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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, kostenneutrale Umbeiordnung, Pflichtverteidiger

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Stendal, Beschl. v. 13.03.2019 - 501 Qs (172 Js 13906/15) 16/19

Leitsatz: Zu den Voraussetzungen für eine kostenneutrale Umbeiordnung eines Pflichtverteidigers.


Landgericht Stendal

Beschluss
501 Qs (172 Js 13906/15) 16/19

In pp.
wegen Diebstahls im besonders schweren Fall u.a.

Verteidiger:
Rechtsanwalt

hat die Große Strafkammer 1 des Landgerichts Stendal als Beschwerdekammer durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht, die Richterin am Landgericht und den Richter am Amtsgericht am 13 März 2019 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Salzwedel vom 31. Januar 2019 insoweit aufgehoben, als dass das Amtsgericht bestimmt hat, dass durch den Pflichtverteidigerwechsel keine Mehrkosten entstehen dürfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen der Landeskasse zur Last.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Stendal legt dem Angeklagten mit Anklageschrift vom 24. April 2016 einen Diebstahl im besonders schweren Fall und einen Computerbetrug zur Last.

Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2017 bestellte sich Rechtsanwalt P. als Verteidiger des Angeklagten, eine Vollmacht reichte er nicht zur Akte. Durch Beschluss des Amtsgerichts Bernburg vom 31. November 2016 war Rechtsanwalt B. dem Angeklagten als Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Ämtern, Behörden, Einrichtungen und Sozialversicherungsträgern bestellt worden. Einen Zustimmungsvorbehalt enthielt die Bestellung nicht. Weiterhin verteidigte Rechtsanwalt B. den Angeklagten in einem Verfahren über einen Bewährungswiderruf vor dem Landgericht Halle (7 BR 156/13) sowie in dem hierzu gehörigen Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht Naumburg (1 Ws (s) 83/17), welches am 28. März 2017 endete.

Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2017 bestellte sich Rechtsanwalt F. als Verteidiger des Angeklagten und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Weiterhin teilte er mit, dass er im Falle seiner Beiordnung sein Wahlverteidigermandat niederlege. Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2017 reichte Rechtsanwalt F. eine auf ihn ausgestellte Verteidigervollmacht vom 18. Mai 2017 zur Akte.

Mit Beschluss vom 07. Juni 2017 hat das Amtsgericht den Antrag auf Beiordnung von Rechtsanwalt F. als Pflichtverteidiger zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 141 StPO nicht notwendig sei, da der Angeklagte bereits durch Rechtsanwalt B. verteidigt werde.

Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte durch Schriftsatz von Rechtsanwalt F. vom 16. Juni 2017 Beschwerde eingelegt. die die Kammer mit Beschluss vom 12. September 2017 als unbegründet verworfen hat.

Mit Schriftsatz vom 14. September 2017 teilte Rechtsanwalt P. mit, dass der Angeklagte ihm das Vertrauen entzogen habe und er daher nicht mehr als Verteidiger auftreten werde.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Rechtsanwalt P. als Pflichtverteidiger entlassen und Rechtsanwalt F. zum Pflichtverteidiger bestellt. Weiterhin ordnete es an, dass durch die Umbestellung keine Mehrkosten entstehen dürfen.

Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 08. Februar 2019 Beschwerde hinsichtlich der Regelung zu den Mehrkosten erhoben und ausgeführt, dass sein Verteidiger niemals eine Erklärung über einen Gebührenverzicht abgegeben habe.

Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die nach § 304 StPO statthafte und ansonsten zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung der Bestimmung, dass durch die Beiordnung keine Mehrkosten entstehen dürften. Diese hat das Amtsgericht zu Unrecht angeordnet. Für die vom Amtsgericht getroffene Anordnung, dem Pflichtverteidiger Gebührenansprüche abzusprechen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

Der Wechsel des Pflichtverteidigers ist gesetzlich derzeit (vgl. zur angedachten Neuregelung: Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, S. 8 und 9) nicht geregelt. Es ist jedoch in der Rechtsprechung anerkannt, dass bei schwerer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen Mandant und Pflichtverteidiger ein solcher Wechsel vorzunehmen ist. Dieses fehlende Vertrauensverhältnis ist jedoch substantiiert darzulegen (vgl. insoweit: Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 56. Auflage, Rdn. 5, m.w.N.). Einer Darlegung des besonderen Grundes für einen Wechsel bedarf es jedoch dann nicht, wenn beide Verteidiger mit dem Wechsel einverstanden sind, eine Verfahrensverzögerung nicht stattfindet und durch den Wechsel keine Mehrkosten entstehen (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Rdn. 5a m.w.N.). Soweit die Umbestellung nicht kostenfrei erfolgen kann. wird es in der Rechtsprechung teilweise als zulässig erachtet, dass der Verteidiger auf die entstehenden Mehrkosten verzichten kann, um so eine Umbestellung zu erreichen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 25. Oktober 2017, Az.: 2 Ws 277/17, Leitsatz, zitiert nach juris: dagegen jedoch: OLG Naumburg, Beschluss vom 14. April 2010, Az.: 2 Ws 52/10, 2. Leitsatz. zitiert nach juris).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben, da dem Amtsgericht eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt. dem Pflichtverteidiger seine entstandenen Gebühren abzusprechen. Vorliegend bestand seitens des Amtsgerichts die Möglichkeit, den Antrag auf Umbestellung abzulehnen, da eine Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Angeklagten und Rechtsanwalt P. nicht ansatzweise dargelegt wurde. Soweit es aufgrund des Einvernehmens der Verteidiger eine kostenneutrale Umbestellung vornehmen wollte, hätte es nach der dargestellten Rechtsprechung des OLG Stuttgart eine entsprechende Erklärung des Verteidigers einholen müssen, was nach Aktenlage unterblieben ist. Für die vom Amtsgericht vorgenommene einseitige Bestimmung der Kostenneutralität gibt es jedoch schlechthin keine gesetzliche Grundlage.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA J. R. Funck, Braunschweig

Anmerkung:


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