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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Widerruf, Verurteilung nach Jugendrecht, Erwachsener, mündliche Anhörung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Traunstein, Beschl. v. 31.03.2021 - Qs 70/21

Leitsatz: Die Vorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 3 JGG, wonach dem verurteilten Jugendlichen vor einem Widerruf Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben ist, findet gemäß § 109 Abs. 2 Satz 1 JGG auch in Verfahren Anwendung, in dem gegen einen Heranwachsenden Jugendstrafrecht angewandt wurde; dass der Verurteilte ggf. mittlerweile erwachsen ist, ändert hieran nichts.


Landgericht Traunstein

Qs 70/21 jug

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:
Rechtsanwalt Dr. jur. Herzog Marc, An der Burgermühle 4, 83022 Rosenheim, Gz.:
MH113/21

wegen Vergehens nach § 29 BtMG

hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten
erlässt das Landgericht Traunstein - Jugendkammer - durch die unterzeichnenden Richter am 31. März 2021 folgenden

Beschluss

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 16.02.2021 aufgehoben.

Gründe:

1. Mit Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Rosenheim vom 03.07.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen gemeinschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 4 Fällen zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr 9 Monaten verurteilt. Mit Beschluss des Amtsgerichts laufen vom 09.07.2018 wurde der Rest der Jugendstrafe aus dem bezeichneten Urteil zur Bewährung ausgesetzt.

Mit Urteil des Landgerichts Traunstein vom 26.11.2020 wurde der Beschwerdeführer wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren 3 Monaten verurteilt; die Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet. Das Urteil ist seit 26.11.2020 rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft Traunstein beantragte am 21.01.2021 den Widerruf der Bewährung betreffend die Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Rosenheim vom 03.07.2017. Das Amtsgericht Rosenheim teilte dem Verurteilten mit Schreiben vom 25.01.2021 den Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Traunstein mit und gab Gelegenheit, sich zu dem Antrag binnen 2 Wochen ab Zugang des Schreibens zu äußern.
Mit Beschluss vom 16.02.2021 widerrief das Amtsgericht Rosenheim die mit Beschluss des Amtsgerichts Laufen am 09.07.2018, Az. II VRJs 206/17, gewährte Strafaussetzung zur Bewährung und ordnete die Vollstreckung der Restjugendstrafe in Höhe von 95 Tagen an. Gegen diesen Beschluss legte der Verteidiger des Verurteilten mit Schriftsatz vom 23.02.2021 sofortige Beschwerde ein. Die Staatsanwaltschaft Traunstein beantragte die Verwerfung der Beschwerde.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten ist begründet.

Es fehlt vorliegend an der gemäß § 58 Abs. 1 Satz 3 JGG erforderlichen Gelegenheit des Verurteilten zur mündlichen Äußerung. Das Amtsgericht Rosenheim hat den Verurteilten mit Schreiben vom 25.01.2021 auf den Antrag der Staatsanwaltschaft Traunstein, die Restjugendstrafe zu widerrufen, hingewiesen und Gelegenheit gegeben, sich zu dem Antrag der Staatsanwaltschaft binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Schreibens zu äußern.

Die Vorschrift des § 58 Abs. 1 Satz 3 JGG findet gemäß § 109 Abs. 2 Satz 1 JGG auch in Verfahren, wie dem vorliegenden, Anwendung, in dem gegen einen Heranwachsenden Jugendstrafrecht angewandt wurde; dass der Verurteilte mittlerweile erwachsen ist, ändert hieran nichts (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 08.11.2016 - 3 Ws 396/16). Soweit die Ansicht vertreten wird, dass das Erfordernis der mündlichen Anhörung seine Grenze darin findet, dass der Verurteilte mittlerweile deutlich das Erwachsenenalter erreicht hat, so dass eine erzieherische Einwirkung gar nicht mehr möglich ist, wird auf die Vollendung des 24. bzw. 26. Lebensjahres abgestellt (vgl. BeckOK JGG, 20. Edition, § 6, Rz. 35). Der Verurteilte ist erst 23 Jahre alt. Dem Anhörungserfordernis ist mit dem Anschreiben vom 25.01.2021 nicht Genüge getan, da dieses lediglich als Aufforderung zu einer schriftlichen Stellungnahme verstanden werden kann (vgl. OLG Hamm, a.a.O.).

Der Verstoß gegen die Gewährung der Möglichkeit einer mündlichen Anhörung verhilft der sofortigen Beschwerde gegen den Widerruf zum Erfolg. Ein Nachholen der Anhörung in der Beschwerdeinstanz ist nicht möglich, da der Verurteilte ansonsten eine Instanz verliert (vgl. BeckOK, a.a.O., Rz. 36).

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, da das Verfahren über den Antrag auf Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung noch nicht abgeschlossen ist.


Einsender: RA Dr. M. Herzog, Rosenheim

Anmerkung:


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