Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

Corona

Corona, unrichtiges Gesundheitszeugnis, Impfunfähigkeitsbescheinigung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Lüneburg, Beschl. v. 08.09.2022 - 22 Qs 55/22

Leitsatz des Gerichts: Eine Bescheinigung der vorläufigen Impfunfähigkeit ist kein unrichtiges Gesundheitszeugnis i. S. d. § 279 StGB.


In pp.

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des AG Lüneburg vom 23.08.2022 wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die der Angeschuldigten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe

I.

Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Lüneburg, mit welchem der Erlass des beantragten Strafbefehls abgelehnt wurde.

Mit Antrag vom 18.08.2022 (1107 Js 16223/22) hat die Staatsanwaltschaft in Lüneburg beantragt, gegen die Angeschuldigte einen Strafbefehl wegen des Gebrauchs eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses gem. § 279 StGB zu erlassen und eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 30 € festzusetzen. Sie wirft ihr vor, über ein Internetportal gegen Entgelt eine auf ihren Namen lautende vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung einer ehemaligen Ärztin erworben und anschließend dem Gesundheitsamt Harburg vorgelegt zu haben, um den Anschein einer Impfunfähigkeit zu erwecken. Dabei sei der Angeschuldigten bewusst gewesen, dass die vorläufige Impfunfähigkeit ohne eine vorhergehende medizinische Untersuchung durch die ausstellende Ärztin attestiert wurde.

Die vorgelegte Bescheinigung ist mit „Gutachten zur Bescheinigung einer vorläufigen Impfunfähigkeit“ überschrieben. Weiter heißt es darin:

„Aufgrund meiner ärztlichen Einschätzung und Bewertung komme ich nach freiem Ermessen zu folgender privatgutachterlichen Einschätzung:

Bis zum Ausschluss einer möglichen schwerwiegenden Allergie gegen einen der Inhaltsstoffe der in der EU zugelassenen Impfstoffe gegen Covid-19 (...) durch eine fachärztliche allergologische Abklärung soll bei I.K. keine Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus erfolgen.

Bis zur Vorstellung und Abklärung durch ein allergologisches Zentrum und/oder abschließende Beurteilung durch einen Amtsarzt ist I.K. daher vorläufig impfunfähig.

Diese Bescheinigung gilt bis zur o.g. Abklärung, spätestens bis zum 08.09.2022.“

Die Angeschuldigte hat noch im Ermittlungsverfahren vorgetragen, dass sie sich bei Vorlage des Gutachtens beim Gesundheitsamt keiner Schuld bewusst gewesen sei. Insbesondere sei ihr nicht bekannt gewesen, dass sie sich bei der ausstellenden Ärztin persönlich hätte vorstellen müssen. Zugleich reichte sie ein von ihr an ihre Krankenversicherung gerichtetes Schreiben vom 31.03.2022 ein, in welchem sie um Übernahme der Kosten für eine Verdachtsabklärung auf etwaige Allergien bei einem Allergologen bat.

Mit Beschluss vom 23.08.2022 (15 Cs 591/22) hat das Amtsgericht Lüneburg den Erlass des Strafbefehls gem. § 408 Abs. 2 Satz 1 StPO mit der Begründung abgelehnt, dass das „Gutachten zur Bescheinigung einer vorläufigen Impfunfähigkeit“ kein Gesundheitszeugnis i.S.d. §§ 278, 279 StGB darstelle. Denn es enthalte keine individuelle Gesundheitszustandsbeschreibung, sondern nur allgemeine Ausführungen dazu, dass bis zum Ausschluss einer allergologischen Disposition bei der Angeschuldigten gegenüber einem in der EU zugelassenen Impfstoff gegen COVID-19 oder eine abschließende Beurteilung eines solchen Risikos durch den Amtsarzt nach ärztlicher Expertise eine Impfung vorläufig nicht erfolgen solle. Dem Gutachten sei weiterhin zu entnehmen, dass der Gutachter eine solche allergologische Abklärung weder veranlasst, noch durchgeführt habe, eine individuelle Untersuchung der Angeschuldigten also gerade nicht stattgefunden habe.

Gegen diesen, am 25.08.2022 bei ihr eingegangenen Beschluss hat die Staatsanwaltschaft Lüneburg mit Schreiben vom 29.08.2022 sofortige Beschwerde eingelegt, welche am 30.08.2022 beim Amtsgericht Lüneburg eingegangen ist. Aus ihrer Sicht stelle die von der Angeschuldigten vorgelegte Bescheinigung sehr wohl ein unrichtiges Gesundheitszeugnis i.S.d. §§ 277 ff. dar. Das „Gutachten“ sei aus ihrer Sicht nur so zu verstehen, dass bei der Angeschuldigten individuelle medizinische Gründe vorgelegen hätten, aufgrund derer eine Impfung kontraindiziert sei. Aus der in der Bescheinigung gewählten Formulierung „Aufgrund meiner ärztlichen Einschätzung und Bewertung....“ ergebe sich für Außenstehende der Eindruck, dass das Gutachten nach einer individuellen Betrachtung und Bewertung im Nachgang zu einer Untersuchung erfolgt sei.

II.

Die gemäß § 408 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. 210 Abs. 2 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Lüneburg gegen den Beschluss des Amtsgericht Lüneburg vom 23.08.2022 hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Bescheinigung der ehemaligen Ärztin Dr. med. pp. vom 08.03.2022 stellt nach Aktenlage kein unrichtiges Gesundheitszeugnis dar.

Gemäß § 279 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer, um eine Behörde oder eine Versicherungsgesellschaft über seinen oder eines anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnis der in den §§ 277, 278 StGB bezeichneten Art Gebrauch macht. Gemäß § 278 StGB gilt: Ärzte und andere approbierte Medizinalpersonen, welche ein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauch bei einer Behörde oder Versicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Ein Zeugnis im Sinne dieser Vorschrift meint dabei insbesondere eine Bescheinigung über den gegenwärtigen Gesundheitszustand eines Menschen. Erfasst sind dabei auch die von einem Arzt ausgestellten Krankenscheine und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (vgl. nur Heine/Schuster in Schönke/Schröder, 30. Aufl. 2019, StGB § 277 Rn. 2). Nicht erforderlich ist, dass die Bescheinigung eine Diagnose enthält (OLG Stuttgart, Urteil vom 25.09.2013 – 2 Ss 519/13). Unrichtig ist das Zeugnis im Sinne des § 278 StGB auch dann, wenn die miterklärten Grundlagen der Beurteilung in einem wesentlichen Punkt nicht der Wahrheit entsprechen. Dies ist etwa in der Regel der Fall, wenn die für die Beurteilung des Gesundheitszustands erforderliche Untersuchung nicht durchgeführt wurde (vgl. nur Fischer StGB, 68. Aufl. 2021, § 278 Rn. 4 m.w.N.). Das Vertrauen in das ärztliche Zeugnis beruht nämlich darauf, dass eine ordnungsgemäße Informationsgewinnung stattgefunden hat; ihre Vornahme wird konkludent miterklärt (vgl. Heine/Schuster, aaO § 278 Rn. 2, vgl. auch Schuhr in Spickhoff Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, StGB § 278 Rn. 11). Das Unterlassen einer Untersuchung, die eine zusätzliche Beurteilungsgrundlage ergeben hätte, macht aber ein Zeugnis noch nicht unrichtig; es kommt darauf an, welches Maß an Genauigkeit im Einzelfall erforderlich gewesen wäre (vgl. nur Fischer aaO). Welche Form der Untersuchung erforderlich und so konkludent miterklärt wird, ist demnach einzelfallabhängig und nach medizinischen bzw. medizinrechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden.

Gemessen daran stellte die vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung der ehemaligen Ärztin Dr. med. pp. vom 08.03.2022 nach Aktenlage kein unrichtiges Zeugnis über den Gesundheitszustand eines Menschen im Sinne des § 279 StGB dar.

Denn es wurde hierin kein Gesundheitszustand des Angeschuldigten bescheinigt. Die ausstellende Ärztin hat lediglich erklärt, dass sie nach freiem Ermessen zu der Einschätzung komme, dass bis zur Abklärung, ob bei der Angeschuldigten eine mögliche schwerwiegende Allergie gegen einen der Inhaltsstoffe der in der EU zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 bestehe, keine Impfung erfolgen solle und die Angeschuldigte daher vorläufig impfunfähig sei. Aus der gewählten Formulierung ergibt sich gerade nicht, dass bereits eine Untersuchung stattgefunden hat. Der „vorläufigen Unfähigkeitsbescheinigung" lässt sich im Gegenteil entnehmen, dass eine ärztliche Abklärung noch erfolgen müsse, um ausschließen zu können, ob Bestandteile des jeweils zu verabreichenden Impfstoffs gegen Covid-19 eine allergische Reaktion bei der Angeschuldigten auslösen können, weshalb das „Gutachten“ auch lediglich von einer vorläufigen Impfunfähigkeit spricht.

Das „Gutachten“ ist auch nicht unrichtig, da die darin getroffene Aussage, dass keine Untersuchung stattgefunden hat, der Wahrheit entspricht.

2. Lediglich ergänzend weist die Kammer noch auf Folgendes hin:

Abgesehen davon, dass schon kein unrichtiges Gesundheitszeugnis vorliegt, fehlen auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Angeschuldigte vorsätzlich gehandelt hat. Ihre diesbezügliche Einlassung im Ermittlungsverfahren nebst Einreichung des Schreibens an ihre Krankenkasse sprechen vielmehr dafür, dass die Angeschuldigte tatsächlich beabsichtigt hat, mögliche Allergien abklären zu lassen, und nicht durch Einreichung der vorläufigen Impfunfähigkeitsbescheinigung beim Gesundheitsamt vorsätzlich eine (dauerhafte) Impfunfähigkeit vorzutäuschen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § § 473 Abs. 2 Satz 1 StPO.


Einsender:

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".