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Entscheidungen

StPO

Wiedereinsetzung, Glaubhaftmachung, eigene Erklärung, Zustellung Beschuldigter, Benachrichtigung Verteidiger,

Gericht / Entscheidungsdatum: VerfGH Berlin, Beschl. v. 09.05.2019 - VerfGH 96/18

Leitsatz: 1. Wenn zum Nachweis eines für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand maßgeblichen Umstandes kein anderes Beweismittel ersichtlich ist als die eigene Versicherung des Antragstellers, so ist es mit der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, wenn ein Gericht eine solche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht anerkennt. Denn in einer solchen Konstellation kommt der Ausschluss einer Erklärung des Antragstellers als Mittel der Glaubhaftmachung einer Versagung des Rechtsschutzes insgesamt gleich.
2. Auch bei einem sich selbst verteidigenden Angeklagten ist die gemäß § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO vorgeschriebene Benachrichtigung des Verteidigers am Kanzleisitz angesichts der in Kanzleien üblicherweise getroffenen Vorkehrungen zur Wahrung von Fristen keine sinnlose Doppelung.
3. Erfolgt bei einem sich selbst verteidigenden Rechtsanwalt die Zustellung eines Strafbefehls an der Privatanschrift und wird die Benachrichtigung am Kanzleisitz unterlassen, so begründet dieser Verstoß gegen § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO die Wiedereinsetzung gemäß § 44 StPO, sofern der Fristverstoß auf der unterlassenen Benachrichtigung beruht.


In pp.

Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 2. Mai 2018 - 262 Cs 91/18 - sowie der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 11. Juni 2018 - 502 Qs 91/18 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 15 Abs. 4 VvB).

Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.

Das Land Berlin hat dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl durch das Amtsgericht sowie die Zurückweisung der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde durch das Landgericht. Ferner richtet er seine Verfassungsbeschwerde auch unmittelbar gegen den zugrundeliegenden Strafbefehl.

Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelte gegen den Beschwerdeführer, einen Rechtsanwalt, wegen des Tatvorwurfs der Beleidigung, derer er sich bei Gelegenheit einer mündlichen Verhandlung in einer familienrechtlichen Angelegenheit schuldig gemacht haben soll. Der Beschwerdeführer teilte bereits im Ermittlungsverfahren mit, dass er sich selbst anwaltlich vertrete, und beantragte Akteneinsicht. Die Staatsanwaltschaft korrespondierte daraufhin mit ihm unter seiner Kanzleianschrift, indes unterblieb die Notierung des Verteidigers auf dem Aktendeckel.

Eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Auflage (§ 153a Abs. 1 StPO) lehnte der Beschwerdeführer ab, weil er eine Hauptverhandlung erstrebe und einen Freispruch erwarte. Er halte sein Verhalten für nicht strafbar; „angebliche Schmähungen“ innerhalb eines Verfahrens seien außerhalb des Verfahrens nicht justiziabel.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft erließ das Amtsgericht gegen den Beschwerdeführer einen Strafbefehl wegen des Tatvorwurfs der Beleidigung. Die Richterin ordnete mittels formularmäßiger Verfügung die Zustellung an den Angeklagten an und strich den ebenfalls vorgedruckten Verfügungspunkt aus, der eine formlose Übersendung an den Verteidiger vorsieht. Daraufhin wurde der Strafbefehl dem Beschwerdeführer am 28. März 2018 während eines Urlaubs unter seiner privaten Anschrift zugestellt. Die Mitteilung der Zustellung an die Kanzleianschrift unterblieb.

Nach Rückkehr aus dem Urlaub am 9. April 2018 sichtete der Beschwerdeführer zwar unverzüglich seine Post in der Kanzlei, nicht aber die private Post, da er sich noch einige Tage in der Wohnung seiner Freundin aufhielt. Nachdem er den Strafbefehl vorgefunden hatte, beantragte er mit Telefax vom 16. April 2018 Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung des Einspruchs gegen den Strafbefehl, da ihm der Strafbefehl erst am 13. April 2018 zur Kenntnis gelangt sei. Diese Umstände versichere er anwaltlich. Zudem stelle sich die Zustellung an die private Anschrift als Umgehung der anwaltlichen Vertretung dar. Er habe angesichts der Mitteilung der eigenen anwaltlichen Vertretung gegenüber der Staatsanwaltschaft auch nicht mit Zustellungen an seine private Anschrift rechnen müssen.

Durch Beschluss vom 2. Mai 2018 verwarf das Amtsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist als unzulässig, da kein Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gemacht sei. Die eigene eidesstattliche Versicherung sei nicht ausreichend. Der Strafbefehl habe außerdem zwar dem Verteidiger zugestellt werden können, aber nicht müssen. Damit sei auch der Einspruch gegen den Strafbefehl als unzulässig, weil verspätet zu verwerfen.

Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers, mit der er ausführte, dass er ungeachtet der zulässigen Zustellung an seine Privatanschrift gemäß § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO unter seiner Kanzleianschrift über den Strafbefehl hätte informiert werden müssen. Dann hätte er am 9. April 2018 noch innerhalb der Einspruchsfrist Kenntnis vom Strafbefehl erlangt, sodass er noch fristgerecht hätte Einspruch erheben können. Zudem habe ihm für die Glaubhaftmachung der Kenntnisnahme vom Strafbefehl am 13. April 2018 kein anderes Beweismittel als die eigene eidesstattliche Versicherung zur Verfügung gestanden.

§ 145a Abs. 3 Satz 2 StPO lautet:

Wird eine Entscheidung dem Beschuldigten zugestellt, so wird der Verteidiger hiervon zugleich unterrichtet, auch wenn eine Vollmacht bei den Akten nicht vorliegt; dabei erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung.

Das Landgericht verwarf die sofortige Beschwerde als unbegründet. Zwar werde im Falle einer entgegen § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO unterlassenen Benachrichtigung des Verteidigers allgemein ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 44 StPO angenommen, da der Betroffene sich darauf verlassen können solle, dass der Verteidiger Kenntnis von der Zustellung erlange. Doch liege „der hiesige Fall bereits grundsätzlich anders“, da der Beschuldigte mit dem Verteidiger identisch sei. „Sinn und Zweck“ der Pflicht zur Benachrichtigung des Verteidigers erfülle sich daher nicht. Daher komme es auch nicht darauf an, dass die anwaltliche Versicherung eigener Wahrnehmungen im Falle der Selbstverteidigung ohnehin nicht möglich sei.

Das Amtsgericht Tiergarten und das Landgericht Berlin hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Präsident des Amtsgerichts Tiergarten hat erklärt, die Entscheidung sei von der geschäftsplanmäßig zuständigen Richterin getroffen worden, und im Übrigen von einer Stellungnahme abgesehen. Das Landgericht hat von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, soweit sich der Beschwerdeführer gegen den Strafbefehl wendet, da er seinen Rechtsbehelf insoweit entgegen §§ 49 Abs. 1, 50 VerfGHG nicht begründet hat.

Im Übrigen ist die Verfassungsbeschwerde zulässig. Insbesondere war der Beschwerdeführer nicht gehalten, gegen den Beschluss des Landgerichts die Anhörungsrüge zu erheben, denn er rügt nicht die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör im Wiedereinsetzungsverfahren, sondern die Versagung rechtlichen Gehörs durch die Verweigerung der Wiedereinsetzung. Dann aber war der Beschwerdeführer auch unter dem Aspekt der Erschöpfung des Rechtswegs sowie der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (§ 49 Abs. 2 Satz 1 VerfGHG) nicht gehindert, unmittelbar mit der Verfassungsbeschwerde die Verletzung der Rechtsschutzgarantie sowie des Willkürverbots mit zu rügen, da die Anhörungsrüge ohnehin nicht mit Aussicht auf Erfolg auf die Verletzung dieser Rechte hätte gestützt werden können (§ 33a StPO; vgl. zum Bundesrecht BVerfG, Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 2 BvR 2776/10 -, NJW 2013, 592).

Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit auch begründet.

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB.
16

a) Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB garantiert - inhaltsgleich mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes - nicht nur die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes (VerfGH 15/09, Beschluss vom 1. Juni 2010, Rn. 36 - juris) im Sinne eines möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 104, 220 <231>; 129, 1 <20>; BVerfG, Beschluss vom 13. März 2017 - 1 BvR 563/12 - Rn. 15, juris). Dies verpflichtet die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts, das Ziel der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes zu verfolgen (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 77, 275 <284>) und den Zugang zu den den Rechtsuchenden eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 44, 302 <305>; 69, 381 <385>; 77, 275 <284>; 134, 106 <117 Rn. 34>; BVerfG, Beschluss vom 13. März 2017 - 1 BvR 563/12 - Rn. 16, juris). Insbesondere dürfen die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben und vorbringen muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, nicht überspannt werden (vgl. zum Bundesrecht BVerfGE 40, 88 <91>; BVerfGE 67, 208 <212 f.>; BVerfGE 110, 339 <342>; BVerfG, Beschluss vom 18. Oktober 2012 - 2 BvR 2776/10 -, NJW 2013, 592). Es stellt eine ungerechtfertigte Erschwerung des Zugangs zu einem Rechtsmittel dar, wenn dem Bürger, der ein befristetes Rechtsmittel einlegt, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus Gründen versagt wird, die er nicht zu vertreten hat (vgl. Beschluss vom 15. Dezember 2014 - VerfGH 118/14 - juris Rn. 10 m. w. N.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundesrecht darf es dem Bürger nicht als ein die Wiedereinsetzung ausschließender Umstand zugerechnet werden, wenn er wegen einer nur vorübergehenden Abwesenheit von seiner ständigen Wohnung keine besonderen Vorkehrungen wegen der möglichen Zustellung eines Bußgeldbescheids oder Strafbefehls getroffen hat (vgl. BVerfGE 37, 100 <102>; BVerfGE 40, 88 <91 f.>; BVerfGE 40, 182 <186>; BVerfGE 41, 332 <335>). Es kommt nicht darauf an, ob die urlaubsbedingte Abwesenheit in die „allgemeine Ferienzeit“ oder eine sonstige Jahreszeit fällt. Entscheidend ist allein, dass die Abwesenheit eine nur vorübergehende und relativ kurzfristige - längstens etwa sechs Wochen - von einer sonst ständig benutzten Wohnung ist (vgl. BVerfGE 40, 182 <186>; BVerfGE 41, 332 <336>). Das gilt auch dann, wenn der Bürger weiß, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren anhängig ist (vgl. BVerfGE 25, 158 <166>; BVerfGE 34, 154 <156 f.>; BVerfGE 42, 154).

b) Diesen Maßstäben wird die Entscheidung des Amtsgerichts nicht gerecht.

aa) Die Entscheidung beruht auf der Erwägung, dass eine eigene eidesstattliche oder anwaltliche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung schlechthin nicht geeignet sei. Dies ist jedenfalls dann mit der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar, wenn zum Nachweis des maßgeblichen Umstandes - hier: des Zeitpunkts der Kenntnisnahme von dem an die Privatanschrift zugestellten Strafbefehl - kein anderes Beweismittel ersichtlich ist als die eigene eidesstattliche oder anwaltliche Versicherung. Denn in einer solchen Konstellation kommt der Ausschluss der eigenen Erklärung als Mittel der Glaubhaftmachung einer Versagung des Rechtsschutzes im Strafverfahren gleich, weil gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO die „Tatsachen zur Begründung des Antrags“ glaubhaft zu machen sind. Steht dem Betroffenen nur ein Mittel der Glaubhaftmachung zu Gebote und erkennen die Gerichte dieses nicht als hinreichend an, so verwehren sie im Ergebnis jeden Rechtsschutz. Eine solche Auslegung des Strafprozessrechts führt nicht mehr zu einem im Sinne des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB effektiven Rechtsschutz, zumal wenn es - wie im Strafbefehlsverfahren - nicht um den Zugang zu einem Rechtsmittel, sondern zur ersten gerichtlichen Instanz überhaupt geht. Der Verfassungsgerichtshof muss nicht entscheiden, ob anderes gelten mag, wenn dem Antragsteller auch andere Mittel der Glaubhaftmachung zu Gebote gestanden hätten, er diese jedoch aus freien Stücken nicht genutzt hat.

bb) Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass es von Verfassungs wegen (vgl. zum Bundesrecht BVerfG a. a. O.) gerade keine Obliegenheit gibt, während kürzerer Urlaubsabwesenheit die private Post überwachen zu lassen. Daran gemessen hatte der Beschwerdeführer Vorkehrungen getroffen, um eine fristgerechte Reaktion auf Zustellungen zu ermöglichen, indem er sich selbst als Verteidiger benannt und seine Kanzleianschrift mitgeteilt hatte. Das Amtsgericht hat jedoch dadurch, dass es die gemäß § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO gebotene Mitteilung an den Verteidiger unterließ, diese Vorkehrungen des Beschwerdeführers leerlaufen lassen.

2. Die Entscheidung des Landgerichts perpetuiert zum einen die Verletzung der Garantie des effektiven Rechtsschutzes, indem sie die gegen die Entscheidung des Amtsgerichts gerichtete sofortige Beschwerde verwirft, und verstößt somit ihrerseits gegen dieses Grundrecht. Darüber hinaus enthält die Begründung des Landgerichts eine eigenständige Verletzung des Grundrechts aus Art. 15 Abs. 4 Satz 1 VvB.

a) § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO ist Ausdruck der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts (Schmitt in Meyer-Goßner, StPO, 61. Auflage, § 145a StPO Rn. 13). Sinn und Zweck der Norm besteht darin, dass der Verteidiger immer und unverzüglich von der Zustellung an den Beschuldigten informiert wird (Schmitt a. a. O.; Lüderssen/Jahn in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage, § 145a Rn. 13). Dementsprechend wird in Rechtsprechung und Literatur allgemein ein Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 44 StPO angenommen, wenn es aufgrund einer unterbliebenen Benachrichtigung zu einem Fristversäumnis kommt (KG, Beschluss vom 9. Januar 2014 - 2 Ws 2/14 -; OLG Köln, Beschluss vom 10. Juni 2011 - 2 Ws 308/11 -; OLG Nürnberg, Beschluss vom 30. März 2010 - 2 Ws 500-09, 90/10; OLG Stuttgart, Beschluss vom 13. Juli 2009 - 4 Ws 127/09 - jeweils juris; Lüderssen/Jahn a. a. O. Rn. 12; Schmitt a. a. O. Rn. 14).

b) Demgegenüber hat das Landgericht seinen Beschluss damit begründet, dass der Schutzzweck des § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO, wonach der Verteidiger von einer beim Beschuldigten unmittelbar erfolgten Zustellung zumindest Kenntnis erlangen solle, nicht berührt sei, wenn sich der Beschuldigte als Verteidiger selbst vertritt. Diese rechtliche Würdigung verkehrt die gesetzliche Regelung in ihr Gegenteil und erschwert zugleich den Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz ohne Rechtfertigung, indem sie die Gerichte von einer gesetzlichen Informationspflicht entbindet, die dem Beschuldigten gerade die Einhaltung von Rechtsbehelfsfristen erleichtern soll. Denn wie der vorliegende Fall zeigt, ist die Benachrichtigung des sich selbst verteidigenden Beschuldigten am Kanzleisitz keine sinnlose Doppelung. Vielmehr droht die einschränkende Auslegung des § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO, die dem Beschluss des Landgerichts zugrunde liegt, Vorkehrungen zur Fristwahrung ins Leere laufen zu lassen, die der sich selbst verteidigende Beschuldigte am Sitz seiner Kanzlei trifft. Diese Handhabung der strafprozessualen Ordnungsvorschrift führt - vermittelt über die darauf beruhende Versagung eines Wiedereinsetzungsgrundes im Sinne des § 44 StPO - zu einer Einschränkung des Zugangs zu gerichtlichem Rechtsschutz, für den das Landgericht keinen Grund anführt noch sonst ein rechtfertigender Grund erkennbar ist.

Auf die weiter gerügten Grundrechtsverstöße kommt es danach nicht an.

III.

Die angegriffenen Entscheidungen werden nach § 54 Abs. 3 Halbsatz 1 VerfGHG aufgehoben. Gemäß § 54 Abs. 3 Halbsatz 2 VerfGHG wird die Sache an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen, das erneut über die beantragte Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist gegen den Strafbefehl vom 21. März 2018 zu entscheiden haben wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 33, 34 VerfGHG.

Mit dieser Entscheidung ist das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof abgeschlossen.


Einsender: entnommen HRRS

Anmerkung:


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