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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Inhaftierung, Beschränkung, Aufhebung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 07.04.2020 - 6 Qs 4/20

Leitsatz: Das Gericht kann die Pflichtverteidigerbestellung nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO nicht von vornherein auf die Dauer der Inhaftierung beschränken. Vielmehr ist ggf. die Pflichtverteidigerbestellung durch ausdrücklichen Aufhebungsbeschluss zu beenden, wenn die Voraussetzungen des § 143 Abs. 2 Satz 2 StPO vorliegen.


6 Qs 40/20

Beschluss

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:

Herr Rechtsanwalt Jan-Robert Funck, Schleinitzstraße 14, 38106 Braunschweig

wegen Diebstahls

hat die 6. Große Strafkammer (Beschwerdekammer) des Landgerichts Dessau-Roßlau durch die unterzeichnenden Richter und Richterinnen am 07.04.2020 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg vom 21.02.2020 (Az: 2 Ds 242119 (594 Js 20426/19)), durch den dem Angeklagten Herr Rechtsanwalt pp. beschränkt für die Dauer des Freiheitsentzuges beigeordnet wurde, aufgehoben.
2. Dem Angeklagten wird Herr Rechtsanwalt pp. als notwendiger Verteidiger bestellt.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

Gegen den Angeklagten wurde durch die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau am 24.09.2019 Anklage wegen Diebstahls erhoben (Az: 594 Js 20426119). Das Verfahren wurde mit Eröffnungsbeschluss vom 18.12.2019 (Az.: 2 Ds 242/19 (594 Js 20426/19)) zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Hauptverhandlungstermin wurde zunächst auf den 20.02.2020 bestimmt. Nach Bekanntwerden, dass sich der Angeklagte in anderer Sache in Haft befindet, wurde der Termin zunächst aufgehoben.

Der Angeklagte befand sich seit dem 11.01.2020 in Erzwingungshaft beziehungsweise verbüßte in der Zeit vom 31.01.2020 bis zum 12.03.2020 eine Ersatzfreiheitsstrafe (AG Rosenheim, Az.: 10 Cs 150 Js 9423/19) in der JVA in Halle. Im Anschluss an die im Vollzug befindliche Strafe sollten sodann ab dem 13.03.2020 weitere 80 Tage Ersatzfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Wittenberg (Az.: 2 Ds 127/19 — 594 Js 2494/19) bis voraussichtlich 31.05.2020 vollstreckt werden.

Nach Zustellung der Anklage beantragte der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 19.02.2020 - eingegangen am selben Tage beim Amtsgericht Wittenberg - die Beiordnung als Pflichtverteidiger gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO.

Durch Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg vom 21.02.2020 (Az.: 2 Ds 242/19 (594 Js 20426/19) wurde dem Angeklagten der Verteidiger pp. als notwendiger Verteidiger beigeordnet und die Beiordnung dabei auf die Dauer des Freiheitsentzuges beschränkt,

Gegen die zeitlich beschränkte Beiordnung als Pflichtverteidiger legte der Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsatz vom 25,02.2020, eingegangen beim Amtsgericht Wittenberg am selben Tage, sofortige Beschwerde ein und begründete diese damit, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers grundsätzlich nicht unter Konditionen zu stellen sei. Ob nach einer Haftentlassung und rechtzeitig vor einem möglichen Hauptverhandlungstermin die Beschränkungen der Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten weiter fortbestehen oder nicht sei im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Gegebenenfalls sei eine zuvor erfolgte Beiordnung wieder aufzuheben.

Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau beantragte mit Verfügung vom 24.03.2020 den Beschluss des Amtsgerichts Wittenberg vom 21.02.2020 aufzuheben und sodann auf Grund des gegebenen Sachverhalts — ohne Beschränkung — Jan-Robert Funck als Pflichtverteidiger beizuordnen.

Das Amtsgericht Wittenberg legte die Sache der Beschwerdekammer des Landgerichts Dessau-Roßlau sodann zur Entscheidung vor.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 142 Abs. 7 StPO das statthafte und auch im Übrigen, insbesondere fristgerecht eingelegte Rechtsmittel.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor, wenn der Angeklagte sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Der Angeklagte befindet sich bereits seit dem 11.01.2020 und noch voraussichtlich bis zum 31.05.2020 in Haft in der JVA Halle.

Der Grundgedanke des § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO ist, Nachteile zu kompensieren, die der Angeklagte auf Grund eingeschränkter Freiheit in der damit einhergehenden eingeschränkten Möglichkeit, seine Verteidigung vorzubereiten, erleidet (Vgl. Krawczyk, in: BeckOK StPO, 36, Edition, Stand 01.01.2020, § 140 Rn. 10 — zitiert nach beck-online). Dabei wird nicht differenziert, in welchem Verfahren die Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, sodass notwendige Verteidigung bei jeder Inhaftierung zu bejahen ist.

Dabei besteht keine Ermächtigung des Gerichts, die Pflichtverteidigerbestellung beschränkt auf die Dauer der Inhaftierung auszusprechen (Vgl. Krawczyk, a.a.O., Rn. 13 — zitiert nach beck-online). Vielmehr wäre die Pflichtverteidigerbestellung durch ausdrücklichen Aufhebungsbeschluss zu beenden, wenn die Voraussetzungen des § 143 Abs. 2 S. 2 StPO vorliegen, das heißt, wenn der Angeklagte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen wird und die für den Angeklagten verbleidende Zeit ausreicht, sich angemessen auf seine Verteidigung vorzubereiten, wobei es sich bei der Aufhebung stets um eine Ermessensentscheidung des Gerichts handelt (Vgl, Krawczyk, in: BeckOK StPO, 36. Edition, Stand 01.01.2020, § 143 Rn. 9 — zitiert nach beck-online, ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. 11. 2010 - 4 Ws 615/10; LG Magdeburg, Beschluss vom — 21 Qs 785 Js 36889/13 (44/14)).

Aus diesem Grund war der Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 21.02.2020 (Az.:
2 Ds 242/19 (594 Js 20426/19) aufzuheben und dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger ohne Beschränkung beizuordnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 StPO analog.


Einsender: RA J. R. Funck, Braunschweig

Anmerkung:


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