Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StPO

Mitteilungspflicht, in anderem Spruchkörper geführte Erörterungen

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 25.04.2019 – (3) 161 Ss 42/19 (27/19)

Leitsatz: Zur Mitteilungspflicht von Erörterungen, die vor Hinzuverbindung der Sache in der Hauptverhandlung vor einer anderen Strafkammer geführt wurden.


Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer:
(3) 161 Ss 42/19 (27/19)

In der Strafsache
gegen pp.

wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts am 25. April 2019 beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 7. Januar 2019 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen den Angeklagten - jeweils wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis - am 21. September 2017 eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten bei gleichzeitiger Anordnung einer Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis von acht Monaten sowie am 17. Januar 2018 eine Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt.

Der Angeklagte hat beide Urteile mit der Berufung – hinsichtlich des Urteils vom 17. Januar 2018 beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch, im Übrigen unbeschränkt – angegriffen. Das Landgericht hat die Berufungsverfahren verbunden und die Berufungen des Angeklagten mit Urteil vom 7. Januar 2019 mit der Maßgabe verworfen, dass er wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen – unter Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von fünf und acht Monaten - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt wird. Gleichzeitig hat das Landgericht die gegen das Urteil vom 21. September 2017 von der Staatsanwaltschaft eingelegte und auf den Maßregelausspruch beschränkte Berufung verworfen.

Mit seiner gegen das Urteil des Landgerichts Berlin eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Neben der Sachrüge macht er im Wege der Verfahrensrüge einen Verstoß gegen die Mitteilungspflicht gemäß §§ 243 Abs. 4 Satz 1, 273 Abs. 1a Satz 2, 257c StPO geltend. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässig erhobene Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge der Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO dringt nicht durch.

a) Der Rüge liegt das folgende Verfahrensgeschehen zugrunde:

Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. Januar 2018 ist zunächst bei der 61. kleinen Strafkammer eingegangen. Vor Aufruf zur Hauptverhandlung am 16. November 2018 ist auf Veranlassung des Verteidigers ein Erörterungsgespräch mit dem Ziel einer Verständigung, an dem neben diesem der Vorsitzende der 61. kleinen Strafkammer sowie der Vertreter der Staatsanwaltschaft teilgenommen haben, durchgeführt worden. In diesem Rahmen hat der Verteidiger das Berufungsziel dahingehend benannt, dass die Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung begehrt werde. Der Vorsitzende hat geäußert, dass eine solche in Betracht käme; der Vertreter der Staatsanwaltschaft ist dem entgegengetreten, weshalb es nicht zu einer Verständigung nach § 257c StPO gekommen ist. Darüber hinaus sind die Frage der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch sowie die Möglichkeit der Aussetzung der Hauptverhandlung zur Prüfung der Verbindung mit dem Verfahren 571 Ns 178/17 erörtert worden.

Nach Aufruf zur Sache hat der Vorsitzende folgende Erklärung zu Protokoll abgegeben:
„Der Vorsitzende teilte mit, dass vor Aufruf der Hauptverhandlung Gespräche im Sinne des § 257c StPO sowie hinsichtlich einer möglichen Verbindung des hiesigen Verfahrens mit dem Verfahren 571 Ns 178/17 stattgefunden haben. Eine verfahrenserledigende Verständigung war nicht möglich, jedoch bestand Einigkeit, dass es sinnvoll sein könnte, die Berufung im hiesigen Verfahren zu beschränken, sofern es dem Angeklagten allein um die Rechtsfolge gehen sollte, und sodann dem von der Staatsanwaltschaft angekündigten Antrag, das Verfahren zwecks Verbindungsprüfung auszusetzen, stattzugeben.“

Nach dieser Mitteilung hat der Vorsitzende den Angeklagten nach § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO belehrt. Der Verteidiger hat sodann Rücksprache mit dem Angeklagten gehalten und anschließend die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erklärt, der der Vertreter der Staatsanwaltschaft zugestimmt hat.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat sodann die Aussetzung des Verfahrens zur Prüfung einer Verbindung mit dem Verfahren 571 Ns 178/17 zwecks gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung beantragt. Der Angeklagte und der Verteidiger haben Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu erhalten, woraufhin sich die Verteidigung diesem Antrag angeschlossen hat. Nach Beratung hat die Kammer – dem nachkommend - die Aussetzung des Verfahrens zum Zwecke der Prüfung der Verfahrensverbindung beschlossen.
Der Verteidiger hat den Angeklagten davon informiert, dass es in dem Erörterungsgespräch auch um die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung gegangen, der Vorsitzende der 61. kleinen Strafkammer einer Bewährungsentscheidung gegenüber aufgeschlossen gewesen, dies indessen vom Vertreter der Staatsanwaltschaft abgelehnt worden sei.

Mit Beschluss vom 21. November 2018 ist das Verfahren 561 Ns 2/18 von der 71. kleinen Strafkammer, die mit der Berufung des Angeklagten sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 21. September 2017 befasst war, übernommen und zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zum Verfahren 571 Ns 178/17, welches führt, verbunden worden. In der sich anschließenden Hauptverhandlung am 7. Januar 2019 hat die Vorsitzende vor Schluss der Beweisaufnahme festgestellt, dass Gespräche über eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO nicht stattgefunden haben. Weitere Erklärungen oder Mitteilungen über Erörterungen im Sinne der §§ 202a, 212 StPO sind nicht erfolgt. Verständigungsgespräche unter Beteiligung der Vorsitzenden der 71. kleinen Strafkammer haben nicht stattgefunden. In der Hauptverhandlung hat der Verteidiger in öffentlicher Sitzung und vor der Belehrung des Angeklagten durch die Vorsitzende unter Bezugnahme auf die Erörterungen vom 16. November 2018 erneut Ausführungen zur Legalprognose des Angeklagten gemacht und die Strafaussetzung zur Bewährung als Berufungsziel benannt, woraufhin die Vorsitzende zu erkennen gegeben hat, dass aus ihrer Sicht eine solche nicht in Betracht käme. Der Angeklagte hat sich in der Berufungshauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen.

Soweit dieser Geschehensablauf nicht durch das Protokoll der Hauptverhandlung bewiesen ist (§ 274 Satz 1 StPO), ergibt er sich zur Überzeugung des Senats aus dem widerspruchsfreien Vortrag des Verteidigers in der Revisionsbegründung, dem nicht entgegengetreten worden ist.

b) Der Verteidiger hat die Verfahrensrüge in einer dem § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise begründet, indem er die Tatsachen, aus denen sich der Verfahrensverstoß ergeben soll, angegeben hat. Um dem Revisionsgericht die Prüfung zu ermöglichen, ob verständigungsbezogene – und damit eine Unterrichtungspflicht auslösende – Gespräche stattgefunden haben, muss der Revisionsführer Tatsachen zum Inhalt der Erörterungen vortragen. Im Rahmen der Rüge einer Verletzung von § 243 Abs. 4 StPO ist die Behauptung von Tatsachen erforderlich, die eine Überprüfung dahin gestatten, ob dabei ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum standen und somit die Mitteilungspflicht ausgelöst wurde (BGH NStZ 2017, 424). Diesen Maßstäben wird die Revisionsbegründung gerecht.

c) Die Verfahrensrüge greift jedoch in der Sache nicht durch.

aa) Nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO sind Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO mitzuteilen, die außerhalb der Hauptverhandlung stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§ 257c StPO) gewesen ist. Im Berufungsverfahren ergibt sich die Anwendbarkeit dieser Regelungen aus § 332 StPO.

Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO sind gegeben, wenn bei im Vorfeld (oder neben) der Hauptverhandlung geführten Gesprächen ausdrücklich oder konkludent die Möglichkeit und die Umstände einer Verständigung im Raum stehen, also jedenfalls dann, wenn Fragen des prozessualen Verhaltens in Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht werden und damit die Frage nach oder die Äußerung zu einer Straferwartung naheliegt (vgl. BGH NStZ 2016, 221 m.w.N.). Dabei ist unerheblich, ob diese Gespräche tatsächlich zu einer Verständigung geführt haben oder ergebnislos verlaufen sind (BGH NJW 2014, 3385). Gemessen daran handelt es sich bei den am 16. November 2018 vor der Hauptverhandlung geführten Gesprächen um derartige mitteilungspflichtige Erörterungen, weil das Einlassungsverhalten des Angeklagten mit Überlegungen zu einer konkreten Rechtsfolge (der Strafaussetzung zur Bewährung) verknüpft wurde (vgl. BGH NStZ 2017, 596). Denn Ziel dieses Gespräches war es, das Verfahren in diesem Termin zu erledigen. Ergänzend kann berücksichtigt werden, dass auch der an den Gesprächen beteiligte Vorsitzende Richter der 61. kleinen Strafkammer die Erörterungen als auf eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO gerichtet angesehen und vor diesem Hintergrund hierüber zu Beginn der Hauptverhandlung gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO Mitteilung gemacht hat.

bb) Es ist aber zweifelhaft, ob die Vorsitzende der 71. kleinen Strafkammer eine Pflicht zur Mitteilung über den Inhalt des vor der Verfahrensübernahme und verbindung vor der 61. kleinen Strafkammer geführten Erörterungsgespräches traf.

Obergerichtliche Entscheidungen zu der Frage, ob Erörterungsgespräche, die vor einer Verfahrensübernahme und –verbindung vor einem anderen Spruchkörper geführt wurden, der Mitteilungspflicht unterliegen, sind – soweit ersichtlich – bisher nicht ergangen.

Anerkannt ist die Pflicht zur Mitteilung der vorausgegangenen Erörterungsgespräche nach erfolgter Neubesetzung der zur Entscheidung berufenen Strafkammer (vgl. BGH NJW 2014, 3385; für den Richterwechsel aufgrund erfolgreicher Besetzungsrüge: BGH NStZ 2016, 221). Der Bundesgerichtshof begründet dies mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes in Gestalt der notwendigen Information der Öffentlichkeit sowie des Angeklagten, um einerseits eine wirksame Kontrolle der Verständigungen durch die Öffentlichkeit zu ermöglichen und andererseits dem Angeklagten zu ermöglichen, Verteidigungsentscheidungen auf der Grundlage umfassender Informationen über – in der Regel in seiner Abwesenheit geführte – Erörterungsgespräche zu treffen. Mit diesem Schutzzweck sei es unvereinbar, in dem Umstand, dass sich die Besetzung einer Strafkammer zwischen dem Erörterungsgespräch und der Hauptverhandlung ändere, was kein seltener Vorgang sei, einen Grund für den Ausschluss der Mitteilungspflicht zu sehen (vgl. BGH NStZ 2016, 221). In gleicher Weise mitzuteilen sind Gespräche, die außerhalb einer anderen, später ausgesetzten Hauptverhandlung stattgefunden haben (vgl. BGH NStZ 2016, 221). Ob nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht eine Pflicht des Vorsitzenden des nunmehr zuständigen Tatgerichts besteht, Erörterungsgespräche, die ein im ersten Rechtsgang zuständiges Tatgericht durchgeführt hat, gemäß § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO mitzuteilen, hat der Bundesgerichtshof offen gelassen (vgl. BGH NStZ 2016, 357). Das Oberlandesgericht Hamburg hat eine solche Pflicht abgelehnt (vgl. OLG Hamburg NStZ 2016, 182). In ähnlicher Weise entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken, dass Erörterungen des erstinstanzlichen Gerichts nicht der Mitteilungspflicht des Berufungsgerichts unterliegen (vgl. OLG Saarbrücken BeckRS 2016, 12266). Den Entscheidungen ist zu entnehmen, dass die Mitteilungspflicht nur den Spruchkörper betrifft, welcher selbst an den Erörterungen nach §§ 202a, 212 StPO beteiligt war. Demnach ist Adressat der Mitteilungspflicht nur das Gericht, welches selbst an der vertragsähnlichen Absprache mit der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft über das bei diesem Spruchkörper anhängige Verfahren beteiligt war.
In diesem Sinne hat auch jüngst das Thüringer Oberlandesgericht entschieden, dass die Mitteilungspflicht auch hinsichtlich solcher Erörterungsgespräche bestehe, die unter Beteiligung des Spruchkörpers stattgefunden hatten, bevor dieser andere Verfahren übernommen und zu seinem Verfahren hinzuverbunden hat (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 1 OLG 121 Ss 70/18 - juris).

Ob dies in gleicher Weise dann zu gelten hat, wenn das Verfahren – wie hier – nach Übernahme und Verbindung vor einem anderen – an den Erörterungsgesprächen nicht beteiligten – Spruchkörper geführt wird, erscheint zweifelhaft. Vielmehr spricht der Umstand, dass in dieser Konstellation die zur Entscheidung berufenen Richter nicht selbst an den Erörterungsgesprächen teilgenommen und vor diesem Hintergrund aus eigener Anschauung zu deren Inhalten keine Angaben machen können, für ein spruchkörperbezogenes Verständnis der Mitteilungspflicht (vgl. KK-StPO/Schneider, StPO 8. Aufl., § 243 Rn. 46). Dieser Sichtweise steht der Gesetzeswortlaut auch nicht entgegen. Danach hätte jeder Spruchkörper jeweils über die unter seiner Beteiligung vorgenommenen Erörterungsgespräche nach § 243 Abs. 4 StPO zu informieren.

Auch wird allen Verfahrensbeteiligten durch die Übernahme des Verfahrens durch eine andere Strafkammer und der – im vorliegenden Fall vom Angeklagten befürworteten - Verfahrensverbindung verdeutlicht, dass nunmehr ein anderer Spruchkörper in der Sache zur Entscheidung berufen ist, der an vorausgegangen Erörterungen nicht beteiligt war. Da Ziel des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ist, informelle und unkontrollierte Absprachen zu verhindern, solche aber erkennbar mit dem nach Verbindung des Verfahrens berufenen Spruchkörper nicht getroffen worden sind, spricht auch dieser Umstand dafür, dass die zuletzt zuständige Vorsitzende keine Mitteilungspflicht traf. Einem insoweit ggf. gleichwohl bestehenden Informationsinteresse des Angeklagten kann im Wege der Akteneinsicht nachgegangen werden.

Ein solches spruchkörperbezogenes Verständnis von der Mitteilungspflicht beschränkt darüber hinaus die Problematik im Zusammenhang mit inhaltlich unzureichenden Aufzeichnungen über Erörterungsgespräche auf die Fälle, in denen die Besetzung des Spruchkörpers in der Zeit zwischen dem Erörterungsgespräch und dem Beginn der Hauptverhandlung wechselt. Denn die Erfüllung der Pflicht zur umfassenden und zutreffenden Mitteilung über Erörterungsgespräche ist immer dann besonders erschwert, wenn die Mitglieder des erkennenden Spruchkörpers an diesen nicht beteiligt waren und die vorliegenden Aufzeichnungen über die Gesprächsinhalte nicht den Anforderungen an die Mitteilung im Sinne des § 243 Abs. 4 StPO genügen. Ein solcher Fall ist auch hier gegeben, nachdem die in der Hauptverhandlung vom 16. November 2018 zu Protokoll genommene Mitteilung über das vor Aufruf zur Hauptverhandlung erfolgte Erörterungsgespräch inhaltlich lückenhaft war und – für sich genommen – der Mitteilungspflicht nicht genügt hätte. Die Mitteilungspflicht umfasst nicht nur die Tatsache, dass es Erörterungen nach den §§ 202a, 212 StPO gegeben hat, sondern erstreckt sich auch auf deren wesentlichen Inhalt. Dementsprechend ist im Rahmen der Mitteilung nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO – unabhängig davon, ob eine Verständigung im Sinne des § 257c StPO tatsächlich getroffen wird – insbesondere darzulegen, welche Standpunkte die einzelnen Gesprächsteilnehmer vertraten und auf welche Resonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils stieß (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – 2 StR 417/18 -, juris; NStZ 2017, 363 m.w.N.). Dem wird die Mitteilung des Vorsitzenden der 61. kleinen Strafkammer nicht gerecht, da aus dieser insbesondere nicht hervorgeht, welchen Standpunkt der Vertreter der Staatsanwaltschaft einnahm. Angesichts dessen hätte auch eine Verlesung dieser Angaben einer Mitteilungsplicht nicht Genüge getan. Dieser Umstand hätte im Falle der Annahme einer Mitteilungspflicht der Vorsitzenden der 71. kleinen Strafkammer die Frage aufgeworfen, ob den übernehmenden Spruchkörper eine Pflicht zur Aufklärung des unzureichend aktenkundigen Inhaltes der Erörterungen trifft, deren Erfüllung wegen des schnellen Personalwechsels in den Strafkammern mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sein könnte.

cc) Die aufgeworfene Rechtsfrage bedarf indessen vorliegend keiner Entscheidung, da der Senat jedenfalls ausschließen kann, dass das Urteil hierauf beruht.

Haben – wie hier - außerhalb der Hauptverhandlung Erörterungen stattgefunden, die anschließend nicht oder nicht ordnungsgemäß nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO in öffentlicher Hauptverhandlung mitgeteilt wurden, ist zwar in aller Regel von einem Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensverstoß unabhängig davon auszugehen, ob die Gespräche tatsächlich zu einer Verständigung geführt haben oder nicht (vgl. BVerfG NJW 2013, 1058; MüKoStPO/Arnoldi, 1. Aufl. StPO, § 243 Rn. 96 m.w.N.). Das Beruhen kann indessen im Einzelfall ausgeschlossen sein. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte im Falle einer zutreffenden Mitteilung anders verteidigt hätte und eine Beeinträchtigung des Informationsinteresses der Öffentlichkeit nicht gegeben ist (vgl. BGH NStZ 2015, 353). Erforderlich ist jeweils eine wertende Gesamtbetrachtung (vgl. BGH NStZ-RR 2015, 379 m.w.N.).

Im Rahmen der Beruhensprüfung ist neben den Auswirkungen des Mitteilungsverstoßes auf das Aussageverhalten des Angeklagten (vgl. BGH NStZ 2014, 418) auch zu berücksichtigen, dass ein solcher Verstoß aufgrund der damit einhergehenden Intransparenz von Verständigungsvorgängen die Kontrollfunktion der Öffentlichkeit beeinträchtigen kann, sodass - auch im Falle einer vollständigen Information des Angeklagten durch seinen Verteidiger über erfolgte Erörterungsgespräche (vgl. BGH NStZ 2017, 244) - das Urteil im Ergebnis einer wertenden Beurteilung unter Abwägung der Art und Schwere des Verstoßes auf dem Verfahrensverstoß beruhen kann (vgl. BVerfG NStZ 2015, 170; MüKoStPO/Arnoldi, aaO., § 243 Rn. 97 m.w.N.).

Vor dem Hintergrund dieser beiden Schutzziele der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 StPO ist eine zweistufige Prüfung vorzunehmen, wobei zunächst zu fragen ist, ob die Einlassungsfreiheit des Angeklagten durch den Mitteilungsverstoß beeinträchtigt wurde, und sodann zu prüfen ist, ob die Kontrolle des Verständigungsgeschehens durch die Öffentlichkeit in normativ belangvoller Weise geschmälert worden ist (vgl. KK-StPO/Schneider, aaO., § 243 Rn. 116).

Gemessen an diesen Maßstäben ist unter Berücksichtigung der Gesamtumstände im vorliegenden Fall jedenfalls ein Beruhen des Urteils auf einer Verletzung der Mitteilungspflicht auszuschließen.

(1) Der Senat schließt aus, dass ein Mitteilungsdefizit im konkreten Fall Auswirkungen auf das Aussage- bzw. das Verteidigungsverhalten des Angeklagten hatte. Im Rahmen der an den Umständen des Einzelfalls ausgerichteten Beruhensprüfung ist einerseits zu berücksichtigen, ob und in welchem Umfang Essentialia aus den Erörterungsgesprächen unerwähnt bleiben (vgl. BGH NJW 2015, 645). In besonders gelagerten Einzelfällen kann – unter Berücksichtigung des Schutzzwecks des § 243 Abs. 4 StPO - ein Ausschluss des Beruhens im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO möglich sein, wenn der Instanzverteidiger den Angeklagten über Ablauf und Inhalt der außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräche zuverlässig unterrichtet und so ein Informationsdefizit seines Mandanten ausgeglichen hat (vgl. BGH NJW 2015, 645 m.w.N.).

Wenngleich das Gespräch des Angeklagten mit seinem Verteidiger nicht generell geeignet ist, die Mitteilung durch das Gericht in der Hauptverhandlung zu ersetzen, ist bei der Frage, ob auf dieser Grundlage ausnahmsweise gleichwohl das Beruhen ausgeschlossen werden kann, die Komplexität der dem Verständigungsversuch zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW 2015, 645). Der Verteidiger hat den Angeklagten hier über wesentliche Eckpunkte des geführten Gespräches, in dem es um die überschaubare Frage der Strafaussetzung der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung ging, informiert, indem er ihm mitgeteilt hat, dass sich die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Erörterung einer Strafaussetzung zur Bewährung und somit einer Verständigung verschlossen, während der Vorsitzende der 61. kleinen Strafkammer eine solche für möglich gehalten hat. Diese Informationen hat der Verteidiger - in Anwesenheit des Angeklagten - in der Hauptverhandlung vor der 71. kleinen Strafkammer wiederholt. Hierdurch sowie aufgrund der – im Ergebnis inhaltlich unvollständigen, im Rahmen der Prüfung des Informationsstandes des Angeklagten jedoch gleichfalls zu berücksichtigenden - Erklärung des Vorsitzenden der 61. kleinen Strafkammer in der Hauptverhandlung am 16. November 2018 lag bei dem Angeklagten kein erhebliches, auf der fehlenden Mitteilung beruhendes Informationsdefizit vor. Dieser hat sich – trotz Beschränkung seiner Berufung hinsichtlich des Urteils vom 17. Januar 2018 auf den Rechtsfolgenausspruch – wie schon vor dem Amtsgericht nicht zur Sache eingelassen. Dass er im Falle der Mitteilung nach § 243 Abs. 4 StPO von diesem Aussageverhalten abgewichen wäre, ist auszuschließen.

(2) Es liegt auch kein durchgreifendes Informationsdefizit der Öffentlichkeit vor. Bei der Beruhensprüfung im Hinblick auf einen Transparenzverstoß sind Art und Schwere des Rechtsverstoßes zu berücksichtigen (vgl. BVerfG NJW 2015, 1235).

Angesichts des oben geschilderten Verfahrensablaufes ist ein Informationsdefizit der Öffentlichkeit auszuschließen. Daher ist es vorliegend auch unschädlich, dass die Revision nicht vorgetragen hat, ob bei der Hauptverhandlung überhaupt Öffentlichkeit anwesend war, deren Informationsinteresse durch das Vorgehen der Vorsitzenden hätte verletzt werden können (vgl. BGH NStZ 2015, 353).

2. Die auf die Sachrüge auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfende Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 17. Januar 2018 auf den Rechtsfolgenausspruch begegnet keinen Bedenken.

a) Das Landgericht ist insoweit zu Recht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Strafausspruch ausgegangen und hat daher allein über die tat- und schuldangemessene Strafe für die durch das Amtsgericht bindend festgestellte Straftat des Angeklagten entschieden. Die tatrichterlichen Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts bilden in der Gesamtschau der Urteilsgründe eine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 61. Aufl., § 318 Rn. 16 m.w.N.). Auch hat der Rechtsmittelführer keine doppelrelevanten Feststellungen, die sowohl für den Schuldspruch als auch für die Strafzumessungs- und Maßregelentscheidung Bedeutung entfalten, mit der Folge als fehlerhaft angegriffen, dass eine Beschränkung der Berufung unzulässig wäre (vgl. BGH NJW 2001, 3134).

b) Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand der der Erklärung der Berufungsbeschränkung vorausgegangenen den Anforderungen des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht entsprechenden Mitteilung über das erfolgte Erörterungsgespräch durch den Vorsitzenden der 61. kleinen Strafkammer.

Auch wenn die Beschränkungserklärung als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar ist (ständige Rechtsprechung: vgl. BGHSt 45, 51ff), sind gleichwohl in der Rechtsprechung Ausnahmen anerkannt. So kann ein Verstoß gegen die Mitteilungspflichten des § 243 Abs. 4 StPO sowie die damit im Zusammenhang stehenden Dokumentationspflichten eine unrichtige gerichtliche Auskunft nach sich ziehen und ist daher grundsätzlich geeignet, den Angeklagten zu einer irrtumsbedingten Rechtsmittelbeschränkung zu bewegen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 26. März 2014 – 4a Ss 462/13 , juris; OLG Hamburg NStZ 2014, 534; Schneider, NZWiSt 2015, 1). Gleiches kann sich ergeben aus besonderen Umständen der Art und Weise des Zustandekommens der Rechtsmittelbeschränkung (vgl. Senat, Beschluss vom 27. September 2016 – (3) 121 Ss 132/16 (95/16) –, juris; Thüringer Oberlandesgericht, aaO.; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 307; OLG Stuttgart NStZ-RR 1996, 146; für Rechtsmittelverzicht: BGH, Urteil vom 21. April 1999 – 5 StR 714/98 –, juris).

Eine solche irrtumsbedingte Berufungsbeschränkung ist nach Auffassung des Senates auszuschließen. Namentlich ist weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich, dass das gescheiterte Verständigungsgespräch Einfluss auf die Prozesserklärung des Angeklagten, der Beschränkung der Berufung, gehabt hat.

c) Auch im Übrigen deckt die erhobene Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.


3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


Einsender: RiKG K. P. Hanschke, Berlin

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".