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Entscheidungen

Sonstiges

Entschädigung nach dem StrEG, grobe Fahrlässigkeit, grobe Fahrlässigkeit, Urteilsfeststellungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 03.05.2017 - 2 Ws 237/17

Leitsatz: Zum Ausschluss einer Entschädigung nach dem StrEG wegen grober Fahrlässigkeit.


2 Ws 237/17
Beschluss
OLG Köln
In pp.
Die Beschwerde des früheren Angeklagten wird auf seine Kosten verworfen.

Gründe:
Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 10.04.2017 die Verwerfung der Beschwerde als unbegründet beantragt und zur Darstellung des Verfahrensstandes und zur Begründung ihres Antrages Folgendes ausgeführt:

„I.
Mit seit dem 28.12.2016 rechtskräftigem Urteil vom 21.12.2016 - 21 Ks 2/16 - hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Bonn als Schwurgerichtskammer den Beschwerdeführer von dem durch die mit Beschluss vom 21.02.2014 - 24 Ks 1/14 - durch die 4. große Strafkammer des Landgerichts Bonn unverändert zur Hauptverhandlung zugelassene (Bl. 1837 f. d. A.) Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bonn vom 20.01.2014 - 920 Js 887/12 - (Bl. 1771 ff. d. A.) gegen ihn erhobenen Vorwurf des Mordes freigesprochen und festgestellt, dass dem Freigesprochenen eine Entschädigung für die vom 31.08.2013 bis zum 16.03.2016 erlittene Untersuchungshaft wegen grob fahrlässiger Verursachung seiner Inhaftierung durch ein Eingeständnis der Tötung seiner Ehefrau gegenüber einer Zeugin nicht zusteht (Bl. 115 ff. d. PB).
Gegen die Versagung der Entschädigung hat der Freigesprochene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.12.2016, als Telefax eingegangen beim Landgericht Bonn am selben Tag, sofortige Beschwerde eingelegt. […].

II.
Die gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Zu Recht hat das Landgericht Bonn eine Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung des Beschwerdeführers für die Dauer der Untersuchungshaft nach § 5 Abs. 2 StrEG versagt. Nach dieser Vorschrift ist eine Entschädigung ausgeschlossen, wenn und soweit der Beschuldigte die Strafverfolgungsmaßnahme vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Grob fahrlässig handelt, wer nach objektiven, abstrakten Maßstäben in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage anwenden würde, um sich vor Schaden durch die Strafverfolgungsmaßnahme zu schützen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 5 StrEG Rn. 9 m. w. N.). Bei der Beurteilung ist nicht auf das Ergebnis der Hauptverhandlung abzustellen, sondern allein auf den Zeitpunkt der Anordnung oder Aufrechterhaltung der Maßnahme (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 5 StrEG Rn. 10 m. w. N.).
Die Voraussetzungen eines Entschädigungsausschlusses sind vorliegend erfüllt. Nach den das Beschwerdegericht gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 StrEG i. V. m. § 464 Abs. 3 Satz 2 StPO bindenden Urteilsfeststellungen hat der Beschwerdeführer selbst zumindest grob fahrlässig die Ursache für seine Inhaftierung gesetzt, indem er im Juli 2013 der ihn insistierend zum Verschwinden seiner Ehefrau befragenden Zeugin B erklärte, er habe seine Frau erwürgt und ihre Leiche zerstückelt und in der Folgezeit über mehrere Wochen hinweg auf hartnäckiges Befragen der Zeugin weitere Details zum Tatablauf schilderte. Dieses Verhalten war zwar nicht ausschließlich, jedoch entscheidend für die Annahme des dringenden Tatverdachts durch die Ermittlungsbehörden. Zwar bestand nach den landgerichtlichen Feststellungen bereits ab November 2012 ein gewisser Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer, der zur Durchführung ergebnislos verlaufener verdeckter Ermittlungsmaßnahmen geführt hatte. Ohne die von der Zeugin B ein halbes Jahr nach Auflösung der eingesetzten Sonderkommission im August 2013 gegenüber der Polizei gemachten Angaben zu einem ihr gegenüber abgelegten Geständnis wäre der für eine Inhaftierung erforderliche dringende Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer jedoch nicht zu begründen gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer geistig nicht in der Lage war, die Tragweite seines Handelns einzuschätzen und nicht davon ausgehen musste, dass seine Angaben gegenüber der Zeugin B Strafverfolgungsmaßnahmen auslösen könnten, liegen nicht vor. Er hat durch die wiederholten und auch um weitere Details ergänzten Angaben zur Tat und dem Tathergang vielmehr für ihn selbst erkennbar in grober Weise gegen seine eigenen Interessen gehandelt.
Grobe Bearbeitungsfehler oder Versäumnisse der Ermittlungsbehörden oder des Landgerichts, die die Ursächlichkeit des vorstehend dargestellten Verhaltens des Beschwerdeführers für die Anordnung und Fortdauer der Untersuchungshaft ausschließen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Beschwerdeführer nach Kenntniserlangung von der Weitertragung seiner Angaben an die Polizei gegenüber der Zeugin und nach seiner Inhaftierung gegenüber dem Ermittlungsrichter angegeben, er habe die ganze Geschichte nur erfunden, um es der insistierenden Zeugin Recht zu machen. Diese Einlassung war jedoch - ungeachtet des ausgebliebenen Leichenfundes - für sich allein nicht geeignet, den dringenden Tatverdacht entfallen zu lassen.“
Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an. Die der Generalstaatsanwaltschaft im Zeitpunkt der Vorlageverfügung noch unbekannte Beschwerdebegründung mit Verteidigerschriftsatz vom 11.04.2017 rechtfertigt keine andere Entscheidung. Sie gibt lediglich Anlass das Folgende auszuführen:
Soweit der frühere Angeklagte gegen die Entscheidung des Landgerichts Bonn einwendet, dass die Angaben der Zeugin B nicht ursächlich für seine Inhaftierung gewesen seien, weist der Senat darauf hin, dass er gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 StrEG in Verbindung mit § 464 Abs. 3 S. 2 StPO an die tatsächlichen Feststellungen gebunden ist, auf denen die Entscheidung beruht. Das Landgericht Bonn hat im Urteil vom 21.12.2016 (Az. 21 Ks 2/16) ausgeführt (Seite 16, 3. Absatz): „Im Dezember 2012 wurde die für den Fall eingerichtete Sonderkommission aufgelöst und die Ermittlungen wurden von dem zuständigen Kommissariat KK 11 fortgesetzt. Ausreichende Beweise für einen hinreichenden Tatverdacht betreffend den Angeklagten ergaben sich aus Sicht von Polizei und Staatsanwaltschaft bis zu diesem Zeitpunkt nicht. Dies änderte sich allerdings im Frühsommer 2013 durch die Zeugin U B.“ Nach den getroffenen Feststellungen des Landgerichts waren es mithin die Selbstbezichtigungen des früheren Angeklagten gegenüber der Zeugin B die den dringenden Tatverdacht begründeten und Ursache seiner Inhaftierung waren.
Entgegen der Ansicht des früheren Angeklagten handelte er auch grob fahrlässig. Der Freigesprochene hat die Untersuchungshaft dann zumindest grob fahrlässig verursacht, wenn er nach objektiven, abstrakten Maßstäben in ungewöhnlichem Maße die Sorgfalt außer Acht lässt, die ein verständiger Mensch in gleicher Lage aufwenden würde, um sich vor Schaden durch Strafverfolgungsmaßnahmen zu schützen, indem er schon einfachste naheliegende Überlegungen anzustellen versäumt oder dasjenige nicht bemerkt, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste, und so die Maßnahme „geradezu herausfordert“ (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 11.01.2012, 2 Ws 351/11, NStZ-RR 2013, 192).
Das Verhalten des früheren Angeklagten erfüllt diese Voraussetzungen.
Aufgrund der gegen ihn bereits angeordneten Ermittlungsmaßnahmen, der Heimunterbringung seines Kindes und seines Umzuges zu den Eltern nach C war ihm bewusst, dass er aus Sicht der Ermittlungsbehörden jedenfalls im Sinne eines Anfangsverdachtes verdächtig war, seine Ehefrau getötet zu haben. Ihm musste daher bewusst gewesen sein, dass seine Angaben gegenüber der Zeugin B, mit denen er sich selbst der vorsätzlichen Tötung seiner Ehefrau bezichtigte und detaillierte Ausführungen zum Tatgeschehen und zur Beseitigung der Leiche machte, den gegen ihn bereits bestehenden Anfangsverdacht zu einem dringenden Tatverdacht verstärken und den Erlass eines Haftbefehls gegen ihn rechtfertigen würden.
Der frühere Angeklagte durfte auch nicht darauf vertrauen, dass seine Selbstbezichtigung gegenüber der Zeugin B den Strafverfolgungsbehörden nicht zur Kenntnis gelangen würde. Es kann dabei dahinstehen, ob das zwischen der Zeugin B und dem früheren Angeklagten aufgezeichnete Gespräch vom 30.08.2013 im Rahmen der vorliegenden Entschädigungsentscheidung berücksichtigt werden darf. Jedenfalls aus den weiteren, für den Senat bindenden Feststellungen des Urteils folgt, dass dem früheren Angeklagten hätte einleuchten müssen, dass die Schilderung von Einzelheiten eines Kapitaldelikts zum Nachteil seiner Ehefrau im Ergebnis bekannt werden und Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihn auslösen würde. Nach den getroffenen Feststellungen hat die Zeugin B mit ihm im Juni 2013, nur zwei Monate nach dem sich beide kennengelernt hatten, gemeinsam die Strafakten gelesen und ihm - auch unter Hinweis auf seine Tätigkeit beim Sicherheitsdienst - dauernd vorgehalten, dass er mit der Tötung seiner Ehefrau etwas zu tun habe. Deshalb habe es zwischen ihnen auch „Stress“ gegeben. Die „ganze Fragerei“ und die Sache mit „Allmysterie“ - eine von der Zeugin B häufig besuchte Internetplattform, die sich mit ungeklärten Kriminalfällen befasst, auch dem Verschwinden von T E - seien ihm schon komisch vorgekommen. Es hätte sich dem früheren Angeklagten vor diesem Hintergrund und der von der Kammer geschilderten Persönlichkeit der Zeugin B, deren Leben das Zusammensein mit dem früheren Angeklagten eine besondere Bedeutung verlieh (Seite 33, 2. Absatz UA), aufdrängen müssen, dass die Zeugin B seine Selbstbezichtigung nicht für sich behalten würde. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdeschrift kommt es dabei auch nicht darauf an, ob der frühere Angeklagte nicht davon ausgegangen ist, dass die Zeugin B sich persönlich an die Polizei wenden würde. Ihm hätte sich jedenfalls aufdrängen müssen, dass sich die Zeugin B in einem der von ihr besuchten Internetforen oder auch, wie vorliegend geschehen, gegenüber einer Freundin, der Zeugin T2, offenbart, die sich ihrerseits an die Ermittlungsbehörden - wie geschehen - wendet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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