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Entscheidungen

StPO

Wiedereinsetzung, Begründung, Ladungsmangel, öffentliche Zustellung, Anordnung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.02.2021 – III-2 RVs 5/21

Leitsatz: Die Anordnung der öffentlichen Zustellung erfordert einen Gerichtsbeschluss, der - jedenfalls kurz - zu begründen ist. Eine Verfügung des Vorsitzenden genügt nicht und hat die Unwirksamkeit der Zustellung zur Folge.


In pp.

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungshauptverhandlung setzt im Falle eines Ladungsmangels auch bei öffentlicher Zustellung der Ladung voraus, dass der Ladungsmangel kausal für das Nichterscheinen des Angeklagten war. Ein für das Ausbleiben nicht kausaler Ladungsmangel ist mit der Revision zu rügen.

1. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

2. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gewährt.

3. Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen

Gründe

I.

Das Amtsgericht Duisburg hat den Angeklagten wegen Diebstahls und Betruges zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, nachdem er in der Berufungshauptverhandlung ohne Entschuldigung ausgeblieben war.

Seinen Antrag, ihm wegen der Versäumung der Berufungshauptverhandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Landgericht mit Beschluss vom 4. Januar 2021 als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten.

Ferner hat der Angeklagte gegen das Verwerfungsurteil Revision eingelegt und wegen der Versäumung der einmonatigen Begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Der innerhalb der Wochenfrist des § 329 Abs. 7 Satz 1 StPO angebrachte Antrag des Angeklagten, ihm wegen der Versäumung der Berufungshauptverhandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, enthält keinerlei Tatsachenvortrag und beschränkt sich auf die Ankündigung, dass eine Begründung nach Akteneinsicht des Verteidigers erfolgt.

Nach Gewährung der Akteneinsicht sind noch ca. drei Wochen bis zur Einreichung der Begründungsschrift vom 1. Dezember 2020 vergangen, mit der geltend gemacht wird, dass der Angeklagte seinen Wohnsitz in der Türkei habe und wegen der Corona-Bedingungen zu der Berufungshauptverhandlung nicht habe anreisen können. So sei seinerzeit für Einreisende aus der Türkei eine zehntägige Quarantäne vorgeschrieben gewesen. Die Kosten für den Hin- und Rückflug sowie den Quarantäneaufenthalt habe er nicht tragen können.

Dieses Vorbringen, das der Sphäre des Angeklagten zuzuordnen ist und unabhängig von der Akteneinsicht möglich war, ist nicht fristgerecht erfolgt und damit unbeachtlich. Die Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung müssen innerhalb der einwöchigen Antragsfrist dargelegt werden (vgl. Senat NStZ 1984, 330; OLG Düsseldorf [1. Strafsenat] VRS 85, 342; MüKo-Valerius, StPO, 1. Aufl. 2014, § 45 Rdn. 7; KK-Maul, StPO, 8. Aufl. 2019, § 45 Rdn. 8). In dem anschließenden Verfahren kann gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO nur die Glaubmachtmachung der zur Begründung angeführten Tatsachen, nicht jedoch die Begründung selbst nachgeholt werden.

2. Die mangelnde Antragsbegründung ist allerdings unschädlich, wenn sich ein Wiedereinsetzungsgrund aus aktenkundigen Tatsachen ergibt. Denn aktenkundige Tatsachen brauchen nicht vorgetragen zu werden (vgl. BVerfG NJW 1995, 2544; OLG Köln NStZ-RR 2002, 142, 143; MüKo-Valerius a.a.O. § 45 Rdn. 5). Der Wille des Angeklagten zur Fortführung des Verfahrens kommt bereits durch den Wiedereinsetzungsantrag, der (hier verspätet) mit anderen Erwägungen begründet wurde, eindeutig zum Ausdruck.

In der Rechtsprechung ist weitgehend anerkannt, dass in entsprechender Anwendung der §§ 329 Abs. 7 Satz 1, 44, 45 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch demjenigen gewährt werden kann, der nicht wirksam zum Termin der Berufungshauptverhandlung geladen wurde und deshalb zu Unrecht als säumig behandelt worden ist (vgl. OLG Hamm NStZ 1982, 521; OLG Hamburg NStZ-RR 2001, 302; OLG Köln NStZ-RR 2002, 142; OLG Brandenburg BeckRS 2011, 8101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 329 Rdn. 41 m.w.N.).

Vorliegend ist zwar anhand der Akten ein Ladungsmangel festzustellen (dazu II.2.a). Dieser Ladungsmangel war jedoch nicht kausal für das Nichterscheinen des Angeklagten (dazu II.2.b), so dass eine Wiedereinsetzung auch unter diesem Gesichtspunkt ausscheidet.

a) Eine ladungsfähige Anschrift des Angeklagten, der nach dem erstinstanzlichen Urteil in die Türkei zurückgekehrt ist, war in dem Berufungsverfahren nicht bekannt. Das Landgericht hat daher die öffentliche Zustellung der Ladung angeordnet (§ 40 Abs. 1 StPO).

Dies ist lediglich in der Weise geschehen, dass die Vorsitzende der Strafkammer in der Ladungsverfügung betreffend den Angeklagten den Zusatz „gegen öffentliche Zustellung“ vermerkt hat. Die Anordnung der öffentlichen Zustellung erfordert indes gemäß § 37 Abs. 1 StPO, § 186 Abs. 1 Satz 1 ZPO einen Gerichtsbeschluss, der - jedenfalls kurz - zu begründen ist. Eine Verfügung des Vorsitzenden genügt nicht und macht die Zustellung unwirksam (vgl. OLG Hamm JMBl NRW 1958, 262; KMR-Ziegler, StPO, 102. Lfg. 2020, § 40 Rdn. 19; KK-Maul a.a.O. § 40 Rdn. 9; Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. § 40 Rdn. 6).

b) Ein Ladungsmangel als solcher rechtfertigt jedoch noch nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungshauptverhandlung. Erforderlich ist darüber hinaus, dass der Ladungsmangel kausal für das Nichterscheinen des Angeklagten war (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2002, 142; OLG Hamm NStZ-RR 2008, 380; NStZ-RR 2009, 314; OLG Brandenburg BeckRS 2011, 8101; OLG Frankfurt BeckRS 2015, 7902; KG BeckRS 2017, 134409). Der Ladungsmangel muss verhindert haben, dass der erscheinungswillige Angeklagte an der Verhandlung teilnehmen konnte. Es besteht kein Anlass, einem Angeklagten, der ohnehin nicht erscheinen wollte oder sich aus anderen Gründen an der Teilnahme gehindert sah, wegen eines Ladungsmangels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

An der erforderlichen Kausalität fehlt es hier. Der Verteidiger hat zu Beginn der Berufungshauptverhandlung erklärt, dass ihm der Angeklagte mitgeteilt habe, dass er sich noch in der Türkei befinde und heute nicht erscheinen werde. Diese Erklärung des Verteidigers impliziert, dass der Angeklagte - offenbar durch telefonischen Kontakt mit dem Verteidiger - sogar Kenntnis von dem Termin hatte. Der dem Angeklagten nicht bekannte Umstand, dass die öffentliche Zustellung statt durch einen Gerichtsbeschluss lediglich im Rahmen der Ladungsverfügung angeordnet wurde, war jedenfalls nicht ursächlich für sein Nichterscheinen.

Soweit das OLG Köln in einer jüngeren Entscheidung (NStZ-RR 2015, 317) bei einer wirksamen öffentlichen Zustellung nicht tragend als obiter dictum bemerkt hat, dass das Kausalitätserfordernis nicht für den Fall der öffentlichen Zustellung gelte, da ansonsten Ladungsmängel bei dieser Zustellungsform nahezu stets folgenlos blieben, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn das Instrument der Wiedereinsetzung dient nicht einer umfassenden Rechtskontrolle.

Um einen für das Nichterscheinen nicht kausalen Ladungsmangel erfolgreich beanstanden zu können, steht dem Angeklagten das Rechtsmittel der Revision zur Verfügung. Auf eine entsprechende Verfahrensrüge bleibt auch ein solcher Ladungsmangel nicht folgenlos, da ein Verwerfungsurteil, das nur bei ordnungsgemäßer Ladung hätte ergehen dürfen, bei einem Ladungsmangel der Aufhebung unterliegt, ohne dass es auf die Kausalität für das Nichterscheinen des Angeklagten ankommt.

III.

Dem Angeklagten ist wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Der Angeklagte hat dargetan und durch anwaltliche Versicherung des Verteidigers glaubhaft gemacht, dass er diesem telefonisch den unbedingten Auftrag zur Einlegung und Durchführung der Revision erteilt hatte (vgl. zu diesem Erfordernis: OLG Düsseldorf [1. Strafsenat] VRS 89, 41, 43; OLG Nürnberg NStZ-RR 1999, 114, 115; OLG Hamm BeckRS 2009, 08024; OLG Stuttgart StV 2011, 85, 86; OLG Bamberg BeckRS 2017, 106539).

Die Fristversäumnis bei der Revisionsbegründung beruhte auf einem Verschulden des Verteidigers, das dem Angeklagten nicht zurechenbar ist.

IV.

Die Revision ist unbegründet, weil die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 u. 3 StPO).

Die allein erhobene Sachrüge führt bei dem nach § 329 Abs. 1 StPO ergangenen Verwerfungsurteil nur zu der eingeschränkten Prüfung, ob Verfahrensvoraussetzungen fehlen oder Verfahrenshindernisse bestehen (vgl. BGH NStZ 2001, 440; OLG Köln NJW 2001, 1223). Beides ist vorliegend nicht der Fall.

Der Ladungsmangel, den der Senat bei der Prüfung des wegen der Versäumung der Berufungshauptverhandlung angebrachten Wiedereinsetzungsantrags erörtert hat, kann in dem Revisionsverfahren nur auf eine entsprechende Verfahrensrüge, die den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen muss, berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2005, 114; KG NStZ 2009, 111; Müko-Quentin, StPO, 1. Aufl. 2016, § 329 Rdn. 105 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

Das nachträgliche Entschuldigungsvorbringen (fehlende finanzielle Mittel für die Reise und den Quarantäne-Aufenthalt) ist in dem Revisionsverfahren unbeachtlich, weil es für die rechtliche Überprüfung des Verwerfungsurteils allein auf solche Umstände ankommt, die dem Berufungsgericht bei dessen Erlass bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (vgl. KG BeckRS 2014, 9668; Meyer-Goßner/ Schmitt a.a.O. § 329 Rdn. 48 m.w.N).

V.

Die Kostenentscheidungen folgen aus § 473 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 7 StPO.


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