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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Mobiltelefon, gefährlichen Werkzeug, Körperverletzung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bremen, Urt. v. 27.11.2019 - 1 Ss 44/19

Leitsatz: 1. Ein Schlag mit einem in der flachen Hand gehaltenen Mobiltelefon in das Gesicht des Opfers stellt grundsätzlich keine Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar, da hiermit nach Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung eine Eignung zur Herbeiführung erheblicher Körperverletzungen nicht festzustellen ist. Anderes kann gelten, wenn der Schlag mit einer Ecke oder Kante des Telefons ausgeführt wurde.
2. Auch dass es bei dem Schlag mit dem Mobiltelefon zu einer inneren Platzwunde an der Lippe kam, trägt für sich genommen nicht die Feststellung, dass das Mobiltelefon nach der konkreten Art seines Einsatzes zur Verursachung erheblicher Verletzungen geeignet war. Anderes kann gelten auf der Grundlage gesonderter Feststellungen zum konkreten Umfang und zum Heilungsverlauf der Verletzung.


1 Ss 44/19
Urteil

Im Namen des Volkes
in der Strafsache
gegen pp.

wegen Körperverletzung

hat der 1. Strafsenat auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bremen vom 29.04.2019 in der Sitzung vom 27.11.2019, an der teilgenommen haben:

pp.

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bremen vom 29.04.2019 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Kammer des Landgerichts Bremen zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 30.07.2018 verhängte das Amtsgericht Bremen gegen den Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,- EUR. Gegen dieses Urteil legten die Staatsanwaltschaft Bremen am 03.08.2018 und der Angeklagte am 31.07.2018 Berufung ein. Mit Urteil der Strafkammer 51 des Landgerichts Bremen vom 29.04.2019 wurde auf die Berufung der Staatsanwaltschaft das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 30.07.2018 dahin geändert, dass der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt wurde, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Berufung des Angeklagten wurde verworfen.

Dabei hat das Landgericht folgende Feststellungen zur Tat getroffen:
„[…] Wütend darüber, dass die Zeugin A. nicht rauskommen wollte, betrat der Angeklagte das Ladengeschäft und schlug der Zeugin sofort mit der flachen Seite seines in der rechten Hand getragenen Smartphones üblicher Beschaffenheit derartig heftig gegen ihre linke Gesichtshälfte, dass diese das Gefühl hatte, ihre Oberlippe sei aufgeplatzt. […] Die Zeugin A. erlitt durch die Gewalthandlungen des Angeklagten eine Handprellung rechts, eine Prellmarke links cervikal und eine innere Platzwunde an der linken Oberlippe.“
Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit am 29.04.2019 per Fax eingegangenen Schreiben Revision ein. Die schriftlichen Urteilsgründe sind seinem Verteidiger am 05.06.2019 zugestellt worden. Die Revision wurde mit Schriftsatz vom 13.06.2019 begründet. Die Angeklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat am 22.07.2019 Stellung genommen.
Der Angeklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Bremen vom 29.04.2019 mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bremen zurückzuverweisen.

II.

Die Revision des Angeklagten ist statthaft (§ 333 StPO), form- und fristgerecht eingelegt (§ 341 StPO) und begründet worden (§§ 344, 345 StPO) und infolge der sich aus der Verurteilung für den Angeklagten ergebenden Beschwer damit zulässig. Die Revision hat auf die Sachrüge des Angeklagten Erfolg und führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Bremen.

1. Die Revision des Angeklagten erweist sich auf die Sachrüge als begründet, da die vom Landgericht in seinem Urteil festgestellten Tatsachen eine Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung nicht tragen. Das Landgericht hat das Mobiltelefon des Angeklagten, mit dem er einen heftigen Schlag gegen die linke Gesichtshälfte der Verletzten geführt hat, der zu einer inneren Platzwunde an der linken Lippe geführt hat, als ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB angesehen. Dieser Bewertung schließt sich der Senat nicht an.

Bei einem gefährlichen Werkzeug handelt es sich um jeden festen Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung dazu geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen herbeizuführen, wobei hier mit einer erheblichen Verletzung eine nach Dauer oder Intensität gravierende, jedenfalls nicht nur ganz leichte Verletzung oder Gesundheitsschädigung gemeint ist (siehe BGH, Urteil vom 14.05.2014 - 2 StR 275/13, juris Rn. 12 m.w.N., JR 2015, 206). Das Landgericht hat hinsichtlich der diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen wie folgt ausgeführt: „Bei dem vom Angeklagten benutzten Smartphone üblicher Beschaffenheit handelt es sich um einen festen, metallischen Gegenstand. Dieser harte Gegenstand wird dann vom Angeklagten mit einem derart heftigen Schlag gegen das ungeschützte Gesicht der Zeugin, also gegen eine besonders sensible Körperregion, geführt, dass diese das Gefühl hatte, ihre Lippe sei aufgeplatzt, was - wie sich aus dem verlesenen Attest ergibt - auch tatsächlich der Fall war. In einem solchen Fall handelt es sich sowohl nach der Qualität des Werkzeugs als auch nach der rechtsgutsbezogenen Zielrichtung des Einsatzes um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB.“

Gegen diese Bewertung der festgestellten Tatsachen wendet sich die Revision mit Erfolg. Wird das Mobiltelefon in der flachen Hand gehalten und auf diese Weise dem Opfer ins Gesicht geschlagen, ohne dass festgestellt würde, dass gerade ein Schlag mit einer Ecke oder Kante ausgeführt wurde, dann ergibt sich hieraus gerade nicht eine Eignung nach seiner Beschaffenheit und der Art seiner Benutzung zur Herbeiführung erheblicher Körperverletzungen, die über den Schlag mit der flachen Hand selbst hinausginge und damit die Anwendung des Qualifikationstatbestandes des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB tragen könnte.

Auch dass es zu einer inneren Platzwunde an der linken Lippe kam, trägt nicht die Feststellung, dass das Mobiltelefon nach der konkreten Art seines Einsatzes zur Verursachung erheblicher Verletzungen geeignet war. Grundsätzlich ist zwar die Verursachung einer Platzwunde mittels eines Werkzeugs in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als ein Fall einer erheblichen Verletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs iSd § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB angesehen worden (siehe u.a. BGH, Beschluss vom 13.04.2017 - 4 StR 35/17, juris Rn. 9, NStZ-RR 2017, 271: Platzwunde am Kopf durch Schlag mit Gürtelschnalle; BGH, Urteil vom 12.03.2015 - 4 StR 538/14, juris Rn. 10, StraFo 2015, 216: Platzwunde am Knie durch Schlag mit Holzlatte; BGH, Urteil vom 23.05.2001 - 3 StR 62/01, juris Rn. 7, StV 2002, 80: Platzwunden bei Gummiknüppelschlag). Die vorgenannten Entscheidungen zu Platzwunden als erheblichen Verletzungen betrafen aber anders als im vorliegenden Fall nicht die Konstellation der Verursachung lediglich einer inneren Platzwunde an der Lippe im Gegensatz zu behandlungsbedürftigen äußeren Platzwunden. Bei inneren Platzwunden an der Lippe wird man vielmehr - in Ermangelung weiterer Feststellungen im landgerichtlichen Urteil zum konkreten Umfang und zum Heilungsverlauf der Verletzung - berücksichtigen müssen, dass solche Platzwunden oftmals von sehr kleinem Umfang sein können und binnen kurzer Zeit ohne die Erforderlichkeit einer ärztlichen Behandlung verheilen. Von einer erheblichen Verletzung kann dann nicht gesprochen werden. Auch soweit das Landgericht darüber hinausgehend eine „Prellmarke links cervikal“ festgestellt hat, ist nicht ersichtlich, dass auch dies eine durch den Schlag mit dem Mobiltelefon ins Gesicht hervorgerufene Verletzung darstellen könnte, denn es verbirgt sich hinter diesem Begriff eine Prellmarke am Hals.

2. Da das angefochtene Urteil bereits auf die Sachrüge aufzuheben war, bedarf es keiner weiteren Ausführungen zur Zulässigkeit und Begründetheit der weiter in Bezug auf das Verfahren erhobenen Rüge. […]

3. Die Sache war gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Bremen zurückzuverweisen. Eine Kostenentscheidung konnte der Senat nicht treffen, weil der Erfolg des Rechtsmittels aufgrund der Zurückverweisung noch ungewiss ist. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens war deshalb dem Landgericht zu übertragen (vgl. KK-StPO/Gieg, 7. Auflage, § 464 StPO Rn. 3).


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