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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Jugendstrafe, Schuldschwere, schädliche Neigungen, JGG

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.07.2022 – 2 OLG 53 Ss 43/22

Eigener Leitsatz: 1. Bei der Verhängung einer Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG sind ggf. auch Ausführungen dazu erforderlich sind, ob und warum für den Angeklagten vom Vorliegen schädlicher Neigungen nicht nur im Zeitpunkt der vorliegenden Taten, sondern trotz zuvor im Ausland verbüßter Strafhaft und zwischenzeitlicher Untersuchungshaft auch noch im Zeitpunkt des Urteilserlasses auszugehen ist.
2. Bei der Beurteilung der Schuldschwere i. S. v. § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG kommt dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu.


In pp.

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree vom 7. März 2022 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit eine Verurteilung wegen versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall erfolgt ist (Fall II. Nr. 2 der Urteilsgründe), sowie
b) im Rechtsfolgenausspruch.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Fürstenwalde/Spree - Jugendschöffengericht - zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Gründe

Das Amtsgericht Fürstenwalde/Spree hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II. Nr. 1 der Urteilsgründe) sowie wegen versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall (Fall II. Nr. 2 der Urteilsgründe) zu einer Einheitsjugendstrafe von 2 Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Der Senat ist insoweit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gefolgt.

1. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils hat auf die Sachrüge hin hinsichtlich der Feststellungen zur Tat vom 12. Mai 2019 (Fall II. Nr. 1 der Urteilsgründe) und der sie tragenden Beweiswürdigung sowie im diesbezüglichen Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben, § 349 Abs. 2 StPO.

2. Soweit der Angeklagte wegen „versuchten Diebstahls im besonders schweren Fall“ (Fall II. Nr. 2 der Urteilsgründe) verurteilt worden ist, kann der Schuldspruch keinen Bestand haben. Das Urteil enthält insoweit keine diesen Schuldspruch tragende Feststellungen im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO. In den Urteilsgründen heißt es dazu lediglich, der Angeklagte habe den Tatkomplex II. Nr. 2 „vollumfänglich eingeräumt“ und „rechtlich gesehen stelle sich dieser als versuchter Diebstahl im besonders schweren Fall dar.“ Welches Tatgeschehen der Verurteilung insoweit zugrunde liegen soll, wird nicht dargelegt.

Der Senat kann daher nicht prüfen, ob das Amtsgericht (Tatgericht) in rechtsfehlerfreier Weise zu seinen (nicht dargelegten) Feststellungen gelangt und in jeder Hinsicht von zutreffenden Voraussetzungen für seinen Schuldspruch ausgegangen ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl., § 267 Rn. 5 m. w. N.), sodass das Urteil insoweit aufzuheben war (vgl. BGH, Urteil vom 6. März 2008 - 5 StR 617/07, NStZ 2008, 352; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., Rn. 42).

3. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs zieht bereits die Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs nach sich.

Darüber hinaus sind die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts im Übrigen auch nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs ist zu bedenken, dass auch Ausführungen dazu erforderlich sind, ob und warum für den Angeklagten vom Vorliegen schädlicher Neigungen im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG nicht nur im Zeitpunkt der vorliegenden Taten, sondern trotz zuvor in Rumänien verbüßter Strafhaft und zwischenzeitlicher Untersuchungshaft auch noch im Zeitpunkt des Urteilserlasses auszugehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Januar 2016, - 3 StR 473/15 - m. w. N., juris). Frühere Straftaten, mit denen schädliche Neigungen begründet werden, sind unter konkreter Darstellung der ihnen zugrunde liegenden Feststellungen mit Blick auf die Erforderlichkeit der Verhängung einer Jugendstrafe zu bewerten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 26. Oktober 2021 - 4 Rvs 109/21, BeckRS 2021, 33763 Rn. 6 m. w. N.). Das angefochtene Urteil legt aber weder eindeutig dar, ob das erkennende Jugendschöffengericht das Vorliegen schädlicher Neigungen annimmt, noch werden dem vorliegend angefochtenen Erkenntnis vorausgehende Verurteilungen, insbesondere aus Rumänien, hinsichtlich der dortigen Feststellungen konkret und damit revisionsrechtlich überprüfbar dargelegt.

b) Das Jugendschöffengericht stützt die Verhängung der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld maßgeblich darauf, dass der Angeklagte sich eines „Kapitalverbrechens“ (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 1 Nr. 1a) StGB) schuldig gemacht habe. Bei der Beurteilung der Schuldschwere i. S. v. § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG kommt jedoch dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Maßgeblicher Anhaltspunkt ist die innere Tatseite. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - 3 StR 353/11, NStZ 2012, 164).

c) Auch die konkrete Strafzumessung begegnet rechtlichen Bedenken, weil aus den Urteilsgründen nicht zweifelsfrei zu erkennen ist, dass sich das Jugendschöffengericht bei der Bemessung der Höhe der Freiheitsstrafe am Erziehungsgedanken orientiert hat (§ 18 Abs. 2 JGG). In den Urteilsgründen findet der Erziehungsgedanke lediglich formelhaft Erwähnung. Nach § 18 Abs. 2 JGG ist die Höhe der Jugendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2015 - 3 StR 581/14, NStZ-RR 2015, 154 f., m. w. N.; OLG Celle, Beschluss vom 26. Juni 2012 - 32 Ss 78/12, NStZ, 2012, 576 f.). Allerdings darf der Strafzweck des gerechten Schuldausgleichs bei besonders schwerem Unrecht nicht völlig hinter dem Erziehungsgedanken zurücktreten (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl. § 46 Rn. 18 m. w. N.); dies gilt insbesondere bei schweren Gewaltdelikten (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 - 3 StR 436/21, BeckRS 2022, 5043 Rn. 16 f.). Welches Gewicht den einzelnen Zumessungserwägungen zukommt ist vom Einzelfall abhängig. Das Tatgericht hat dazu eine umfassende Abwägung vorzunehmen (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 17 m. w. N.).

d) Soweit - gegebenenfalls gemäß § 31 Abs. 1 JGG - eine (Einheits-) Jugendstrafe zu bilden ist, kommt dem Vorliegen eines minder schweren Falles (hier gemäß § 250 Abs. 3 StGB) für die Bewertung des Unrechts hinsichtlich Fall II. Nr. 1 der Urteilsgründe jedenfalls Bemessungsrelevanz zu (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 18; Beschluss vom 17. Februar 1989 - 3 StR 3/89, BeckRS 1989, 31106193; Eisenberg/Kölbel, JGG, 23. Aufl., § 18 Rn. 24 f., m. w. N.), sodass dessen Voraussetzungen zu prüfen und gemäß § 267 Abs. 3 Satz 2 StPO im Urteil darzustellen sind (vgl. Eisenberg/Kölbel, a. a. O., § 18 Rn. 24). Auch mit diesem für die Strafzumessung erheblichen Gesichtspunkt setzt sich das Jugendschöffengericht in dem angefochtenen Urteil nur formelhaft auseinander.

Die Sache bedarf daher im Umfang der Aufhebung neuer Verhandlung und Entscheidung.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:

Falls das Amtsgericht in der neuen Hauptverhandlung erneut von der Täterschaft des Angeklagten hinsichtlich der ihm unter Fall 2 der Anklage zur Last gelegten Tat (Fall II. Nr. 2 der Urteilsgründe) überzeugt sein sollte, wäre bei der Fassung des Schuldspruchs zu beachten, dass der Angeklagte lediglich wegen (versuchten) Diebstahls schuldig ist. Die Annahme eines besonders schweren oder eines minder schweren Falls gehört nicht in die Urteilsformel (§ 260 Abs. 4 Satz 1 und 2 StPO), sondern in die Urteilsgründe; denn insoweit handelt es sich um Strafzumessungsgründe und nicht um eigene Straftatbestände (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 1984 - 3 StR 414/83, BeckRS 1984, 3236; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Dezember 2016 - 1 RVs 94/16, BeckRS 2016, 119157, Rn. 10 mit Verweis auf § 18 Abs. 1 Satz 3 JGG; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 260 Rn. 25 m. w. N.).


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