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RVG Entscheidungen

Nr. 4102 VV

Vernehmungsterminsgebühr; Vorführungstermin

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, 5 Ws 283/06, 22. 06. 2006

Fundstellen:

Leitsatz: Die Gebühr Nr. 4102 Ziffer 3 Vv RVG entsteht auch, wenn der Rechtsanwalt an einem Termin gemäß § 128 Abs. 1 StPO teilnimmt und dort über den Erlass eines Haftbefehls verhandelt wird.


5 Ws 283/06
(528) 6 Op Js 586/05 KLs (15/05)

In der Strafsache gegen

J T,

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge u. a.

hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin durch die Richterin am Kammergericht Grabbe am 22. Juni 2006 beschlos-sen:


Die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin gegen die Beschlüsse des Landgerichts Berlin vom 21. Dezember 2005 und vom 22. April 2006 wird verworfen.
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert beträgt 158,92 Euro.


G r ü n d e :

Der Angeklagte wurde am 23. März 2005 vorläufig festgenommen unter der Beschuldigung, gewerbsmäßig mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben. Am 24. März 2005 meldete sich Rechtsanwalt F. K. als sein Verteidiger. Er verteidigte den – seinerzeit noch – Beschuldigten während des Vorführungstermins bei dem Ermittlungsrichter im Gebäude des Amtsgerichts Tiergarten – Bereitschaftsgericht – in Berlin-Tempelhof. Der Beschuldigte gab zu seinen persönlichen Ver-hältnissen eine Erklärung ab. Die Staatsanwaltschaft beantrag-te den Erlass eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten wegen des dringenden Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmit-teln in nicht geringer Menge. Der Verteidiger beantragte die Zurückweisung dieses Antrags, hilfsweise die Haftverschonung. Das Gericht erließ antragsgemäß den Haftbefehl; der Verteidi-ger hatte mit dem Hilfsantrag auf Haftverschonung Erfolg.

Am 25. April 2005 bestellte das Amtsgericht Tiergarten in Ber-lin Rechtsanwalt K. zum Pflichtverteidiger. Am 13. Juli 2005 erhob die Staatsanwaltschaft die Anklage zum Landgericht Ber-lin. Am 2. September 2005 verurteilte das Landgericht den An-geklagten – unter Einbeziehung einer weiteren Strafe - wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen eines sonstigen, verletzungsgeeigneten und –bestimmten Gegenstandes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren, fünf Monaten und zwei Wochen.

Nachdem der erste Rechtszug beendet war, beantragte Rechtsan-walt K. am 6. September 2005 die Festsetzung seiner Pflicht-verteidigervergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S.718, in Kraft seit dem 1. Ju-li 2004), die er wie folgt berechnete:

Grundgebühr mit Zuschlag Nr. 4101 VV 162,00 EUR
Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV 112,00 EUR
Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV 124,00 EUR
Terminsgebühr Nr. 4114 VV 216,00 EUR
Zusätzliche Terminsgebühr Nr. 4103 VV 137,00 EUR
Schreibauslagen Nr. 7000 1a 41,50 EUR
Pauschale für Post- u. Telekomm. Nr. 7002 VV 20,00 EUR
Zwischensumme netto 812,50 EUR
16% Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV 130,00 EUR
Gesamtbetrag 942,50 EUR.

Mit Beschluss vom 30. November 2005 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts (§ 55 Abs. 1 Satz 1 RVG) die Vergütung lediglich auf 783,58 Euro fest und begründete die Absetzung damit, dass für die Haftbefehlsverkündung am 24. März 2005 die Gebühr Nr. 4103 VV RVG einschließlich der antei-ligen Mehrwertsteuer nicht entstanden sei. Auf die Erinnerung des Verteidigers hob das Landgericht Berlin – Einzelrichter - mit Beschluss vom 21. Dezember 2005 den angefochtenen Kosten-festsetzungsbeschluss auf und setzte die Pflichtverteidiger-vergütung antragsgemäß fest, ohne zuvor die Bezirksrevisorin angehört zu haben. Nachdem diese von dem Beschluss Kenntnis erhalten hatte, focht sie ihn mit der „sofortigen Beschwer-de/Erinnerung gemäß § 56 RVG“ an. Hilfsweise erhob sie die „Anhörungsrüge/Gegenvorstellung“ und beantragte ausdrücklich die Zulassung der sofortigen Beschwerde wegen der grundsätzli-chen Bedeutung der Sache. Ihre Auffassung entspreche dem Wil-len des Gesetzgebers, die regelmäßig kurzen Termine zur Ver-kündung eines Haftbefehls, in denen keine Verhandlung zur Sa-che stattfinde, nicht zu vergüten. Die Strafkammer habe auch den zu dieser Thematik ergangenen Beschluss des 4. Strafsenats des Kammergerichts vom 31. August 2005 – 4 Ws 101/05 – nicht beachtet. Das Landgericht Berlin – Einzelrichter – bestätigte mit Beschluss vom 22. April 2006 seine Entscheidung „vom 21. Februar 2006“ (richtig: vom 21. Dezember 2005) ließ aber gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG die sofortige Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegen-heit zu. Gegen diesen Beschluss hat die Bezirksrevisorin die sofortige Beschwerde eingelegt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt zwar nicht den gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs.3 Satz 1 RVG erforderlichen Betrag von 200,- EUR. Das Landgericht hat das Rechtsmittel jedoch gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zugelassen. Die sofortige Be-schwerde ist rechtzeitig innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG erhoben, weil diese Frist nicht in Lauf gesetzt worden ist. Denn das Landgericht hat seine Entscheidungen nicht zugestellt, sondern die erste überhaupt nicht und die zweite lediglich formlos bekannt gemacht.

2. Der Senat entscheidet über das Rechtsmittel durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Zwar ist er hinsichtlich der Zulassung durch das Landgericht an dessen Bewertung gebun-den, der Sache komme eine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Ü-bertragung der Sache vom Einzelrichter auf den Senat gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG setzt jedoch eine eigenständige Prüfung dieser Frage durch das zuständige Se-natsmitglied voraus. Danach hat die Übertragung zu unterblei-ben, weil sich die Beantwortung der zugrunde liegenden Rechts-frage unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und schwierige Proble-me nicht aufwirft.

3. Das Landgericht hat korrekt entschieden. Der Verteidiger hat die Gebühr nach den Nrn. 4102 Ziff. 3, 4103 VV RVG durch seine Tätigkeit am 24. März 2005 verdient. Er hat seinem am Vortag vorläufig festgenommenen Mandanten bei der Verhandlung gemäß § 128 Abs. 1 StPO vor dem Ermittlungsrichter des Amtsge-richts Tiergarten beigestanden. Dort war erstmals darüber zu befinden, ob gegen den Beschuldigten ein Haftbefehl ergeht und – falls der Richter ihn erlässt – die Untersuchungshaft voll-zogen wird. Es unterliegt keinem Zweifel, dass diesen Ent-scheidungen eine Verhandlung vorausgegangen ist, die mehr ist als die reine Verkündung eines Haftbefehls. Bereits damit ist der Gebührentatbestand erfüllt (vgl. Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Nr. 4102 VV Rdn. 27). Der Umfang der Tätigkeit des Verteidigers wird im Streitfall besonders augenfällig. Denn das Protokoll weist über das Mindestmaß der erforderli-chen Tätigkeit (vgl. Burhoff aaO Rdn. 28) widerstreitende An-träge der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers aus, worauf-hin das Gericht teils der Staatsanwaltschaft, teils dem Ver-teidiger gefolgt ist.

Die von der Bezirksrevisorin herangezogene Entscheidung des 4. Strafsenats des Kammergerichts vom 31. August 2005 – 4 Ws 101/05 – betrifft einen anderen Fall – nämlich denjenigen, dass in einem Termin ein bereits bestehender Haftbefehl ledig-lich verkündet wird. In diesem Fall entsteht die Terminsgebühr nur dann, wenn sich an die Verkündung eine Verhandlung „an-schließt“. Auf die erstmalige Vorführung vor den Ermittlungs-richter kann diese Entscheidung keine Anwendung finden. Die Bezirksrevisorin überträgt zu Unrecht die Formulierung „sich anschließt“ auf einen unvergleichbaren Sachverhalt, so als enthielte nicht der Gesetzestext die Merkmale des Gebührentat-bestands, sondern jener Beschluß. Wenn – wie vorliegend – zu Beginn des Termins noch kein Haftbefehl besteht, so geht der richterlichen Entscheidung selbstverständlich – entgegen der Auffassung der Beschwerde – immer eine Verhandlung voraus. Von einer „reinen Vollzugsentscheidung“ (Beschwerdeschrift S. 6) kann keine Rede sein. Denn gemäß den §§ 128, 115 Abs. 3 StPO hat der Beschuldigte die Gelegenheit, die Verdachtsgründe oder die Haftgründe zu beseitigen. Damit dient die Verhandlung ty-pischerweise der Prüfung, ob sich die vorläufige Festnahme in die Anordnung der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Un-terbringung wandelt.

In diesem Stadium kämpft der Verteidiger für das Recht und das Wohl seines Mandanten, bevor die Entscheidung ergeht. Wenn die Haftentscheidung schließlich getroffen ist, wäre eine sich an die Rechtsmittelbelehrung, anschließende "nochmalige" Verhand-lung - wie in der Beschwerdeschrift angeführt wird (S. 6) - sinnlos.

Nach alledem kann offen bleiben, ob - was nahe liegt - die Ge-bühr auch nach den Nrn. 4102 Ziff. 1, 4103 VV RVG entstanden ist, weil der Beschuldigte vor dem Bereitschaftsrichter erst-mals richterlich vernommen worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Einsender: VorsRiKG Weißbrodt, KG

Anmerkung:


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