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RVG Entscheidungen

Nr. 4100 VV

Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsvertreter

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Frankenthal (Pfalz), Beschl. v. 27.04.2023 - 1 Qs 76/23

Leitsatz:

Grundgebühr und Verfahrensgebühr entstehen nach den Änderungen durch das 2. KostRModG immer nebeneinander.


1 Qs 76/23

Landgericht Frankenthal (Pfalz)

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

Rechtsanwalt

wegen Handels mit oder Herstellens von oder Abgabe bzw. Besitz von nicht geringen Mengen BtM u.a.

hier: Beschwerde der Pflichtverteidigerin pp.

hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) durch die Richterin pp. am 27.04.2023 beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Rechtsanwältin Carolin Pp. vom 10.03.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 03.03.2023 wird dieser dahin-gehend abgeändert, dass zudem die beantragte Verfahrensgebühr festzusetzen ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 10.01.2022 (Bl. 413 d.A.) beantragte Rechtsanwältin pp. die Festsetzung von Gebühren (Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsgebühr) und Auslagen (Pauschale für Post und Telekommunikation) in Höhe von insgesamt 709,24 € Diesem Antrag lag folgender Verfahrensablauf zugrunde: In dem Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz gegen Herrn pp. fand am 23.12.2021 vor dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Mannheim die Eröffnung des Haftbefehls gegen den Beschuldigten statt. Ausweislich des Protokolls über die Haftbefehlseröffnung war zu diesem Termin Frau Rechtsanwältin pp. „als Vertreterin für RA pp“ (Bl. 57 R d.A.) erschienen und stellte den Antrag, den Haftbefehl nicht zu erlassen, hilfsweise gegen Auflagen außer Vollzug zu setzen (Bl. 58 d.A.). Der Beschuldigte erklärte, dass er eine Beiordnung von Rechtsanwältin Pp. als Pflichtverteidigerin „nur für den Termin“ wolle und Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger für das gesamte Verfahren beigeordnet werden solle (Bl. 58 R d.A.), woraufhin das Amtsgericht Mannheim dem Beschuldigten Rechtsanwältin Pp. „ausschließlich für die Haftbefehlseröffnung als Pflichtverteidigerin“ bestellte (Bl. 61 R d.A.).

Mit Beschluss vom 09.08.2022 (Bl. 417 d.A.) setzte das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein lediglich die Terminsgebühr nach Nr. 4103 VV RVG einschließlich anteiliger Umsatzsteuer und damit die an Rechtsanwältin pp aus der Staatskasse zu zahlenden Kosten auf insgesamt 217,77 € fest. Zur Begründung führte es aus, im Falle einer Beiordnung nur für die Haftbefehlseröffnung würden die Verfahrens- und Grundgebühr sowie die Auslagenpauschale nach der Rechtsprechung regelmäßig nicht anfallen.

Gegen diesen Beschluss legte Rechtsanwältin pp. mit Schriftsatz vom 12.08.2022 (Bl. 423 f. d.A.) Erinnerung nach § 56 RVG ein mit der Begründung, dass die Auffassung des Amtsgerichts, lediglich die Terminsgebühr sei entstanden, unzutreffend sei. Die vom Amtsgericht zitierte Rechtsprechung sei überholt; auch habe sich das RVG zwischenzeitlich geändert. Eine gebührenrechtliche Einstufung der Tätigkeit im Rahmen der Bestellung für einen Termin als Einzeltätigkeit sei nicht angezeigt, da der beigeordnete Rechtsanwalt in diesem Zeitraum umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut sei. Sie sei in dem Termin am 23.12.2021 auch nicht lediglich als Terminsvertreterin aufgetreten.

Die Bezirksrevisorin des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) nahm unter dem 02.09.202 (Bl. 432 ff.) Stellung zu der Erinnerung der Beschwerdeführerin und schloss sich der Begründung des Festsetzungsbeschlusses vom 09.08.2022 an. Auf die Stellungnahme wird vollumfänglich Bezug genommen.

Das Amtsgericht Ludwigshafen änderte den Beschluss vom 09.08.2022 daraufhin mit Beschluss vom 03.03.2023 dahingehend ab, dass auch die beantragte Grundgebühr festgesetzt wurde. Zur Begründung ist in dem Beschluss u. a. ausgeführt, dass seit dem Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 eine Vorführung des Beschuldigten zur Entscheidung über die Haft nach §§ 115, 115a StPO ein Fall der notwendigen Verteidigung sei. Eine in diesem Rahmen erfolgte Beiordnung sei grundsätzlich eine umfassende Beiordnung, weshalb regelmäßig davon auszugehen sei, dass sowohl Grund- als auch Verfahrensgebühr mit dieser Beiordnung anfallen. In dem hier zugrunde liegenden Fall hätte der Beschuldigte bereits im Vorfeld der Vorführung, nämlich im Rahmen seiner Vernehmung als Beschuldigter, von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht, woraufhin Rechtsanwalt pp. vor Ort erschienen sei. Da Rechtsanwalt pp. schon zu diesem Zeitpunkt angegeben habe, nicht zum Termin der Haftbefehlseröffnung erscheinen zu können, habe er angegeben, sich um Ersatz zu kümmern (Bl. 21 d.A.), weshalb davon auszugehen sei, dass er Rechtsanwältin Pp. um eine Vertretung im Termin vor dem Haftrichter gebeten habe. Es sei daher insgesamt von einem Fall der Terminsvertretung auszugehen. Die kostenrechtliche Folge einer solchen Terminsvertretung sei umstritten, wobei teilweise von einem doppelten Anfall der Gebühren (Grund- und Verfahrensgebühr) ausgegangen werde, dies teilweise aber auch abgelehnt werde. Aufgrund der im Hinblick auf die zeitliche Komponente mangelnden Vergleichbarkeit mit einer Terminsvertretung für einen Hauptverhandlungs-termin, wo in der Regel ein größerer Spielraum für die Terminfindung bestehe, sei nicht ersichtlich, weshalb die nunmehr notwendige Verteidigung kostenrechtlich zu Lasten der Rechtsanwälte gehen sollte. Da die Grundgebühr im Übrigen personenbezogen sei und dementsprechend in einem Verfahren nicht nur einmal anfallen könne, sei jedenfalls diese festzusetzen. Obgleich die Grund- und Verfahrensgebühr regelmäßig zusammentreffen würden, hätten beiden einen eigenen Abgeltungsbereich. Da die Grundgebühr bei Übernahme des Mandats anfalle und die erstmalige Einarbeitung u. a. auch das erste Gespräch mit dem Mandanten erfasse, sei diese vorliegend entstanden. Da die Verfahrensgebühr nur mit der ersten Tätigkeit, die der Rechtsanwalt aufgrund des Auftrags, die Verteidigung im Ganzen zu übernehmen, erbringt, entstehe, sei diese vorliegend nicht festzusetzen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle erhöhte daraufhin mit Beschluss vom 10.03.2023 die Vergütung um die Grundgebühr nebst Umsatzsteuer und setzte weitere 257,04 € fest.

Nach Einlegung der „sofortigen Beschwerde“ durch Rechtsanwältin Pp. vom 10.03.2023 übersandte das Amtsgericht die Akten dem Landgericht unter Hinweis auf die Beschwerde und zur weiteren Veranlassung (vgl. Bl. 524 R).

II.

Zwar mangelt es vorliegend an einer begründeten Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts, die grundsätzlich erforderlich ist, da es sich bei der Beschwerde nach § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 - Abs. 8 RVG nicht um eine „sofortige“, sondern um eine einfache, fristgebundende Beschwerde handelt und dies zur Folge hat, dass das Gericht, das den Beschluss erlassen hat, zunächst über eine beabsichtigte Nichtabhilfe durch begründeten Beschluss zu entscheiden hat, bevor es die Beschwerde dem Gericht der zweiten Instanz vorlegt (Gerold/Schmidt/Mayer RVG § 33 Rn. 15). Da vorliegend jedoch im Rahmen der Beschwerdebegründung keine neuen Tatsachen vorgetragen oder Aspekte aufgezeigt wurden, mit denen sich die Erstentscheidung nicht befasst hat, war eine Zurückverweisung an das Amtsgericht nicht erforderlich, sondern die Kammer konnte selbst entscheiden (vgl. OLG München, Beschl. v. 12.09.2003 - 21 W 2186/03, MDR 2004, 291-292, juris).

III.

Die Beschwerde ist gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und auch sonst zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands beträgt mehr als 200 €. Der Beschwerdeschriftsatz von Rechtsanwältin Pp. war dahingehend auszulegen, dass Gegenstand der Beschwerde der Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 03.03.2023 (nicht 06.03.2023) sein soll. Die Zweiwochenfrist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG begann mangels förmlicher Zustellung des Beschlusses vom 03.03.2023 (Bl. 501 d.A.) nie zu laufen. Da die Beschwerde am 10.03.2023 beim Amtsgericht Ludwigshafen einging (Bl. 519 d.A.), wäre die Frist aber ohnehin gewahrt worden.

Zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 2 RVG die Einzelrichterin (vgl. auch LG Koblenz, Beschluss vom 6. Juli 2020 – 2050 Js 5035/17 - 4 KLs –, juris). Eine Übertragung des Verfahrens auf die Kammer wegen besonderer Schwierigkeit der Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Art oder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 33 Abs. 8 S. 2 RVG) ist nicht erfolgt.

IV.

Die Beschwerde ist im Hinblick auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr begründet (1.). Soweit sie die Festsetzung einer Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienst-leistungen betrifft, ist sie unbegründet (2.).

1. Die Verfahrensgebühr entsteht - so die Vorbemerkung 4 Abs. 2 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG - für das Betreiben eines Geschäfts einschließlich der Information. Nach Nr. 4104 VV RVG kann diese Verfahrensgebühr auch schon im vorbereitenden Verfahren, d.h. im Zeitraum bis zum Eingang der Anklageschrift [...], entstehen. Die Verfahrensgebühr gilt grundsätzlich die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im vorbereitenden Verfahren mit Ausnahme der (besonderen) Tätigkeiten, die durch die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG oder gegebenenfalls durch die Gebühr für die Teilnahme an den in Nr. 4102 VV RVG genannten Terminen abgegolten werden, ab (Gerold/Schmidt/Burhoff RVG VV 4104 Rn. 6). Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG sieht vor, dass die Grundgebühr neben der Verfahrensgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall nur einmal und unabhängig davon, in welchem Verfahrensabschnitt sie erfolgt, entsteht. Während vor dem Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes die Abgrenzung zwischen der jeweiligen Verfahrensgebühr von der Grundgebühr streitig war, wurde durch die zuvor genannte Formulierung der Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG klargestellt, dass für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in (jedem) gerichtlichen Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr entsteht. Die Grundgebühr, die den zusätzlichen Aufwand für die erstmalige Einarbeitung in die Angelegenheit honorieren soll, entsteht daneben (Gerold/Schmidt/Burhoff RVG VV Vorbemerkung 4 Rn. 11). Tätigkeiten, die in den Abgeltungsbereich der Grundgebühr fallen, schließen das Anfallen der Verfahrensgebühr nicht aus. Grund- und Verfahrensgebühr entstehen insbesondere nicht zeitlich aneinander-gereiht, d. h. die Verfahrensgebühr entsteht - zeitlich gesehen - nicht erst, wenn die Grundgebühr durch erste Einarbeitung in den Fall entstanden ist, deren Abgeltungsbereich also abgegolten ist, und sodann weitere Tätigkeiten erbracht werden. Vielmehr haben beide Gebühren überschneidende Abgeltungsbereiche dahingehend, dass das Betreiben des Geschäfts einschließlich der In-formation auch durch die erste Akteneinsicht bzw. das erste Mandantengespräch erfolgt, was durch die Klarstellung in Nr. 4100 Abs. 1 VV RVG deutlich wird (BeckOK RVG/Knaudt RVG VV 4104 Rn. 9 f.). Dies zugrunde gelegt und wie von der Beschwerdeführerin zutreffend im Rahmen der Beschwerdebegründung ausgeführt, ist vorliegend daher auch von einer Entstehung der Verfahrensgebühr neben der Grundgebühr auszugehen, weshalb diese nebst anteiliger Umsatzsteuer ergänzend festzusetzen war.

2. Die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG war vorliegend jedoch nicht festzusetzen. Während deren Höhe irrelevant ist, ist Voraussetzung für die Festsetzung der Pauschale, dass überhaupt entsprechende Entgelte angefallen sind, was bei einer mündlichen Beratung bzw. Besprechung nicht der Fall ist. Dies ist vom Rechtsanwalt im Rahmen der Vergütungsfestsetzung - zum Beispiel durch Vorlage eines ent-sprechenden Schreibens - nachzuweisen (BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt RVG VV 7002 Rn. 2 f.). Soweit die Entgelte lediglich im Rahmen der Geltendmachung der Vergütung entstehen, können sie nicht abgerechnet werden (BeckOK RVG/K. Sommerfeldt/M. Sommerfeldt RVG VV 7001 Rn. 3). Da sich weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens noch aus der Akte im Übrigen ergibt, dass Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen tatsächlich angefallen sind, entspricht deren Nichtfestsetzung der Sach- und Rechtslage.

V.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).


Einsender: RÄin C. Hierstetter, Mannheim

Anmerkung: Grundgebühr nicht gewährt durch AG Ludwigshafen, Beschl. v. 03.03.2023 - 4a Ls 5227 Js 9474/22


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