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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, rückwirkende Bestellung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Stendal, Beschl. v. 09.07.2021 - 501 Qs 50/21

Leitsatz: An einer nachträglichen, rückwirkenden Bestellung eines Verteidigers besteht auch nach der aktuellen Rechtslage, mithin nach Änderung der §§ 140 ff StPO, kein schutzwürdiges Interesse und zwar auch dann nicht, wenn der Wahlverteidiger oder der Rechtsanwalt, den der vormals Beschuldigte als den zu bestellenden Pflichtverteidiger benannt hatte, rechtzeitig seine Bestellung nach § 141 Absatz 1 StPO beantragt hat.


501 Qs 50/21

Landgericht Stendal

Beschluss

In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.

Verteidiger

wegen Verdachts der Körperverletzung

hat die Große Strafkammer 1 des Landgerichts Stendal als Beschwerdekammer durch pp.

am 08. Juli 2021 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde des vormals Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 11. Juni 2021, mit dem das Amtsgericht den Antrag des vormals Beschuldigten auf Beiordnung von Rechtsanwalt pp. als notwendigen Verteidiger zurückgewiesen hat, wird als unzulässig verworfen.

Der vormals Beschuldigte trägt die Kosten seiner Beschwerde.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Stendal ermittelte gegen den vormals Beschuldigten (Beschwerdeführer) wegen des Verdachts der Körperverletzung. Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand soll er am 29. November 2020 um 8:00 Uhr seine damalige Verlobte, die Geschädigte pp., anlässlich eines Streits in die Backe gebissen haben. Der Beschwerdeführer sollte am 9. März 2021 durch die Polizei Leipzig vernommen werden, erschien dort aber nicht. Daraufhin sandte die Polizeidirektion Leipzig, Polizeirevier Leipzig-Südost, die Akte am 10. März 2021 an das Polizeirevier Stendal zurück.

Der Verteidiger zeigte mit Schriftsatz vom 24. Februar 2021 gegenüber der PD Leipzig die Vertretung des Beschwerdeführers an und bat um Akteneinsicht.

Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 7. April 2021 wurde das Verfahren mangels öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung (Streitigkeit zwischen Lebenspartnern) eingestellt. Der Bescheid wurde dem Verteidiger zugesandt. Mit Schriftsatz vom 27. April 2021 verzichtete dieser auf Akteneinsicht und erinnerte an den Beiordnungsantrag vom 1. März 2021.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Stendal den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 140 Absatz 2 StPO lägen nicht vor. Das Verfahren sei eingestellt worden. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer zu Händen seines Verteidigers am 16. Juni 2021 zugestellt.

Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 17. Juni 2021, taggleich beim Amtsgericht eingegangen, sofortige Beschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 28. Juni 2021. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.

Die Beschwerde ist bereits unzulässig.

Zwar ist sie gemäß § 304 Absatz 1 StPO statthaft, da die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung gemäß § 142 Absatz 7 StPO mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar und auch die Wochenfrist gemäß § 311 Abs. 2 StPO gewahrt ist. Jedoch fehlt es mangels schutzwürdigen Interesses an einer Beschwer des Beschwerdeführers. Diese ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels (vgl. Meyer-Goßner, 63. Auflage 2020, vor § 296 StPO Rn. 8) und setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung einen unmittelbaren Nachteil für den dadurch betroffenen Verfahrensbeteiligten bewirkt, seine geschützten Interessen beeinträchtigt und die Beseitigung eines unzutreffenden Beschlusses im Beschwerdeverfahren dem Beschwerdeführer die Aussicht auf eine andere, ihm günstigere Entscheidung eröffnet (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 09. April 2020 — 2 Ws 30 - 31/20 —, juris).

Aufgrund der Verfahrenseinstellung fehlt es vorliegend an dieser Beschwer. An einer -wie hier- nachträglichen, rückwirkenden Bestellung eines Verteidigers besteht auch nach der aktuellen Rechtslage, mithin nach Änderung der §§ 140 ff StPO, kein schutzwürdiges Interesse und zwar auch dann nicht, wenn der Wahlverteidiger oder der Rechtsanwalt, den der vormals Beschuldigte als den zu bestellenden Pflichtverteidiger benannt hatte, rechtzeitig seine Bestellung nach § 141 Absatz 1 StPO beantragt hat.

Die notwendige Verteidigung dient der Sicherung der Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten und nicht dem Gebühreninteresse des Verteidigers, weshalb für eine Bestellung lediglich im Kosteninteresse des Beschwerdeführers und seines Verteidigers kein Raum ist (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 9. März 2020, 1 Ws 19/20, juris). Auch besteht kein Interesse an einer zukünftigen Verteidigung, da bei einem bereits abgeschlossenen Verfahren kein Grund mehr für eine zu gewährleistende unentgeltliche Verteidigung gegeben ist (vgl. OLG Bremen, Beschluss vom 23. September 2020, 1 Ws 120/20).

Auch nach Art. 4 der PKH-Richtlinie EU 206/1919 vom 26. Oktober 2016 besteht der „Anspruch auf Prozesskostenhilfe" nur dann, wenn es im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung der Richtlinie gerade keinen Systemwechsel in der Frage der Pflichtverteidigerbestellung im Sinne der Anknüpfung an eine Bedürftigkeitsprüfung, statt wie bisher an die Prüfung des Rechtspflegeinteresses, beabsichtigt (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 16. September 2020, 2 Ws 112/20, juris).

Vorliegend ist jedoch nicht ersichtlich, dass die begehrte nachträgliche Beiordnung im Interesse der Rechtspflege stünde. Das Verfahren ist eingestellt mit der Folge, dass eine nur noch zukünftig mögliche Verteidigung nicht mehr erforderlich ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA T. Kujus, Leipzig

Anmerkung:


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