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Entscheidungen

Haftfragen

Strafvollzug, Ausbildungsbeihilfe, ungenehmigtes Fernstudium

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 28.04.2017 - 1 Vollz (Ws) 127/17

Leitsatz: Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen gemäß § 32 Abs. 2 StVollzG NRW Gefangenen Ausbildungsbeihilfe gewährt werden kann bzw. zu gewähren ist.


In pp.
Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.
Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Geschäftswertes aufgehoben. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen wird verworfen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Betroffene (§ 121 Abs. 2 StVollzG).
Gründe:

I.
Der Betroffene befindet sich seit dem 22.3.2013 nicht mehr in Freiheit. Derzeit verbüßt er eine Gesamtfreiheitsstrafe wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln von fünf Jahre und acht Monaten in der JVA C. Im Anschluss ist die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe vorgesehen. Das voraussichtliche Strafende ist auf den 30.10.2019 notiert.

Im Herbst 2015 nahm der Betroffene erneut ein Fernstudium der Rechtswissenschaften auf. Ein während einer früheren Haftzeit begonnenes Studium hatte er im Jahr 2012 zunächst abgebrochen. Die Aufnahme des Studiums im Herbst 2015 bzw. das Studium war bzw. ist durch die JVA nicht genehmigt worden.

Der Betroffene ging in der JVA zunächst einer ihm zugewiesenen Tätigkeit in einem Unternehmensbetrieb und stellte diese Tätigkeit dann von sich aus am 10.01.2016 ein, um sich seinem Studium in Vollzeit widmen zu können. Vom 11.01.2016 wurde er zunächst durch die JVA als „verschuldet ohne Arbeit“ und ab dem 17.03.2016 – aus dem Senat nicht näher bekannten Gründen – als „unverschuldet ohne Arbeit“ geführt. Unter dem 11.07.2016 beantragte der Betroffene die Gewährung von Ausbildungsbeihilfe für sein Studium rückwirkend ab dem 01.01.2016. Diesen Antrag wies die JVA unter Hinweis darauf zurück, dass das Studium nicht genehmigt sei.

Auf den hiergegen gerichteten Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung hob das Landgericht den ablehnenden Bescheid der JVA auf und verpflichtete diese zur Neubescheidung des Antrages. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die JVA die Bewilligung von Ausbildungsbeihilfe zu Unrecht damit begründet habe, dass das Studium des Betroffenen nicht genehmigt sei. Ein Studium stelle grundsätzlich eine Ausbildungsmaßnahme im Sinne des § 30 StVollzG NRW dar. Eine Genehmigungspflicht bestehe nicht, vielmehr sei davon auszugehen, dass ein selbstorganisiertes Studium eines Gefangenen grundsätzlich genehmigungsfrei und zulässig sei, soweit Ordnungs- oder Sicherheitsbelange nicht tangiert seien.

Hiergegen wendet sich der Leiter der JVA C mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts (§ 116 StVollzG) zuzulassen, da der für die Entscheidungen über Rechtsbeschwerden in Strafvollzugssachen landesweit allein zuständige Senat bisher nicht ausdrücklich entschieden hat, unter welchen Voraussetzungen gemäß § 32 Abs. 2 StVollzG NRW Gefangenen Ausbildungsbeihilfe gewährt werden kann bzw. zu gewähren ist.

Die Rechtsbeschwerde erweist sich auch als begründet. Die JVA hat den Antrag des Betroffenen auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe zu Recht zurückgewiesen, da ihm ein Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe für das Studium in Vollzeit als Aus- oder Weiterbindungsmaßnahme nicht zusteht. § 32 Abs. 2 StVollzG NW gewährt Gefangenen einen Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe nur, wenn die betroffenen Gefangenen zum Zwecke der Ausbildung von der Arbeitspflicht freigestellt sind und mithin die Durchführung der Ausbildung während der üblichen Arbeitszeit seitens der Vollzugsanstalt zumindest konkludent genehmigt worden ist.

Während der bis zum Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes NRW maßgebliche § 44 Abs. 1 StVollzG (Bund) die Zahlung einer Ausbildungsbeihilfe ausdrücklich nur für den Fall vorsieht, dass der Gefangene aufgrund seiner Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme von seiner Arbeitspflicht freigestellt, und zudem wegen der Bezugnahme auf § 37 StVollzG die Teilnahme an der Maßnahme genehmigt worden ist, weist § 32 Abs. 2 Satz 1 StVollzG NW seinem Wortlaut nach eine solche Einschränkung nicht auf. Aus dieser geänderten Formulierung ergibt sich aber nicht die Pflicht der JVA, für jede Bildungsmaßnahme auch eine Ausbildungsbeihilfe zu zahlen. Vielmehr ist § 32 Abs. 2 Satz 1 StVollzG dahin auszulegen, dass eine Ausbildungsbeihilfe nur gewährt wird, wenn dem Gefangenen die Teilnahme an der Bildungsmaßnahme genehmigt und er zur Teilnahme an dieser Bildungsmaßnahme von seiner Arbeitspflicht gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NW freigestellt worden ist.

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, dass beabsichtigt war, auf das Erfordernis einer Freistellung von der Arbeitspflicht gemäß § 44 Abs. 1 StVollzG (Bund) oder einer Genehmigung zu verzichten. Vielmehr wird dort ausgeführt, dass die §§ 32 ff. StVollzG NW die in § 43 StVollzG (Bund) getroffenen Regelungen aufgreifen und neu ordnen (vgl. LT- Drucksache 16/5413, S. 114). Aus der weiteren Begründung ergibt sich, dass den Gefangenen, die an einer schulischen oder beruflichen Fortbildungsmaßnahme teilnehmen, ein Anspruch auf Ausbildungsbeihilfe zustehen soll, „der an die Stelle des Arbeitsentgelts tritt“. Hiermit wird jedoch der Grundsatz des § 44 StVollzG aufgegriffen, dass Ausbildung und Arbeit grundsätzlich gleichwertig sind und dementsprechend die Ausbildungsbeihilfe an die Stelle des Arbeitsentgelts tritt (Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 44 Rn. 1, Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl., § 44 Rn. 2).

Im Anwendungsbereich des § 44 Abs. 1 StVollzG (Bund) ist aber allseits anerkannt, dass eine Ausbildungsbeihilfe nicht bereits dann zu bewilligen ist, wenn dem Gefangenen die Genehmigung zur Teilnahme an einer Weiterbildung erteilt wird. Zusätzlich ist erforderlich, dass er zu diesem Zweck von seiner Arbeitspflicht freigestellt wird (vgl. Callies/Müller-Dietz, a.a.O., § 44, Rn. 1 u. 2; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 5. Aufl., § 44 Rn. 3, Däubler/Spaniol in Feest, StVollzG, 5. Aufl., § 44 Rz. 1, Arloth/Krä a.a.O., Rn. 2, KG Berlin ZfStrVo 1988, S. 312 f.). Denn die Vorschrift des § 44 StVollzG (Bund) verfolgt das Ziel, Ausbildungsmaßnahmen gleichwertig neben Arbeitsleistung treten zu lassen. Dem Gefangenen soll kein Nachteil daraus erwachsen, dass er anstelle einer Arbeit, für die er Lohn erhalten würde, einer genehmigten Ausbildung nachgeht.

Die Auslegung des § 32 Abs. 2 Satz 1 StVollzG NW hat sich an diesen Vorgaben zu orientieren und ergibt sich auch aus der Gesetzessystematik. Gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 StVollzG NW sind Gefangene verpflichtet, eine ihnen zugewiesene Beschäftigung auszuüben, so dass in Nordrhein-Westfalen für Strafgefangene grundsätzlich eine Arbeitspflicht besteht. Für die Ausübung zugewiesener Arbeit besteht ein Anspruch auf Arbeitsentgelt gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 StVollzG NW. Da aber Arbeit und Ausbildung grundsätzlich gleichgestellt sein sollen (vgl. Arloth/Krä, a.a.O.), soll derjenige, der statt der Arbeit eine Ausbildungsmaßnahme gemäß § 30 StVollzG NW durchläuft, ebenso entlohnt werden und zu diesem Zweck eine Ausbildungsbeihilfe erhalten. Dies ergibt sich für das Strafvollzuggesetz NW zudem aus dem Wortlaut des § 32 Abs. 2 Satz 1 StVollzG NW, der voraussetzt, dass die Teilnahme an der Maßnahme während (Unterstreichung durch den Senat) der Arbeitszeit zu erfolgen hat („Gefangenen, die während der Arbeitszeit ganz oder teilweise an einer schulischen oder beruflichen Orientierungs-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen, wird Ausbildungsbeihilfe gewährt, …“). Insofern soll die Ausbildungsbeihilfe sicherstellen, dass ein Gefangener, der an einer Maßnahme der beruflichen oder schulischen Fortbildung teilnimmt, nicht schlechter gestellt ist als der Gefangene, der eine ihm zugewiesene Arbeit verrichtet (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 10.02.1999 - 5 Ws 4/99 -, Rn. 7, juris). Hieraus folgt, dass bei Bestehen einer Arbeitspflicht Gefangene zum Zwecke der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme von der Arbeitspflicht freigestellt werden müssen und darüber hinaus auch die Teilnahme an der schulischen oder beruflichen Fortbildungsmaßnahme genehmigt sein muss. Aus diesem Grund erhält z.B. auch ein Gefangener, der arbeitslos ist und aus eigener Initiative ein Fernstudium aufnimmt, keine Ausbildungsbeihilfe (vgl. Feest/Lesting/Lindemann, StVollzG, 7. Auflage, Teil II, § 55 Rn. 4, 5).

Vorliegend ist dem Betroffenen die Aufnahme des Studiums nicht gemäß § 30 Abs. 1 StVollzG NW genehmigt worden. Er hat das Studium aus eigener Initiative heraus ohne Genehmigung seitens der JVA aufgenommen und betreibt es weiter ohne Genehmigung seitens der Vollzugsbehörde. Mangels Genehmigung besteht daher auch kein Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsbeihilfe im Sinne des § 32 Abs. 2 StVollzG NW.

Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Betroffene seit dem 17.03.2016 als unverschuldet ohne Arbeit geführt wird. Insoweit besteht keine Arbeitspflicht des Betroffenen mehr. Dies hat allerdings nicht zur Folge, dass das Studium nunmehr quasi als konkludent durch die Vollzugsbehörde genehmigt und der Betroffene als von der Arbeitspflicht freigestellt zu gelten hat.

Da der Betroffene aus eigener Initiative die Arbeit niedergelegt hat und zudem seit dem 17.03.2016 als unverschuldet ohne Arbeit geführt wird, ist der Betroffene dementsprechend als arbeitslos einzustufen. Als arbeitsloser Strafgefangener hat er allerdings auch keinen Anspruch auf Arbeitsentgelt gemäß § 32 Abs. 1 StVollzG NW, so dass auch eine Ausbildungsbeihilfe nicht gewährt werden kann, da durch diese – wie oben ausgeführt wurde – an die Stelle des Arbeitsentgelts tritt, um zu verhindern, dass allein aus monetären Erwägungen heraus durch den Gefangenen die Aufnahme einer Maßnahme der beruflichen oder schulischen Bildung abgelehnt wird. Durch die Justizvollzugsanstalt wurde der Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe ab dem 01.01.2016 daher zu Recht abgelehnt.

Da mithin Spruchreife vorliegt, konnte der Senat den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung unmittelbar als unbegründet verwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 StVollzG.


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