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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

E-Scooter, Trunkenheitsfahrt, Entziehung der Fahrerlaubnis

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Leipzig, Urt. v. 24.06.2022 - 9 Ns 504 Js 66330/21

Eigener Leitsatz: Angesichts gravierenden Unterschiede zwischen einem Kraftfahrzeug und einem E-Scooter, auch der unterschiedlichen Wahrnehmung des E-Scooters in der Öffentlichkeit, spricht manches dafür, schon die Regelwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 1 Siehe auch:
StGB als solche in Frage zu stellen. Jedenfalls ist aber der Umstand, dass es sich bei dem Fahrzeug, mit dem der Angeklagte eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB begangen hat, ggf. ein "Elektrokleinstfahrzeug war, maßgeblich heranzuziehen bei der Frage, ob hier nicht eine Ausnahme von der Regelwirkung begründet ist.


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Strafverfahren
gegen pp.

wegen Trunkenheit im Verkehr

hat das Landgericht Leipzig - 9. Strafkammer als Berufungskammer -
aufgrund der öffentlichen Hauptverhandlung vom 24.06.2022, an der teilgenommen haben

für Recht erkannt:

Die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 30.03.2022 (Az.: 212 Cs 504 Js 66330/21) wird verworfen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Angeklagten dort entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Angewendete Vorschriften: §§ 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB

Gründe:

I.

Der Angeklagte wurde vom Amtsgericht wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 53,00 EUR verurteilt. Schuldspruch und Strafausspruch sind rechtskräftig. Das Amtsgericht sah davon ab, dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen und gegen ihn eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu verhängen; dies rügt die Staatsanwaltschaft mit ihrer darauf beschränkten Berufung. Diese blieb nach erneuter Beweisaufnahme ohne Erfolg.

II.

Der pp. Angeklagte ist ausgebildeter pp. Er besitzt seit pp. die allgemeine Fahrerlaubnis.

Der Angeklagte ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Auch der Auszug aus dem Fahreignungsregister weist keine Eintragungen aus.

III.

Nachdem der Angeklagte bereits beim Amtsgericht seinen Einspruch gegen den Strafbefehl vom 27.01.2022 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, ist der diesem zugrunde-liegende Sachverhalt in Rechtskraft erwachsen und einer Überprüfung durch das Berufungs-gericht entzogen. Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Angeklagte fuhr am pp. Uhr mit dem E-Scooter ES-400C, Versicherungskennzeichen pp., auf dem pp. in Leipzig, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Eine ihm am 27.11.2021 um 05:13 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,50 %o. Seine Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen.

Der Schuldspruch wurde rechtskräftig. Der Angeklagte ist schuldig der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr, strafbar nach § 316 Abs. 1 und Abs. 2 StGB. Die dafür verhängte Geldstrafe vom 30 Tagessätzen ist rechtskräftig; ebenso die Höhe des Tagessatzes mit 53,00 EUR.

Das Berufungsgericht hat ergänzend durch Verlesung der Aussage des Polizeibeamten pp. Folgendes festgestellt:

Der Angeklagte hat sich bei der Polizeikontrolle normal ausgewiesen. Den Alkoholtest hat er mitgemacht. Er hat sich überrascht gezeigt; er habe das mit dem Roller nicht gewusst. Er ist auf dem Radweg gefahren, nicht auf der Straße. Es sei eine „allgemeine Verkehrskontrolle" gewesen. Diese Roller würden - so der Polizeibeamte - „auch von Leuten genutzt, die zu BtM-Konsumenten gehören. In seiner Fahrweise gab es keine Auffälligkeiten."

Die Polizeibeamten beobachteten den Angeklagten während einer Fahrtstrecke von ca. 20 m. Vor Ort seien beim Angeklagten keine Besonderheiten festzustellen gewesen. Der Roller sei beleuchtet gewesen. Ihn dürfe jeder fahren, es gebe keine Auflagen. Wenn während der Zeit der Polizeikontrolle zwei Autos vorbeigefahren seien, wäre das schon viel. Auf dem Gehweg seien auch nur der Angeklagte und sein Freund gewesen.
Es handelt sich um einen Roller der Marke Tier ohne Sitz und einer 70 cm übersteigenden Lenk- bzw. Haltestange. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs.1 S.3 StPO Bezug genommen auf Blatt 11 d.A.. Die maximale Geschwindigkeit beträgt 20 km/h.

Diese Feststellungen beruhen auf der ergänzenden Verlesung der Aussage des Zeugen pp. und der Inaugenscheinnahme des Fotos Blatt 11 der Akten.

IV.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg:

1. Der E-Scooter ist eine „Elektrokleinstfahrzeug" im Sinne der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen im Straßenverkehr (eKFV). Eine Ausnahmeregelung, wie sie § 1 Abs.3 StVG für das Pedelec enthält, das nicht als Kraftfahrzeug i.S.d. StVG gilt, gibt es für den E-Scooter nicht. Folge ist, dass der E-Scooter a.) als Kraftfahrzeug i.S.d. StVG und dann b.) auch als Kraftfahrzeug i.S.d. § 69 StGB gilt.

Nach § 3 der o.g. Verordnung dürfen Personen ein Elektrokleinstfahrzeug führen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben. Der E-Scooter ist nicht führerscheinpflichtig.

2. Durch die wirksame Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch steht fest, dass sich der Angeklagte der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Abs. 1, Abs. 2 StGB) schuldig gemacht hat. Dies ist eine rechtswidrige Tat im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB mit der Folge, dass der Täter „in der Regel" als ungeeignet zum Führen von Kraftfahr-zeugen anzusehen ist mit der weiteren Folge, dass ihm das Gericht die Fahrerlaubnis entzieht. Die Regelwirkung aus § 69 Abs. 2 StGB kann indes durch vom Regelfall abweichende Umstände widerlegt werden. Dies ist hier der Fall.

3. Es ist dem an Recht und Gesetz gebundenen Gericht versagt, bei der Problematik der Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter § 69 StGB schlicht für unanwendbar zu erachten, weil sich der E-Scooter ganz erheblich unterscheidet von dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch unter „Kraftfahrzeug" verstanden wird. Allerdings wird ein Gericht bei den Strafnormen, bei denen der Begriff des „Kraftfahrzeugs" zum Tatbestand gehört, sehr genau zu prüfen haben, ob diese Norm auch im Falle des E-Scooters anzuwenden ist.

So bestimmt § 316 a StGB eine Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren für den, der zur Begehung eines Raubes, eines räuberischen Diebstahls oder einer räuberischen Erpressung einen An-griff auf den „Führer eines Kraftfahrzeuges" verübt. Dass dies auch bei einem Raub zum Nachteil eines E-Scooter-Fahrers gelten könnte, erscheint fraglich.

Und nach § 315 d Abs.1 Nr.1 StGB wird mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer ein „nicht erlaubtes Kraftfahrzeugrennen ausrichtet oder durchführt" oder als Kraft-fahrzeugführer daran teilnimmt. Dass diese Norm das Rennen zwischen E-Scooter-Fahrern erfassen soll, das mit einer maximalen Geschwindigkeit von 20 km/h ausgetragen werden würde, darf bezweifelt werden.

Es erscheint daher auch nicht zutreffend, die Augen vor den Eigentümlichkeiten dieses „Elektrokleinstfahrzeuges" zu verschließen bei der Frage, ob von einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter im Regelfall auf die Ungeeignetheit des Täters zum Führen von führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeugen geschlossen werden kann bzw. ob bei der Anlasstat der Trunkenheit im Verkehr unbesehen von der Regelwirkung aus § 69 Abs.2 StGB auszugehen ist, ohne zu fragen, ob diese Regelwirkung per se auch bei der Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter gelten kann.

4. Schon nach Sinn und Zweck des § 69 StGB ist davon auszugehen, dass dieser seinen eigentlichen (ursprünglichen) Anwendungsbereich im Bereich der führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeuge hat. Weil nur dort wegen der nötigen Erteilung einer Fahrerlaubnis überhaupt eine Eignungsprüfung stattfindet. Bei dem E-Scooter ist dies nicht der Fall; er kann führerscheinfrei genutzt werden und sogar von Personen, die gerade das 14. Lebensjahr vollendet haben. Niemand prüft, ob der E-Scooter-Fahrer nach seinen fahrerischen Fähigkeiten, seinen Kenntnissen von den Regelungen des Straßenverkehrs oder charakterlich geeignet ist.

Der E-Scooter hat auch in der öffentlichen Wahrnehmung schlicht nichts gemein mit einem führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeug, auch nicht mit einem Moped. Dazu mögen Bilder beige-tragen haben, die zeigten, wie der damalige Bundesverkehrsminister mit einem solchen E-Scooter durch die Flure seines Ministeriums fuhr. Niemand käme ernsthaft auf die Idee, dort mit einem E-Bike, einem Pedelec, einem Mofa oder gar einem Moped zu fahren und sich dabei (erst recht als Bundesverkehrsminister) auch noch für die Presse fotografieren zu lassen; schon dies zeigt den völlig anderen Charakter des Fortbewegungsmittels E-Scooter.

§§ 69, 69 a StGB sollen die Allgemeinheit vor Kraftfahrern schützen, die sich durch eine Trunkenheitsfahrt als verantwortungslos erwiesen haben. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass derjenige, der sich mit einer BAK von über 1,1 Promille an das Steuer seines (führer-scheinpflichtigen) Fahrzeuges setzt, durchaus weiß, dass er eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer darstellt, wenn er in deutlich alkoholisiertem Zustand mit einem Kraftfahrzeug, das erhebliches Gewicht hat und erhebliche Geschwindigkeit erreicht, am Straßenverkehr teilnimmt. Der Schaden, der entsteht, wenn ein Kraftfahrzeug mit einem anderen kollidiert, ist aber offensichtlich und offenkundig nicht zu vergleichen mit dem Schaden, der entstehen könnte, würde ein E-Scooter, der eine maximale Geschwindigkeit von 20 km/h erreicht und ein Gewicht von vielleicht 25 kg aufweist, mit einem Auto kollidieren. Das vom E-Scooter ausgehende Gefahrenpotential ist schlechterdings nicht vergleichbar mit dem Gefahrenpotential, das von einem führerscheinpflichtigen Fahrzeug ausgeht. Die Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter gefährdet primär den E-Scooter-Fahrer, nicht aber andere Verkehrsteilnehmer.

5. Angesichts dieser gravierenden Unterschiede, auch der unterschiedlichen Wahrnehmung des E-Scooters in der Öffentlichkeit, spricht manches dafür, dass schon die Regelwirkung als solche in Frage gestellt werden könnte. Jedenfalls ist aber der Umstand, dass es sich bei dem Fahrzeug, mit dem der Angeklagte eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB begangen hat, ein „Elektrokleinstfahrzeug" war, maßgeblich heranzuziehen bei der Frage, ob hier nicht eine Ausnahme von der Regelwirkung begründet ist. Es mag hier dahingestellt bleiben, ob schon die Benutzung eines E-Scooters als „Elektrokleinstfahrzeug" die Regelwirkung entfallen lässt, denn im konkrete Fall treten weitere Umstände hinzu, die diese Regelwirkung letztlich entfallen lassen:

a) Der Angeklagte fuhr mit eine BAK von 1,5 Promille. Rechtsprechung dazu, ob diese Blutalkoholkonzentration bei einem E-Scooter-Fahrer schon zur absoluten Fahruntüchtigkeit führen würde, liegt höchstrichterlich bislang nicht vor. Die Übertragung der Rechtsprechung zur absoluten Fahruntüchtigkeit des Fahrers eines Pkw, eines Lkw, eines Busses, eines Motorrades oder eines Mopeds auf den Fahrer eines E-Scooters erweckt Bedenken. Kraftfahrzeuge haben ein höheres Gewicht und erreichen eine höhere Geschwindigkeit; sie stellen eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer dar, die der Kraftfahrzeugführer beherrschen muss, so dass an seine Leistungsfähigkeit, vor allem an seine Fähigkeit, Gefahren zu erkennen und darauf zügig zu reagieren, besondere Anforderungen zu stellen sind im Interesse des Schutzes der anderen Verkehrsteilnehmer. Der E-Scooter ist extrem langsam und sehr leicht; bei einer Kollision erleidet primär der E-Scooter und der ihn Fahrende Schaden. Es mag daher naheliegender erscheinen, für die Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit abzustellen auf die Rechtsprechung zum Fahrradfahrer, doch kann auch dahingestellt bleiben, weil der Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ist.

b) Besondere Umstände, die dieses Tatgeschehen deutlich nach unten abgrenzen zu einem „Regelfall" bestehen (über die Fahrt mit ein E-Scooters hinaus) darin, dass der Angeklagte nachts um 3:45 Uhr zu extrem verkehrsarmer Zeit unterwegs gewesen ist. Der Polizeibeamte stellte fest, dass sich auf dem Gehweg niemand befunden hat und führte ferner aus, dass es viel wäre, wenn während der Dauer des Polizeieinsatzes zwei Fahrzeuge vor-beigekommen seien.

Der Angeklagte fuhr auf einem Radweg, der hinreichend breit ist neben den zwei Fahrspuren, die am pp. in jede Fahrtrichtung vorhanden sind.

Der Angeklagte wies keinerlei Ausfallerscheinungen auf und war auch nicht kontrolliert worden, weil er durch sein Fahrverhalten auffällig gewesen wäre. Der Polizeibeamte hat dazu den Erfahrungssatz aufgestellt, solche E-Scooter würden häufig auch von BtM-Konsumenten ge-nutzt werden. Welches Motiv für die Kontrolle des Angeklagten auf Seiten der Polizei bestanden hat, bleibt letztlich ungewiss.

Die Fahrtstrecke, die der Angeklagte nach den Angaben des Polizeibeamten zurücklegte, war mit 20 Metern extrem kurz, auch wenn sie damit endete, dass der Angeklagte von der Polizei gestoppt wurde.

Der Angeklagte hat sich - so beschrieb es der Zeuge - überrascht davon gezeigt, dass er unter diesen Bedingungen nicht mit einem E-Scooter fahren dürfe. Das Gericht hat keinen Grund zu der Annahme, dass der Angeklagte bei sachgerechter Aufklärung seine Fahrt fortgesetzt hätte.

c) Zur Überzeugung des Gerichts kann aus einem Fehlverhalten mit einem nicht führer-scheinpflichtigen Elektrokleinstfahrzeug keinerlei Rückschluss darauf gezogen werden, wie sich der Angeklagte, dem die Fahrerlaubnis für führerscheinpflichtige Fahrzeuge entzogen werden soll, bei der Nutzung eines solchen führerscheinpflichtigen Fahrzeugs im Straßenverkehr verhält. ZU Gunsten des Angeklagten ist zu berücksichtigen, dass er seit über 8 Jahren die Fahrerlaubnis besitzt, ohne dass sich im Fahreignungsregister eine einzige Eintragung findet. Der Angeklagte ist nachweislich ein langjähriger unauffälliger Kraftfahrzeugführer, dem kein Fehlverhalten mit einem führerscheinpflichtigen Fahrzeug zur Last fällt.

Hinzu kommt, dass der Angeklagte am pp. seinen Führerschein freiwillig in Verwahrung der Polizei gegeben und erst 4 Monate später zurückbekommen hat. Sollte es „eines Denkzettels" bedürfen, ist dieser durchaus intensiv erfolgt.

d) Zuletzt hält es das Gericht wegen des Übermaßverbotes auch für geboten, bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter im besonderen Maße zu berücksichtigen, welche Folgen die Entziehung des Führerscheines hätte.

Zum einen hat der Verteidiger des Angeklagten zutreffend darauf hingewiesen, dass sich bei Anwendung des §§ 69, 69 a StGB die durchaus groteske Situation ergäbe, dass der Angeklagte wegen des Fehlverhaltens mit dem E-Scooter zwar kein Auto mehr fahren, aber weiterhin mit einem E-Scooter unterwegs sein dürfte.

Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass weite Teile der Bevölkerung auf den Führerschein und die Nutzung ihres führerscheinpflichtigen Fahrzeugs angewiesen sind. Ihnen ist durchaus bewusst, dass sie die Entziehung der Fahrerlaubnis riskieren, wenn sie im betrunkenen Zu-stand mit dem Auto (also einem führerscheinpflichtigen Kraftfahrzeug) fahren und dabei „er-wischt" werden. Dieses Wissen ist in der Bevölkerung vorhanden; die Rechtsfolge einer Trunkenheitsfahrt wird durchaus als „gerecht" angesehen, überwiegend auch vom Betroffenen. Wer „besoffen Auto fährt" (so der Volksmund), der geht das Risiko des Fahrerlaubnisentzuges bewusst ein und erweist sich damit in der konkreten Situation als charakterlich ungeeignet. Dies kann der Gesetzgeber zum Regelfall machen.

Anderes gilt aber, wenn es sich um ein führerscheinfreies Fahrzeug handelt, dass sogar Personen ab 14 Jahren nutzen dürfen. Der Rechtsanwendung sollte auch das Gefühl zugrunde liegen, dass das Ergebnis „gerecht" ist. Dass dies bei einer die gesamte Lebensführung betreffenden Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer nächtlichen Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter, die wenige Meter betrug, auf dem Radweg erfolgte zu menschenleerer Zeit durch einen Fahrer, der keinerlei Ausfallerscheinungen aufwies, allgemeinem Rechtsempfinden entsprechen würde, muss ganz erheblich in Zweifel gezogen werden. Dies gebietet es im besonderen Maße, das Augenmerk zu lenken auf den Regelfall einerseits und die hier konkrete Trunkenheitsfahrt andererseits, die sich in eklatanter Weise vom Regelfall entfernt.

Der Angeklagte hat sich durch die Trunkenheitsfahrt mit dem E-Scooter nicht als ungeeignet zum Führen von (führerscheinpflichtigen) Kraftfahrzeugen erwiesen. Zu Recht hat das Amtsgericht davon abgesehen, ihm die Fahrerlaubnis für führerscheinpflichtige Fahrzeuge zu entziehen und seinen Führerschein einzuziehen. Ebenso hat es (ohne dass dies Gegenstand des Berufungsangriffs wäre) zutreffen davon abgesehen, gegen den Angeklagten „als Denkzettel" ein Fahrverbot zu verhängen, nachdem er durch die Beschlagnahme des ihm erst 4 Monate später zurückgegebenen Führerscheins einen sehr langen Denkzettel erhalten hatte.

V.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft war mit der Kostenfolge aus § 473 Abs.1 StPO zu verwerfen.


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