Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

OWi

Fahrverbot, Absehen für Krankenkraftwagen, Versagung wegen Einspruchseinlegung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 09.11.2017 - 3 Ss OWi 1556/17

Leitsatz: 1. Der Umstand, dass ein Betroffener von ihm zustehenden Verteidigungsmöglichkeiten (hier: Einspruch gegen den Bußgeldbescheid) Gebrauch gemacht hat, darf bei der Frage, ob im Einzelfall ein Absehen vom Fahrverbot oder eine sons-tige Fahrverbotsprivilegierung in Betracht kommt, nicht zum Nachteil des Betroffenen berücksichtigt werden.
2. Die Versagung einer Fahrverbotsprivilegierung mit der Begründung, der Be-troffene habe mit Blick auf den Antritt eines Arbeitsverhältnisses einen Härtefall aufgrund einer durch das Fahrverbot konkret drohenden Kündigung durch Hin-nahme des Bußgeldbescheids und die hierdurch mögliche Verbüßung des Fahr-verbots noch vor Antritt der Tätigkeit verhindern können, stellt eine im Rahmen des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ermessensfehlerhafte Verwertung zulässigen Vertei-digungsverhaltens zum Nachteil des Betroffenen dar.
3. Krankenkraftwagen können aufgrund ihrer über den bloßen Verwendungs-zweck und ihre Ausrüstung hinausgehende bauartbedingten Abgrenzbarkeit von anderen Fahrzeugen derselben Fahrzeugart oder -klasse als Kraftfahrzeuge "ei-ner bestimmten Art“ gemäß § 25 I 1 StVG vom bußgeldrechtlichen Fahrverbot ausgenommen werden.


In pp.
Das AG verurteilte den bislang verkehrsrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Betr., einen bei einem Kreisverband des Roten Kreuzes als Fahrer angestellten Rettungs-diensthelfer, wegen einer als Führer eines Pkw anlässlich einer Privatfahrt am 10.02.2017 begangenen fahrlässigen Nichtbeachtung einer schon länger als 1 Sekunde andauernden Rotlichtphase (sog. ‚qualifizierter‘ Rotlichtverstoß gem. §§ 37 Abs. 2 Nr. 1, 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO i.V.m. Nr. 132.3 BKat) zu einer Geldbuße von 200 Euro und ord-nete gegen ihn entsprechend der schon im Bußgeldbescheid vorgesehenen Rechtsfol-ge ein Fahrverbot von 1 Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG an. Auf seine hiergegen gerichtete (unbeschränkte) Rechtsbeschwerde hat das OLG das angefoch-tene Urteil unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen auf die Sachrüge dahin abgeändert, dass es vom Fahrverbot ‚Krankenkraftwagen‘ ausgenommen hat.
Aus den Gründen:
I. Die gem. § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge einen Teilerfolg insoweit, als der Rechtsfolgenausspruch dahin abzuändern ist, dass von dem gegen den Betr. verhängten Fahrverbot gemäß § 25 I 1 a.E. StVG ‚Krankenkraftwagen‘ auszunehmen sind. […].
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist das AG zutreffend davon aus-gegangen, dass ein Absehen von dem gemäß § 4 I 1 Nr. 3 BKatV i.V.m. Nr. 132.3 BKat verwirkten einmonatigen Regelfahrverbot wegen des festgestellten groben Pflichtenver-stoßes i.S.v. § 25 I 1 1. Alt. StVG nicht schon aufgrund eines sog. ‚Augenblicksversa-gens‘ in Betracht zu ziehen war (vgl. dazu u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 17.07.2012 – 3 Ss OWi 944/12 = DAR 2012, 528 = ZfS 2012, 648 = OLGSt StVG § 25 Nr. 52 = VM 2013, Nr. 3 = VA 2012, 156; 10.08.2015 – 3 Ss OWi 900/15 = ZfS 2016, 50; 22.12.2015 – 3 Ss OWi 1326/15 und 04.01.2016 – 3 Ss OWi 1490/15 = VA 2016, 47, jew. m.w.N.).
2. Dies enthob das AG allerdings nicht von der Verpflichtung, sich aufgrund der vom Betr. substantiiert vorgetragenen Gründe für einen konkret drohenden Existenzverlust im Falle der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zur Abwendung einer unbilligen Härte mit einer nach § 25 I 1 a.E. StVG vorgesehenen Fahrverbotsbeschränkung auf bestimmte Fahr-zeugarten hinreichend Rechnung getragen werden konnte, zumal für die Anerkennung eines derartigen Falles hier ernstlich Anlass bestand (OLG Bamberg, Beschl. v. 26.04.2006 – 3 Ss OWi 476/06 = VM 2007, Nr. 4 = VRR 2006, 432 und 19.10.2007 – 3 Ss OWi 1344/07 = NStZ-RR 2008, 119 = VRS 113 [2007], 357 = VRR 2008, 75 [Gieg] = DAR 2008, 33 [Ls]; vgl. ferner schon BayObLG, Beschl. v. 21.06.1989 – 2 Ob OWi 167/89 = ZfS 1989, 359 = NJW 1989, 2959 = DAR 1989, 428 = VRS 77 [1989], 456 = VM 1990, Nr. 14; 06.12.1990 – 2 ObOWi 383/90 = NZV 1991, 161 = MDR 1991, 471 = DAR 1991, 110 = ZfS 1991, 108 = VRS 80 [1991], 369 = VM 1991, Nr. 59 und 26.08.1999 – 1 ObOWi 395/99 = MDR 1999, 1504).
a) Nach den Urteilsgründen trug der Betr. unter Vorlage seines in der Hauptverhand-lung teilweise verlesenen Arbeitsvertrages vom 28.04.2017 vor, „beruflich auf seinen Führerschein angewiesen“ zu sein, „da er als Fahrer und Rettungsdiensthelfer beim Bayrischen Roten Kreuz […] angestellt sei“. Aus dem Arbeitsvertrag ergab sich für das AG überdies als „zutreffend“, dass der Betr. „für die Zeit vom 01.05.2017 bis 31.12.2018 als in Vollzeit beschäftigter Rettungsdiensthelfer eingestellt ist“ und der Vertrag unter § 6 die nachfolgende Klausel enthält: „Der Mitarbeiter wird darauf hinge-wiesen, dass das Bayerische Rote Kreuz beabsichtigt, das Arbeitsverhältnis aus wichti-gem Grund außerordentlich fristlos zu kündigen, sofern dem Mitarbeiter ein Fahrverbot erteilt wird, die Fahrerlaubnis (auch vorläufig) entzogen wird oder eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet ist“.
b) Bei dieser Sachlage durfte sich das AG bei seiner Prüfung nicht auf die Frage des Absehens vom – wenn auch nur einmonatigen – Fahrverbot beschränken, zumal sich bei der gegebenen Konstellation und den vom Betr. vorgebrachten sowie durch die Beweisaufnahme bestätigten Anknüpfungstatsachen die Prüfung eines beschränkten Fahrverbots zur Vermeidung einer nachhaltigen Existenzgefährdung geradezu auf-drängte (hierzu z.B. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.11.2015 – 3 [5] SsBs 575/15 = DAR 2016, 91 = BA 53 [2016], 193; vgl. auch BeckOK/Euler OWiG [Stand: 15.07.2017, Edit. 17] § 25 Rn. 7 und Burmann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Janke/Janker, Stra-ßenverkehrsrecht, 24. Aufl. [2016], § 25 StVG Rn. 34).
c) Erst recht durfte die Möglichkeit eines Absehens vom Fahrverbot oder der Beschrän-kung des Fahrverbots nicht von vornherein mit dem Argument abgelehnt werden, dass der Betr. nach seiner Einlassung vor Antritt seiner Tätigkeit als Rettungsdiensthelfer arbeitslos gewesen sei, weshalb er „das Fahrverbot […] eben vor Aufnahme der Be-schäftigung am 01.05.2017“ hätte antreten können, nachdem ihm der Bußgeldbescheid bereits am 15.03.2017 zugestellt worden war. Dies sei – so das AG – insbesondere deshalb anzunehmen, „da der Betr. ja von Anfang an den Vorwurf nicht bestritten“ habe. Denn diese die Hinnahme des Bußgeldbescheids ohne Einspruch bzw. einen Einspruchsverzicht oder wenigstens eine noch rechtzeitige Einspruchsrücknahme nahe legende Argumentation läuft auf eine unzulässige Verwertung zulässigen Verteidi-gungsverhaltens zum Nachteil des Betr. hinaus, mit der das AG die Grenzen des ihm gem. § 25 I 1 StVG übertragenen tatrichterlichen Bewertungsspielraums in ermessens-fehlerhafter Weise überschritten hat. Die Ausführungen des AG lassen sich auf die unzulässige, nämlich mit der Rechtsweggarantie des Art. 19 IV 1 GG unvereinbare Erwägung (vgl. hierzu rechtsgrundsätzlich schon BVerfGE 15, 275/281 f. = NJW 1963, 803 und BGHSt 29, 173/175 = ZfS 1980, 76 = VRS 58 [1980], 210 = NJW 1980, 1290) zuspitzen, dass dem Betr. angelastet wird, gegen den ihn beschwerenden Bußgeldbe-scheid überhaupt den Rechtsbehelf des Einspruchs zur gerichtlichen Kontrolle des Bußgeldbescheids eingelegt bzw. den Einspruch aufrechterhalten zu haben, statt hier-von im wohlverstandenen Eigeninteresse abzusehen, um das Fahrverbot alsbald und noch vor Arbeitsantritt zu verbüßen (vgl. auch OLG Hamm, Beschl. v. 13.08.2001 – 2 Ss OWi 725/01 = VRS 101, 282 = DAR 2002, 39 = NZV 2002, 101 [„bedenklich“]; ferner OLG Jena, Beschl. v. 24.05.2004 – 1 Ss 328/03 = ZfS 2004, 479; siehe auch Burhoff[Hrsg.]/Deutscher, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. [2018], Rn. 1337).
3. Einer Zurückverweisung an das AG wegen des aufgezeigten Sachmangels im Rechtsfolgenausspruch bedarf es nicht, weil der Senat in der Sache selbst entscheiden und die gebotene Ausnahme vom Fahrverbot für Krankenkraftwagen selbst ausspre-chen kann (§ 79 VI OWiG). Insbesondere ist der Sachverhalt hinreichend geklärt, so dass weitere Beweiserhebungen entbehrlich sind.
a) Dass die mit der (unbeschränkten) Anordnung des Fahrverbots verfolgten Ziele durch die bewilligte Ausnahme gefährdet sein könnten, ist nicht ersichtlich. Eine zwin-gende Notwendigkeit, die vom AG entsprechend Nr. 132.3 BKat festgesetzte Regel-geldbuße von 200 Euro allein wegen der bewilligten Ausnahme vom Fahrverbot gem. § 4 IV BKatV zu erhöhen (hierzu OLG Jena, Beschl. v. 07.12.2006 – 1 Ss 285/06 = VRS 113 [2007], 71 = ZfS 2007, 412 einerseits, OLG Düsseldorf, Beschl. v. 24.09.2007 – 2 Ss [OWi] 118/07 = NZV 2008, 104 = DAR 2008, 154 = VRS 113 [2007], 442 = VM 2008, Nr. 23 = OLGSt StVG § 25 Nr. 38 andererseits; vgl. auch König, in: Hent-schel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl. [2017], § 25 StVG Rn. 11) besteht nicht. Da die Voraussetzungen des § 25 IIa StVG vorliegen, ist dem Betr. auch der beschränkte viermonatige Vollstreckungsaufschub zu gewähren.
b) Die Ausnahme für die im Beschlusstenor bezeichneten ‚Krankenkraftwagen‘ als Kraftfahrzeuge „einer bestimmten Art“ i.S.v. § 25 I 1 a.E. StVG begegnet aufgrund ihrer über den bloßen Verwendungszweck und die Ausrüstung (vgl. neben §§ 52 III 1 Nr. 4, 55 III 1 StVZO und §§ 35 Abs. 5a, 38 StVO zur notwendigen Ausweisung als ‚Kranken-kraftwagen‘ in den Zulassungsdokumenten auch Art. 41 II BayRDG v. 22.07.2008 [GVBl 2008, 429] in der ab 01.04.2017 gültigen Fassung vom 27.03.2017) hinausge-hende, nämlich der auch nach außen hin eindeutig bauartbedingten Abgrenzbarkeit von anderen Fahrzeugen derselben Fahrzeugart oder -klasse keinen Bedenken (BayObLG, Beschl. v. 21.06.1989 – 2 Ob OWi 167/89 = ZfS 1989, 359 = NJW 1989, 2959 = DAR 1989, 428 = VRS 77 [1989], 456 = VM 1990, Nr. 14 [„Krankenrettungskraftfahrzeug“]; OLG Naumburg, Beschl. v. 07.05.2003 – 1 Ss [B] 149/03 = DAR 2003, 573 = BA 41 [2004], 534 [„Leichenwagen“]; OLG Düsseldorf a.a.O. [„Einsatzfahrzeuge der Feuer-wehr“ bzw. „Krankenkraftwagen“]; OLG Hamm, Urt. v. 20.04.2010 – 2 RBs 31/10 [bei juris]; vgl. ferner Burhoff[Hrsg.]/Deutscher a.a.O. Rn. 1446 ff., insbes. 1451 ff.; Grube, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht [Stand: 24.10.2017], § 25 StVG, Rn. 30; Burmann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Janke/Janker, a.a.O. § 25 StVG Rn. 34 i.V.m. § 69a StGB Rn. 5 und König, in: Hentschel/König/Dauer, a.a.O. § 25 StVG Rn. 11 i.V.m. § 69a StGB Rn. 6, jeweils m.w.N.).


Einsender: RiOLG Dr. G. Gieg, Bamberg

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".