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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Verwendung von Kennzeichen der Hell Angels

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 31.10.2019 – (2) 121 Ss 128/19 (34/19)

Leitsatz des Gerichts:

1. Ein sogenanntes Center Patch, das mit der Zahl 81“ und dem Schriftzug BIG RED MACHINE“ in den Farben rot und weiß sowie in einer der Schriftart Hessian Regular“ ähnelnden Schrift bestickt ist, stellt ein Kennzeichen im Sinne des Vereinsgesetzes dar.
2. Die Verwendung eines solchen Kennzeichens begründet eine Strafbarkeit nach dem Vereinsrecht lediglich dann, wenn es in im Wesentlichen gleicher Form von ei-nem verbotenen Verein verwendet wird; daran fehlt es, wenn das Kennzeichen nur durch die nicht verbotene Dachorganisation der Hells Angels“ genutzt wird.


KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer:
(2) 121 Ss 128/19 (34/19)

In der Strafsache
gegen pp.

wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 31. Oktober 2019 einstimmig beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 6. Juni 2019 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten – nach vorangegangenem Strafbefehlsverfahren – durch Urteil vom 14. Juni 2018 wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz (§ 9 Abs. 3, § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Abs. 3 VereinsG) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 Euro verurteilt.

Gegen dieses Urteil haben sowohl die Staatsanwaltschaft Berlin als auch der Angeklagte Berufung eingelegt, Letzterer mit dem Ziel des Freispruchs.

Das Landgericht Berlin hat mit dem angefochtenen Urteil vom 6. Juni 2019 die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten verworfen.

II.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten, form- und fristgerecht – unbeschränkt – eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.

1. Ein – von Amts wegen zu beachtendes – Verfahrenshindernis liegt entgegen der Auffassung des Revisionsführers nicht vor. Soweit die Revision meint, ein solches sei gegeben, weil weder der dem Verfahren zugrunde liegende Strafbefehl noch das amts- oder landgerichtliche Urteil einen „verbotenen Verein“ benenne, dessen Kennzeichen der Angeklagte verwendet haben soll, liegt hierin kein Verfahrenshindernis. Insbesondere fehlt es vorliegend nicht etwa an einer wirksamen Anklage- oder Antragsschrift, weil die prozessuale Tat im Sinne der §§ 155, 264 StPO nicht hinreichend konkretisiert ist. Denn die prozessuale Tat im engeren Sinne ist ein „konkretes Vorkommnis“, ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet (BGHSt 22, 375, 385), und innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht hat oder haben soll (BGHSt 29, 341, 342; 32, 215, 216; 59, 4, 8). Diesen Voraussetzungen genügt der durch das Amtsgericht Tiergarten erlassene Strafbefehl, denn er lässt zweifelsohne einen geschichtlichen Vorgang erkennen, indem er den Tattag und das konkrete Tatgeschehen, nämlich das Tragen eines Kapuzenpullovers durch den Angeklagten, darstellt.

2. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

3. Die Sachrüge hat demgegenüber Erfolg.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts soll der Angeklagte bei einer durch den Motorradclub Hells Angels MC Nomads Germany angemeldeten Versammlung am 9. September 2017 in Berlin ein Kapuzen-Sweatshirt getragen haben, auf dem in roter Schrift die Aufschrift „FTW“ an der Kapuze und ebenfalls in roter Farbe ein Eisernes Kreuz auf der Rückenseite aufgestickt seien sowie innerhalb des Eisernen Kreuzes in weißer Schrift die Zahlen und Schriftzüge „81“, „BIG RED MACHINE“, „666“ und „SUPPORT“. Zudem befänden sich unter dem Kreuz in weißer Schrift die Worte „NORTH END“. Für sämtliche Worte und Ziffern sei die Schriftart „Hessian Regular“ verwendet worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten hat das Berufungsgericht auf die Abbildungen Bl. 10/11 d.A. verwiesen.
Am Morgen des Tattages hätte es eine Demonstration von Mitgliedern und Unterstützern der Hells Angels gegen die zum 16. März 2017 in Kraft getretene Verschärfung des Vereinsgesetzes gegeben, an der der Angeklagte jedoch nicht teilgenommen hätte.

Wie der Angeklagte bei der Tatbegehung gewusst habe, handele es sich bei der Bezeichnung „BIG RED MACHINE“ um eine Umschreibung für den Hells Angels MC, ebenso bei der Zahlenkombination „81“, die den achten und ersten Buchstaben des Alphabets symbolisiere und für „HA“ = Hells Angels stehe. Die Bezeichnung „North End“ stehe für die in Norderstedt ansässige Ortsgruppe der Hells Angels (Charter) „Hells Angels MC North End“. Der Angeklagte habe auch gewusst, dass der Hells Angels MC als ausschließliche Schriftart für seine Zeichen die Schriftart „Hessian Regular“ verwende und seit den achtziger Jahren zahlreiche Charter des Hells Angels MC verboten worden seien, u.a. auch in Berlin. Er hätte jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass das Tragen des Sweatshirts gegen die ab dem 16. März 2017 geltenden Regelungen des Vereinsgesetzes verstoße.

b) Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Verurteilung wegen des Verstoßes gegen das Vereinsgesetz nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2, § 9 Abs. 1 und Abs. 3 VereinsG nicht.

Danach handelt strafbar, wer im räumlichen Geltungsbereich des Vereinsgesetzes Kennzeichen einer in den Nummern 1 und 2 des § 20 Abs. 1 Satz 1 VereinsG bezeichneten verbotenen Vereine während der Vollziehbarkeit des Verbots öffentlich verwendet, wobei § 9 Abs. 3 VereinsG entsprechend gilt. Nach § 9 Abs. 3 VereinsG gilt das Verwendungsverbot des § 9 Abs. 1 VereinsG entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen Vereinen verwendet werden.

Die unzutreffende Bezugnahme auf die „Abbildungen Bl. 10/11 d.A.“ im Rahmen der Feststellungen unter II. des angefochtenen Urteils (UA S. 2) ist im Ergebnis unschädlich, da jedenfalls unter III. des landgerichtlichen Urteils zutreffend auf die Fotos Bl. 9 und 10 d.A. (UA S. 3) verwiesen wird und somit auch auf die Abbildung Bl. 9 oben Bd. I d.A., auf der die Rückseite des Kapuzenpullovers zu sehen ist. Die Verweisung genügt im Übrigen den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, wonach lediglich hinsichtlich der Einzelheiten auf in den Akten befindliche Abbildungen verwiesen werden kann, das Wesentliche des Abbildungsgeschehens jedoch allgemein gehalten zu beschreiben ist (vgl. KG, Beschlüsse vom 15. Dezember 2015 – (2) 121 Ss 216/15 (74/15) –, juris Rn. 16, und vom 30. September 2011 – 1 Ws (B) 179/09 – mwN). Denn unter II. des angefochtenen Urteils (UA S. 2) findet sich eine Beschreibung der auf der Rückseite des Kapuzenpullovers aufgebrachten Stickereien hinsichtlich deren Form-, Farb- und Schriftgebung.

Es fehlt dem angefochtenen Urteil jedoch an Feststellungen, dass ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen Vereinen verwendet wurde (§ 9 Abs. 3 Satz 1 VereinsG).

aa) Es kann dahinstehen, ob allein die Zahl „81“ (bejahend LG Bremen, Urteil vom 28. März 2017 – 51 Ns 321 Js 11739/15 –, juris Rn. 24; ablehnend LG Verden, Urteil vom 8. März 2016 – 2 KLs 601 Js 30772/14 (15/14) –, juris Rn. 54; AG Tiergarten, Urteil vom 6. Dezember 2018 – [251b Ds] 251 Js 214/18 [68/18] –) und der Schriftzug „BIG RED MACHINE“ (bejahend LG Bremen, aaO, Rn. 21) in der Schriftart Hessian Regular und in weißer Farbe jeweils für sich gesehen – wie das Landgericht in seiner Entscheidung annimmt – ein Kennzeichen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG darstellt. Denn in diesem Fall ist entgegen der Auffassung des Landgerichts bei der Frage der Kennzeicheneigenschaft nicht auf die einzelnen Schriftzüge und Zahlenkombinationen innerhalb des sogenannten Eisernen Kreuzes abzustellen, sondern auf das Eiserne Kreuz und die von ihm eingerahmten Zahlen und Schriftzüge als einheitliches Abzeichen. Dieses auf der Mitte des Kapuzenpullovers befindliche Mittelabzeichen (sogenanntes Center Patch) stellt ein Kennzeichen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG dar.

aaa) Der Begriff des Kennzeichens im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG ist nicht legal definiert. Zwar nimmt § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und Satz 2 VereinsG auf § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG Bezug. Dort werden indes lediglich beispielshaft Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformeln als Kennzeichen aufgezählt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 – 3 StR 33/15 –, juris Rn. 13; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juli 2018 – III-2 Ws 69/18 –, juris Rn. 28; KG, Beschluss vom 22. November 2018 – 5 Ws 196/18 –). Als Kennzeichen im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG werden – wie für § 86a Abs. 1 StGB – optisch oder akustisch wahrnehmbare Symbole und Sinnesäußerungen begriffen, durch die der Verein auf sich und seine Zwecke hinweist; intern sollen Kennzeichen den Zusammenhalt der Vereinsmitglieder stärken. Soweit darüber hinaus vertreten wird, von dem Kennzeichen müsse eine Unterscheidungswirkung im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals ausgehen, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr genügt es, dass sich ein Verein ein bestimmtes Symbol, beispielsweise durch formale Widmung oder durch schlichte Übung, derart zu eigen macht, dass dieses zumindest auch als sein Kennzeichen erscheint. Ob das Kennzeichen auch von anderen, nicht verbotenen Vereinen oder in gänzlich anderem Kontext genutzt wird, ist für die Frage der Kennzeicheneigenschaft ohne Bedeutung. Denn andernfalls würden in die Prüfung, ob überhaupt ein Kennzeichen vorliegt, letztlich die außerhalb desselben liegenden Umstände seiner Verwendung einbezogen. Eine solche Gesamtbetrachtung ist indes wegen der damit verbundenen nachteiligen Folgen für die Rechtssicherheit und die Bestimmtheit des Tatbestandes abzulehnen.

Ein Kennzeichen muss vielmehr in seinem auf den verbotenen Verein hinweisenden Symbolgehalt aus sich heraus verständlich sein (vgl. BGH, aaO, mwN). Zwar stellt der Name einer Vereinigung oder eines Vereins als solcher, sofern keine besonderen Umstände hinzutreten, kein Kennzeichen dar. Etwas anderes gilt indes, wenn er eine bestimmte Formgebung erfahren hat, etwa in signifikanten Schriftzügen dargestellt wird, und sich deshalb als Erkennungszeichen darstellt, das einen den beispielhaft aufgeführten Kennzeichen entsprechenden Symbolcharakter aufweist (vgl. BGH, aaO, Rn. 14). Soweit teilweise vertreten wird, dass bei mehrdeutigen, aber von verbotenen Organisationen verwendeten Kennzeichen Voraussetzung der Strafbarkeit ein Hinweis oder für Außenstehende erkennbarer Bezug zu der Organisation sei (vgl. Fischer, StGB 66. Aufl., § 86a Rn. 5a mwN), hat der BGH dies verneint und klargestellt, dass der Kennzeichenbegriff einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich sei (vgl. BGHSt 52, 364, 371). Vielmehr genügt es, dass sich eine verbotene Organisation ein bestimmtes Symbol zu eigen gemacht hat; Unverwechselbarkeit und allgemeine Kenntnis sind dann nicht erforderlich (vgl. BGHSt 52, 364, 372). Vor diesem Hintergrund vermag die teilweise vertretene Auffassung, Zeichen, die tatsächliche Kennzeichen ihrerseits nur symbolisieren sollen, etwa die Zahl „81“ als Synonym für die Hells Angels, seien vom Kennzeichenbegriff des § 86a StGB nicht umfasst (vgl. LG Verden, aaO, Rn. 54 mwN), nicht zu überzeugen.

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Anforderungen stellt die als „Center Patch“ aufgebrachte Stickerei ein Kennzeichen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG dar, da sich die Organisation der Hells Angels dieses Abzeichen in seiner Gesamtschau in einer Weise zu eigen gemacht hat, die es jedenfalls auch als ihr Kennzeichen erscheinen lässt.

Zwar wird in dem Mittelabzeichen (Center Patch) weder der Name der Hells Angels genannt, noch deren Wappen, ein behelmter Totenkopf mit rechtsseitigen Engelsflügeln, dargestellt, allerdings werden mehrere Codes und Symbole, die regelmäßig durch die Hells Angels verwendet werden, gemeinsam in dem Rahmen des Eisernen Kreuzes abgebildet. Sowohl die Zahlenkombination „81“, die für die Anfangsbuchstaben der Hells Angels steht (vgl. Ahlsdorf, Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung am 12. Dezember 2016 „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes“ [BT Drucks. 18/9758, 18/9947]), als auch der Schriftzug „BIG RED MACHINE“ stellen regelmäßig durch die Hells Angels verwendete Symbole dar. Der Begriff „BIG RED MACHINE“ ist durch die Hells Angels als Markeninhaber unter der Registernummer „002157378“ beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) markenrechtlich geschützt (vgl. Auskunft des DPMA unter https://register.dpma.de/DPMAregister/marke/einsteiger). Das Eiserne Kreuz und die Zahlenkombination „666“ stellen zwar keine lediglich durch die Hells Angels genutzten Symbole dar, vielmehr gelten diese gemeinhin als Symbole der Rockerszene (vgl. Ahlsdorf, aaO, S. 5, Abbildung oben rechts; https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Rocker-Begriffen). Sie weisen jedoch zumindest auf die Rockerszene hin, zu der auch die Hells Angels gehören. Zudem deuten hier die rote Farbgebung des Eisernen Kreuzes und die in weiß aufgedruckte Inschrift „81“, „BIG RED MACHINE“, „666“ und „SUPPORT“ auf die Organisation der Hells Angels als solche hin, die die Farben rot und weiß als Vereinsfarben verwendet (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 7. April 2014 – 1 - 31/13 (Rev) –, juris Rn. 19, 22, 28; LG Bremen, aaO, Rn. 14; LG Verden, aaO, Rn. 12; LG Hamburg, Urteil vom 13. Februar 2013 – 705 Ns 58/12 –, juris Rn. 41). Hinzu kommt, dass für sämtliche innerhalb des Eisernen Kreuzes befindlichen Worte und Ziffern als Schriftart „Hessian Regular“ oder eine ähnlich gestaltete Schriftart verwendet wurde. Bei dem Schrifttypus „Hessian Regular“ handelt es sich um eine typischerweise durch die Hells Angels genutzte Schriftart (vgl. OLG Hamburg, aaO, Rn. 19, 28; LG Berlin, Urteil vom 19. Februar 2019 – [574] 251 Js 302/18 Ns [58/18] –, juris Rn. 28; LG Bremen, aaO, Rn. 13; LG Verden, aaO, Rn. 49). Soweit der Revisionsführer ausführt, entgegen den Feststellungen des Landgerichts sei die Zahl „81“ nicht in der Schriftart „Hessian Regular“ aufgestickt, wobei er offen lässt, um welche Schriftart es sich stattdessen handeln soll, kommt es darauf nicht an. Ungeachtet dessen, dass augenscheinlich lediglich der Schriftzug „BIG RED MACHINE“ in der Schriftart „Hessian Regular“ geschrieben ist, sind sowohl die Zahlen „81“, „666“ als auch der Schriftzug „SUPPORT“ in einer Schrift mit schnörkelartigen Verzierungen im oberen und unteren Bereich der Zahlen und Buchstaben aufgestickt, die jedenfalls der Schriftart „Hessian Regular“ zum Verwechseln ähnlich sieht, wie die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils zeigen.

Sowohl die Zahl „81“, der markenrechtlich geschützte Schriftzug „BID RED MACHINE“, die Farbgebung der Stickerei in roter und weißer Farbe, die verwendete Schriftart „Hessian Regular“ sowie eine dieser Schriftart zum Verwechseln ähnliche dienen vorliegend als Erkennungszeichen der Hells Angels, denn die Organisation der Hells Angels hat sich diese durch Eintragung als Marke („BIG RED MACHINE“), durch ihre Satzung (Farben rot und weiß) und durch schlichtes Gebrauchen (Schriftart „Hessian Regular“) zu eigen gemacht. Das „Center Patch“ als solches stellt mithin ein Kennzeichen im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG dar.

bbb) Eine Gesamtbetrachtung der als „Center Patch“ angebrachten Stickerei läuft auch nicht der – ungeachtet der Änderung des § 9 Abs. 3 VereinsG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 10. März 2017 (2. VereinsGÄndG, BGBl. I, S. 419) fortgeltenden (vgl. OLG Hamm, aaO, Rn. 31; KG, aaO) – Einzelbetrachtungslehre des BGH zuwider. Denn danach verbietet es sich nicht, das Mittelabzeichen als solches in seiner Gesamtheit zu betrachten. Vielmehr ist nach der Einzelbetrachtungslehre des BGH (vgl. Urteil vom 9. Juli 2015, aaO, Rn. 15) jedes Abzeichen für sich zu betrachten. Es verbietet sich danach zwar eine Gesamtbetrachtung des Zusammenspiels von mehreren auf der Vorder- und/oder Rückseite eines Kleidungsstücks angebrachten Abzeichen als Ganzes (vgl. BGH, aaO). Vorliegend stellt indes bereits das Mittelabzeichen auf der Rückseite des Kapuzenpullovers für sich genommen ein Abzeichen dar, da die Zahlenkombinationen und Schriftzüge „81“, „BIG RED MACHINE“, „666“ und „SUPPORT“ durch das Eiserne Kreuz umrahmt werden und die Stickerei daher als Einheit erscheint, während der unterhalb des Kreuzes als sogenannter Bottom Rocker angebrachte Schriftzug „NORTH END“ sowie die Buchstabenkombination „FTW“ auf der Kapuze des Pullovers eigenständige Abzeichen darstellen.

Nach alledem hat das Landgericht die Kennzeicheneigenschaft jedenfalls im Ergebnis zutreffend bejaht.

bb) Rechtsfehlerhaft erweist sich hingegen die Auffassung des Landgerichts, es bedürfe keiner Feststellung, dass es sich bei den von dem Angeklagten verwendeten Kennzeichen um solche handelt, die auch eine verbotene Ortsgruppe verwendet hat; vielmehr genüge es, dass es sich um ein Kennzeichen der Dachorganisation der Hells Angels handele.

Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil folgendes festgestellt:

„Es handelt sich auch um Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen verwendet werden. Es ist gerichtsbekannt, dass diverse Ortsgruppen der Hells Angels verboten wurden, so bereits in den achtziger Jahren in Hamburg und 2012 in Berlin. Nach Auffassung der Kammer ist nicht erforderlich, dass bewiesen wird, dass gerade von einer solchen verbotenen Ortsgruppe die Kennzeichen ‚81‘ bzw. der Schriftzug ‚BIG RED MACHINE‘ in der Schriftart ‚Hessian Regular‘ verwendet wurden. Ausreichend ist, dass es sich um Kennzeichen der Dachorganisation Hells Angels MC handelt und deshalb zu den Kennzeichen des verbotenen Vereins der gleichen Dachorganisation ein Zusammenhang besteht. Das entspricht im Übrigen auch dem Willen des Gesetzgebers, der durch die Einbeziehung des § 9 Abs. 3 Vereinsgesetz in die Strafnorm des § 20 Abs. 1 Satz 2 Vereinsgesetz eine Strafbarkeitslücke schließen und sicherstellen wollte, dass auch das Verwenden von Kennzeichen von Vereinen ‚in im wesentlichen gleicher Form‘ der Strafbarkeit unterworfen ist und Kennzeichen effektiv aus der Öffentlichkeit verbannt werden, die mit dem eines bereits verbotenen Vereins in Zusammenhang stehen (BT-Drucksache 18/9758, S. 8).“

In diesem Kontext ist jedoch zu beachten, dass die gegen verschiedene sogenannte Charter der Hells Angels ausgesprochenen Vereinsverbote nicht die national oder gar weltweit agierende Dachorganisation der Hells Angels selbst betreffen, sondern allein regionale Unterabteilungen, deren Zwecke den Strafgesetzen zuwiderlaufen; dementsprechend sind die übrigen Charter der Hells Angels nicht verboten (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – 3 StR 364/16 –, juris Rn. 12; LG Verden, aaO, Rn. 58).

Die Rechtsauffassung des Landgerichts, es bedürfe – gleichwohl – keiner Feststellung, dass die von dem Angeklagten verwendeten Kennzeichen von einer verbotenen Ortsgruppe in im Wesentlichen gleicher Form verwendet worden sind, lässt sich weder mit dem Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 1 VereinsG, der Begründung des Gesetzentwurfs des 2. VereinsGÄndG (vgl. BT-Drucks. 18/9758, S. 7f.) noch mit der bislang zu § 9 Abs. 3 VereinsG ergangenen Rechtsprechung in Einklang bringen.

aaa) Durch den Wortlaut des § 9 Abs. 3 Satz 1 VereinsG („Absatz 1 gilt entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen Vereinen verwendet werden.“) wird unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass Absatz 1 des § 9 VereinsG lediglich dann entsprechende Anwendung findet, wenn ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins in im Wesentlichen gleicher Form durch eine nicht verbotene Teilorganisation oder einen selbständigen Verein verwendet wird.

bbb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Landgericht zitierten Gesetzesbegründung des Gesetzentwurfs eines 2. VereinsGÄndG (vgl. BT-Drucks. 18/9758, S. 7f.). In dem angefochtenen Urteil heißt es: „Das entspricht im Übrigen auch dem Willen des Gesetzgebers, der […] sicherstellen wollte, dass auch das Verwenden von Kennzeichen von Vereinen ‚in im wesentlichen gleicher Form‘ der Strafbarkeit unterworfen ist [….].“ Möglicherweise hat das Landgericht seiner Entscheidung die Annahme zugrunde gelegt, der Wortlaut „in im Wesentlichen gleicher Form“ beziehe sich nicht auf das Kennzeichen, sondern den Verein, mit der Folge, dass auch das Verwenden von Kennzeichen solcher Vereine, die selber zwar nicht verboten sind, aber als Verein eine im Wesentlichen gleiche Form im Vergleich zu einem verbotenen Verein besitzen, unter Strafe gestellt wird, und zwar auch dann, wenn der verbotene Verein das Kennzeichen gar nicht verwendet hat. Dass dies vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt war, lässt sich unmittelbar aus dem Folgesatz der von dem Landgericht zitierten Begründung zu Artikel 1 Nummer 2 (Änderung des § 20 Abs. 1 Satz 2 VereinsG) des Gesetzentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes entnehmen, denn dort heißt es: „Künftig sollen damit auch Kennzeichen effektiv aus der Öffentlichkeit verbannt werden, die mit denen eines verbotenen Vereins im Zusammenhang stehen.“ (vgl. BT-Drucks. 18/9758, S. 8, zu Artikel 1 [Änderung des Vereinsgesetzes] zu Nummer 2). Hieraus ergibt sich, dass das fragliche Kennzeichen mit dem Kennzeichen eines verbotenen Vereins in Zusammenhang stehen muss. Unmissverständlich zum Ausdruck kommt dies auch in der Begründung der Neufassung von § 9 Abs. 3 VereinsG, in der ausgeführt wird: „Ein Verein, der im Wesentlichen gleiche Kennzeichen wie der verbotene Verein verwendet, erweckt in der Öffentlichkeit zumindest den Eindruck, er stehe gleichermaßen für die strafbaren Aktivitäten oder verfassungswidrigen Bestrebungen des verbotenen Vereins.“ (vgl. BT-Drucks. 18/9758, aaO, zu Nummer 1).

ccc) Auch die bisherige Rechtsprechung zu § 9 Abs. 3 VereinsG erfordert eine Feststellung, dass ein verbotener Verein das verfahrensgegenständliche Kennzeichen in im Wesentlichen gleicher Form verwendet hat (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2019 – 3 StR 47/19 –, juris; Urteil vom 9. Juli 2015, aaO, Rn. 7, 15, 24; OLG Hamm, aaO, Rn. 34; LG Hamburg, aaO, Rn. 72; LG Verden, aaO, Rn. 58; LG Bremen, aaO, Rn. 8, 15). Mit Urteil vom 9. Juli 2015 hat der BGH (aaO, Rn. 15) ausdrücklich klargestellt:
„Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 1 VereinsG nennt als Kennzeichen insbesondere Abzeichen, so dass zur Beantwortung der Frage, ob Kennzeichen eines verbotenen Vereins verwendet wurden, die einzelnen Abzeichen des verbotenen Vereins mit den verwendeten zu vergleichen sind […].“.
Hieran hat sich durch die neue Gesetzeslage nichts geändert, denn Gegenstand der Gesetzesänderung waren lediglich das ersatzlose Streichen des subjektiven Merkmals „Teilen der Zielrichtung des verbotenen Vereins“ in § 9 Abs. 3 VereinsG, die Ergänzung des § 9 Abs. 3 VereinsG um einen Satz 2 sowie die Ergänzung des § 20 Abs. 1 Satz 2 VereinsG um einen expliziten Verweis auf § 9 Abs. 3 VereinsG.

Auch ist dem Beschluss des BGH vom 2. Mai 2019 (aaO) nicht zu entnehmen, dass es nicht darauf ankomme, dass das Kennzeichen konkret von einer verbotenen Ortsgruppe verwendet worden ist, sondern es ausreiche, dass es sich um ein Kennzeichen der Dachorganisation der Hells Angels handele. Explizit mit dieser Frage hat sich der BGH in der genannten Entscheidung nicht auseinandergesetzt. Er hat jedoch ausgeführt, dass der Angeklagte im dortigen Verfahren auf dem Rückenteil seiner Lederweste als Mittelabzeichen den „Fat Mexican“, das Emblem der weltweiten Bandidosbewegung, sowie darüber als sogenannten Top-Rocker den grafisch gestalteten Schriftzug der Bandidos getragen und damit auch Kennzeichen der verbotenen Bandidos-Vereine aus Aachen und Neumünster öffentlich in im Wesentlichen gleicher Form verwendet hätte, weil er lediglich die Ortsbezeichnung „MC Bandidos B“ als sogenannten Bottom-Rocker hinzugefügt hätte. Danach bedarf es – ungeachtet der neuen Gesetzeslage – weiterhin eines Abgleichs des verwendeten Kennzeichens mit den Kennzeichen verbotener Vereine, um die Feststellung treffen zu können, ob es sich bei dem verwendeten Kennzeichen um ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins handelt, das in im Wesentlichen gleicher Form verwendet wurde. Derartige Feststellungen fehlen in dem vom Revisionsführer angegriffenen Urteil jedoch.

cc) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 9 Abs. 3 VereinsG und § 20 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG bestehen nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2019, aaO).

dd) Nach alledem wird der neue Tatrichter feststellen müssen, ob der Angeklagte durch das Tragen des verfahrensgegenständlichen Kapuzenpullovers ein (oder mehrere) Kennzeichen eines verbotenen Vereins in im Wesentlichen gleicher Form verwendet hat.

c) Die rechtsfehlerhaften Feststellungen zwingen zur Aufhebung des gesamten Urteils.

III.

Der Senat hebt das angefochtene Urteil daher gemäß § 349 Abs. 4 StPO auf und verweist die Sache nach § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurück.

Über die Kosten der Revision und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten wird der neue Tatrichter im Lichte der von ihm zu treffenden Sachentscheidung insgesamt zu befinden haben.


Einsender: VorsRiKG O, Arnoldi, Berlin

Anmerkung:


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