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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Verstoß gegen das PflVG, Erforderliche Urteilsfeststellungen

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 22.06.2021 – 3 Ss 30/21

Leitsatz: Da ein Prämienrückstand nicht ipse iure zur Beendigung des Versicherungsvertrags führt, sondern nur zur Kündigung berechtigt, reicht es im Urteil nicht aus, den Zah-lungsverzug festzustellen. Vielmehr sind in der Regel auch die Kündigung und ihr Zugang (§ 38 Abs. 3 VVG) festzustellen.


In der Strafsache
gegen pp.

wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 22. Juni 2021 einstimmig beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. März 2021 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 1, 6 PflVG zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Die hiergegen gerichtete, nach § 335 StPO statthafte und auch im Weiteren zulässige (Sprung-) Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Es ist bereits zweifelhaft, ob die aus knapp vier Zeilen bestehenden Urteilsfeststellungen die Verurteilung wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz tragen. Denn die Mitteilung, dass „kein wirksamer Haftpflichtversicherungsvertrag bestand“ (UA S. 3), ist Ergebnis einer rechtlichen Würdigung, deren tatsächliche Voraussetzungen sich gegebenenfalls in den Urteilsfeststellungen wiederfinden müssen.

2. Jedenfalls ist die Beweiswürdigung in sachlich-rechtlicher Hinsicht unzureichend. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruhen, und die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen dürfen nicht nur eine Vermutung darstellen (vgl. nur BGH NStZ-RR 2018, 89). Diese Anforderungen erfüllt die Beweiswürdigung hier nicht.

Es fehlt insbesondere an einer Darstellung der Umstände, aus denen das Tatgericht schließt, für das vom Angeklagten genutzte Kraftfahrzeug habe kein Versicherungsvertrag mehr bestanden. Das Amtsgericht stützt seine Überzeugung hiervon ausschließlich auf die Einlassung des Angeklagten, die allerdings über eine Kündigung nichts enthält. Vielmehr unterstellt das Amtsgericht zu dessen Nachteil den Zugang eines Kündigungsschreibens vom 8. April 2019.

Auch wenn der Tatrichter die Beweise frei würdigt, stellt die Annahme, das Schreiben sei bei der Versicherung sicher abgesandt worden und dem Angeklagten ebenso gewiss rechtswirksam zugegangen, im Letzten eine bloße Vermutung dar. Ob auch ohne förmliche Zustellung bei einem den Zugang des Kündigungsschreibens bestreitenden oder sich hierzu nicht erklärenden Angeklagten etwas anderes gelten kann, wenn das Tatgericht seine Überzeugung vom Zugang dezidiert begründet, muss hier offen bleiben (verneinend OLG Brandenburg, Beschluss vom 1. April 2020 –
(1) 53 Ss 35/20 (24/20) –, juris; ebenso Senat VRS 102, 128 [2001] m.w.N.). Denn im angefochtenen Urteil fehlt es schon an der Mitteilung, dass das Schreiben zugegangen sei, erst recht aber an einer Begründung, warum der Tatrichter diese Überzeugung gewonnen hat. Vielmehr wird die rechtswirksame Beendigung des Versicherungsvertrags stillschweigend vorausgesetzt.

Der Senat teilt die Einschätzung des Strafrichters, der Angeklagte habe angesichts seines eigenen Vorverhaltens und insbesondere der zögerlichen und säumigen Prämienzahlungen jeden Grund dafür gehabt, mit einer Kündigung des Versicherungsvertrags zu rechnen (UA S. 4). Der Prämienrückstand führt aber nicht ipse iure zur Beendigung des Versicherungsvertrags. Hierzu bedarf es grundsätzlich der Kündigung und – im Regelfall – ihres Zugangs (§ 38 Abs. 3 VVG). Daher entband die Feststellung des Zahlungsverzugs das Amtsgericht nicht von der Feststellung, dass die Kündigung den Angeklagten auch tatsächlich erreicht hat (vgl. Senat ZfSch 2018, 474). Auch dass der Angeklagte in seiner Einlassung diesbezüglich „auffällig vage“ geblieben und wegen Betrugs vorbestraft sei (UA S. 4), ersetzt die Feststellung einer zivilrechtlich wirksamen Kündigung des Versicherungsvertrags nicht.

Das Urteil beruht auf der beanstandeten Beweiswürdigung und war daher auf die Sachrüge aufzuheben. Die Strafsache war zugleich an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.


Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin

Anmerkung:


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