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Entscheidungen

Gebühren

Einzeltätigkeit, volle Verteidigertätigkeit, Abgrenzung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Beschl. v. 20.03.2019 - 2 Ws 63/19

Leitsatz: 1. Vertritt ein Rechtsanwalt einen unter Führungsaufsicht stehenden Mandanten durchgängig hinsichtlich dessen Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung und zur polizeilichen Beobachtung handelt es sich gebührenrechtlich um ein umfassendes Mandat und nicht um eine Einzeltätigkeit.
2. Eine Auslagenfestsetzung setzt bei Rahmengebühren voraus, dass der Rechtsanwalt sein Ermessen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG ausübt; ist die in Betracht kommende Gebühr streitig, hat dies hilfsweise zu geschehen.


In pp.

1. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg im Breisgau vom 24. Juli 2018 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Verurteilte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

1. Nachdem der Verurteilte K die durch Urteil des Landgerichts K vom 26.03.2013 - 3 KLs 44 Js 5377/11 - wegen Betruges verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten am 17.10.2014 vollständig verbüßt hatte, stand er aufgrund Beschlusses des Landgerichts Freiburg - Strafvollstreckungskammer - vom 26.06.2014 - 12 StVK 232/14 - unter Führungsaufsicht. Örtlich zuständig war die Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht U (FA 135/14). Mit Verfügung der Führungsaufsichtsstelle vom 26.11.2014 wurde der Verurteilte wegen unbekannten Aufenthalts gemäß §§ 463a Abs. 1 Satz 2, 131a Abs. 1 StPO zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben. Durch weitere Verfügung vom 08.05.2015 wurde jene Verfügung aufgehoben und stattdessen nach § 463a Abs. 2 StPO angeordnet, den Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht zur Beobachtung anlässlich polizeilicher Kontrollen auszuschreiben. Auf die hiergegen durch den mandatierten Rechtsanwalt S aus X eingelegte „Beschwerde“ hielt das Landgericht Freiburg - Strafvollstreckungskammer - mit Beschluss vom 05.08.2015 die Anordnung der Führungsaufsichtsstelle vom 08.05.2015 aufrecht. Die gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde des Verurteilten hatte Erfolg. Durch Beschluss des Senats vom 19.11.2015 - 2 Ws 415/15 - wurden der angefochtene Beschluss und die Anordnung der Führungsaufsichtsstelle aufgehoben. Ferner wurden die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt.

2. Mit Schriftsatz des Rechtsanwalts S vom 01.02.2018 machte dieser beim Landgericht Freiburg notwendige Auslagen des Mandanten in Höhe von 571,20 Euro geltend; es handelte sich um die Gebühren Nr. 4301 Nr. 6 VV RVG (460,- Euro [Höchstgebühr]), Nr. 7002 (20,- Euro) sowie die - sich aus der Summe ergebende - Umsatzsteuer nach Nr. 7008 (91,20 Euro). Zur Begründung bezog er sich insbesondere auf seine umfangreiche Tätigkeit bereits vor dem Beschwerdeverfahren gegenüber den Landgerichten U und Freiburg, die schlechte Erreichbarkeit des Mandanten sowie die erheblichen Auswirkungen der erfolgten Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung. In seiner Stellungnahme vom 14.05.2018 trat der Vertreter der Staatskasse der Auslagenfestsetzung insoweit entgegen, als er - infolge umfassenden Verteidigungsauftrags - nicht die Gebühr Nr. 4301 Nr. 6, sondern Nr. 4204 VV RVG (Gebührenrahmen 30,- bis 300,- Euro) für einschlägig hielt; ferner wies er darauf hin, dass die vor der Vertretung im Beschwerdeverfahren entfaltete Tätigkeit bei der Bemessung nicht berücksichtigt werden könne, da es insoweit an einer Kostengrundentscheidung fehle. In der Erwiderungsschrift vom 28.05.2018, deren teilweise abwegig-sachfremden Ausführungen der Senat nicht kommentiert („...Vermutung, die nur zu dem Zweck aufgestellt wird, seinem [des Bezirksrevisors] Arbeitgeber höhere Kosten zu ersparen...“), wird die Auffassung vertreten, es habe sich nicht um einen „vollen Verteidigungsauftrag“, sondern eine Einzeltätigkeit gehandelt. Im Übrigen läge eine Kostengrundentscheidung vor, welche auch die Vortätigkeit umfasse; der Senat habe nämlich die Anordnung der Führungsaufsichtsstelle ebenfalls aufgehoben. Eine - hilfsweise - in Betracht kommende Gebührenbestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG betreffend Nr. 4204 VV RVG erfolgte ungeachtet eines Hinweises des Vertreters der Staatskasse nicht. In einer weiteren Stellungnahme vom 22.06.2018 hielt der Vertreter der Staatskasse seine Bewertung aufrecht.

3. Mit Beschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Freiburg vom 24.07.2018 wies diese den Antrag vom 01.02.2018 - gänzlich - zurück. Die Begründung erschöpft sich in dem Satz „Auf die Ausführungen des Bezirksrevisors vom 14.05.2018 und vom 22.06.2018 wird verwiesen“. Gegen den Rechtsanwalt S am 03.08.2018 zugestellten Beschluss legte dieser mit Eingang am 06.08.2018 sofortige Beschwerde ein, welche mit Schriftsatz vom 10.09.2018 begründet wurde. In dieser hält er - unter ergänzenden Darlegungen - an seiner bisherigen rechtlichen Einordnung fest. Der Vertreter der Staatskasse nahm hierzu am 19.10.2018 ergänzend Stellung, worauf Rechtsanwalt S unter dem 29.01.2019 erwiderte.

Der Senat zog zusätzlich zu den vorgelegten Akten (die angeschlossenen Sachakten sind für die Entscheidung unerheblich) die - ersichtlich relevanten - Akten der Führungsaufsichtsstelle bei.

II.

1. Der Senat hat in der Besetzung mit drei Richtern (§ 122 Abs. 1 GVG) zu entscheiden; § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO findet keine Anwendung (Senat, Beschluss vom 07.08.2017 - 2 Ws 176/17, JurBüro 2017, 523; OLG Stuttgart Die Justiz 2018, 517; OLG Rostock NStZ-RR 2017, 126; OLG Düsseldorf NStZ 2012, 160).

2. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 464b, 304 Abs. 1 und Abs. 3, 311 StPO, § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt; der Beschwerdewert gemäß § 304 Abs. 3 StPO von mehr als 200,- Euro ist überschritten. Das Rechtsmittel ist als unbegründet zu verwerfen.

a) Entgegen der rechtlichen Einordnung des Beschwerdeführers, der von einem zu weiten Verständnis des Begriffs der Einzeltätigkeit ausgeht, bemessen sich die ihm durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstandenen notwendigen Auslagen nach Nr. 4204 und nicht nach Nr. 4301 Nr. 6 VV RVG. Die Abgrenzung der Gebührentatbestände hat im konkreten Verfahren danach zu erfolgen, ob es sich im Strafvollstreckungsverfahren nur um eine einzelne Tätigkeit gehandelt hat - dann Nr. 4301 Nr. 6 VV RVG - oder dem Rechtsanwalt ein umfassendes Mandat erteilt worden ist - dann Nr. 4204 VV RVG. Hierbei erfordert letzterer Fall jedoch nicht, dass der Rechtsanwalt gesamthaft mit allen denkbaren Interessenvertretungen im Strafvollstreckungsverfahren als solches betraut worden sein muss. Verteidigertätigkeit kann auch bereits dann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt erst hinsichtlich einer bestimmten Verfahrensentscheidung beauftragt worden ist. Selbst wenn er nur die Vertretung im gesamten Beschwerdeverfahren wahrnimmt, fallen die Gebühren nach Nr. 4200 ff. VV RVG an (Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, Vorbem. 4.2 Rn. 20). Die Wahrnehmung nur einer einzelnen Tätigkeit liegt nur ausnahmsweise vor; in der Regel ist auch bei einem Wahlverteidiger eine umfassende Beauftragung anzunehmen (Riedel/Sußbauer RVG/Kremer, 10. Aufl. 2015, VV 4301 Rn. 8). In Rechtsprechung und Literatur ist einhellig anerkannt, dass eine umfassende Beauftragung beispielsweise im Verfahren über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 253) oder im jährlichen Überprüfungsverfahren für eine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (KG Berlin NStZ-RR 2005, 127; vgl. zwischenzeitlich Nr. 4200 Nr. 1 Buchstabe b VV RVG n.F.) vorliegt. Ferner ist dies u.a. der Fall bei Verfahren über den Aufschub der Vollstreckung (§ 456 StPO), die Auslegung eines Strafurteils (§ 458 StPO), Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde (§ 459h StPO), wegen Abkürzung der Sperrfrist (§ 69 Abs. 7 StGB), bei nachträglicher Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe (§ 460 StPO), bei nachträglicher Entscheidung bei Verwarnung mit Strafvorbehalt (§ 453 Abs. 1 StPO), Zahlungserleichterungen (§ 450a StPO), Zulässigkeitseinwendungen gegen die Vollstreckung (§ 462 StPO), Zurückstellung der Strafvollstreckung (§ 35 BtMG) und Anträgen auf Nichtentfallen der Führungsaufsicht (§ 68f StGB) und/oder Weisungen (§ 68b StGB) während der Führungsaufsicht (Burhoff/Volpert aaO Nr. 4202 Rn. 2 bis 5; BeckOK RVG/Knaudt, 42. Edition, Stand 01.12.2018 VV 4204 Rn. 3).

b) Ausgehend von dieser Rechtslage war Rechtsanwalt S anhand der Gesamterkenntnisse aus den Akten der Führungsaufsichtsstelle ersichtlich ein umfassendes Mandat in Bezug auf die Anordnungen der Führungsaufsichtsstelle auf Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung sowie - danach - zur polizeilichen Beobachtung erteilt worden.

Bereits mit Schriftsatz vom 03.12.2014 zeigte er unter Vorlage einer schriftlichen Vollmacht mit dem Betreff „Strafvollstreckung“ mit, dass er vom Mandanten „mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt worden sei“. In der Folgezeit vertrat er dessen Anliegen ununterbrochen durch zahlreiche Schriftsätze und Telefonate gegenüber der Führungsaufsichtsstelle und der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg. Seine Tätigkeit endete schließlich erst mit der Senatsentscheidung vom 19.11.2015. Es kann daher keinem Zweifel unterliegen, dass nicht nur eine Einzeltätigkeit vorlag.

c) Angesichts dessen, dass Rechtsanwalt S - auch nicht hilfsweise - bezüglich der Gebühr Nr. 4204 VV RVG keine ihm obliegende Gebührenbestimmung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG vorgenommen hat, ist dem Senat eine abschließende Entscheidung, welche letztlich der Rechtspflegerin obliegt, verwehrt (zu solchen Konstellationen vgl. OLG Celle StraFo 2018, 525; OLG Stuttgart Die Justiz 2018, 517).

Zum einen ist es nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bei Rahmengebühren obligatorische Aufgabe des Rechtsanwalts, die Gebührenbestimmung unter Heranziehung des - nur ihm - eröffneten Ermessens, die konkrete Höhe der Gebühr geltend zu machen. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut („... bestimmt der Rechtsanwalt ..."); es handelt sich insoweit um seine eigene Aufgabe, eine Vorgabe für ihn (Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 14. Aufl. 2017, § 14 Rn. 4; Kroiß/Horn/Solomon/Bölting/Rulands, RVG, § 14 Rn. 1; Mayer/Kroiß/Winkler, RVG, 7. Aufl. 2018, § 14 Rn. 11). Der Senat kann insbesondere - ebenso wenig wie die Rechtspflegerin - nicht von sich aus unterstellen, dass bei der Gebühr Nr. 4204 VV RVG ebenfalls die Höchstgebühr geltend gemacht werde. Zwar folgt auch der Senat der Toleranzgrenze von zwanzig Prozent (Senat aaO JurBüro); übersteigt jedoch die bestimmte Gebühr die angemessene Gebühr um mehr als zwanzig Prozent, ist die Bestimmung unbillig (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG) und sie auf die angemessene Gebühr herabzusetzen (Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 14 Rn. 26). Mithin könnte eine entsprechende Annahme des Senats dem Beschwerdeführer zum Nachteil gereichen. Diese formalen Vorgaben stellen für den Anspruchsberechtigten auch keine unzumutbare Anforderung dar. Er hatte nämlich ohne weiteres die Möglichkeit, eine lediglich hilfsweise Gebührenbestimmung bezüglich der im Raum stehenden Alternativgebühr vorzunehmen, sollte seiner Rechtsauffassung nicht gefolgt werden. Dies war in der Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse vom 14.05.2018 auch ausdrücklich anheimgestellt worden.

Angesichts dieser Sach- und Rechtslage bleibt der sofortigen Beschwerde der Erfolg versagt. Der Verurteilte hat jedoch die Möglichkeit, einen neuen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats (Nr. 4204 VV RVG) zu stellen.

3. Für die möglicherweise anstehende spätere Entscheidung über die Festsetzung der dem Beschwerdeführer zustehenden notwendigen Auslagen weist der Senat im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen des Beschwerdeführers und des Vertreters der Staatskasse darauf hin, dass bei der Bemessung der Höhe der Gebühr Nr. 4204 VV RVG die vor dem Beschwerdeverfahren des Senats entfaltete Tätigkeit nicht herangezogen werden kann. Die - für die Festsetzung verbindliche - Kostengrundentscheidung des Senats erfasst ausschließlich die Tätigkeit im Beschwerdeverfahren; dies wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass der Senat nicht nur den angefochtenen Beschluss, sondern zwangsläufig auch die Anordnung der Führungsaufsichtsstelle aufzuheben hatte. Es bleibt der Rechtspflegerin allerdings unbenommen, die Bedeutung der Sache für den unter polizeilicher Beobachtung stehenden Beschwerdeführer - ein gewichtiger Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte - und die eher entlegene rechtliche Materie (vgl. die umfangreichen Ausführungen in dem Senatsbeschluss) erhöhend zu berücksichtigen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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