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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, nachträgliche Beiordnung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Aurich, Beschl. v. 05.05.2020 - 12 Qs 78/20

Leitsatz: Zur nachträglichen Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach neuem Recht.


Landgericht Aurich
Beschluss
12 Qs 78/20

In der Strafsache
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Verdachts des Verbrechens nach § 30 Abs. 1 Ziffer 4 BtMG; hier Beschwerde gegen Beschluss v.02.04.20

hat das Landgericht Aurich — 2. große Strafkammer — durch die unterzeichnenden Richter am 05.05.2020 beschlossen:

1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Aurich vom 02.04.2020 (Geschäftsnummer: 6 Gs 490/20) wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Beschwerdeverfahren fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das Amtsgericht Aurich hat in seinem Beschluss vom 02.04.2020 zu Recht dem Beschuldigten Herrn Rechtsanwalt pp. als notwendigen Verteidiger bestellt. Die Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 StPO liegen vor.

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

Nachdem am 03.02.2020 die Wohnung des Beschuldigten aufgrund eines Verdachts der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG durchsucht und der Beschuldigte über den Tatvorwurf belehrt worden war, beantragte sein Verteidiger, Herr Rechtsanwalt pp., mit Schreiben vom 10.02.2020 Akteneinsicht, seine Beiordnung als Pflichtverteidiger und erklärte, dass er sein Wahlmandat im Falle einer Beiordnung niederlegen werde. Mit Verfügung vom 18.02.2020 gewährte die Staatsanwaltschaft dem Verteidiger Akteneinsicht, eine Entscheidung über den Beiordnungsantrag durch das zuständige Amtsgericht Aurich erfolgte nicht. Am 1 1.03.2020 stellte der Verteidiger erneut den Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger und beantragte zudem die Weiterleitung an das zuständige Gericht. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 170 Abs. 2 StPO erfolgte am 13.03.2020 durch die Staatsanwaltschaft Aurich sowie der formlose Hinweis an den Verteidiger, dass die Voraussetzungen für eine Beiordnung gemäß SS 141, 142 StPO nicht vorliegen, woraufhin der Verteidiger mit Schriftsatz vom 30.03.2020 gerichtliche Entscheidung gemäß § 142 Abs. 4 §. 3 StPO beantragte. Das Amtsgericht Aurich bestellte Rechtsanwalt pp. mit Beschluss vom 02.04.2020 als notwendigen Verteidiger.

Die Kammer ist der Auffassung, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung am 10.02.2020 ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO vorlag. Darüber hinaus waren auch die Voraussetzungen des § 141 Abs. 1 StPO gegeben.

Soweit in dem Wortlaut des § 141 Abs. 1 StPO von einem Beschuldigten, „der noch keinen Verteidiger hat", die Rede ist, so vermag dies das Vorliegen der Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung nicht entfallen zu lassen. Denn auch der bisherige Wahlverteidiger kann zum Pflichtverteidiger bestellt werden, wenn dieser die Niederlegung — wie im vorliegenden Fall — für den Fall der beantragten Bestellung ankündigt (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vm 20.04.2009 - 1 Ws 235/09; BeckOK, StPO, § 141, Rn. 2).

Ebenso der Umstand, dass das Ermittlungsverfahren zwischenzeitlich eingestellt worden ist, hindert die Bestellung nicht. Zwar vertritt auch die Kammer die Auffassung, dass die nachträgliche Beiordnung eines Verteidigers nach dem endgültigen Abschluss eines Verfahrens grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt und ein entsprechender Antrag unzulässig ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 141, Rn. 8 m. w. N.). Im Hinblick auf die Intention des Gesetzgebers zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung (vgl. Bundestag-Drucksache 19/13829 und BundestagDrucksache 19/15151) muss eine rückwirkende Bestellung allerdings ausnahmsweise zulässig sein, wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung gemäß § 140 Abs. I, Abs. 2StPO vorlagen und die Entscheidung durch interne Vorgänge unterblieben ist, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte (vgl. LG Mannheim, Beschluss vom 26.03.2020 - 7 Qs 1 1/20; LG Magdeburg, Beschluss vom 20.02.2020 - 29 Qs 2/20).

So liegt der Fall hier: Der Beiordnungsantrag ist eine Woche nach der durchgeführten Durchsuchung beim Amtsgericht und zwei Tage danach bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. Zwischen dem Eingang des Antrages und der Einstellung des Ermittlungsverfahrens ist mehr als 1 Monat vergangen, ohne dass der Antrag beschieden wurde. Eine Weiterleitung an das zuständige Gericht erfolgte erst nach Eingang des dritten Schriftsatzes des Verteidigers vom 30.03.2020. Dies steht insbesondere mit der Regelung des § 142 Abs. I StPO in Widerspruch, wonach ein Antrag des Beschuldigten nach § 141 Abs. 1 §. I StPO durch die Staatsanwaltschaft unverzüglich mit einer Stellungnahme dem zuständigen Gericht vorzulegen ist.

Weiterhin hat das Amtsgericht in seinem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, dass die angenommene Unzulässigkeit einer rückwirkenden Pflichtverteidigerbestellung nicht ausnahmslos gelten dürfe. „Der Gesetzgeber sieht gegen die Versagung einer Beiordnung ein Rechtsmittel vor. Die dem Beschuldigten hierdurch kraft Gesetzes gewährte Überprüfungsmöglichkeit darf ihm nicht dadurch entzogen werden, dass der Antrag auf Pflichtverteidigerbestellung durch Einstellung des Verfahrens überholt wird.'
Aus den oben dargestellten Gründen war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 473 StPO zu verwerfen.


Einsender: RA M. Acar, Leer

Anmerkung:


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