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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis, Trennungsvermögen, Grenzwert, Beweisverwertungsverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: Hess. VGH, Beschl. v. 17.08.2017 - 2 B 1213/17

Leitsatz: Bei gelegentlichem Konsum von Cannabis ist bereits bei Erreichen des Risikogrenzwertes von 1,0 ng/ml im Blutserum von einem fehlenden Trennungsvermögen im Sinne der Anlage 4 Nr. 9.2.2 der FeV auszugehen. Der Senat gibt damit seine bisherige, auf einen Grenzwert von 2,0 ng/ml abstellende Rechtsprechung auf.


HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS
In dem Verwaltungsstreitverfahren
des Herrn A.,
A-Straße, A-Stadt,
Antragstellers und Beschwerdeführers,
bevollmächtigt: Rechtsanwalt B.,
B-Straße, B-Stadt,
gegen
den Kreis Groß-Gerau, vertreten durch den Landrat, Wilhelm-Seipp-Straße 4, 64521 Groß-Gerau,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
wegen Fahrerlaubnis
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 2. Senat - durch
den Vorsitzenden Richter am Hess. VGH, den Richter am Hess. VGH, die Richterin am VG (abgeordnete Richterin) am 17. August 2017 beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Darmstadt vom 24. April 2017 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2500,00 € festgesetzt.

Gründe:
Es bestehen bereits Bedenken, ob die gemäß §§ 146, 147 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - fristgerecht eingelegte und begründete Beschwerde zulässig ist, weil der Antragsteller den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht hinreichend Rechnung trägt, da er sich nicht in der gebotenen Weise mit der Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandersetzt. Diese Bedenken können aber dahinstehen, weil die Beschwerde auch in der Sache keinen Erfolg hat. Dabei prüft das Beschwerdegericht ausschließlich die in der Beschwerdebegründung fristgerecht dargelegten Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung des
Widerspruchs gegen die angefochtene Verfügung, mit der dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen worden ist, wiederherzustellen. Aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen ergeben sich keine Gesichtspunkte, die zum Erfolg der Beschwerde führen.
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Voraussetzung der Entziehung ist, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird. Im Falle des Antragstellers liegt ein Eignungsmangel im Sinne der Anlage 4 zur FeV, Nr. 9.2.2 vor, weil er mindestens gelegentlich Cannabis konsumiert und nicht zuverlässig zwischen dem Konsum der Droge und dem Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr zu trennen vermag.

Dass der Antragsteller gelegentlicher Konsument von Cannabis ist, ergibt sich für den beschließenden Senat aus seinen Angaben gegenüber der Polizei im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung, welche im Anschluss an die Verkehrskontrolle am 25. Mai 2016 stattfand. Hierbei führte er aus, dass er regelmäßig Cannabis in mäßiger Form seit drei Jahren konsumiere. Er mische die Droge mit Tabak. Selbst kaufe er nicht, rauche aber bei anderen Personen mit. Nach dem Konsum führe er nie ein Fahrzeug. Diese Einlassungen unterliegen entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers keinem Verwertungsverbot. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass der Vortrag des Antragstellers, er sei nicht ordnungsgemäß belehrt worden, ausweislich Blatt 30 der Behördenakte (Protokoll der Beschuldigtenvernehmung) unzutreffend ist. Daraus ergibt sich nämlich ausdrücklich, dass der Antragsteller belehrt worden ist, was er durch seine Unterschrift und den Vermerk „selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben“ bestätigt hat.

Selbst wenn eine Belehrung unterblieben wäre, stünde das strafrechtliche Beweisverwertungsverbot des § 136 Abs. 1 Strafprozessordnung – StPO – der Verwertung dieser Angaben im Fahrerlaubnisentzugsverfahren durch die Verwaltungsbehörde nicht entgegen. Auf den Umstand, dass eine Belehrung stattgefunden hatte, sowie darauf, dass die strafrechtlichen Beweisverwertungsverbote regelmäßig im dem Gefahrenabwehrrecht zuzuordnenden Fahrerlaubrecht keine Berücksichtigung finden, hat auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung (S. 4 des amtlichen Umdrucks) bereits zutreffend hingewiesen (vgl. auch: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Mai 2007 – 10 S 608/07-, NZV 2008, S. 55).

Im Fahrerlaubnisrecht sind Beweisverwertungsverbote nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen. Selbst wenn wegen Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften im Strafprozess ein Verwertungsverbot besteht, wirkt sich dies in der Regel nicht auf das Verfahren der Fahrerlaubnisentziehung aus. Da im Fahrerlaubnisrecht ein Beweisverwertungsverbot nicht ausdrücklich normiert ist, ist im Wege der Interessenabwägung über die Beweisverwertung zu entscheiden. Diese führt regelmäßig zu einer Zulässigkeit der Verwertung, denn während Beweisverwertungsverbote im repressiv geprägten Strafprozess dem Grundrechtsschutz des Betroffenen dienen, sind im Fahrerlaubnisrecht präventive Ziele, nämlich der Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, maßgeblich (Hess. VGH, Beschluss vom 22. März 2017 – 2 B 847/17 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. September 2016 − 16 B 685/16 −, juris Rz. 13 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2009 − 12 ME 234/09 –, juris Rz. 4 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 − 11 CS 09.1443 –, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. Februar 2016 − 3 M 14/16 −, juris).

Im Ergebnis ist es daher nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner, gestützt auf die eigenen Angaben des Antragstellers, zu der Einschätzung gelangt, dass es sich beim Antragsteller um einen zumindest gelegentlichen Konsumenten von Cannabis handelt.

Auch soweit der Antragsgegner davon ausgeht, dass der Antragsteller im Sinne der Anlage 4, Nr. 9.2.2 der FeV nicht hinreichend zwischen Cannabis-Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr zu trennen vermag, begegnet dies keinen rechtlichen Bedenken. Als Tatsachengrundlage für diese rechtliche Bewertung dient das aufgrund der dem Antragsteller am 25. Mai 2016 entnommenen Blutprobe erstellte rechtsmedizinische Gutachten des Universitätsklinikums der Goethe- Universität Frankfurt vom 9. Juni 2016. Auch bezüglich dieses Gutachtens bestehen aufgrund der vorgenannten Gründe keine rechtlichen Bedenken an einer rechtlichen Verwertbarkeit.

Die Ergebnisse des rechtsmedizinischen Gutachtens tragen auch die Feststellung des fehlenden Vermögens, zwischen Drogenkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs zu trennen. Zutreffend führt das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss aus, dass trotz des beim Antragsteller festgestellten niedrigen THC-Wertes von 1,0 ng/ml Blutserum zum Zeitpunkt der Blutentnahme vom Fehlen des Trennungsvermögens auszugehen ist. Das Verwaltungsgericht stützt diese Rechtsansicht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2014 - 3 C 3/13 -, juris) sowie der Mehrzahl der Oberverwaltungsgerichte (bspw. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 -, NZV 2015, S. 206 [ 207f.]; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Juli 2016 – 10 S 738/16 -, DAR 2016, S. 665f.; Bay. VGH, Beschluss vom 23. Mai 2016 – 11 CS 16.690 -, DAR 2016, S. 666 [667] ). Danach ist von einem fehlenden Trennungsvermögen bei einem THC – Wert ab 1,0 ng/ml Blutserum auszugehen, weil nach Einschätzungen aus der Fachwissenschaft (vgl. Tönnes/Auwärter/Knoche/Skopp, Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Feststellung einer mangelhaften Trennung von Cannabiskonsum und Fahren anhand der Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blutserum, Blutalkohol 2016, S. 409 [411]; ebenso Daldrup, Gutachterliche Vernehmung vor dem VG Gelsenkirchen, zitiert nach VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 7 L 30/16 -, juris, Rdnr. 71) ab diesem Wert nicht mehr sicher ausgeschlossen werden kann, dass die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit besteht (BVerwG a. a. O. Rdnr. 33; VGH Baden-Württemberg a. a. O.; Bay. VGH a. a. O.).

Dem kann seitens des Antragstellers nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die tatsächlichen Annahmen, welche der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der meisten Oberverwaltungsgerichte zugrunde lagen, durch die Empfehlung der Grenzwertkommission aus dem Jahre 2015 (Auwärter/Daldrup/Graw u. a., Empfehlung der Grenzwertkommission für die Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC) im Blutserum zur Feststellung des Trennungsvermögens von Cannabiskonsum und Fahren, Blutalkohol 2015, S. 322f.) obsolet geworden seien.

Die Grenzwertkommission hatte empfohlen, ab einem Wert von 3,0 ng/ml oder mehr im Blutserum bei gelegentlichem Konsum von Cannabis die Trennung zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeuges zu verneinen. Sie begründete ihre Empfehlung damit, dass sich in experimentellen Studien frühestens ab einem THC-Wert von 2 ng/ml Blutserum Leistungseinbußen feststellen ließen, sofern das zugrundeliegende Konsummuster ein einmaliger oder maximal ein gelegentlicher Konsum sei. Hiervon ausgehend und inklusive eines Sicherheitszuschlages wegen Messungenauigkeiten gelangte sie zu dem empfohlenen Richtwert von 3,0 ng/ml. Zugleich führte die Kommission in dieser Empfehlung jedoch auch aus, dass eine Neubewertung des sog. „analytischen“ Grenzwertes von THC (1,0ng/ml) gemäß der Empfehlung der Grenzwertkommission zur Anlage des § 24a StVG nicht veranlasst sei. Im Rahmen seiner gutachterlichen Vernehmung durch das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG Gelsenkirchen a. a. O.) zu der Empfehlung der Grenzwertkommission räumte deren Vorsitzender Daldrup auf Nachfrage des Gerichts ein, dass unter Zugrundelegung des Gefährdungsmaßstabs, welchen das Bundesverwaltungsgericht in der vorgenannten Entscheidung zugrunde gelegt hat, auch nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft nicht ausgeschlossen werden kann, dass ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml im Blutserum, die Möglichkeit einer Beeinträchtigung besteht. Dieser „Risikogrenzwert“, welchen die Mehrzahl der Obergerichte (s. o.) ihrer Rechtsprechung für die Annahme einer möglichen, cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit zugrunde gelegt haben, erscheint deshalb sachgerecht, weil auch im Rahmen des Ordnungswidrigkeitentatbestandes des § 24 a Abs. 2 StVG – insoweit in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Grenzwertkommission – bereits ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml im Blutserum angenommen wird, dass die betreffende Person unter der Wirkung eines berauschenden Mittels ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führt. Es würde sonst ein Wertungswiderspruch zur Anwendung des § 24a Abs. 2 StVG entstehen, wollte man im Rahmen der Beurteilung des Trennungsvermögens nach den Vorschriften der §§ 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1, 14 FeV i. V. m. deren Anlage 4, Nr. 9.2.2 für die Konkretisierung des Gefährdungsmaßstabs einen anderen Grenzwert als denjenigen zugrunde legen, der auch für § 24a Abs. 2 StVG maßgeblich ist. Dies hat auch bereits der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. Mai 2016 hervorgehoben (Bay. VGH, a. a. O.), dessen Ausführungen sich das erstinstanzliche Gericht zu Eigen macht. Das Verwaltungsgericht zitiert in seinem angefochtenen Beschluss ausführlich die Begründung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die sich mit der Empfehlung der Grenzwertkommission auseinandersetzt, über mehrere Seiten, ohne dass der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung auf die dort ausgeführten Argumente substantiell eingeht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat daher insoweit auf die ausführliche Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift beschäftigt sich das Verwaltungsgericht danach unter Bezugnahme auf die neuere obergerichtliche Rechtsprechung sehr wohl mit der Frage, warum der Wert von 1,0 ng/ml THC im Blut die hier maßgebliche Schwelle zur Beurteilung des Trennungsvermögens eines Fahrzeugführers ist. Ausgehend von dem als richtig erkannten Gefährdungsmaßstab bedurfte es keiner darüber hinausgehenden Begründung, zumal in der Person des Antragstellers liegende körperliche Besonderheiten im Sinne der Vorbemerkung zur Anlage 4 zur FeV, die Anlass zu weiteren einzelfallbezogenen Ausführungen hätten sein können, nicht geltend gemacht worden sind.

Unzutreffend ist im Übrigen der Vortrag des Antragstellers (Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag im Schriftsatz vom 12. April 2017, S. 4ff.), nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG a. a. O.) müsse der Wert von 1,0 ng/ml Blutserum überschritten werden. Die Wortwahl des Bundesverwaltungsgerichts ist in diesem Zusammenhang eindeutig und keiner weiteren Interpretation zugänglich: „ab 1,0 ng/ml“ meint nicht „mehr als 1,0 ng/ml“.

Soweit der Antragsteller – insoweit zutreffend – auf den Umstand hinweist, dass in der Vergangenheit ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (So z. B. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. November 2005 – 10 S 2143/05 -, juris; Bay. VGH, Beschluss vom 4. Juni 2007 – 11 CS 06.2806 -, juris, sowie auch der beschließende Senat: Hess. VGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2010 – 2 A 1016/09.Z -; vom 3. Mai 2010 – 2 B 441/10 -; vom 4. August 2010 – 2 B 1251/10 -; vom 15. September 2016 – 2 B 2335/16 -; vom 21. Dezember 2016 – 2 B 2675/16 -; vom 21. April 2017 – 2 B 804/17 -; und vom 12. Juni 2017 – 2 B 1203/17 -) erst ab einem Wert von 2,0 ng/ml vom fehlenden Trennungsvermögen eines Fahrzeugführers ausgegangen ist, führt dies deshalb nicht zum Erfolg der Beschwerde. Der beschließende Senat folgt der Argumentation der anderen Obergerichte im Hinblick auf deren Auseinandersetzung mit den Empfehlungen der Grenzwertkommission und hält die danach erfolgte Festlegung eines „Risikogrenzwerts“ von 1,0 ng/ml THC im Blutserum für überzeugend.

Der vom Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit den meisten Obergerichten festgelegte Risikogrenzwert findet auch darin seine Rechtfertigung, dass das Gefährdungspotential von Cannabis, ungeachtet der bislang vorliegenden Forschungsergebnisse, im Vergleich etwa zu Alkohol, immer noch nicht hinreichend wissenschaftlich geklärt ist. Der vom Bundesverwaltungsgericht und der Mehrzahl der Oberverwaltungsgerichte angewandte Gefährdungsmaßstab, dass in jedem Falle sicher ausgeschlossen sein muss, dass es zu einer cannabisbedingten Beeinträchtigung der Fahrsicherheit kommen kann, ist vor allem vor dem Hintergrund der überragenden Bedeutung der zu schützenden Rechtsgüter, nämlich der Sicherheit des Straßenverkehrs sowie insbesondere dem Schutz von Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer gerechtfertigt (vgl. BVerfG, a. a. O.; BVerwG a. a. O.; OVG NRW a. a. O. m. w. N.).

Auch der beschließende Senat geht daher – in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung – davon aus, dass bereits ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml im Blutserum ein fehlendes Trennungsvermögen zwischen dem Konsum des Rauschmittels Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs gegeben ist. Zu diesem Wert ist auch kein „Sicherheitszuschlag“ zu addieren, um etwaige Messungenauigkeiten auszugleichen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine – wiederholt von einschlägig tätigen Instituten eingeräumte und vermutlich nie ganz auszuschließende – Schwankungsbreite bei der Untersuchung von Blutproben im Zuge der Festsetzung von Grenzwerten wie dem der 1,0 ng/ml THC-Grenze bereits berücksichtigt worden ist (OVG NRW a. a. O. S. 208 m. w. N.).

Ferner ist an dieser Stelle auch darauf zu verweisen, dass die aktuellen Erkenntnisse über die Abbaugeschwindigkeit von THC, wie sie beispielsweise im Rahmen der sogenannten Maastricht-Studie ermittelt wurden, darauf hindeuten, dass sich THC im Blut relativ schnell abbaut. Bereits nach sechs Stunden können, abhängig von der konsumierten Menge, im Regelfall bei gelegentlichen Konsumenten nur noch Werte von 1 bis 2 ng/ml erreicht werden (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 13. Mai 2013 – 11 ZB 13.523 -, NZV 2015, S. 156ff. [157] m. w. N.). Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist im hier zu entscheidenden Fall davon auszugehen, dass im Blut des Antragstellers zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle am 25. Mai 2016 um 20.05 Uhr ein höherer THC-Wert enthalten war, als zum Zeitpunkt der Blutabnahme am gleichen Tag um 23.01 Uhr, also rund drei Stunden nachdem die kontrollierenden Polizeibeamten äußerlich merkbare Anzeichen einer Drogenbeeinflussung feststellten, die selbst zum Zeitpunkt der Blutentnahme für den die Entnahme durchführenden Arzt noch erkennbar waren.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. Nr. II. 1.5 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abrufbar unter: www.bverwg.de/informationen/streitwertkatalog.php).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 Abs. 3 Satz 3 und 68
Abs. 1 Satz 5 GKG).


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