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Entscheidungen

Gebühren

Vergütungsfestsetzung, Dokumentenpauschale, digitalisierte Akte

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.04.2018 - 2 Ws 1/18

Leitsatz: 1. Wird dem Verteidiger die komplette Verfahrensakte in digitalisierter Form zum weiteren Verbleib überlassen, sind Kopierkosten nach Nr. 7000 Nr. 1 lit. a VV RVG vom Grundsatz her keine erforderlichen Auslagen im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG.
2. Dieser Grundsatz kann durch entsprechenden Sachvortrag durchbrochen werden, da derzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur ausschließlichen Verwendung einer elektronischen bzw. digitalisierten Verfahrensakte besteht.
3. Aus dem Regelausnahmeprinzip folgt (insoweit Fortführung von OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. März 2012, 2 Ws 49/12), dass den Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, eine besondere Begründungs- und Darlegungslast trifft, warum dies zusätzlich zu der zur Verfügung gestellten digitalisierten Akte, die eine sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglicht, notwendig war, wenn er diese zusätzlichen Ausdrucke ersetzt verlangt.


In pp.

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde des Pflichtverteidigers richtet sich vorliegend ausschließlich gegen die Ablehnung der Erstattung von Ablichtungen (Nummer 7000 Ziffer 1a VV RVG).

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 21.03.2017 hat der Beschwerdeführer wegen des Ausdrucks von 37.216 Seiten der Verfahrensakten eine Dokumentenpauschale für Kopien in einer Gesamthöhe von 5.599,90 € geltend gemacht. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.08.2017 ist diese auf 92,50 € reduziert worden, indem nur Kopien aus Behörden- und Gerichtsakten von 500 Seiten anerkannt worden sind.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der sofortigen Beschwerde vom 21.08.2018. Eine Begründung für die Geltendmachung der Erstattung von Ablichtungen im Umfang von 37.216 Seiten ist erstmals in der Beschwerdeschrift vom 06.03.2018 durch den Beschwerdeführer vorgetragen worden.

Die Beschwerde ist statthaft gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 RVG und formgerecht gem. § 33 Abs. 7 RVG als auch innerhalb der gesetzlichen Frist von 2 Wochen gem. § 33 Abs. 3 S. RVG erhoben worden. Der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR ist erreicht. Dass die Beschwerde zunächst ohne Begründung eingereicht worden ist, lässt die Zulässigkeit nicht entfallen. Die Begründung, die erst mit Schriftsatz vom 06.03.2018 nachgeholt worden ist, ist insoweit allerdings nur zulässig, soweit sie keinen neuen Sachvortrag enthält.

Über die Rechtsbeschwerde hat, da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde, der Senat durch den Einzelrichter zu entscheiden (§ 33 Abs. 8 S. 1 RVG).

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach Nummer 7000 Ziffer 1a VV RVG erhält der Rechtsanwalt die Aufwendung für Ablichtungen aus Behörden- und Gerichtsakten erstattet, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Bei dieser Beurteilung ist auf einen objektiven Maßstab als auch auf den Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten abzustellen (ständige Rechtsprechung; vergleiche Hartmann Kostengesetz 43. Auflage VV 7000 zum RVG Rn. 6 mit weiteren Nachweisen). Zwar hat der Rechtsanwalt dabei einen gewissen und auch nicht zu engen Ermessensspielraum, was er für eine sachgerechte Bearbeitung benötigt, eine bloße Erleichterung oder Bequemlichkeit reicht indes nicht aus.

Im vorliegenden Fall hat der Pflichtverteidiger die komplette Verfahrensakte in digitalisierter Form zum weiteren Verbleib überlassen bekommen. Die Akte war damit inklusive aller Nebenbände in digitalisierter Form dem Rechtsanwalt zur Verfügung gestellt worden.

Vom Grundsatz sind danach sämtliche zum Ausgleich angemeldete Kopierkosten als nicht erforderliche Auslagen im Sinne von § 46 Abs. 1 RVG anzusehen. Der Pflichtverteidiger ist durch die vorliegend gewählte digitalisierte Übersendung der Verfahrensakte zum Verbleib in der Lage, auf sämtliche Informationen aus der Akte Zugriff nehmen zu können, sie mithin sachgerecht zu bearbeiten. Dieser Grundsatz kann allerdings durch entsprechenden Sachvortrag durchbrochen werden, da - wie das Oberlandesgericht Nürnberg in seiner Entscheidung vom 30.05.2017 (Az.: 2 Ws 98/17) zutreffend ausführt - derzeit noch keine gesetzliche Verpflichtung eines Rechtsanwalts zur ausschließlichen Verwendung einer elektronischen bzw. digitalisierten Verfahrensakte besteht. Daraus folgt, dass nach wie vor die Notwendigkeit bestehen kann, zur sachgerechten Bearbeitung einer Rechtssache zusätzlich zu der digitalisiert zur Verfügung gestellten Akte auch Teile davon in Papierform zu erstellen. Aus dem Regelausnahmeprinzip folgt indes allerdings auch (insoweit Fortführung von OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. März 2012, Az.: 2 Ws 49/12), dass den Rechtsanwalt, der die elektronische Akte ausdruckt, eine besondere Begründungs- und Darlegungslast trifft, warum dies "zusätzlich" zu der zur Verfügung gestellten digitalisierten Akte, die eine sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglicht, notwendig war, wenn er diese zusätzlichen Ausdrucke ersetzt verlangt. Es geht damit nicht um die bei der Staatskasse liegende Beweislast, ob eine Auslagenersatz entfällt, sondern darum, ob ein zusätzlicher Auslagenersatz ausnahmsweise in Betracht kommt, wenn die sachgerechte Bearbeitung bereits ermöglich worden ist und die diesbezüglichen Kosten erbracht bzw. ersetzt worden sind.

Der Senat folgt hier in Übereinstimmung mit den Entscheidungen der Oberlandesgerichte München, Beschluss vom 03.11.2014, RVG Report 2015, 106; OLG Köln, StraFo 2010, 131, OLG Celle RVG Report 2016, 417, dass zur Erfüllung des erhöhten Darlegungs- und Begründungsaufwands jedenfalls Gründe, die wie vorliegend im Ergebnis nur der Bequemlichkeit dienen, nicht ausreichend sind. Derartige Mehraufwendungen sind durch die Verfahrensgebühren bereits erfasst.

Ebenfalls nicht überzeugend ist der erstmals der in der Begründung vom 06.03.2018 vorgetragene Einwand, dass der Mandant, der der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig war und sich in Untersuchungshaft befand, selbstlesend die Akte zur Kenntnis nehmen musste. Es ist ständige Rechtsprechung und insoweit - soweit ersichtlich - übereinstimmende Rechtsprechung unter den Oberlandesgerichten, dass die Erstellung eines Aktenduplikats für den Mandanten, soweit es zulässig ist, ohnehin nicht erstattungspflichtig ist. Das Argument, dass der Antragsteller die in PDF Form digitalisierten Aktenteile nicht bearbeiten konnte, überzeugt ebenfalls nicht. Maßstab ist insoweit die durchschnittliche Ausstattung und die durchschnittlichen technischen Kenntnisse eines durchschnittlichen Rechtsanwalts. Dies zu Grunde gelegt, ist die Bearbeitung einer digitalisierten Verfahrensakte jetziger Stand der Technik und der zu erwartenden Kenntnisse. Der Einwand, dass auch Richter und Staatsanwälte regelmäßig auf die Papierakten zurückgreifen, greift ebenfalls nicht durch, da dies teilweise durch Besonderheiten in der Prozessordnung geboten ist, die das Gericht, nicht aber den Verteidiger binden. Soweit sie im Übrigen der Bequemlichkeit dienen, steht dies auch dem Antragsteller frei, ist aber nicht als notwendige "sachgemäße" Bearbeitung gesondert erstattungsfähig.

Eine darüber hinausgehende Besonderheit im vorliegenden Verfahren, die den aus § 46 Absatz 1 RVG folgenden Grundsatz zu durchbrechen vermag, ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Inwieweit der dem Antragsteller hier (wohl) aus Gleichheitsgesichtspunkten vom Rechtspfleger für 500 Seiten zugesprochene Aufwandsersatz nach Nummer 7000 Ziffer 1a VV RVG zurückzufordern ist, da im Kostenrecht das Verschlechterungsverbot nicht gilt, hat der Senat nicht zu entscheiden.


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