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Entscheidungen

StPO

Ungebühr, Hauptverhandlung, Ordnungsgeld

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 03.02.2010 - 2 Ws 62/10

Leitsatz: Verhängung eines Ordnungsgeldes aufgrund ungebührlichen Verhaltens in der Hauptverhandlung einer wegen Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage und versuchter Strafvereitelung angeklagten Rechtsanwältin


OBERLANDESGERICHT KÖLN
BESCHLUSS
In der Strafsache
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln
auf die sofortige Beschwerde der Angeklagten vom 7.1.2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts A. vom 6.1.2010, durch den gegen die Angeklagte ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 €, ersatzweise 1 Tag Ordnungshaft je 100 € festgesetzt worden ist,
am 3. Februar 2010
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Angeklagten verworfen.
Gründe:
Gegen die Angeklagte wird vor dem Amtsgericht A. ein Strafverfahren wegen des Vorwurfs der Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung geführt.
Für den 4. Verhandlungstag, den 6.1.2010, ist im Protokoll u.a. Folgendes vermerkt:
„Terminierungsprobleme werden erörtert. Rechtsanwalt J. erklärt gegenüber der Vorsitzenden: Machen Sie einen neuen Verhandlungsblock von 2 Tagen. Ich garantiere Ihnen, dass wir in 2 Tagen fertig sein werden.
Die Angeklagte wird dazu ermahnt, nur dann etwas zu sagen, wenn das Gericht ihr das Wort erteilt hat.
Sie wird darauf hingewiesen, dass sie mehrfach das Gericht auch in der Vergangenheit unterbrochen hat.
Es wird festgestellt, dass die Angeklagte das Gericht nochmals unterbrochen hat, als das Gericht ansetzte, sie nochmals zu ermahnen.
Die Vorsitzende erklärt: „Ich weise darauf hin, dass bei der nächsten Unterbrechung und bei weiterem ungebührlichem Verhalten ein Ordnungsgeld in Höhe bis zu 1.000 Euro ersatzweise Ordnungshaft verhängt werden kann.
Die Terminierungsproblematik wird erneut erörtert.
Die Angeklagte erklärt: Ich kann erst ab dem 12.03. einen Ganztagestermin wahrnehmen, sonst komme ich eben nicht.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft erklärt, dass es gesetzlich möglich ist, auch in Abwesenheit der Angeklagten zu verhandeln. Rechtsanwalt J. erklärt: Ich halte die Anwesenheit meiner Mandantin im Termin für erforderlich.
Auf die Bitte des Gerichts, die Verteidigung möge sich draußen wegen der weiteren Terminierung mit der Angeklagten abstimmen, erklärt die Angeklagte, nachdem sie gefragt hat, ob sie denn nun wieder reden dürfe und das Gericht dies bejaht hat: „Wie großzügig von Ihnen“.“
Daraufhin hat die Vorsitzende folgenden Beschluss verkündet:
„Wegen ungebührlichen Verhaltens der Angeklagten vor Gericht, nämlich das soeben protokollierte Verhalten, wird gegen die Angeklagte ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro, ersatzweise 1 Tag Ordnungshaft je 100 Euro festgesetzt.“
Gegen diesen Beschluss hat Rechtsanwalt J. durch Schriftsatz vom 7.1.2010, der am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen ist, sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit dem Rechtsmittel wird geltend gemacht, die Angeklagte habe zu keinem Zeitpunkt unmittelbaren Kontakt mit der Abteilungsrichterin oder der Staatsanwaltschaft aufgenommen, sondern sich ausschließlich an den neben ihr sitzenden Verteidiger gewandt, was ihr nicht verwehrt werden könne. Im Zusammenhang mit einer Terminsunterbrechung habe die Angeklagte gegenüber ihrem Verteidiger erklärt:
„Wie großzügig“. Die Abteilungsrichterin messe zudem mit zweierlei Maß, weil sie gegen einen zuvor vernommenen Zeugen, der ihm, Rechtsanwalt J., gegenüber u.a. erklärt habe, er gehe ihm auf die Eier, den Erlass eines Ordnungsgeldbeschlusses abgelehnt habe.
Die als Verteidigerin tätige Angeklagte empfinde die Hauptverhandlungssituation als unangenehm. Auf diesem Hintergrund könne nicht jede (Über)reaktion als ungebührliches Verhalten gewertet werden.
II.
Die sofortige Beschwerde ist nach § 181 GVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Die Förmlichkeiten des § 182 GVG – Protokollierung des in der Sitzung verkündeten Beschlusses und dessen Veranlassung – sind beachtet worden.
Die Auffassung der Vorsitzenden, das Verhalten der Angeklagten stelle eine Ungebühr im Sinne von § 178 GVG dar, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Vorschrift des § 178 GVG verfolgt nach heutiger Auffassung überwiegend praktische Zwecke. Sie soll – ggfs durch scharfe und sofortige Reaktion – den gesetzesmäßigen Ablauf der Verhandlung sichern. Unter Ungebühr wird verstanden ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung, auf deren justizgemäßen Ablauf, auf den Gerichtsfrieden und auch auf Ehre und Würde des Gerichts, dessen Autorität vor Einbußen zu bewahren ist (vgl LR-Wickern, StPO,25. Auflage, § 178 GVG Rdn. .3; KK-Diemer, StPO, 6. Auflage, § 178 GVG Rdn. 1, 2; Meyer-Goßner, StPO 52. Auflage, § 178 GVG Rdn. 2).
An diesen Maßstäben gemessen ist das Verhalten der Angeklagten nach den im Protokoll enthaltenen Feststellungen, von deren Richtigkeit der Senat auch in Anbetracht der abweichenden Darstellung der Angeklagten in der Beschwerdeschrift ausgeht, durchaus als Ungebühr zu bewerten.
Die mehrfachen Unterbrechungen des Gerichts gipfeln, nachdem der Angeklagten das Wort erteilt worden war, in der Äußerung „Wie großzügig von Ihnen.“ Nach dem protokollierten Wortlaut handelt es sich eindeutig nicht, wie mit der sofortigen Beschwerde geltend gemacht wird, um eine an den Verteidiger gerichtete Bemerkung, sondern um eine Missachtensäußerung gegenüber dem Gericht, die mit dem vorangegangenen Verhalten der Angeklagten in Übereinstimmung steht. Bereits am vorangegangenen Verhandlungstag hatte sie – allerdings nach Schluss der Verhandlung – in einer für sie als Rechtsanwältin und damit selbst Organ der Rechtspflege nicht mehr hinnehmbaren Weise die Richterin persönlich beleidigt und das Gericht massiv angegriffen, indem sie die Verhandlung als Kindergartenveranstaltung bezeichnete und meinte, das Urteil solle am Besten direkt verkündet werden, es sei doch bestimmt schon irgendwo geschrieben. Sie lasse sich den Mund nicht verbieten, auch nicht während der Verhandlung.
Unter diesen Umständen bedurfte es auch nicht noch einer Anhörung der Angeklagten vor der Verhängung des Ordnungsgeldes. Der Senat hat – was allgemeiner Auffassung entspricht – bereits mehrfach entschieden, dass die Anhörung unterbleiben kann, wenn Ungebühr und Ungebührwille völlig außer Frage stehen, weil der Betroffene es offensichtlich darauf anlegt, das Gericht zu provozieren und wenn nach dem Verhalten des Täters bei Gewährung rechtlichen Gehörs mit weiteren groben Ausfällen gerechnet werden muss (vgl SenE v. 30.06.2006 – 2 Ws 301/06 m.w.N.-; SenE v. 29.09.2006 – 2 Ws 477/06 ). So liegt der Fall hier. Im Übrigen war der Angeklagten bereits unmittelbar zuvor bei weiterem ungebührlichen Verhalten ein Ordnungsgeld von bis zu 1 000 € angedroht worden. Diesen Rahmen hat das Gericht nicht einmal ausgeschöpft. Die Angeklagte war jedenfalls hinreichend gewarnt. Dass sie die gegen sie als Angeklagte geführte Verhandlung als unangenehm empfindet, entschuldigt ihr Verhalten nicht. Insbesondere verwundert es, dass ihr Verteidiger unter diesen Umständen am 3. Verhandlungstag beantragt hat, die Hauptverhandlung in einen größeren Sitzungssaal zu verlegen, damit noch mehr Zuschauer an der Verhandlung teilnehmen könnten.
Das Verhalten der Angeklagten lässt sich auch nicht mit der sicherlich ungebührlichen Äußerung des Zeugen K. gegenüber dem Verteidiger Rechtsanwalt J., er gehe ihm auf die Eier, vergleichen. Dieser Äußerung war eine vom Staatsanwalt und Zeugenbeistand als provozierend bezeichnete Befragung durch den Verteidiger vorausgegangen, auf die der Zeuge schließlich – fast hilflos – antwortete: „Sie machen mich ganz kirre.“ Es handelt sich in dieser Situation um eine spontane Entgleisung des Zeugen, die – anders als die systematische Missachtung des Gerichts durch die Angeklagte – mit einer Verwarnung ausreichend geahndet war.


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