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Entscheidungen

StPO

Ablehnung, Besorgnis der Befangenheit, Gutes kollegiales Verhältnis

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.04.2010 - III-2 Ss 107/09 - 69/09 III

Fundstellen:

Leitsatz: Grundsätzlich ist ein rein kollegiales Verhältnis zwischen zwei Richtern nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Anders ist es jedoch dann, wenn der zuständige Richter und ein Verfahrensbeteiligter als Kollegen in demselben Spruchkörper tätig sind oder wenn das dienstliche Verhältnis so eng ist, dass es auf die persönliche Beziehung ausstrahlt.


OLG Düsseldorf,
Beschl. v. 12.04.2010, III-2 Ss 107/09 - 69/09 III

In pp.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine kleine Strafkammer des Landgerichts Duisburg zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht - Strafrichterin - hat gegen die Angeklagte mit Urteil vom 19. Dezember 2007 wegen Verleumdung eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 160,00 Euro verhängt.
Mit Urteil vom 10. Februar 2009 hat das Landgericht auf die Berufung der Staatsanwaltschaft und unter Verwerfung der Berufung der Angeklagten das vor- bezeichnete Urteil abgeändert und gegen die Angeklagte wegen Verleumdung in Tateinheit mit falscher Verdächtigung eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 160,00 Euro festgesetzt.
Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Revision.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge (vorläufig) Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache.
Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO vorliegt. Danach ist ein Urteil stets als auf einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen, wenn bei dem Urteil ein Richter mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesuch mit Unrecht verworfen worden ist.
Die auf § 338 Nr. 3 StPO gestützte Verfahrensrüge ist zulässig erhoben. Die Revisionsbegründung enthält die gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Tatsachen.
Die Rüge ist auch begründet. Die Ablehnungsgesuche, mit denen die Angeklagte den Vorsitzenden der Berufungsstrafkammer, den Vorsitzenden Richter am Landgericht B., wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, sind vom Landgericht zu Unrecht verworfen worden.
Zu Unrecht verworfen ist ein Ablehnungsgesuch u. a. insbesondere dann, wenn es zulässig und sachlich begründet war (BGHSt 18, 200, 204; 23, 265, 267; 50, 216; Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage 2009, § 338 Rdnr. 28; Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage 2008, § 338 Rdnr. 59).
Gemäß § 24 Abs. 1 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Nach § 24 Abs. 2 StPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Ein derartiges Misstrauen ist gerechtfertigt, wenn der Ablehnende - hier die Angeklagte - bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen kann, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BVerfGE 32, 288, 290; BGHSt 1, 34, 39; 24, 336, 338; Meyer-Goßner, StPO, a. a. O., § 24 Rdnr. 8; Fischer in Karlsruher Kommentar zur StPO, a. a. O., § 24 Rdnr. 1). Insoweit kommt es stets auf den Standpunkt des Ablehnenden an, wobei nicht dessen subjektiver Eindruck entscheidend ist, sondern die Würdigung der objektiv gegebenen Tatsachen aus der Sicht des Ablehnenden. Nicht erheblich ist auch, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist oder nicht.
Hier konnte die Angeklagte von ihrem Standpunkt aus bei verständiger Sicht der maßgebenden Umstände Zweifel an der Unparteilichkeit des Vorsitzenden der Berufungsstrafkammer, VRLG C, haben.
Zu diesem Ergebnis führt die notwendige Gesamtabwägung der vorliegenden Tatsachen. Ausweislich der Gründe des angefochtenen Urteils hat die Angeklagte in einem Schreiben an die Justizministerin des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2006 unter anderem ausgeführt, die als Zeugin vernommene Vorsitzende Richterin am Landgericht V. habe im Anschluss an die Hauptverhandlung in der Strafsache gegen J.G. wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen u. a. - in der die Angeklagte als Verteidigerin tätig war - mündlich erklärt, die beisitzende Richterin der Strafkammer habe "für einen Freispruch gekämpft". Aus den Urteilsgründen ergibt sich ebenfalls, dass die Zeugin V. diese Äußerung und die damit verbundene Verletzung des Beratungsgeheimnisses in Abrede gestellt hat.
Zwar sind auch zwei weitere in der damaligen Hauptverhandlung anwesende Personen vernommen worden, nämlich Staatsanwalt B. und der frühere Angeklagte G.. Dennoch kommt es für die Überzeugungsbildung der Strafkammer entscheidend auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin V. an, um deren tatsächliche oder angebliche Äußerung es ging. Die Meinungsbildung der Kammer über deren Glaubwürdigkeit ist in besonderer Weise für die Urteils- findung von Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist die berufliche und kollegiale Beziehung zwischen dem Vorsitzenden VRLG B. und der Zeugin VRLG V. zu würdigen.
Beide Richter leiten als Vorsitzende eine kleine Strafkammer des Landgerichts Wuppertal. Sie pflegen ein - wie es VRLG B. in seiner Selbstanzeige vom 14. März 2008 ausgedrückt hat - "sehr gutes kollegiales Verhältnis" und duzen sich. Nachdem VRLG B. eine kleine Strafkammer bei dem Landgericht Wuppertal übernommen hat, hat er sich bei Problemen in der praktischen Dezernatsarbeit an seine Kollegin W gewandt, die ihm in zahlreichen Fällen mit Hinweisen und Ratschlägen geholfen hat. Frau V. war für Herrn B. - wie dieser selbst ausführt - die "Hauptansprechpartnerin". Hinzu kommt, dass sich beide Richter gegenseitig vertreten, und zwar nicht nur hinsichtlich ihrer Tätigkeit in den jeweiligen kleinen Strafkammern, sondern seit 2009 ist Herr B. auch hinsichtlich der von Frau V. geleiteten Führungsaufsichtsstelle deren Vertreter. Darüber hinaus sind beide Richter gegenseitig jeweils zweiter Richter im Sinne des § 76 Abs. 3 Satz 1 GVG in den von ihnen geleiteten Strafkammern. Diese Zuständigkeit ist nicht nur theoretisch im Geschäftsverteilungsplan geregelt. In seiner Selbstanzeige vom 14. März 2008 hat VRLG B. ausgeführt, er habe bereits als zweiter Richter in einer von Frau V. geleiteten Hauptverhandlung mitgewirkt.
Zwar ist im Ausgangspunkt ein rein kollegiales Verhältnis zwischen zwei Richtern nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern DVBl 2001, 938; Meyer-Goßner, StPO, a. a. O., § 24 Rdnr. 10). Anders ist es jedoch dann, wenn der zuständige Richter und ein Verfahrensbeteiligter als Kollegen in demselben Spruchkörper tätig sind (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern a. a. O.) oder wenn das dienstliche Verhältnis so eng ist, dass es auf die persönliche Beziehung ausstrahlt (Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2006, § 24 Rdnr. 34).
Hier sind die Vorsitzenden Richter am Landgericht B. und V. zwar nicht bei jeder Strafsache im selben Spruchkörper tätig, sondern nur für den Fall des § 76 Abs. 3 Satz 1 GVG. Hinzu kommt jedoch die gegenseitige Vertretung in den Strafkammern und die Vertretung der Vorsitzenden V. in der Leitung der Führungsaufsichtsstelle durch den Vorsitzenden B..
Von entscheidender Bedeutung ist indes die zu diesem dienstlichen Kontakt hinzutretende Tatsache der Zusammenarbeit zwischen den beiden Kammer-vorsitzenden. Frau V. hat Herrn B. in zahlreichen Fällen Hilfe ge- leistet und ihm Ratschläge gegeben, sie war bei praktischen Problemen in der Einarbeitung seine "Hauptansprechpartnerin". Diese umfassende Zusammen-arbeit und Hilfestellung geht über ein rein kollegiales Verhältnis zwischen zwei Richtern, die nicht derselben Kammer angehören, weit hinaus.
Aus der maßgeblichen Sicht der Angeklagten ist es daher nachvollziehbar, wenn diese - auch wenn es im Ergebnis nicht zutreffend sein sollte - den Eindruck gewinnt, VRLG B. begegne ihrer Strafsache nicht mit der notwendigen Neutralität und Unbefangenheit, insbesondere wenn er die Glaubwürdigkeit der Zeugin V. zu beurteilen hat.
Wegen des aufgezeigten Mangels ist das angefochtene Urteil nach §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer zurückzuverweisen. Der Senat verweist die Sache nicht an eine andere Strafkammer des Landgerichts Wuppertal, sondern an eine kleine Strafkammer des Landgerichts Duisburg, das ein Gericht gleicher Ordnung im Sinne des § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO ist. Im Hinblick darauf, dass die Zeugin V. als Vorsitzende Richterin am Landgericht Wuppertal tätig war und ist, hält es der Senat für angebracht, dass die neue Hauptverhandlung nicht am Land- gericht Wuppertal stattfindet (vgl. hierzu Kuckein in Karlsruher Kommentar zur StPO, a. a. O., § 354 Rdnr. 37).


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