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Entscheidungen

Zivilrecht

Schadensersatz, Anwaltskosten, ersatzfähiger Schaden,

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Urt. v. 18.01.2019 - 11 U 153/17

Leitsatz: 1. Ein qualifiziertes Unterlassen einer Ordnungsbehörde ist eine Maßnahme im Sinne von § 39 Abs. 1 lit. b OBG NW. Das Unterlassen ist qualifiziert, wenn eine Rechtspflicht der Behörde zum Handeln besteht und das Unterlassen in seinen Auswirkungen einem Eingriff in eine eigentumsrechtlich geschützte Position gleichkommt.
2. Anwaltskosten auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung sind gem. § 249 BGB nur dann erstattungsfähig, wenn diese Aufwendungen erforderlich und zweckmäßig waren, was der Geschädigte darlegen und beweisen muss (Übereinstimmung mit BGH, Urteil v. 16.07.2015 - IX ZR 197/14).


In pp.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03.11.2017 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum teilweise abgeändert.

Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 1.054,82 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.07.2014 sowie weitere 229,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/5 und die Beklagte zu 1/5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

I.

Die Klägerin nimmt die beklagte Stadt aus eigenem und abgetretenem Recht der Eheleute T (nachfolgend: die Zedenten) aus dem Gesichtspunkt der Amtshaftung auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten in Anspruch, die beide aufgrund einer am 12.04.2013 geschlossenen Honorarvereinbarung der Rechtsanwaltskanzlei C in N für ihre Vertretung in einer öffentlich-rechtlichen Baurechtstreitigkeit zu zahlen hatten. Anlass für die Beauftragung der Rechtsanwälte C war, dass eine in der Nachbarschaft der Klägerin und der Eheleute T gelegene Gaststätte nebst Festhalle im Jahr 2013 von ihrem damaligen Pächter zur Durchführung lärmintensiver Großveranstaltungen genutzt wurde. Nachdem eigene Bemühungen der Klägerin und der Zedenten sowie des von ihnen zunächst eingeschalteten Rechtsanwalts P, die Beklagte zu einem Einschreiten gegen den Pächter zu bewegen, erfolglos blieben, beauftragten die Klägerin und die Zedenten im April 2013 Rechtsanwalt Dr. B aus der Kanzlei C mit ihrer Vertretung und schlossen dabei eine Honorarvereinbarung, in der sie sich u.a. zur Zahlung einen Stundenhonorars von 250,- € und einer Fahrtkostenerstattung von 0,75 € je gefahrenen Kilometer verpflichteten. Das Tätigwerden von Rechtsanwalt Dr. B führte schließlich zum Erfolg und zum Erlass einer Nutzungsuntersagung gegen den Nachbarn durch die Beklagte.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die ihr und den Zedenten aufgrund der Honorarvereinbarung entstandenen Rechtsanwaltskosten von 5.965,36 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 655,69 € nebst Zinsen ersetzt. Die Parteien haben in erster Instanz darüber gestritten, ob die auf der Grundlage der Honorarvereinbarung entstandenen Rechtsanwaltskosten ein erstattungsfähiger Schaden im Sinne des § 249 BGB sind und ob das von den Rechtsanwälten C berechnete Honorar hinsichtlich des Zeitaufwandes und der Fahrtkosten erforderlich bzw. angemessen gewesen ist.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte fahrlässig eine die Klägerin drittschützende Amtspflicht verletzt habe, indem sie dem Pächter nicht die weitere Nutzung der Festhalle untersagt und der Klägerin falsche Auskünfte bzgl. des Vorliegens einer diese Nutzung gestattenden Baugenehmigung erteilt habe. Die Klägerin könne auch die angefallenen Rechtsanwaltskosten als Schaden geltend machen. Sie habe die Beauftragung von Dr. B als spezialisierten Fachanwalt und den Abschluss der Honorarvereinbarung mit ihm für erforderlich und zweckmäßig halten dürfen. Zwar habe der Fall keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten geboten. Aus Sicht der Klägerin habe jedoch weder sie selbst, noch der nicht spezialisierte Rechtsanwalt P bei der Beklagten etwas erreichen können, weshalb die Klägerin davon habe ausgehen müssen, dass es sich um eine komplizierte Rechtsfrage handele. Zudem sei der Ausgang des Rechtsstreits für die Klägerin von besonderer Bedeutung gewesen, weil sie dort nicht nur gewohnt, sondern auch ihre psychotherapeutische Praxis betrieben habe. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, nach einem Fachanwalt zu suchen, der nach dem RVG abrechnet. Durch die Honorarvereinbarung über 250,- € netto/Stunde habe sie nicht gegen das im Schadensrecht geltende Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Zwar gebe es durchaus auch Fachanwälte für Verwaltungsrecht, die nach dem RVG oder zu niedrigeren Stundensätzen tätig seien. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin mit dem nichtspezialisierten Rechtsanwalt P nichts erreicht gehabt habe, die Beklagte sogar trotz formeller und materieller Illegalität der baurechtlichen Nutzung diesem mitgeteilt habe, dass bauordnungsrechtlich keine Bedenken gegen die Nutzung bestünden, habe die Klägerin von einer schwierigen baurechtlichen Angelegenheit ausgehen und ihr der Stundensatz von 250,- €, der von spezialisierten Rechtsanwälten großer Kanzleien berechnet werde, als angemessen erscheinen dürfen.

Gegen die von den Rechtsanwälten C berechnete Stundenzahl bestünden nach den ergänzenden Darlegungen der Klägerin im Schriftsatz vom 27.06.2017, denen die Beklagte nicht mehr konkret entgegen getreten sei, keine Bedenken (mehr). Gleiches gelte für die berechneten Fahrtkosten.

Die als Nebenforderung geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltskosten von 655,69 € nebst Prozesszinsen stünden der Klägerin ebenfalls zu. Zinsen auf die Hauptforderung könne die Klägerin aber erst ab dem 31.07.2014 verlangen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter. Sie meint, die Klägerin habe allenfalls davon ausgehen dürfen, dass die Einschaltung eines Fachanwalts auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts bzw. Verwaltungsrechts notwendig war. Nach der Rechtsprechung des BGH und des OLG München seien höhere Gebühren als die gesetzlichen nur dann erstattungsfähig, wenn ein zur Vertretung bereiter und geeigneter Rechtsanwalt zu den gesetzlichen Gebühren nicht gefunden werden könne. Die Klägerin habe aber noch nicht einmal versucht, mit ihrem früheren Rechtsanwalt, der über das RVG abgerechnet habe, weiter zusammenzuarbeiten. Auch der vom Landgericht angenommene mögliche weitere Ausnahmefall, dass es sich um einen komplexen und schwierigen Fall handele, habe hier nicht vorgelegen. Insoweit habe sich das Landgericht in seiner Entscheidung selbst widersprochen. Doch selbst man von einem rechtlich schwierig gelagerten Fall ausginge, so erkläre dies nicht, weshalb kein Fachanwalt aufgesucht worden sei, der nach dem RVG arbeite. Auf ihre, der Beklagten, Einwände zur Schadenshöhe, wie lange Telefonate und die Entfernung zum Ortstermin sei das LG nicht bzw. nur mit wenigen Worten eingegangen. Fahrtkosten würden üblicherweise mit 0,25 €, höchstens 0,30 € pro Kilometer zugesprochen.

Die Beklagte beantragt,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung mit näheren Ausführungen als richtig.

Entscheidungsgründe:

II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Das Landgericht hat der Klägerin zu Unrecht die auf der Grundlage der Honorarvereinbarung von den Rechtsanwälten C berechneten Rechtsanwaltskosten zuerkannt. Zwar steht der Klägerin gem. § 39 Abs. 1 lit. b OBG NW ein Entschädigungsanspruch gegen die Beklagte wegen des rechtswidrig unterbliebenen Einschreitens gegen den Nachbarn der Klägerin zu (1.). Der gem. § 40 Abs. 1 OBG NW in Verbindung mit § 249 BGB erstattungsfähige Vermögensschaden umfasst jedoch nur den Ersatz derjenigen Rechtsanwaltskosten, die bei Abrechnung der von den Rechtsanwälten C entfalteten Anwaltstätigkeit auf der Grundlage der Gebührenregelungen im RVG entstanden wären (2.). Ein etwaiger Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB in Verb. mit Art. 34 GG führt zu keiner weitergehenden Ersatzpflicht (3.). Vorgerichtliche Anwaltskosten sind nur in Höhe von 229,80 € erstattungsfähig (4.).

1. Die Beklagte haftet der Klägerin und den Zedenten gem. § 39 Abs. 1 lit. b. OBG NW dem Grunde nach auf Ersatz des Schadens, der ihnen durch die - bis zum späteren Erlass der Nutzungsuntersagungsverfügung - erfolgte Ablehnung des Einschreitens gegen die baurechtswidrige Nutzung des benachbarten Gaststättenbetriebes entstanden ist.

Nach § 39 Abs. 1 lit. b. OBG NW ist ein Schaden, den jemand durch Maßnahmen der Ordnungsbehörde erleidet, zu ersetzen, wenn er durch rechtswidrige Maßnahmen, gleichgültig, ob die Ordnungsbehörden ein Verschulden trifft oder nicht, entstanden ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Ablehnung des Einschreitens gegen die baurechtswidrige Nutzung des benachbarten Gaststättenbetriebes erfolgte - ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 13.03.2013 - durch die Ordnungsbehörde der Beklagten. Dass diese Ablehnung rechtswidrig war, weil der Gaststättenbetrieb formell und materiell baurechtswidrig war, steht im Berufungsverfahren nicht mehr im Streit.

Die Ablehnung des Einschreitens gegen die baurechtswidrige Nutzung stellt sich auch als „Maßnahme“ im Sinne des § 39 Abs. 1lit b. OBG NW dar. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Ablehnung des Einschreitens der Sache nach lediglich die Erklärung für das Unterlassen eines Vorgehens gegen den Nachbarn ist und ein bloßes Unterlassen regelmäßig auch dann nicht für die Annahme einer Maßnahme reicht, wenn - wie hier - eine Rechtspflicht der Behörde zum Handeln besteht (vgl. Schumacher, Handbuch der Kommunalhaftung, 5. Aufl., S. 486 unter Hinweis auf die nicht veröffentlichten Entscheidungen des Senats v. 19.06.1988 zu 11 U 237/87 und v. 08.11.1989 zu 11 U 90/89). Eine Ausnahme hat nach Auffassung des Senats aber in Anlehnung an die Rechtsprechung zum enteignungsgleichen Eingriff zu gelten, wenn es sich um ein qualifiziertes Unterlassen handelt. Der BGH bejaht im Anwendungsbereich des enteignungsgleichen Eingriffs ein qualifiziertes Unterlassen, wenn eine Rechtspflicht der Behörde zum Handeln besteht und das Unterlassen in seinen Auswirkungen einem Eingriff in eine eigentumsrechtliche geschützte Position gleichkommt (vgl. BGH Urt. v. 21.05.1992, - III ZR 158/90 - Rn. 19, zitiert nach juris). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die bauordnungswidrige Nutzung des Nachbargrundstücks hat in den durch Art. 14 GG geschützten Rechtskreis der Klägerin und der Zedenten als Besitzer der von den Lärmbeeinträchtigungen betroffenen benachbarten Grundstücke eingegriffen. Sie wurden in ihren subjektiven Rechten betroffen, indem sie Immissionen ausgesetzt waren, die durch den bauordnungswidrigen Betrieb der Gaststätte verursacht wurden. Die Duldung der Fortsetzung dieser Nutzung durch die Beklagte kam in ihren Wirkungen einer rechtswidrig erteilten Nutzungsgenehmigung an den Nachbarn gleich. Dies belegt mit aller Deutlichkeit das Schreiben vom 13.03.2013, in dem die Beklagte ein Einschreiten gegen den Nachbarn unter Berufung auf eine tatsächlich nicht existierende Baugenehmigung ausdrücklich abgelehnt hat. Die durch Untätigkeit geprägte Situation ist mithin mit derjenigen vergleichbar, in der dem Nachbarn eine - unstreitig - materiell rechtswidrige Baugenehmigung erteilt worden wäre.

2. Der gem. § 40 Abs. 1 OBG NW in Verbindung mit § 249 BGB erstattungsfähige Vermögensschaden umfasst jedoch nur den Ersatz derjenigen Rechtsanwaltskosten, die bei Abrechnung der von den Rechtsanwälten C entfalteten Anwaltstätigkeit auf der Grundlage der Gebührenregelungen im RVG entstanden wären, was die Klägerin hilfsweise geltend macht. Diese Kosten belaufen sich auf 1.054,82 €.

a. Im Ausgangspunkt nicht streitig und vom Landgericht auch richtig erkannt, gehören zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten auch die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen vorprozessualen Rechtsverfolgungskosten. Allerdings hat der Schädiger nicht schlechterdings alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Zur Frage der Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit hat der BGH in seiner vom Landgericht angeführten Entscheidung vom 16.07.2015 (IX ZR 197/14) unter den Randnummern 54-59 Folgendes ausgeführt:

Die Einschaltung eines Rechtsanwalts ist in einfach gelagerten Fällen nur erforderlich, wenn der Geschädigte geschäftlich ungewandt ist oder die Schadensregelung verzögert wird. Bei Fällen wie dem Vorliegenden, die nicht einfach gelagert sind, ist jedenfalls das Honorar bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattungsfähig.

Hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehen die Rechtsprechung und die Literatur fast ganz einhellig davon aus, dass als erstattungsfähige „gesetzliche Gebühren und Auslagen“ lediglich die Regelsätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zu erstatten sind und nicht ein aufgrund einer Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt übersteigendes Honorar.

Nicht nur für den Bereich der prozessualen Kostenerstattungspflicht, sondern auch hinsichtlich vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten geht § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG davon aus, dass im Regelfall der gegnerischen Partei nicht mehr als die gesetzlichen Gebühren zu erstatten sind. Anderenfalls hätte der hiernach in einer Gebührenvereinbarung zwingend vorgesehene entsprechende Hinweis an den Mandaten keinen Sinn. Die Gesetzesbegründung zu § 3a RVG geht insoweit davon aus, dass der Rechtssuchende die von ihm zu zahlende Vergütung, soweit sie die gesetzlichen Gebühren übersteigt, grundsätzlich selbst tragen muss.

Derjenige, der sich schadensersatzpflichtig gemacht hat, kann aber in besonderen Fällen auch verpflichtet sein, höhere Aufwendungen aus einer Honorarvereinbarung zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 23.10. 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697 f), wenn der Geschädigte auch diese Aufwendungen wegen der besonderen Lage des Falles für erforderlich und zweckmäßig halten durfte. Dies kann anzunehmen sein, wenn ein zur Vertretung bereiter und geeigneter Rechtsanwalt zu den gesetzlichen Gebühren, etwa wegen der Aufwändigkeit des Rechtsstreits und des geringen Streitwerts, oder wenn ein erforderlicher spezialisierter Anwalt zu den gesetzlichen Gebühren nicht gefunden werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30.05.2000 - IX ZR 121/99, BGHZ 144, 343, 346).

Für die Voraussetzung eines gleichwohl weitergehenden, über den Normalfall hinausgehenden Erstattungsanspruchs ist der Anspruchsteller, wie für die Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit seiner Aufwendungen allgemein, darlegungs- und beweispflichtig. … Ein Fall der Verletzung der Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB, die vom Beklagten darzulegen und zu beweisen wäre, liegt entgegen der Auffassung der Anschlussrevision nicht vor.

b. Bei Anwendung dieser Maßstäbe, denen der Senat folgt, war hier zwar unzweifelhaft die Beauftragung eines Rechtsanwaltes erforderlich und zweckmäßig. Nicht erforderlich war aber die Auftragserteilung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung.

Es steht außer Frage und wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen, dass die Klägerin und die Zedenten sich grundsätzlich anwaltlicher Hilfe bedienen durften, nachdem ihre eigenen Bemühungen, die Beklagte zu einem Einschreiten gegen die lärmintensive baurechtswidrige Nutzung des benachbarten Gaststättenbetriebes zu bewegen, erfolglos geblieben waren.

Auch bedarf keiner Entscheidung, ob die Klägerin Anfang April 2013 berechtigt war, einen weiteren (Fach-)Anwalt zu beauftragen, nachdem der zunächst von ihr beauftragte Rechtsanwalt P den gewünschten Erfolg nicht erreicht hatte. Denn wie im Senatstermin am 18.01.2019 unstreitig geworden ist, hat die Klägerin ihr möglicherweise von Rechtsanwalt P berechnete Kosten nicht von der Beklagten ersetzt verlangt.

Unter Berücksichtigung der bis Anfang April 2013 erfolglos gebliebenen eigenen Bemühungen und der Bemühungen des Rechtsanwalts P bei fortbestehender beharrlicher Weigerung der Beklagten hat der Senat auch keinen Zweifel daran, dass die Klägerin und die Zedenten sich nunmehr der Hilfe eines Fachanwalts für öffentliches Baurecht bedienen durften, auch wenn der Fall aus objektiver Sicht tatsächlich übersichtlich gelagert war und keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten bot.

Allerdings lagen nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin die vom BGH aufgestellten - oben dargelegten - Voraussetzungen für die Auftragserteilung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung nicht vor. Die Klägerin hat in der Verhandlung vor dem Senat eingeräumt, dass sie nicht nach einem spezialisierten Fachanwalt gesucht hat, der zu den gesetzlichen Gebühren tätig wird, und, dass es solche Anwälte gibt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts kommt es auf die subjektive Vorstellung der Klägerin von der Rechtslage und der daraus abgeleiteten Notwendigkeit der Auftragserteilung auf der Grundlage einer Honorarvereinbarung nicht an. Wie der Senat in der Verhandlung am 18.01.2019 deutlich gemacht hat, verkennt er dabei nicht, dass die Sicht der Klägerin, es müsse sich wegen der beharrlichen Weigerung der Beklagten, die fortdauernde massive Lärmbeeinträchtigung zu unterbinden, um eine schwierige Rechtsfrage handeln, ohne weiteres plausibel ist. Das begründet indes nicht die Erforderlichkeit der Beauftragung eines Anwalts auf Honorarbasis. Würde man für die Erstattungsfähigkeit der höheren frei vereinbarten Rechtsanwaltskosten bereits ausreichen lassen, dass der Anspruchsteller die Vereinbarung wegen der aus seiner Sicht bestehenden Schwierigkeit der Sache für erforderlich halten durfte, selbst wenn es Anwälte gab, die zu einer Abrechnung nach RVG bereit gewesen wären, würde der in § 3 a Abs. 1 S. 3 RVG zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers weitestgehend leerlaufen. Eine relevante Bedeutung der subjektiven Vorstellung der Klägerin lässt sich auch nicht aus den vom Landgericht dafür angeführten Entscheidungen des OLG Schleswig und des OLG Koblenz ableiten. Abgesehen davon, dass diese Entscheidungen zeitlich vor der oben dargestellten maßgeblichen Entscheidung des BGH ergangen sind, betreffen sie die vom BGH erwähnten Ausnahmefälle, nämlich dass kein anderer Anwalt zu einer günstigeren Vergütung gefunden werden kann (OLG Schleswig) bzw. dass ein objektiv komplexer und schwieriger Fall vorliegt (OLG Koblenz).

Auch die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des BGH, nach der bei der Prüfung der Frage, ob der Geschädigte den Aufwand zur Schadensbeseitigung in vernünftigen Grenzen gehalten hat, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung anzustellen ist, d.h. Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - VI ZR 225/13 -, Rn. 7, juris), rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Der Klägerin wusste um die unterschiedlichen Abrechnungsmöglichkeiten eines Rechtsanwalts. Ihr war bei Unterzeichnung der Honorarvereinbarung die Regelung des § 3a Abs. 1 S. 3 RVG, auf die in der Vollmachtsurkunde auch pflichtgemäß ausdrücklich hingewiesen worden ist (Anlage K5), bekannt, wonach die gegnerische Partei im Regelfall nicht mehr als die gesetzlichen Anwaltsgebühren zu erstatten hat. Das hat sie im Senatstermin ausdrücklich eingeräumt und auch erklärt, ihr sei daher das Risiko bewusst gewesen, dass sie einen Teil der ihr berechneten Honorarkosten nicht ersetzt bekommt.

c. Die hiernach allein erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten, die bei Abrechnung der von den Rechtsanwälten C entfalteten Anwaltstätigkeit auf der Grundlage der Gebührenregelungen im RVG entstanden wären, belaufen sich entgegen der Berechnung der Klägerin nicht auf 1.163,34 € sondern auf 1.054,82 €.

Dieser Betrag ergibt sich auf der Grundlage des unstreitigen Gegenstandswertes von 7.500 € für die vorgerichtliche Tätigkeit und eine Geschäftsgebühr von 1,9. Die Höhe der Geschäftsgebühr ergibt sich aus dem Regelsatz von 1,3 aus Nr. 2300 VV RVG erhöht um 0,6 gem. Nr. 1008 VV RVG wegen der Beauftragung auch durch die Zedenten. Der Ansatz einer Geschäftsgebühr von 1,5 aus Nr. 2300 VV RVG ist nicht gerechtfertigt. Der BGH hat mit seiner Entscheidung vom 11.07.2012 (VIII ZR 323/11) klargestellt, dass die Toleranzrechtsprechung zu Gunsten des Rechtsanwalts, der eine Gebühr von mehr als 1,3 beansprucht, nur dann eingreift, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Nr. 2300 VV RVG für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 vorliegen und, dass das Vorliegen dieser Voraussetzungen der gerichtlichen Überprüfung nicht entzogen ist. Gründe für die Annahme einer überdurchschnittlichen Tätigkeit von Rechtsanwalt Dr. B hat die Klägerin nicht dargelegt. Sie hat sich allein auf einen - dem Anwalt nach der angeführten Entscheidung des BGH tatsächlich nicht zustehenden - gerichtlich nicht überprüfbaren Ermessensspielraum berufen.

Danach errechnen sich die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten wie folgt:

1,9 Geschäftsgebühr (1,9 * 456 €) 866,40 €
Unkostenpauschale 20,00 €
Zwischensumme 886,40 €
Umsatzsteuer 168,42 €
1.054,82 €.

Dass hierauf Kosten anzurechnen wären, die bereits im verwaltungsgerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt wurden, ist von der Beklagten auch nach der im Senatstermin am 18.01.2019 von ihr erfolgten Prüfung nicht konkret dargelegt worden.

d. Die geltend gemachten Zinsen auf die Hauptforderung stehen der Klägerin aus den nicht angegriffenen Erwägungen des Landgerichts seit dem 31.07.2014 zu.

3. Ob daneben auch ein Schadensersatzanspruch aus § 839 BGB in Verb. mit Art. 34 GG besteht, oder diesem Anspruch gem. § 839 Abs. 1 S. 2 BGB entgegengehalten werden könnte, dass die Klägerin eine anderweitige Ersatzmöglichkeit in Gestalt eines Anspruchs gegen Rechtsanwalt P wegen schuldhafter Verletzung der ihm gegenüber der Klägerin eingegangenen Pflichten aus dem mit ihr geschlossenen Anwaltsvertrag nicht ausgeräumt hat, kann offenbleiben. Denn ein solcher Anspruch würde einen über den Entschädigungsanspruch aus § 39 OBG NW hinausgehenden Schadensersatz nicht rechtfertigen.

4. Die als Nebenforderung zuerkannten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten werden bei verständiger Würdigung des Berufungsvorbringens der Beklagten jedenfalls insoweit angegriffen, als sie nach einem zu hohen Gegenstandswert berechnet worden sind. Daher sind die Kosten ausgehend von einem Gegenstandswert von bis zu 1.500 € entsprechend der in der Hauptsache gerechtfertigten Klageforderung nach dem vom Landgericht unangegriffen gebliebenen Gebührensatz von 1,5 zu berechnen. Das ergibt einen Betrag von 229,80 € (115 € * 1,5 = 172,50 € + 20 € = 192,50 € *1,19 = 229,08 €).

Die hierauf zuerkannten Prozesszinsen ergeben sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 S. 1 BGB

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Sachverhalt betrifft eine Einzelfallentscheidung und der Senat ist von der Rechtsprechung des BGH oder anderer Obergerichte nicht abgewichen.


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