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Entscheidungen

Zivilrecht

Unfallschadenregulierung, Sachverständigenkosten, Darlegungslast

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Urt. v. 24.11.2017 - 22 U 93/15

Leitsatz: Holt der Geschädigte wegen eines Sachschadens an seinem Auto ein Sachverständigengutachten ein und fordert vom Schädiger bzw. der Haftpflichtversicherung eine Freistellung von den Kosten hat er zu der getroffenen Honorarvereinbarung vorzutragen, weil nur dann geprüft werden kann, ob er eine etwaige Überhöhung der Kosten erkenne konnte.


Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit pp.
hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstraße 30-33, 10781
Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 24.11.2016 durch den Vorsitzenden Richter am
Kammergericht, den Richter am Amtsgericht und die Richterin am Kammergericht für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Juli 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, Az.: 44 O 110/14, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 279,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Mai 2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen. Von den Kosten erster Instanz hat der Kläger 97% und die Beklagte 3% zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des nach den Urteilen vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, sofern nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10% leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Gründe

I.

Der Kläger nimmt die beklagte Haftpflichtversicherung auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 04.04.2013 in Anspruch, bei der sein Pkw beschädigt wurde. Die volle Einstandspflicht der Beklagten steht zwischen den Parteien außer Streit.

Der Kläger beauftragte den Kfz-Sachverständigen  am 05.04.2013 mit der Erstellung eines Schadensgutachtens, das dieser unter dem 09.04.2013 erstellte. Danach ergaben sich u.a. voraussichtliche Reparaturkosten in Höhe von 25.791,81 Euro netto, ein Wiederbeschaffungswert von ca. 17.250,- Euro netto sowie ein Restwert von 3.500,- Euro.

Für seine Tätigkeit stellte er dem Kläger insgesamt 3.999,71 Euro inklusive 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung, wobei auf das Grundhonorar 3.290,- Euro netto entfielen und insgesamt 71,10 Euro netto auf einzeln ausgewiesene Nebenkostenpositionen wie Fotokosten, Fahrtkosten, EDV-Schreibgebühren, Kosten für Büromaterial, Kalkulation-/Bewertungskosten sowie eine Nebenkostenpauschale. Den Rechnungsbetrag zahlte der Kläger nicht.

Auch die Beklagte leistete hierauf keine Zahlung, weil sie das Gutachten für unbrauchbar und die Rechnung für drastisch überhöht hält.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, soweit im Berufungsverfahren noch relevant, die Freistellung von den ihm in Rechnung gestellten Sachverständigenkosten in Höhe von 3.999,71 Euro und behauptet, mit dem Sachverständigen eine Honorarvereinbarung getroffen zu haben.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 15.07.2015 der Klage insoweit stattgegeben, weil der Kläger weder eine etwaige Unbrauchbarkeit des Gutachtens zu vertreten habe, insbesondere weil dem Sachverständigen die Vorschäden bekannt waren, noch ersichtlich sei, dass er – der Kläger - bei der Beauftragung des Sachverständigen hätte erkennen können, dass dessen Honorar das in der Branche Übliche deutlich übersteige.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiter. Sie hält an ihrem Bestreiten der behaupteten Preisvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen fest. Vorsorglich und hilfsweise macht sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend mit dem Ziel, eine etwaige Freistellung von den Sachverständigenkosten nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ersatzansprüche des Klägers gegen den Sachverständigen wegen fehlerhafter Begutachtung zu leisten. Sie meint, sie sei ohnehin mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in den Werkvertrag zwischen dem Kläger und dem Sachverständigen einbezogen und könne daher Einwendungen gegen das Sachverständigenhonorar im hiesigen Prozessverhältnis erheben.




Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15.07.2015 mit der Maßgabe abzuändern und die Klage abzuweisen, als dass eine Verurteilung über die Zahlung von 279,30 EUR nebst anteiliger Zinsen hinausgehend erfolgte.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und macht ergänzende Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen, der erstinstanzlichen Antragstellung und des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, im Übrigen auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig.

Auch in der Sache ist sie begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch nach § 18 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Freistellung von den Sachverständigenkosten.

Die zur Schadensfeststellung erforderlichen Kosten eines Kfz-Schadensgutachtens gehören zu den Kosten der Wiederherstellung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB und sind vom Schädiger bzw. seinem Haftpflichtversicherer zu erstatten. Denn der Geschädigte ist grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (BGH, Urteil vom 19.07.2016 – VI ZR 491/15 – Rn. 15 unter juris m.w.N.).

Als erforderlichen Herstellungsaufwand nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Geschädigte jedoch nur die Kosten erstattet verlangen, die dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprechen, mithin jene Kosten, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen.


Der danach erforderliche Herstellungsaufwand muss dabei auch die spezielle Situation des Geschädigten in den Blick nehmen, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten Rücksicht nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Dabei muss der Geschädigte grundsätzlich keine Marktforschung nach dem honorargünstigsten Sachverständigen betreiben (BGH, Urteil vom 19.07.2016, a.a.O., Rn 16 unter juris m.w.N.).

Allerdings obliegt ihm im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots grundsätzlich eine gewisse Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsschluss geforderten (bzw. später berechneten) Preise. Kann der Geschädigte erkennen, dass der Sachverständige Preise verlangt bzw. in Rechnung stellt, die die in der Branche üblichen Preise deutlich übersteigen, ist sein Ersatzanspruch auf die für die Gutachtenerstattung tatsächlich erforderlichen Kosten beschränkt, deren Höhe nach § 287 ZPO zu bemessen ist (BGH, Urteil vom 26.04.2016 – VI ZR 50/15 – Rn. 13 unter juris m.w.N.).

Die Darlegungslast für die schadensrechtliche Erforderlichkeit der Sachverständigenkosten nach den dargestellten Grundsätzen und den Anforderungen von § 287 ZPO obliegt dem Geschädigten (BGH, Urteil vom 19.07.2016, a.a.O., Rn. 18 m.w.N.). Dieser Darlegungslast genügt er regelmäßig durch Vorlage der – von ihm beglichenen – Rechnung des beauftragten Sachverständigen. Dem auf den Rechnungsbetrag vom Geschädigten geleisteten tatsächlichen Aufwand – nicht der Rechnung als solche – kommt für die Erforderlichkeit der Kosten im Rahmen des § 287 ZPO Indizwirkung zu. Hat der Geschädigte tatsächlich keinen Aufwand hierauf erbracht, fehlt es an der Indizwirkung der Rechnung (BGH, Urteil vom 19.07.2016, a.a.O., Rn. 19 unter juris).

Hat der Geschädigte den Rechnungsbetrag weder beglichen noch mit dem Sachverständigen bei Auftragserteilung eine Preisvereinbarung über die Honorarhöhe getroffen, gilt § 632 Abs. 2 BGB mit der Folge, dass die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen ist und die Sachverständigenkosten in dieser Höhe nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB in jedem Fall zu erstatten sind. Darauf, ob der Geschädigte möglicherweise deutlich überhöhte Gutachterkosten erkennen konnte, kommt es bei dieser Sachlage nicht an (vgl. Senat, Urteil vom 30.04.2015 – 22 U 31/14 – Rn. 42 unter juris). Für die Feststellung, ob der geltend gemachte Betrag üblich ist, gilt § 287 ZPO.

Behauptet hingegen der Geschädigte – wie hier der Kläger -, bei Beauftragung des Sachverständigen mit ihm eine Honorarvereinbarung getroffen zu haben und legt die von ihm nicht beglichene Rechnung des Sachverständigen vor, muss der Geschädigte zur schlüssigen Darlegung seiner Klageforderung auch zum Inhalt der zugrundeliegenden Preisvereinbarung – insbesondere zur vereinbarten Höhe des Honorars – konkret und im Einzelnen, ggf. unter Vorlage der schriftlichen Vereinbarung, vortragen. Denn nur dann kann zur Ermittlung der Erforderlichkeit der Kosten geprüft werden, ob der Sachverständige Preise verlangt und später in Übereinstimmung mit der Preisvereinbarung berechnet hat, die – für den Geschädigten erkennbar - deutlich überhöht sind oder nicht. Eine fiktive Erstattung von Sachverständigenkosten kommt ohnehin nicht in Betracht (vgl. Jahnke in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl., 2016, § 249 Rn. 149).

Im vorliegenden Fall fehlt es an einem konkreten Tatsachenvortrag des Klägers zu den erforderlichen Einzelheiten der erstinstanzlich behaupteten und von der Beklagten bestrittenen Honorarvereinbarung. Auch in der mündlichen Berufungsverhandlung ging der Klägervortrag nach Erörterung möglicher Bedenken gegen die Schlüssigkeit nicht über die schlichte Behauptung einer Honorarvereinbarung hinaus, so dass die hier auf Freistellung von den berechneten Sachverständigenkosten gerichtete Klageforderung aus den vorgenannten Gründen nicht schlüssig dargelegt und die Klage daher insoweit abzuweisen ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 710 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).


Einsender: VorsRiKG Dr. Müther, Berlin

Anmerkung:


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