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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Strafvollstreckungsverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Köln, Beschl. v. 21.11.2016 - 108 Qs 44/16

Leitsatz: Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren


108 Qs 44/16
LANDGERICHT KÖLN
BESCHLUSS
In der Bewährungssache pp.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
hier Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung und Beiordnung eines Pflichtverteidigers
hat die achte große Strafkammer des Landgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht am 21.11.2016 beschlossen:

1. Dem Beschwerdeführer wird durch Entscheidung des Vorsitzenden Frau Rechtsanwältin von Braunschweig aus Köln als Pflichtverteidigerin im Verfahren über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (Beschwerdeverfahren) beigeordnet.
2. Dem Beschwerdeführer wird antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
3. Die sofortige Beschwerde des gegen den Beschluss des Amtsgerichts pp. wird auf Kosten Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.

Gründe:
Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Amtsgerichts pp. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minderschweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil wurde am 15.04.2014 rechtskräftig. Mit Beschluss vom selben Tag wurde die Bewährungszeit auf zwei Jahre festgelegt und dem Beschwerdeführer unter anderem aufgegeben, sich straffrei zu führen.

Mit Urteil des Landgerichts pp. wurde der Beschwerdeführer wegen schweren Bandendiebstahls in acht Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Die Verurteilung bezieht sich auf einen Tatzeitraum vom 15.06.2015 bis zum 27.09.2015. Der Beschwerdeführer legte zunächst Revision gegen das Urteil ein.

Mit Vermerk vom 01.08.2016 teilte die Berichterstatterin der Strafkammer des Landgerichts pp. mit, dass die Verurteilung des Beschwerdeführers auf einem „richterlichen Geständnis" beruhe. Unter dem 24.08.2016 beantragte die Staatsanwaltschaft Köln, die Strafaussetzung zur Bewährung zu widerrufen. Dem Beschwerdeführer wurde mit Schreiben vom 30.08.2016 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Da der Beschwerdeführer seine Revision gegen das Urteil des Landgerichts letztlich zurücknahm, wurde dieses für ihn am 15.09.2016 rechtskräftig.

Am 04.10.2016 widerrief das Amtsgericht pp. die Strafaussetzung zur Bewährung aus seinem Urteil vom 15.04.2014 mit dem angegriffenen Beschluss. Dieser Beschluss nebst Rechtsmittelbelehrung wurde dem Beschwerdeführer am 11.10.2016 in der Justizvollzugsanstaltzugestellt.

Am 03.11.2016 legte der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Verteidigerin, sofortige Beschwerde gegen den Widerruf der Bewährung ein und beantragte hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete er damit, er sei davon ausgegangen, der Beschluss über den Widerruf der Bewährung werde seiner Verteidigerin ebenfalls zugestellt und diese werde die sofortige Beschwerde fristwahrend einlegen. Es lägen „nicht ausräumbare Verständnis-schwierigkeiten" zugrunde. In der Sache begründete er die sofortige Beschwerde damit, der Bewährungswiderruf sei unverhältnismäßig. Er befinde sich seit Januar 2016 in Untersuchungshaft, womit der Vorwegvollzug von drei Monaten (bezüglich des Urteils des Landgerichts pp) die abgegolten sei. Auch von der widerrufenen Strafe sei dadurch bereits mehr als die Hälfte „abgesessen". Als mildere Maßnahme sei es geboten, ihn in die Entziehungsanstalt zu überführen.

Ferner beantragte er, ihm seine Verteidigerin als Pflichtverteidigerin für das Verfahren über den Widerruf der Bewährung beizuordnen.

II.
1. Die Voraussetzungen zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers liegen vor. Im Vollstreckungsverfahren ist in entsprechender Anwendung des § 140 Abs. 1 StPO dem Verurteilten ein Verteidiger zu bestellen, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig oder sonst ersichtlich ist, dass sich der Betroffene nicht selbst verteidigen kann oder wenn die Entscheidung von besonders hohem Gewicht ist (KG, NStZ-RR 2006, 211 m.w.N.). Dabei ist die vollstreckungsrechtliche Situation maßgebend. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Sach- und Rechtslage schwierig ist. Dies betrifft zum einen die Frage des Vorwegvollzugs bzw. einer etwaigen Anrechnung von Haftzeiten. Hinzu kommt die Problematik der versäumten Beschwerdefrist, die nachfolgend näher ausgeführt wird. Beide Sachlagen sind für einen juristischen Laien schwierig zu beurteilen, sodass ein adäquates Vorbringen nur mithilfe eines Verteidigers möglich ist.

2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaftes Rechtsmittel gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 453 Abs. 2 S. 3 StPO, § 56f StGB. Zwar hat der Beschwerdeführer die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde versäumt. Diese beträgt gemäß § 311 Abs. 1, 2 StPO eine Woche ab Bekanntmachung und ist somit am 18.10.2016 abgelaufen. Auf seinen Antrag hin war dem Beschwerdeführer jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 44 StPO zu gewähren, da er glaubhaft gemacht hat, die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde unverschuldet versäumt zu haben. Zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Verteidigerin lag augenscheinlich ein Missverständnis vor, welches dazu führte, dass entgegen dem Willen des Beschwerdeführers keine sofortige Beschwerde eingelegt wurde. Die - nunmehr hier als Pflichtverteidigerin beigeordnete - Rechtsanwältin von Braunschweig hatte den Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landgericht verteidigt; sie war daher von seinem Standpunkt aus seine „aktuelle" Verteidigerin. Vor diesem Hintergrund ist es dem Beschwerdeführer als juristischem Laien nicht anzulasten, wenn er davon ausging, die Bestellung der Verteidigerin sei auch dem Amtsgericht pp. zur dortigen Bewährungssache aktenkundig geworden und würde daher der Widerrufsbeschluss nach § 145a StPO auch seiner Verteidigerin zugestellt.

3. Die sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.

Es liegt ein Widerrufsgrund gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB vor. Gegen den Beschwerdeführer liegt eine weitere Verurteilung vor, deren zugrundeliegende Taten in der Bewährungszeit begangen wurden, Die Verurteilung ist rechtskräftig. Der Beschwerdeführer hat damit die Erwartung, die der Strafaussetzung zur Bewährung in diesem Verfahren zugrundelag, nicht erfüllt.

Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ist auch nicht unverhältnismäßig. Zwar ist zu erwägen, nach § 56f Abs. 2 StPO weitere Auflagen oder Weisungen zu erteilen bzw. die Bewährungszeit zu verlängern, wenn der Betroffene betäubungsmittelabhängig ist und in Kürze eine Erfolg versprechende Therapie antreten kann. Hiergegen ist jedoch stets abzuwägen, ob Maßnahmen nach § 56f Abs. 2 StPO ausreichen, um die der Aussetzung zugrunde liegende Prognose wieder herzustellen. Das ist hier nicht der Fall. Die dem Urteil des Landgerichts pp. zugrundeliegenden Taten sind ihrer Art und Schwere nach von nicht unerheblichem Gewicht, was sich in dem ausgeurteilten Strafmaß von vier Jahren und sechs Monaten widerspiegelt. Aus dem Urteil ist ersichtlich, dass die dortige Kammer bei der Strafzumessung zugunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt hat, dass ihm ein Bewährungswiderruf droht. Dieser Umstand ist also bereits strafmildernd in das Urteil eingeflossen. Die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer seit Januar 2016 in Untersuchungs- bzw. Strafhaft befindet, macht den Widerruf daher nicht unverhältnismäßig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.


Einsender: RÄin B. von Braunschweig, Köln

Anmerkung:


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