Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Entpflichtung, gröbliche Pflichtverletzung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl. v. 10.01.2023 - 1 Ws 6 u. 9/23

Eigener Leitsatz:

1. Zur verneinten Entpflichtung des Pflichtverteidigers wegen gröblicher Pflichtverletzung.
2. Eine Terminsverfügung des Vorsitzenden kann allenfalls dann mit der Beschwerde angefochten werden, wenn die Entscheidung evident fehlerhaft ist. Letzteres ist nur dann der Fall, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffene Entscheidung für einen Angeklagten eine besondere, selbständige Beschwer beinhaltet.


OLG Oldenburg

1 Ws 6+9/23

Beschluss

In der Strafsache
gegen pp.

wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a.,

Verteidiger:

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 10. Januar 2023 durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:

1. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 22. Dezember 2022, durch den sein Antrag, Rechtsanwalt pp, zu entpflichten, abgelehnt worden ist, wird seine Kosten als unbegründet verworfen.
2. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 22. Dezember 2022, durch den sein Antrag auf Verlegung des Berufungstermins am 11. Januar 2023 zurückgewiesen worden ist, wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe

zu 1.:

Mit seiner durch Rechtsanwalt pp. am 29. Dezember 2022 angebrachten und mit Schriftsatz vom 9. Januar 2023 ausgeführten sofortigen Beschwerde wendet sich der Angeklagte gegen den Beschluss der Vorsitzen-den der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 22. Dezember 2022, durch den sein Antrag auf Entpflichtung des ihm am 15. Juli 2021 durch das Amtsgericht Emden bestellten Pflichtverteidigers Rechtsanwalt pp. gemäß § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO zurückgewiesen worden ist.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 143a Abs. 4 StPO), bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.

Die Aufrechterhaltung der Beiordnung ist gemäß § 143a Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. StPO aus den Gründen des § 144 StPO erforderlich, denn es steht ansonsten kein Verteidiger - insbesondere nicht der Wahlverteidiger Rechtsanwalt pp. - zur Verfügung, der den am 11. Januar 2023 anstehenden Hauptverhandlungstermin wahrnehmen kann. Es besteht damit ein unabweisbares Bedürfnis dafür, zur Sicherung des Verfahrens den Pflichtverteidiger, mit dem die Hauptverhandlungstermine abgestimmt sind, neben dem Wahlverteidiger tätig bleiben zu lassen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 143a Rz. 7; § 44 Rz. 3).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nunmehr erstmals mit der Beschwerdebegründung geltend gemacht wird, auch Rechtsanwalt pp. stünde nicht zur Verfügung, weil seine Bestellung gemäß § 143a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 StPO aufzuheben wäre. Die vorgetragene ernsthafte Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und dem ihm bestellten Verteidiger vermag der Senat nicht zu erkennen. Ob eine solche Störung vorliegt, ist vom Standpunkt eines vernünftigen und verständigen Beschuldigten aus zu beurteilen. Hieran gemessen ist der Umstand, dass Rechtsanwalt pp. trotz der dem Angeklagten gegenüber erklärten Unmöglichkeit, die Berufung in der nach § 32d Satz 2 StPO erforderlichen Form einzulegen, am 14. März 2022 seine Gebühren und Auslagen gegenüber dem Amtsgericht Emden geltend zu machen in der Lage war, nicht geeignet, eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu begründen. Der auf den 10. März 2022 datierte Kostenfestsetzungsantrag des bestellten Verteidigers (Bl. I 181 d.A.) bedurfte anders als die Berufungseinlegung nicht der besonderen Form der elektronischen Übermittlung und ist tatsächlich auch in Papierform gestellt worden. Für den Angeklagten bestand daher kein Anlass zu der Annahme, Rechtsanwalt pp. habe eine Störung des elektronischen Übermittlungsweges nur vorgeschoben, um selbst die Berufung nicht einlegen zu müssen und stattdessen den Angeklagten damit zu belasten. Soweit der Angeklagte geltend macht, dass Rechtanwalt pp. nach seiner Bestellung am 15. Juli 2021 lediglich im August 2021 Akteneinsicht genommen habe, trifft dies zwar zu. Indessen waren nach Abschluss der Ermittlungen und Durchführung der erstinstanzlichen Hauptverhandlung weitere den Tatvorwurf betreffende Akteneingänge nicht zu erwarten (und sind auch tatsächlich nicht zur Akte gelangt), so dass dieser Umstand unter dem Gesichtspunkt einer groben Pflichtverletzung die Annahme, eine angemessene Verteidigung sei nicht gewährleistet, nicht rechtfertigt. Im Hinblick auf die bislang vor der Berufungsverhandlung nicht erfolgte Besprechung ist schon nicht erkennbar, dass der Pflichtverteidiger sich einer seitens des - sich auf freiem Fuß befindlichen - Angeklagten gewünschten Kontaktaufnahme entzogen hätte. Im übrigen liegt es grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Verteidigers, in welchem Umfang und auf welche Weise er mit dem Beschuldigten Kontakt hält (vgl. BGH, Beschluss v. 24.03.2021, StB 9/21, bei juris Rz. 4).

zu 2.:

Mit seinem durch Rechtsanwalt pp. angebrachten Rechtsmittel vom 29. Dezember 2022 wendet sich der Angeklagte gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 1. kleinen Strafkammer des Landgerichts Aurich vom 22. Dezember 2022, durch den sein Antrag auf Verlegung des Berufungstermins am 11. Januar 2023 zurückgewiesen worden. Diese hat dem als (einfache) Beschwerde anzusehenden Rechtsmittel mit Beschluss vom 30. Dezember 2022 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg

Nach § 305 Abs. 1 Satz 1 StPO unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfindung vorausgehen - abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen -, nicht der Beschwerde durch die Verfahrensbeteiligten. Ob durch diese Bestimmung die Beschwerde des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gegen eine Terminsverfügung bereits generell ausgeschlossen ist (so OLG Hamm, Beschluss v. 01.09.2009, NStZ-RR 2010, 283) oder diese allenfalls dann mit der Beschwerde angefochten werden kann, wenn die Entscheidung evident fehlerhaft ist, kann vorliegend dahinstehen.

Denn Letzteres ist nur dann der Fall, wenn eine in rechtsfehlerhafter Ermessensausübung getroffene Entscheidung für einen Angeklagten eine besondere, selbständige Beschwer beinhaltet, weil sein Recht, sich eines Verteidigers seines Vertrauens zu bedienen, beeinträchtigt worden ist, dies leicht zu vermeiden gewesen wäre und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung offen-sichtlich ist (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 18.11.2011, 1 Ws 453/11, NJW 2012, 246 m.w.N.).

Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben.

Zwar hat ein Angeklagter grundsätzlich das Recht, sich in einem Strafverfahren von einem Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen. Daraus folgt aber nicht, dass bei jeder Verhinderung des gewählten Verteidigers eine Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nicht durchgeführt werden könnte. Die Terminierung ist grundsätzlich Sache des Vorsitzenden. Hierüber und insbesondere über Anträge auf Terminsverlegungen oder -aufhebungen hat er nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der eigenen Terminsplanung, der Gesamtbelastung der Kammer, des Gebots der Verfahrensbeschleunigung und der berechtigten Interessen aller Prozessbeteiligten zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss v. 20.06.2006, 1 StR 169/06, NStZ-RR 2006, 271).

Dem wird die Entscheidung des Vorsitzenden der 1. kleinen Strafkammer gerecht. Der Termin zur Berufungshauptverhandlung am 11. Januar 2023 war bereits mit Verfügung vom 11. Juli 2022 festgesetzt worden. Der Angeklagte hatte hiervon jedenfalls mit Zustellung der Ladung am 9. August 2022 Kenntnis. Die Vertretung des Angeklagten durch Rechtsanwalt pp. war dem Landgericht erst mit Schriftsatz vom 11. November 2022 mitgeteilt worden. Erst mit Schriftsatz vom 19. November 2022 hatte dieser zudem mitgeteilt, am vorgesehenen Termin verhindert zu sein.

Bei dieser Sachlage stellt sich Ablehnung des Verlegungsantrages nicht als ermessensfehlerhaft dar, zumal eine Terminsaufhebung wegen der Arbeitsbelastung der Berufungskammer zu einer erheblichen Verzögerung führen würde.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RA H. Urbanzyk, Coesfeld

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".