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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Versuchsbeginn, Hehlerei

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 05.03.2020 – (2) 161 Ss 190/19 (41/19)

Leitsatz: Der Versuch des Ankaufens erfordert ein unmittelbares Ansetzen zur Übernahme einer selbständigen Verfügungsmacht. Die bloße Vereinbarung mit dem Vortäter, die Sache abnehmen zu wollen, reicht hierfür ebenso wenig aus, wie gescheiterte Vertragsverhandlungen.


KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer:
(2) 161 Ss 190/19 (41/19)

In der Strafsache
gegen pp.

wegen gewerbsmäßiger Hehlerei

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 5. März 2020 einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. September 2019 in den Fällen II. B. 2. und II. B. 3 sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Angeklagten am 14. Mai 2018 wegen Hehlerei in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten und setzte deren Vollstreckung zur Bewährung aus. Zugleich ordnete es die Einziehung des durch die Tat Erlangten in Höhe von 15.800 Euro an.

Auf die mit dem Ziel eines Freispruchs eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin die erstinstanzliche Entscheidung dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei in zwei Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Anordnung der Einziehung des Wertersatzes auf 5000 Euro reduziert wurde.

Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.


II.

Die form- und fristgerecht sowie unbeschränkt eingelegte Revision des Angeklagten hat teilweise (vorläufigen) Erfolg.

1. Zu den Tathandlungen hat das das Landgericht im Wesentlichen Folgendes festgestellt (UA S. 6-8):

„Zu einem für die Kammer nicht aufklärbaren Zeitpunkt vor dem 14. Juni 2016 erklärte der Angeklagte sich gegenüber einem oder mehreren der gesondert verurteilten B., P., R. […], Re. und D. dazu bereit, Zigaretten aus deren Einbruchsdiebstahlstaten anzukaufen, um sie weiterzuverkaufen.

Im Einzelnen kam es jedenfalls zu folgenden drei Taten des Angeklagten:

1.
Am Nachmittag des 14. Juni 2016 bot der gesondert Verurteilte B. dem Angeklagten die zuvor aus dem Geschäft des Geschädigten G. in der L…allee in Berlin entwendeten Tabakwaren im Wert von geschätzten 5000 Euro telefonisch mit den Worten „dreitausendeinhundertfünfzig musst du zahlen“ für 3150 Euro zum Kauf an. Der Angeklagte erklärte sich in Kenntnis der Herkunft der Ware aus einer Straftat zum Ankauf bereit, forderte allerdings mit dem Hinweis, dass es sich nicht um gute Zigaretten handele, einen Preis von „vierzig“, gemeint wahrscheinlich 40 Euro pro Stange. Damit erklärte sich der gesondert Verurteilte B. unter dem Vorbehalt, dass er seine Mittäter („die Leute“) noch fragen müsse, einverstanden. In einem weiteren Telefongespräch etwa eine halbe Stunde später bestellte der Angeklagte den gesondert Verurteilten B. zu seinem Geschäft in der B… Straße in Berlin und wiederholte die Anschrift mehrfach. Zum Ende dieses etwa eineinhalbminütigen Telefonats erklärte sich der Zeuge B. mit den Worten „Dreitausend bringst du, ja?“ mit einer Reduzierung des Kaufpreises für die gestohlenen Zigaretten auf 3000 Euro einverstanden in der Folge veräußerte der Angeklagte das gekaufte Diebesgut, wie von Anfang an beabsichtigt, gewinnbringend, vermutlich an gutgläubige Kunden in seinem Geschäft in der B… Straße. Durch die Tat entstand ein Vermögensschaden in Höhe von 5000 Euro.

2.
Am Morgen des 16. Juni 2016 bot der gesondert Verurteilte B. dem Angeklagten zuvor aus dem Geschäft des Geschädigten J. in der F… chaussee in Berlin entwendete Tabakwaren im Wert von bis zu etwa 18.000 Euro zum Kauf an. Der Angeklagte erklärte sich in Kenntnis der Herkunft der Ware aus einer Straftat grundsätzlich zum Ankauf bereit und bestellte den gesondert Verfolgten B. zum Abschluss des Geschäfts mit den Worten „Kommst du hier in B… Straße, ich bin da.“ telefonisch zu sich. Der gesondert Verurteilte B. fragte nach „Wo letzte Mal war?“, was der Angeklagte mit „Gestern warst du da.“ bestätigte. Ob es in der Folge zum Ankauf der entwendeten Tabakwaren oder jedenfalls eines Teiles von diesen kam, konnte die Kammer nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Dementsprechend konnte die Kammer auch nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, ob es zu dem vom Angeklagten beabsichtigten, gewinnbringenden Weiterverkauf der gestohlenen Tabakwaren in einem seiner Geschäfte kam.

3.
Am Nachmittag des 2. August 2016 bot der gesondert Verfolgte B. dem Angeklagten zuvor aus dem „… Shop“ in der S…Allee in Berlin entwendete Tabakwaren im Umfang von etwa achtzig bis einhundert Stangen Zigaretten zu einem nicht bekannten Preis zum Kauf an. Der Angeklagte bestellte den gesondert Verurteilten B., der angab, dass er die Ware noch nicht gezählt habe, dies aber beim Angeklagten noch tun wolle (wörtlich sagte B. zu den angebotenen Tabakwaren „aber habe nicht gezählt, da muss noch zählen da, ja? Nichts, nicht viel achtzig oder so bis hundert.“) in die „B…“. Ob es in der Folge zum Ankauf der entwendeten Tabakwaren im Umfang von etwa achtzig bis einhundert Stangen Zigaretten kam, konnte die Kammer nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen. Dementsprechend konnte die Kammer auch nicht mit der notwendigen Sicherheit feststellen, ob es zu dem vom Angeklagten beabsichtigten, gewinnbringenden Weiterverkauf der gestohlenen Tabakwaren in einem seiner Geschäfte kam.“


2. Die Feststellungen zu II. B. 2. und II B. 3. tragen die Verurteilung wegen versuchter Hehlerei in zwei Fällen nicht.

Weder durch das Gespräch mit dem gesondert Verurteilten B. am 16. Juni 2016, noch durch das Telefonat am 2. August 2016 hat der Angeklagte zu einer Hehlerei in der Tatbestandsvariante des Ankaufens unmittelbar angesetzt.

Nach den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung strafloser Vorbereitungshandlungen vom strafbaren Versuch liegt ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Gefährdungshandlungen vor, die nach der Tätervorstellung in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbar räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht es los” überschreitet, es eines weiteren Willensimpulses nicht mehr bedarf und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetzt, so dass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergeht. Dabei ist im Einzelfall bei der Abgrenzung in wertender Betrachtung auf die strukturellen Besonderheiten der jeweiligen Tatbestände Bedacht zu nehmen (vgl. BGHR AO § 373 Versuch 1 mwN; BGH NStZ 2008, 409).

Da die Vollendung der Hehlereivarianten des Sich-Verschaffens und Ankaufens voraussetzt, dass der Erwerber eine vom Vortäter unabhängige (Mit-)Verfügungsgewalt erlangt hat, die ihn in die Lage versetzt, selbstständig über die Sache zu verfügen (vgl. Fischer, StGB 67. Aufl., § 259 Rn. 11 mwN), erfordert in diesem Sinne auch der Versuchsbeginn ein unmittelbares Ansetzen zur Übernahme einer solchen Verfügungsmacht.

Auch der Eintritt in Kaufverhandlungen kann diese Voraussetzungen grundsätzlich erfüllen. Da es jedoch auf das unmittelbare Ansetzen zur Übernahme eigener Verfügungsgewalt ankommt, können reine Absprachen erst dann als Versuch eingestuft werden, wenn die Übergabe der Sache, also die Übertragung der Verfügungsgewalt, unmittelbar nach Abschluss der Verhandlungen erfolgen kann und soll. Dies bedeutet, dass das Aushandeln der Bedingungen zu verbindlichen Vereinbarungen über Ankauf und Abnahme geführt haben und dem Übertragungsakt unmittelbar vorgelagert sein muss. Die bloße Vereinbarung mit dem Vortäter, die Sache abnehmen zu wollen, reicht für einen Versuch des Ankaufens ebenso wenig aus, wie gescheiterte Vertragsverhandlungen. Um eine unmittelbare Einleitung des Übertragungsakts annehmen zu können, müssen die Verhandlungen zumindest eine Einigung über Zeit und Ort der Lieferung erbracht haben (vgl. BGH NStZ 2008, 409; Maier in MüKo-StGB 3. Aufl., § 259 Rn. 165, 166 mwN).

Daran fehlt es hier.

Hinsichtlich der Tat zu II. B. 2. lässt es sich den Feststellungen nicht entnehmen, dass der Angeklagte überhaupt in konkrete Verhandlungen eingetreten ist, weil weder über den Preis, noch die Menge der Zigaretten, noch über die Übergabemodalitäten gesprochen wurde. Infolgedessen tragen die Feststellungen erst recht nicht die Annahme, dass sich der Angeklagte und der gesondert Verfolgte B. hinsichtlich des Ankaufes handelseinig geworden sind und eine unmittelbare Übergabe des Diebesgutes erfolgen sollte.

Dasselbe gilt für die Tat zu II. B. 3.: Hier hat das Landgericht bereits selbst festgestellt, dass der Ankauf am Tattag lediglich „telefonisch vorbereitet“ wurde. Rückschlüsse auf konkrete Verhandlungen zu Zahlungs- oder Übergabemodalitäten lassen sich den Feststellungen zur Kommunikation des Angeklagten mit dem gesondert Verurteilten B. nicht entnehmen. Vielmehr folgt aus den festgestellten Äußerungen des gesondert Verfolgten, dass er sich noch nicht einmal einen Überblick über die Menge der gestohlenen Zigaretten verschafft hatte.

3. Die weitergehende Revision ist offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Senat merkt insoweit Folgendes an:

a) Soweit die Strafkammer den Inhalt der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Telefongespräche anders bewertet als der Beschwerdeführer, begründet dies keinen Rechtsfehler in der Beweiswürdigung. Das Revisionsvorbringen ersetzt hier lediglich die von der Kammer vorgenommene Beweiswürdigung durch eine eigene.

b) Dass die Kammer der Einzelstrafe zu II. B. 1. den Sonderstrafrahmen des § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB zugrunde gelegt hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die tatsächlichen Feststellungen tragen die Annahme gewerbsmäßigen Handelns.

Dass die Kammer sich hier auch auf die Feststellungen zu II. B. 2. und II. B. 3. gestützt hat, ist unschädlich. Zwar belegen die festgestellten Gespräche zwischen dem Angeklagten und dem gesondert Verurteilten B. kein Überschreiten der Grenze zur Versuchsstrafbarkeit, jedoch entfalten sie ohne weiteres eine starke Indizwirkung in Bezug auf Absichten und Ziele des Angeklagten. Auch aus erfolglosen Anbahnungsgesprächen lässt sich eine grundsätzliche Bereitschaft des Angeklagten zur Begehung vergleichbarer Taten schließen. Da der Angeklagte zudem beim Gespräch vom 14. Juni 2016 sofort wusste, worum es geht, und darüber hinaus zwei für einen Weiterverkauf gestohlener Zigaretten prädestinierte Geschäfte betreibt, erweist sich bei verständiger Würdigung der Gesamtumstände die Schlussfolgerung, der Angeklagte habe bei der Tat zu II. B. 1. gehandelt, um sich eine Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Gewicht zu verschaffen, als tragfähig.

4. Die Aufhebung der Verurteilung wegen der Taten II.B. 2. und II. B. 3. zieht die Aufhebung der vom Landgericht gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.


III.

Im Umfang der Aufhebung verweist der Senat die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). Es ist nicht auszuschließen, dass eine neue Hauptverhandlung noch Aufschlüsse zu erbringen vermag (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 270).

Über die Kosten der Revision und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten wird der neue Tatrichter im Lichte der von ihm zu treffenden Sachentscheidung insgesamt zu befinden haben.


Einsender: VorsRiKG O. Arnoldi, Berlin

Anmerkung:


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