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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4 Abs. 3 VV

Geplatzter Termin; Begriff des Erscheinens; körperliche Anwesenheit im Gerichtsgebäude;

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Beschl. v. 13. 11. 2007, 1 Ws 986/07

Leitsatz: Eine Terminsgebühr für einen sog. "geplatzten Termin“ entsteht nur, wenn der Rechtsanwalt körperlich im Gerichtsgebäude mit dem Ziel der Teilnahme an dem Termin erscheint. Das bloße Antreten der Anreise zu dem Termin lässt die Terminsgebühr nicht entstehen.


Oberlandesgericht
1 Ws 986/07
Beschluss
Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts München hat am 13. November 2007
in dem Strafverfahren gegen pp.
wegen BTMG
hier: Weitere Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss der 4. Strafkammer des Landgerichts Landshut betreffend die Festsetzung einer Terminsgebühr für die Pflichtverteidigerin Rechtsanwältin R.
beschlossen:
I. Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors II bei dem Landgericht Landshut vom 24.08.2007 werden der Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 03.07.2007 sowie der Beschluss der 4. Strafkammer des Landgerichts Landshut vom 10.08.2007 (Az.: 4 Qs 425/07 LG Landshut), mit dem die Beschwerde der Staatskasse gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Landshut vom 03.07.2007 verworfen wurde, aufgehoben.
II. Der Antrag der Verteidigerin Rechtsanwältin R. auf Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG wird zurückgewiesen.
III. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
In dem zu Grunde liegenden Strafverfahren vor dem Amtsgericht Landshut war Rechtsanwältin R. mit Kanzleisitz in Frankfurt/Main, die zunächst als Wahlverteidigerin aufgetreten war, für die ebenfalls in Frankfurt/ Main wohnhafte Angeklagte als Pflichtverteidigerin bestellt und tätig worden.
Mit Schreiben vom 30.01.2007 beantragte Rechtsanwältin R. eine Terminsgebühr nach Nummer 4108 VV RVG in Höhe von 184,-- EUR nebst Mehrwertsteuer (insgesamt 218,96 EUR) für die anberaumte Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Landshut am 15.01.2007 festzusetzen.
Im Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Landshut vom 22.03.2007 versagte der Kostenbeamte die beantragte Terminsgebühr, da eine Hauptverhandlung am 15.01.2007 nicht stattgefunden hatte.
Tatsächlich war die für diesen Tag auf 13.00 Uhr anberaumte Hauptverhandlung kurzfristig am Terminstag abgesetzt worden, weil die einzige Belastungszeugin mitgeteilt hatte, wegen Erkrankung der Terminsladung keine Folge leisten zu können. Die Antragstellerin, die ihre Anreise zur Terminswahrnehmung in Landshut am 15.01.2007 mit dem Zug ab Frankfurt/ Main um 7:54 Uhr begonnen hatte, wurde von der Terminsabsetzung kurz vor dem Umsteigen in Nürnberg in den Zug nach Landshut telefonisch unterrichtet. Daraufhin unterbrach sie in Nürnberg ihre Weiterfahrt nach Landshut, fuhr mit dem nächstmöglichen Zug nach Frankfurt/Main zurück und erreichte nach eigenen Angaben ihre Kanzlei gegen 14 Uhr.
Mit ihrer Erinnerung vom 02.04.2007 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.03.2007 beantragte Rechtsanwältin R., die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG in Höhe von 184,-- EUR sowie Abwesenheitsgeld gemäß Nr. 7005 VV RVG in Höhe von 35,-- EUR, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 19 %, festzusetzen und auszubezahlen.
Der Erinnerung half der Rechtspfleger mit Beschluss vom 18.04.2007 nur hinsichtlich des geltend gemachten Abwesenheitsgeldes nach Nr. 7005 VV RVG in Höhe von 35,-- EUR zuzüglich Mehrwertsteuer ab. Hinsichtlich der beantragten Terminsgebühr lehnte er eine Abhilfe ab.
Auf die daraufhin eingelegte Beschwerde der Antragstellerin vom 03.05.2007 gegen die Ablehnung der Terminsgebühr half das Amtsgerichts durch den erkennenden Richter der Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss vom 22.03.2007 mit Beschluss vom 03.07.2007 auch hinsichtlich der Ablehnung der Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG in Höhe von 184,-- EUR zuzüglich Umsatzsteuer ab.
Hierauf legte der Bezirksrevisor gegen die am 12.07.2007 zugegangene Entscheidung mit Schriftsatz vom selben Tag (befristete) Beschwerde mit dem Ziel ein, den Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 03.07.2007 aufzuheben und den Festsetzungsantrag bezüglich der Terminsgebühr zuzüglich Umsatzsteuer zurückzuweisen.
Nach Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts hat die 4. Strafkammer des Landgerichts Landshut in ihrer Besetzung mit drei Berufsrichtern mit Beschluss vom 10.08.2007 die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 03.07.2007 als unbegründet verworfen, den Beschwerdewert auf 218,96 EUR festgesetzt und die weitere Beschwerde zugelassen.
Gegen diesen ihm nicht vor dem 21.08.2007 zugegangenen Beschluss hat der Bezirksrevisor mit Schreiben vom 24.08.2007 weitere (befristete) Beschwerde eingelegt, der die 4. Strafkammer des Landgerichts Landshut mit Beschluss vom 28.08.2007 nicht abgeholfen hat.
II.
Die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors als Vertreter der Staatskasse ist zulässig. Sie ist von der 4. Strafkammer wegen grundsätzlicher Bedeutung der zu entscheidenden Frage zugelassen worden, §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 Satz 1 RVG. Der Beschwerdeführer behauptet eine Rechtsverletzung - hier Anlage 1 zum RVG Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 - durch die angefochtene Entscheidung.

Die weitere Beschwerde ist auch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Eingang des angefochtenen Beschlusses eingelegt worden, §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG.
Das Rechtsmittel des Bezirksrevisors ist auch in der Sache erfolgreich, so dass der angefochtene Beschluss der 4. Strafkammer des Landgerichts Landshut vom 10.08.2007 und der Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 03.07.2007 aufzuheben sind und der Antrag der Pflichtverteidigerin auf Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG für die auf den 15.01.2007 anberaumte Hauptverhandlung abzulehnen ist.
Die Entscheidungen des Amtsgerichts sowie des Landgerichts als Beschwerdegericht beruhen nach Rechtsauffassung des Senats auf einer unrichtigen Auslegung der Anlage 1 zum RVG Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2.
Es ist zu Unrecht davon ausgegangen worden, dass die von der Antragstellerin geltend gemachte Terminsgebühr bereits durch ihren Reiseantritt zur Hauptverhandlung am 15.01.2007 entstanden sei.
Nach Anlage 1 zum RVG Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 entsteht für die Teilnahme des Rechtsanwalts an gerichtlichen Terminen eine Terminsgebühr, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die gerichtliche Terminsgebühr setzt die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in einer Hauptverhandlung nach Aufruf der Sache voraus und erfordert seine Anwesenheit in seiner Eigenschaft als Verteidiger (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., VV 4106 bis 4123 Rn. 9).
Dabei braucht der Verteidiger nicht zu Beginn aber auch nicht bis zum Ende der Hauptverhandlung anwesend zu sein. Auch der Umfang seiner Tätigkeit im Termin ist für die Entstehung der Gebühr unerheblich. Ebenso wenig ist es erforderlich, dass in der Hauptverhandlung in eine „Sachverhandlung" eingetreten worden ist.
Maßgeblich für die Entstehung der Terminsgebühr ist also nach dem eindeutigen Wortlaut in Anlage 1 zum RVG Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 1 die Teilnahme des Rechtsanwalts als Verteidiger im Hauptverhandlungstermin. Von dieser grundsätzlichen Regelung des Entstehens einer Terminsgebühr macht Anlage 1 zum RVG Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 eine Ausnahme dahingehend, dass der Rechtsanwalt die Terminsgebühr bereits auch schon dann erhält, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Diese Ausnahmeregelung setzt das Entstehen der Gebühr vom Erscheinen des Rechtsanwalts zum anberaumten Termin voraus, d.h. seine körperliche Anwesenheit als Verteidiger im Gerichtsgebäude mit dem Ziel der Teilnahme an der Hauptverhandlung.
Etwas Anderes kann auch nicht den Gesetzesmaterialien zur Einführung des RVG entnommen werden. Mit der im RVG neu eingeführten gerichtlichen Verfahrensgebühr soll die gesamte Tätigkeit des Verteidigers für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Vorbereitung der Hauptverhandlung vergütet werden, soweit keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Wenn, wie hier, keine Terminsgebühr anfällt, ist die Geschäftsreise von der Verfahrensgebühr umfasst und zuzüglich des Abwesenheitsgeldes und der angefallenen Reisekosten mit dieser abgegolten.
Bezogen auf das vorliegende Verfahren ist festzustellen, dass die Beschwerdegegnerin am 15.01.2007 aufgrund der telefonischen Benachrichtigung über die Terminsabsetzung während der Zugfahrt ihre Reise abgebrochen hat und daher beim Amtsgericht Landshut zur Terminswahrnehmung nicht erschienen ist im Sinne der Ausnahmeregelung. Zwar hat sie die kurzfristige Terminabsetzung nicht zu vertreten, der Senat sieht aber keine Veranlassung, die gesetzliche Ausnahmeregelung entgegen ihrem klaren Wortlaut dahingehend aufzuweichen, bereits die Anreise zum Gerichtstermin als Erscheinen zum anberaumten Termin genügen zu lassen (anderer Ansicht, Burhoff RVG, 2. Aufl., Teil 4. Strafsachen, Vorbemerkung 4, Rn. 79, 80; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Teil 4. Strafsachen, Vorbemerkung 4 VV Rn. 27).
Soweit in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts, die auf den amtsgerichtlichen Beschluss Bezug nimmt, ausgeführt wird, dass die Beschwerdegegnerin nur deshalb nicht mehr zum Hauptverhandlungstermin erschienen sei, weil sie noch telefonisch von der Terminsabsetzung benachrichtigt werden konnte, sie aber bei Nichterreichbarkeit zum Termin vor dem Amtsgericht erschienen wäre, hilft diese Argumentation nicht weiter. Die Vergütungsregelung nach dem RVG muss sich an dem tatsächlichen Geschehen orientieren, hypothetische Geschehensabläufe dürfen für die Frage eines Vergütungsanspruchs keine Berücksichtigung finden. Dass ein Erscheinen vor dem Amtsgericht trotz rechtzeitigem Erhalt der Nachricht von der Terminsabsetzung keine Gebühr auslösen würde, ergibt sich aus Anlage 1 zum RVG Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 3. Gleiches würde im Fall des absichtlichen Vereitelns des Erhaltes einer entsprechenden Nachricht gelten.
Im Übrigen ist in der heutigen Zeit mit ihren mobilen Telekommunikationsmöglichkeiten jeder Rechtsanwalt, zumal wenn er sich auf einer Geschäftsreise befindet, selbstverständlich telefonisch erreichbar, in einer Situation wie vorliegend mit einer längeren Anreise besteht erst recht eine Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass ihn etwaige Terminsabladungen erreichen.
Im Übrigen würde sich bei einer Vorverlegung des Begriffs „Erscheinen zum Termin" auf den Zeitpunkt „Beginn der Anreise zum Termin", was nach Ansicht des Senats mit dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang zu bringen ist, eine Vielzahl von Abgrenzungsproblemen ergeben. Wollte man bereits den Weg zur Hauptverhandlung für das Entstehen der Terminsgebühr ausreichen lassen, so würde sich sogleich die Frage stellen, wann der Beginn der Anreise zum Termin anzunehmen ist. Genügt bereits das Verlassen der Kanzleiräume? Entsteht die Terminsgebühr auch dann, wenn der Verteidiger bereits nach kurzer Strecke (nach wenigen Schritten) von der Terminsabsetzung durch Anruf auf seinem Handy Kenntnis erlangt und problemlos umkehren kann? Ist der Weg zum Termin angetreten, auch wenn der Verteidiger zuvor einen anderen Gerichtstermin wahrnehmen will und deshalb früher seine Kanzlei verlässt? Wäre die Anreise auch dann begonnen, wenn der Verteidiger zum Termin direkt von zu Hause aus aufbricht oder wenn er einen privaten Umweg einplant und deswegen früher aufbricht" Wäre eine Terminsgebühr auch anzusetzen, wenn der Rechtsanwalt auf dem Weg zum Gerichtsgebäude zur Teilnahme an mehreren an diesem Tag anberaumten Hauptverhandlungen von der Absetzung eines dieser späteren Termine erfährt? Soll der Verteidiger, der frühzeitig mit dem Zug zum Gerichtstermin anreist und auf der Strecke die Terminsabladung erhält, die Terminsgebühr im Gegensatz zu demjenigen Verteidiger erhalten, der einen späteren Zug oder das Flugzeug für die Anreise wählt und der deshalb noch rechtzeitig vor Abreise von der Terminsabsetzung Nachricht erhält?
Diese und eine Vielzahl weiterer möglicher Varianten im Zusammenhang mit der Anreise zur Hauptverhandlung können nicht im Rahmen des Ansatzes der gerichtlichen Terminsgebühr geklärt und entschieden werden und würden im Übrigen zu nicht nachprüfbaren Angaben bei der Beantragung der Terminsgebühr führen.
Der Gesetzgeber hat die Gewährung der gerichtlichen Terminsgebühr unabhängig von der Entfernung zwischen Kanzleisitz des Verteidigers und Gerichtsort an den Begriff des Erscheinens zur Hauptverhandlung bei Gericht geknüpft. Diese Regelung ist präzise und lässt nach Ansicht des Senats eine Auslegung nicht zu.
Soweit mit einer Anreise aus größerer Entfernung das dargestellte Risiko zwangsläufig verbunden ist, ist darauf hinzuweisen, dass es jedem Verteidiger freisteht, ob er ein Mandat bzw. eine Pflichtverteidigung in Kenntnis der weiten Entfernung zum Gerichtsort annehmen will oder nicht. Im Übrigen sieht das RVG für die längerfristige Abwesenheit eines Rechtsanwalts bei einer Geschäftsreise von seinem Kanzleisitz/ Wohnort eine zeitlich gestaffelte Vergütung durch das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG vor, das nicht nur dem Ausgleich der durch die Geschäftsreise verursachten Mehrkosten dient, sondern auch für die wegen der Reise nicht mögliche Ausübung sonstiger Geschäfte entschädigen soll. Von einer unbilligen gesetzlichen Regelung kann daher nicht ausgegangen werden.
Der Antrag der Rechtsanwältin R. auf eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG für die anberaumte Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Landshut am 15.1.2007 ist daher zurückzuweisen.
Ihr verbleibt für ihre vorbereitende Tätigkeit der Hauptverhandlung die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG und das Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG, beides wurde ihr bereits zugesprochen.
Die Entscheidung über die Gebührenfreiheit des Verfahrens und Nichterstattung der Kosten folgt aus § 33 Abs. 9 RVG.

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