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Entscheidungen

OWi

Wiedereinsetzung von Amts wegen, vom Verteidiger zu vertretende unzureichende Begründung des Wiedereinsetzungsantrags

Gericht / Entscheidungsdatum: BayObLG, Beschl. v. 07.06.2019 - 202 ObOWi 839/19

Leitsatz: 1. Erweist sich der durch den Verteidiger gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung wegen fehlender oder unzureichender Begründung als unzulässig, kann ein fristgerechter Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO zusammen mit der Nachholung der versäumten Rechtsbeschwerdebegründung Anlass sein, dem Betroffenen von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO und – im Weiteren – Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist zu gewähren, weil den Betroffenen an der Mangelhaftigkeit des Wiedereinsetzungsgesuchs seines Verteidigers ebenso wenig ein Verschulden trifft wie an der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist.
2. Der Vortrag, vom Betroffenen unmittelbar nach der Hauptverhandlung mit der ‚Rechtsmitteleinlegung‘ gegen das angefochtene Urteil beauftragt worden zu sein, schließt regelmäßig die Behauptung mit ein, von dem Betroffenen auch zur Erstellung einer form- und fristgerechten Begründung der Rechtsbeschwerde beauftragt worden zu sein.


In pp.

I. Der Betroffenen wird von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist und auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 31.01.2019 bewilligt.
II. Der Beschluss des Amtsgerichts vom 26.03.2019, mit dem die Rechtsbeschwerde der Betroffenen als unzulässig verworfen wurde, ist gegenstandslos.
III. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 31.01.2019 wird als unbegründet verworfen.
IV. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und der Wiedereinsetzung zu tragen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht verurteilte die Betroffene am 31.01.2019 wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen §§ 38 Abs. 1, 49 StVO (die Betroffene unterließ es, einem Einsatzfahrzeug mit eingeschaltetem blauen Blinklicht und Einsatzhorn sofort freie Bahn zu schaffen) zu einer Geldbuße von 360 EUR. Zugleich verhängte es gegen sie ein mit einer Anordnung gemäß § 25 Abs. 2a StVG versehenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats. Am 02.02.2019 legte die Betroffene form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde ein. Das vollständige Urteil wurde dem Verteidiger am 11.02.2019 zugestellt. Eine Begründung der Rechtsbeschwerde erfolgte zunächst nicht. Daraufhin verwarf das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde der Betroffenen mit Beschluss vom 26.03.2019 gemäß § 346 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG als unzulässig, weil eine Rechtsbeschwerdebegründung binnen der Begründungsfrist nicht eingereicht worden war. Gegen diesen am 28.03.2019 zugestellten Beschluss beantragte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 03.04.2019, bei dem Amtsgericht eingegangen am selben Tag, die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde. Zugleich legte er eine von ihm unter dem 03.04.2019 verfasste Rechtsbeschwerdebegründung vor, mit der die allgemeine Sachrüge erhoben wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Stellungnahme vom 08.05.2019 beantragt, den Antrag der Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen, da es an einer hinreichenden Darlegung dahingehend fehle, dass dem Verteidiger seitens der Betroffenen ein Auftrag zur Begründung der Rechtsbeschwerde vor Ablauf der Begründungsfrist erteilt worden sei. Somit sei auch der Antrag der Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 26.03.2019 als unbegründet zu verwerfen. Nach Zustellung der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft am 20.05.2019 hat der Verteidiger mit Schriftsatz vom 23.05.2019, eingegangen am 27.05.2019, vorgetragen und versichert, er sei bereits unmittelbar nach der Hauptverhandlung noch am 31.01.2019 von der Betroffenen beauftragt worden „gegen das Urteil Rechtsmittel einzulegen“.

II.

Der Betroffenen ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist und auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu bewilligen. Die nach Gewährung von Wiedereinsetzung zulässige Rechtsbeschwerde erweist sich dagegen in der Sache als unbegründet.

1. Zutreffend geht die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 08.05.2019 davon aus, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde unzulässig ist. Der Schriftsatz der Verteidigung vom 03.04.2019 erfüllt die Voraussetzungen eines zulässigen Wiedereinsetzungsantrags deshalb nicht, weil ihm nicht zu entnehmen ist, dass die Betroffene ohne Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten; der Vortrag lässt nämlich offen, ob sie ihren Verteidiger überhaupt mit der Einlegung des Rechtsmittels beauftragt hatte. Eine Frist versäumt aber nur diejenige, der sie einhalten wollte, aber nicht eingehalten hat (BGH, Beschl. v. 12.07.2017 - 1 StR 240/17 bei juris; OLG Bamberg, Beschl. v. 23.03.2017 - 3 Ss OWi 330/17 bei juris; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 62. Aufl. § 44 Rn. 5).
Der Betroffenen ist jedoch von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist zu gewähren, da nunmehr innerhalb der Wochenfrist nach Zustellung der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft der Verteidiger vorträgt, mit der Rechtsmitteleinlegung von der Betroffenen unmittelbar nach der Hauptverhandlung beauftragt worden zu sein. Nach Ansicht des Senats umfasst ein diesbezüglicher Auftrag des Betroffenen regelmäßig auch die Erstellung einer form- und fristgerechten Begründung der Rechtsbeschwerde; eines darüber hinausgehenden gesonderten Auftrags zur Begründung des Rechtsmittels, den die Generalstaatsanwaltschaft für erforderlich zu halten scheint, bedarf es nicht. Eine diesbezügliche Aufspaltung des dem Verteidiger erteilten Auftrags, die Rechtsbeschwerde zu führen, erscheint weder geboten noch nahe liegend, da die bloße Einlegung einer Rechtsbeschwerde ohne Begründung der Rechtsverfolgung nicht dienlich wäre.
Da die Betroffene ersichtlich an der Mangelhaftigkeit des Wiedereinsetzungsantrags ihres Verteidigers bezüglich der versäumten Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde aber ebenso wenig ein Verschulden trifft wie an der auf einem Rechtsirrtum des Verteidigers beruhenden Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist, gewährt der Senat nach dem Vortrag des Verteidigers im Schriftsatz vom 23.05.2019, mit Einlegung der Rechtsbeschwerde beauftragt gewesen zu sein, sowohl - von Amts wegen - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist wie auch - auf Antrag - Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde (vgl. BGH, Beschl. v. 31.10.1995 – 3 StR 456/95 = BGHR StPO § 45 Abs. 2 Tatsachenvortrag 9).

2. Die Gewährung der Wiedereinsetzung bewirkt, dass die Verwerfungsentscheidung des Amtsgerichts gemäß § 346 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG vom 26.03.2019 gegenstandslos wird. Dies war deshalb in Ziffer II. des Beschlusstenors zur Klarstellung auszusprechen (vgl. BGH, Beschl. v. 19.01.1995 - 4 StR 711/94 bei juris).

3. Die nach Gewährung von Wiedereinsetzung gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 31.01.2019 erweist sich in der Sache als unbegründet.
Die - allein erhobene - Sachrüge hat keinen Erfolg. Die vom Tatrichter getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch sowohl in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht. Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen sind nicht ersichtlich. Der Angriff gegen die Beweiswürdigung geht in der Rechtsbeschwerdeinstanz fehl. Es ist allein Aufgabe des Tatrichters, den Sachverhalt festzustellen und die Ergebnisse der Beweisaufnahme zu würdigen. Er hat insoweit ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu überprüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Tathergang überzeugen kann oder nicht (vgl. BGH NJW 1979, 2318). Allein in seinen Verantwortungsbereich fällt es, mögliche, wenn auch nicht zwingende Folgerungen aus bestimmten Tatsachen zu ziehen und zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Überzeugung kommt. Die Beweiswürdigung ist der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nur dann zugänglich, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Das ist vorliegend nicht der Fall. Bei einer Verurteilung, die sich auf Aussagen oder Indizien, nicht aber auf ein uneingeschränktes Geständnis stützt, wird in der Rechtsbeschwerde regelmäßig vorgetragen, dass das Gericht die erhobenen Beweise auch anders - nämlich zugunsten des Betroffenen - hätte würdigen können. Diese Sicht eines Betroffenen mag verständlich sein, kann sich aber in der Rechtsbeschwerde nicht auswirken. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist es verwehrt, seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen. Es hat nur für die Vertretbarkeit, nicht für die Richtigkeit der tatrichterlichen Entscheidung über Schuld und Ahndung einzustehen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. vor § 333 Rn. 2). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Beweiswürdigung des Amtsgerichts frei von Rechtsfehlern.
Auch der Rechtsfolgenausspruch lässt keine Rechtsfehler erkennen. Zutreffend hat das Amtsgericht insbesondere aufgrund der Vorahndungslage die in Nr. 135 BKat neben der Verhängung eines einmonatigen Fahrverbots vorgesehene Regelgeldbuße maßvoll erhöht.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.


Einsender: RiOLG Dr. G. Gieg, Bamberg

Anmerkung:


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