionsverfahren entsteht die Gebühr nach VV 4141 nicht durch die Rücknahme der Revision, wenn das Rechtsmittel nicht zuvor begründet worden ist.


Beschluß
1 AR 708/055 Ws 311/05
(517) 93 Js 4586/03 KLs (42/04)

In dem Sicherungsverfahren gegen

zur Zeit im Krankenhaus des Maßregelvollzuges,
13403 Berlin, Olbendorfer Weg 70,

wegen Körperverletzung u.a.,

hier nur betreffend das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung des Pflichtver-teidigers,

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 28. Juni 2005 beschlossen:

Auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin wird der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 25. April 2005 aufgehoben.

Die Vergütung des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt W. K., Berlin, wird auf 609,00 EUR festgesetzt.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
Rechtsanwalt W. K. war in dem vorliegenden Sicherungsverfahren (§§ 413 ff. StPO) als Pflichtverteidiger für den Beschuldigten tätig. Das Landgericht Berlin ordnete am 28. Oktober 2004 die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) an. Mit Schriftsatz vom 2. November 2004 legte der Ver-teidiger rechtzeitig Revision gegen das Urteil ein. Durch Schriftsatz vom 20. Dezem-ber 2004 nahm er das Rechtsmittel mit ausdrücklicher Ermächtigung des Beschuldig-ten zurück. Eine Revisionsbegründung hatte er nicht gefertigt.

Mit seinem Antrag vom 23. Dezember 2004 begehrte Rechtsanwalt K., die Pflichtver-teidigervergütung für das Revisionsverfahren nach der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (Vergütungsverzeichnis – VV -) wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren
mit Zuschlag nach Nr. 4131, 4130 VV RVG 505,00 EUR
zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG 412,00 EUR
Pauschale für Post- und Telekommunikations-
Dienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Zwischensumme netto 937,00 EUR
Umsatzsteuer auf Vergütung nach Nr. 7008 VV RVG 149,92 EUR
zu zahlender Betrag 1.086,92 EUR.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landgerichts (§ 55 Abs. 1 Satz 1 RVG) hat die Vergütung demgegenüber nur auf 609,00 EUR (Verfahrensgebühr in Höhe von 505,00 EUR, Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR sowie anteilige Um-satzsteuer in Höhe von 84,00 EUR) festgesetzt und dies damit begründet, die zu-sätzliche Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG sei nicht entstanden. Mit Beschluß vom 31. März 2005 hat er demgemäß die Festsetzung der zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Erinnerung (§ 56 Abs. 1 Satz 1 RVG) hat das Landgericht durch Beschluß vom 25. April 2005 (ergänzt durch Beschluß vom 4. Mai 2005) die Entscheidung des Urkundsbeamten aufgehoben und die dem Rechtsanwalt zu zahlende Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Dagegen wendet sich die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht mit ihrer Beschwerde.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG übersteigt 200,- EUR. Ohnehin hat das Landgericht die Be-schwerde in dem angefochtenen Beschluß gemäß § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen. Demgemäß entscheidet der Senat über die Beschwerde (§ 33 Abs. 8 Satz 2 RVG). Das Rechtsmittel ist schließlich auch innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG erhoben. Es hat Erfolg.

2. Zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landgerichts die Fest-setzung einer zusätzlichen Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG abgelehnt. Denn eine solche ist vorliegend nicht entstanden.

a) Die Gebühr gemäß Nr. 4141 VV RVG betrifft Verfahrensgestaltungen, in denen durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird. Sie entsteht bei Vorliegen der Voraussetzungen zusätzlich zu der jeweiligen Verfahrensgebühr. Nach Absatz 1 Nr. 3 der Anmerkung zu diesem Gebührentatbestand entsteht sie, wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme (hier:) der Revision erledigt. Nach Absatz 2 der Anmerkung entsteht die Zusatzgebühr jedoch nicht, wenn eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht er-sichtlich ist.

Sinn der Zusatzgebühr ist es, anwaltliche Tätigkeiten abzugelten, die zu einer Ver-meidung der Hauptverhandlung führen. Sie übernimmt den Grundgedanken der Re-gelung des § 84 Abs. 2 BRAGO und erweitert ihn auf Verfahrenserledigungen, die durch Revisionsrücknahmen eintreten. Die Regelung sollte intensive und zeitauf-wendige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhand-lung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führten, gebührenrechtlich honorieren (vgl. BT-Drucks. 12/6962, S. 106; Schmahl in Rie-del/Sußbauer, RVG 9. Aufl., VV Teil 4 Abschnitt 1 Rdn. 108). Der Gesetzgeber ver-spricht sich von ihr einen Entlastungseffekt für die Revisionsgerichte (vgl. Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4141 VV Rdn. 37).

b) Gemessen an diesen Anliegen, die der Gesetzgeber des RVG mit dem Gebühren-tatbestand der Nr. 4141 VV RVG aufgegriffen hat, hat die Rücknahme der Revision hier nicht dazu geführt, daß die Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht entbehr-lich wurde. Im Revisionsverfahren findet eine Hauptverhandlung nicht statt, wenn die Revision nicht gemäß § 344 Abs. 1 StPO begründet wurde. In diesem Fall unterliegt das Rechtsmittel der Verwerfung durch das Tatgericht im Beschlußwege (§ 346 Abs. 1 StPO); das Revisionsgericht wird mit ihm nicht befaßt. Vorliegend war die Revision zur Zeit der Rücknahme nicht begründet worden, so daß die Rücknahme nicht för-derlich für das Entbehrlichwerden der Hauptverhandlung werden konnte. Somit wur-de nicht durch eine tätige anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich, sondern bereits deshalb, weil eine Revisionsbegründung nicht vorlag, der Verteidiger also gerade nicht tätig geworden war.


c) Ausgehend vom Sinn und Zweck der Zusatzgebühr ist zudem zu bedenken, daß Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit im Revisionsverfahren die Begründung der Revision ist (vgl. Hartung in Hartung/Römermann, RVG VV Teil 4 Rdn. 117). Die Ein-legung der Revision fällt nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 RVG noch unter die Tätigkeit im vorhergehenden Rechtszug (vgl. Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen Nr. 4130 VV Rdn. 6). Erst die darauffolgende prüfende und beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts, vor allem aber die Revisionsbegründung, wird durch die Verfahrens-gebühr (Nr. 4130, 4131 VV RVG) abgegolten. Wird die Revision nicht begründet, ent-fällt folglich eine anwaltliche Kerntätigkeit im Revisionsverfahren, ohne daß die Ver-fahrensgebühr entfiele. Für derartige Fallgestaltungen besteht daher nach dem Re-gelungszweck des Gebührentatbestandes der Nr. 4141 VV RVG kein Bedarf, die anwaltliche Tätigkeit im Falle einer Rechtsmittelrücknahme über die Verfahrensge-bühr hinaus zu entgelten, da ein Tätigkeitsaufwand, der nicht bereits durch die Ver-fahrensgebühr abgegolten wäre, nicht vorliegt.

Nach alledem hatte es bei der Vergütungsfestsetzung, wie sie von dem Urkundsbe-amten der Geschäftsstelle de Landgerichts vorgenommen worden ist, zu verbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.]

Einsender: VorsRiKG Weißbrodt, Berlin

Anmerkung: a.A. insoweit OLG Düsseldorf im Beschl. v. 12. 9. 2005, III – 1 Ws 288/05


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