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Entscheidungen

Gebühren

Zusätzliche Verfahrensgebühr, Einziehung des Führerscheinformulars

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Amberg, Beschl. v. 04.12.2021 - 7 Cs 114 Js 5614/18 (2)

Leitsatz: Die bloße anwaltliche Beratung darüber, dass im Falle der Wiedererteilung ein neues Führerscheindokument ausgegeben wird und das mit Rechtskraftentziehung der Fahrerlaubnis das Führerscheindokument abzuliefern ist, führt noch nicht zum Anfall der Nr. 4142 VV RVG. Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit und Beratung spezifisch auf Fragen im Zusammenhang mit dem Führerscheindokument errichtet.


Amtsgericht Amberg

7 Cs 114 Js 5614/18 (2)

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:
Rechtsanwalt Jendricke Jörg, Georgenstraße 59, 92224 Amberg, Gz.: 18/1184/LI/JJ

wegen tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung

erlässt das Amtsgericht Amberg durch den Richter am Amtsgericht am 4. Dezember 2021 folgenden

Beschluss

Auf die Erinnerung des Verteidigers vom 16.08.2021 hin wird angeordnet, dass für anwaltliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Einziehung des Führerscheindokuments eine 1,0-Verfah-rensgebühr nach VV 4142 zum RVG aus einem Gegenstandswert von 300,00 EUR auszukehren ist.

Im Übrigen wird die Erinnerung des Verteidigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Amberg vom 12.07.2021 zurückgewiesen.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe:

1. Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 11.05.2021 hat der Pflichtverteidiger unter anderem eine 1,0 Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV-RVG aus einem Gegenstandswert von € 5000,00, somit € 257,00, geltend gemacht. Begründet wurde dies damit, dass im Zuge der Einziehung des Führerscheindokuments diese Gebühr angefallen sei. Als Gegenstandswert seien entsprechend Ziffer 46.3 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit € 5000 anzusetzen.

Mit Beschluss vom 12.07.2021 hat das Amtsgericht Amberg die Erstattung einer Verfahrensgebühr für die Einziehung des Führerscheindokuments abgelehnt, da diese Gebühr nicht entstanden sei.

Mit Schriftsatz vom 16.08.2021 hat der Verteidiger Erinnerung erhoben, soweit der Vergütungsantrag zurückgewiesen wurde.

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Amberg hat am 27.08.2021 die Zurückweisung der Erinnerung beantragt. Mit Verfügung vom 01.09.2021 wurde der Erinnerung nicht abgeholfen und die Akten wurden dem Richter zur Entscheidung vorgelegt.

2. Der zugrundeliegende Gebührentatbestand Nr. 4142 VV-RVG lautet:

„Verfahrensgebühr bei Einziehung und verwandten Maßnahmen
(1) Die Gebühr entsteht für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf die Einziehung, dieser gleichstehende Rechtsfolgen (§ 439 StPO), die Abführung des Mehrerlöses oder auf eine diesen Zwecken dienende Beschlagnahme bezieht.
(2) Die Gebühr entsteht nicht, wenn der Gegenstandswert niedriger als 30,00 € ist. [...]“
Nr. 4142 VV RVG gewährt dem Rechtsanwalt damit eine besondere Verfahrensgebühr. Sie ist als Wertgebühr ausgestaltet und steht dem Rechtsanwalt zusätzlich zu, wenn er bei Einziehung und verwandten Maßnahmen eine darauf bezogene Tätigkeit für den Beschuldigten ausübt (Abs. 1 der Anm. zu Nr. 4142 VV RVG).

Unstrittig fällt bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis die Verfahrensgebühr nicht an. Die Entziehung der Fahrerlaubnis ist keine Einziehung im Sinne von Nr. 4142 VV RVG (ganz h.M., vgl. nur OLG Koblenz, Beschluss vom 13. 2. 2006 - 2 Ws 98/06). Auch eine analoge Anwendung oder eine Behandlung als verwandte Maßnahme kommen nicht in Betracht (vgl. nur Toussaint/Felix, 51. Aufl. 2021, RVG VV 4142 Rn. 5).

3. Noch nicht abschließend geklärt ist hingegen, ob die Einziehung des Führerscheindokuments den genannten Gebührentatbestand auslöst. Dies wird in der Literatur ohne nähere Begründung bejaht (z.B. BeckOK RVG/Knaudt, 53. Ed. 1.9.2021, RVG VV 4142 Rn. 4; Gerold/Schmidt/Burhoff, 25. Aufl. 2021, RVG VV 4142 Rn. 9). Dagegen spricht freilich, dass es sich bei der Einziehung des Führerscheindokuments um eine bloße Folgemaßnahme zur Entziehung der Fahrerlaubnis handelt.

Nach Rechtsauffassung des Gerichts ist zu differenzieren: Grundsätzlich ist die Einziehung des Führerscheindokuments gesetzliche Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis. Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis regelmäßig eine Gebühr für die Einziehung des Führerscheindokuments fallen zu lassen, würde die gesetzgeberische Wertung, wonach die Entziehung der Fahrerlaubnis keine Einziehung im Sinne von Nr. 4142 VV RVG sein soll, ad absurdum führen. Damit kann die bloße anwaltliche Beratung darüber, dass im Falle der Wiedererteilung ein neues Führerscheindokument ausgegeben wird und das mit Rechtskraftentziehung der Fahrerlaubnis das Führerscheindokument abzuliefern ist, noch keinen Anfall des Gebührentatbestandes begründen. Auch eine Beratung über MPU-Maßnahmen, wie im Schriftsatz vom 26.05.2021 erklärt, bezieht sich in erster Linie auf die Fahrerlaubnis als solche und höchstens mittelbar auf das Führerscheindokument.

Etwas anderes gilt jedoch, wenn sich die anwaltliche Tätigkeit und Beratung spezifisch auf Fragen im Zusammenhang mit dem Führerscheindokument errichtet. Dies ist hier der Fall, indem die Frage der Übersendung des Führerscheindokument in die Tschechische Republik aufgrund einer Sonderkonstellation und anlässlich eines gerichtlichen Schreibens vom 21.08.2020 erörtert wurde.

Nach Wortlaut und Sinn von Nr. 4142 VV-RVG kann der Anwalt die besondere Verfahrensgebühr geltend machen, wenn sich seine Tätigkeit auf die Einziehung und verwandte Maßnahmen richtet. Das sind alle Tätigkeiten, die einen Bezug zu solchen Maßnahmen haben, also z.B. Schriftsätze, Stellungnahmen, Besprechungen, Beschwerden usw. (Burhoff, RVGreport 2006, 412, abzurufen unter https://www.burhoff.de/veroeff/aufsatz/rvgreport_2006_412.htm). Zwar braucht die Tätigkeit keinen besonderen Umfang zu entfalten. Ein Mindestmaß an spezifischer Beratung im Hinblick auf die Entziehung des Führerscheindokuments gegenüber dem Mandanten oder an Eingaben gegenüber dem Gericht oder der Vollstreckungsbehörde muss aber stattgefunden haben und dokumentiert sein.

Dies ist hier der Fall.

4. Hinsichtlich des Gegenstandswerts ist jedoch auf die Gebühren für das Führerscheindokument als solches abzustellen. Um Fahrstunden, Fahrerlaubnisprüfung, MPU-Vorbereitung geht es nicht, weil diese wiederum nicht dem Führerscheindokument als solchem, sondern dem Bereich der Fahrerlaubnis zuzuordnen sind.
Entsprechend der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 26.05.2021 ist ein Wertansatz in Höhe von 300,00 EUR als angemessen anzusehen.

5. Das Erinnerungsverfahren ist nach § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG gerichtskostenfrei.
Aufgrund grundsätzlicher Bedeutung der Frage wird die Beschwerde zugelassen (§ 66 Abs. 2 S. 2 GKG).


Einsender: RA J. Jendricke, Amberg

Anmerkung:


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